Ein Streiflicht über die Leipziger Buchmesse 2015

In diesem Jahr begann für mich die Leipziger Buchmesse schon am Mittwochabend mit dem Festakt zur Eröffnung im Leipziger Gewandhaus. Zwischen Kompositionen von Wagner und Beethoven, den Reden der Abgesandten aus Stadt und Land, der Leipziger Buchmesse sowie des Börsenvereins d. Dt. Buchhandels zur aktuellen Situation am deutschen Buchmarkt im Allgemeinen und zum 50-jährigen Bestehen der deutsch-israelischen Beziehungen (Messeschwerpunkt Israel) im Besonderen, wurde dem rumänischen Schriftsteller Mircea Cărtărescu der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2015 verliehen. Cărtărescu erhielt den mit 15.000 Euro dotierten Literaturpreis für seine Romantrilogie „Orbitor (Die Wissenden (2009), Der Körper (2011), Die Flügel (2014)„. Die sehr persönliche und eindrucksvolle Laudatio trug der Schriftsteller Uwe Tellkamp vor; beide sind nach eigenen Angaben seit Jahren befreundet.

Erstmals waren in diesem Jahr Blogger dazu aufgerufen, den Preis der Leipziger Buchmesse als „Bloggerpaten“ zu begleiten. Fünfzehn ausgewählte Literatur- und Buchblogger, darunter ich, erhielten die Gelegenheit, ein nominiertes Werk vor Preisvergabe zu rezensieren. Damit verbunden war u.a. die persönliche Einladung zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse in das Gewandhaus. Organisatorin und Ansprechpartnerin Vera Lejsek hatte zunächst alle Hände voll zu tun, ihre „Schäfchen“ zu versammeln. Letztendlich trafen sich dreizehn der fünfzehn Bloggerpaten auf ein erstes Stelldichein nach dem feierlichen Festakt. Abgesehen von Arndt Stroscher, den ich vor einigen Jahren zufällig im Gartenhaus bei LovelyBooks getroffen hatte, kannte ich niemanden. Das änderte sich schnell. Als Generationenbrücke diente die Gemeinsamkeit des Bloggens.  Die Atmosphäre war ungezwungen und herzlich. Die für Donnerstagnachmittag anstehende Preisverleihung unserer „Paten-Bücher“ sorgte für erwartungsvolle Spannung. Während einige Blogger für die nächsten Tage bereits Termine bei verschiedenen Verlagen oder mit Autorinnen und Autoren vereinbart hatten, freute ich mich auf unzählige Interviews, Lesungen und Diskussionen, die ich mir aus dem Veranstaltungsprogramm herausgesucht hatte und besuchen wollte.

Bloggerpaten der Leipziger Buchmesse 2015
(v.l.n.r) Arndt Stroscher (AstroLibrium), Vera Lejsek (Organisatorin und Ansprechpartnerin), Thomas Brasch (Brasch & Buch), Tilmann Winterling (54books), Sophie Weigand (Literaturen), Mara Giese (Buzzaldrins Bücher), Charlotte Lacroix (Besonderes Buch), Christian Köhne (Der Literaturpirat), Tobias Nazemi (Buchrevier), Jacqueline Böttger (Lesevergnügen), Antonia Ganzer (Meinungskonsum), Nicole Ackermann (Urwort) und Constanze Matthes (Zeichen und Zeiten) Foto: © Mara Giese

Am Donnerstagmorgen ging es dann zum Messegelände. Obwohl die Messe mit 186.000 Besucher (2014: 175.000) einen neuen Rekord verzeichnet hat, kam es mir an diesem Morgen verhältnismäßig ruhig vor. Die Vorbereitungen für die Buchpreisverleihung am Nachmittag hatten schon begonnen.

Der erste Weg führte mich in Halle 4 zum Literaturforum. Hier stellten die nominierten Autorinnen und Autoren für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik ihre Bücher vor.
Ursula Ackrill: „Zeiden, im Januar„, Teresa Präauer: „Johnny und Jean„, Norbert Scheuer: „Die Sprache der Vögel„, Jan Wagner: „Regentonnenvariationen“ und Michael Wildenhain: „Das Lächeln der Alligatoren„.

