Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2011 geht an Boualem Sansal

Während die Wahrheit den Bruchteil einer Sekunde braucht, um zu explodieren, benötigt man ein ganzes Leben und oft mehr, um wieder Ordnung in seine Gedanken zu bringen.“ Boualem Sansal

Am 09.06.2011 hat Dr. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenverein, bekanntgegeben, dass der algerische Schriftsteller Boulalem Sansal mit dem diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird. Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist ein internationaler Friedenspreis, der an Persönlichkeiten verliehen wird, „die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben„. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert und wird Boualem Sansal am 16.10.2011 während der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen.

Boualem Sansal wurde 1948 in Téniet el Had (Algerien) geboren. Erst im Alter von 50 Jahren begann die literarische Karriere des gelernten Ingenieurs und promovierten Ökonoms. Sein erster Roman „Der Schwur der Barbaren“ wurde von der Kritik gefeiert und mit dem Prix du Premier Roman ausgezeichnet. Als Direktor im algerischen Industrieministerium wurde er jedoch entlassen.

In seinem gesamten Werk setzt sich Boualem Sansal auf bisher ungehörte Weise mit der traumatischen Situation in Algerien auseinander. Ob Literatur bei der Suche nach einer besseren Wirklichkeit für die Menschen in den arabischen Ländern helfen kann, bezweifelt der Schriftsteller. Dennoch kann er nicht aufhören zu schreiben: Die Literatur brauche er in seinem inneren Exil wie die Luft zum Atmen, so Boualem Sansal.

Fünf Romane und zwei Essaybände hat der auf Französisch schreibende Autor bisher veröffentlicht. Sansals deutschsprachigen Übersetzungen sind seit 2003 kontinuierlich im Merlin Verlag erschienen. Der Debütroman „Der Schwur der Barbaren“ ist ein Politkrimi, der die Schrecken des algerischen Bürgerkrieges zum Thema hat. In seinem zweiten Roman „Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum“ führen die beiden zum Tode verurteilten Hauptfiguren stellvertretend für Algerien und Europa einen erkenntnisreichen Dialog. „Erzähl mir vom Paradies“ erschien auf Deutsch zum Buchmessenschwerpunkt „Arabische Welt“ (2004). Nicht mit einem Happy End, aber mit einem versöhnlichen Schluss thematisiert „Harraga“, der vierte Roman, die Lebensumstände der perspektivlosen, illegalen Flüchtlinge aus Nordafrika und die Rolle der Frauen in islamisch geprägten Gesellschaften. Im Essay „Postlagernd: Algier“ fordert Sansal eine wahrhafte Demokratie, in der die Vision einer aufgeklärten Weltbevölkerung Gestalt annehmen könnte. Seitdem sind seine Werke in Algerien verboten. Boualem Sansal, das „unbequeme Gewissen Algeriens“ (taz) attackiert die Tabus der nordafrikanischen Gesellschaft
Zuletzt erschien 2010 der Roman „Das Dorf des Deutschen“ von Boualem Sansal. Damit wurde er auch hierzulande für eine breite Leserschaft ein Begriff.

Kurzbeschreibung „Das Dorf der Deutschen“
Boualem Sansal verbindet in seinem Roman die Tabuisierung des Holocausts in der arabischen Welt mit der tristen Realität der Einwanderer in den europäischen Vorstädten und den Methoden der Islamisten.Dies ist die Geschichte des Deutschen Hans Schiller und seiner beiden Söhne Rachel und Malrich. Die Brüder wuchsen fernab der Eltern in der Pariser Banlieu auf. Sie sind in Frankreich geblieben. Rachel hat Karriere gemacht: er hat einen guten Job, ein kleines Häuschen, ein Auto, eine Frau – und die französische Staatsangehörigkeit. Sein jüngerer Bruder Malrich steht am Rande der Gesellschaft: ohne Ausbildung, ohne Job und ohne Perspektive lebt er als Mitglied seiner multikulturellen Clique in der Vorstadt. Als die Eltern der beiden im fernen Algerien auf grausame Weise bei einem Attentat der Islamisten umgebracht werden, gerät das Leben der Brüder aus dem Lot. Die Trauer um die Eltern bringt zugleich eine erschütternde Erkenntnis zu Tage: Der Vater, den sie bisher als einen vielgeachteten Held des algerischen Unabhängigkeitskampfes kannten, hat eine unerträgliche Vergangenheit … Rachel zerbricht daran; Malrichs Versuch zu verstehen, führt ihn von der Nazi-Vergangenheit seines Vaters in die Abgründe der Gegenwart.

Der Friedenspreis geht auf die Initiative weniger Schriftsteller und Verleger im Jahr 1949 zurück und wurde 1950 erstmals als „Friedenspreis deutscher Verleger“ in Hamburg verliehen. 1951 wurde er zu einem Preis des gesamten Buchhandels durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Er wurde 1972 erstmals auch postum verliehen. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat bestimmt. Vorschläge können von jedermann kommen und müssen hinreichend begründet und belegt sein.

Herzlichen Glückwunsch an Boualem Sansal.

Quelle: Merlin Verlag

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