Gleich im Anschluss präsentierten sich die Nominierten der Kategorie Sachbuch/Essayistik.
Philipp Felsch: „Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960-1990„, Karl-Heinz Göttert: „Mythos Redemacht. Eine andere Geschichte der Rhetorik„, Reiner Stach: „Kafka: Die frühen Jahre„, Philipp Ther: „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa“ und Joseph Vogl: „Der Souveränitätseffekt„.

Um 15.30 Uhr stand dann ein nächstes Treffen mit den Bloggerpaten auf dem Programm. Gemeinsam nahmen wir an der feierlichen Preisverleihung und Bekanntgabe der Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse in den drei Kategorien teil. Um Punkt 16 Uhr eröffnete der Jury-Vorsitzende Hubert Winkels, zum vorerst letzten Mal, wie er im Anschluss verkündete, die Preisverleihung.

  • Mirjam Presssler wurde für ihre Übersetzung des Romans „Judas“ von Amos Oz ausgezeichnet. Sichtlich gerührt und glücklich nahm die Schriftstellerin Arm in Arm mit Amos Oz die Auszeichnung entgegen. Kurze Zeit später hatten die Mitarbeiter des Suhrkamp-Verlags erneut Grund zum Jubeln.
  • In der Kategorie Sachbuch wurde mit Philipp Ther „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa“ ein zweiter Titel des Verlags prämiert. Mein „Paten-Buch“ hatte also gewonnen und obwohl ich keinerlei Einfluss auf die Entscheidung hatte, wünschte ich mir natürlich, dass es so kommen würde. Der sympathische Autor verkündete bei der Preisverleihung, einen Teil seines Preisgeldes den ehemaligen Kollegen an der Akademie der Wissenschaften in Lemberg zukommen zu lassen.
  • Jan Wagner erhielt schließlich den Belletristik-Preis für seinen Gedichtband „Regentonnenvariationen“ (Hanser Verlag). Damit wurde zum ersten Mal ein lyrisches Werk mit diesem Preis ausgezeichnet. „Jan Wagners Gedichte schenken dem Kleinen, dem Nebensächlichen Beachtung. Sie haken sich im Gedächtnis fest, sind anschaulich, spezifisch, von zurückhaltender Intelligenz„, heißt es in der Jurybegründung.

Nachfolgend einige Highlights von der Buchmesse, vereint in einer kleinen Fotostrecke:

  • Unter dem Motto „Mörderisch gut!“ diskutierte die Journalistin Lore Kleinert mit den Krimiautoren Zoë Beck („Schwarzblende„) und Volker Kutscher („Märzgefallene„) bei ARTE.
  • Nicht sterben“ lautet der Titel, unter dem die mit dem Deutschen Buchpreis 2013 ausgezeichnete Schriftstellerin Terézia Mora ihre in Frankfurt gehaltenen Poetik-Vorlesungen veröffentlicht hat. Terézia Mora sprach darüber mit Joachim Scholl beim Deutschlandradio.
  • Sichtlich Vergnügen bereitete es Sibylle Berg und Susan Christely bei 3Sat einen leicht schlüpfrigen Dialog aus Bergs neuen Roman „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“ vorzulesen.
  • Vor einigen Tagen brachte Judith einen Uhu in die Notfallambulanz.“ …so beginnt der neue Roman von Arno Geiger „Selbstporträt mit Flusspferd„. Wolfgang Tischer diskutierte mit dem Autor in seinem Literaturcafé darüber.
  • Das Interesse war groß, als Martin Suter beim Diogenes Verlag eine Kostprobe aus seinem im Februar 2015 erschienenen Krimi „Montecristo“ zum Besten gab. Der Schweizer Autor beschwört ein düsteres und spannendes Szenario aus der Welt der Banker, Börsenhändler, Journalisten und Politiker.
  • Viel mediale Aufmerksamkeit erhielt Kristof Magnussons „Arztroman„, in dem der Autor die beruflichen und privaten Konflikte der Notärztin Dr. Anita Cornelius schildert und beiläufig Themen wie das Gesundheitswesen oder das Phänomen der Gentrifizierung behandelt.
  • Der Journalist Jörg Plath sprach bei ARTE mit der Autorin Marica BodroŠ¾ić über ihren Roman „Mein weißer Frieden, erschienen im Luchterhand Literaturverlag.
  • Sven Marquardt, Fotograf und bekannter Türsteher des Technoclubs Berghain, stellte in der LVZ Arena seine Autobiografie „Die Nacht ist Leben“ vor.
  • Über „Doppelte Identitäten in der Literatur“ diskutierten Andreas Görgen, Nino Haratischwili und Ayman Sikseck mit Alexander Kissler im Europacafé. Nino Haratischwili, die mit ihrem Roman „Das achte Leben (Für Brilka)“ u.a. für den Bayerischen Buchpreis 2014 nominiert war, hatte leider keine weiteren Termine auf dem Messegelände.

„Mein“ ganz persönliches Buch der Messe stammt aus der Feder des israelischen Schriftstellers Meir Shalev. „Zwei Bärinnen“ erschien in der deutschsprachigen Übersetzung im September 2014 bei Diogenes.
Kurzbeschreibung
Auge um Auge, Zahn um Zahn †“ ein Roman über Leidenschaft und Untreue, über Verlust, Rache und deren Sühne. Die Familie Tavori betreibt im Norden Israels in der dritten Generation eine Gärtnerei. Es sind Menschen, die ihren Instinkten und Emotionen folgen: ihrer Liebe ebenso wie ihrem Hass. Eine erschütternde Familiensaga und ein unkonventioneller literarischer Thriller von archaischer Wucht.

Meir Shalev_Leipziger Buchmesse 2015
Meir Shalev

Zum fünften Mal in Folge habe ich in diesem Jahr die Leipziger Buchmesse besucht. Die Zeremonie der Preisverleihung am Donnerstagnachmittag ist mir vertraut, die meisten Veranstaltungsorte in den riesigen Hallen finde ich mittlerweile auf Anhieb. Dennoch war der Besuch in Leipzig dieses Mal etwas ganz Besonderes. Ich war nicht nur als Bloggerin unterwegs, sondern auch als „Buch-Patin“. Ich hoffe sehr, dass dieses innovative Projekt, „buchmesse:blogger“ explizit mit einzubeziehen, auch in Zukunft ein Teil der Leipziger Buchmesse sein wird und sich vielleicht sogar bis nach Frankfurt herum spricht. Ebenso wünsche ich mir, in den nächsten Jahren die neu geschaffene Bloggerlounge wieder vorzufinden. Auch wenn ich sie erst am Freitag, hier fand um 13 Uhr ein Treffen der Buchpaten mit nominierten Autorinnen und Autoren des PdLBM statt, entdeckt habe, war die Lounge ein schöner Ort für Bloggertreffs – egal, ob man nun einen Blogartikel schreiben, ein Interview führen oder einfach nur eine Tasse Kaffee in netter Runde trinken wollte.

Abschließend möchte ich mich bei den wunderbar aufgeschlossen „Bloggerpaten“ für die freundliche Aufnahme in ihrer Mitte und bei Vera Lejsek für die liebenswerte  Begleitung bedanken. Mein Dank richtet sich auch an die Leipziger Buchmesse, die mir diesen nicht ganz einfachen, aber äußerst spannenden Titel zugedacht hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut, Stefanie Leo von Bücherkinder.de und Jungverlegerin Grit Richter vom Art Skript Phantastik Verlag endlich persönlich kennengelernt zu haben. Interessant und gleichermaßen erstaunlich war die Begegnung mit Kerstin Hämke. Auf Mein-Literaturkreis.de veröffentlicht sie Buchtipps und gibt Anleitungen für Gruppen, die „gemeinsam die schönsten Seiten entdecken“ möchten.

Bis zum nächsten Jahr in Leipzig.