Ingeborg-Bachmann-Preis 2011 geht an Maja Haderlap

Die österreichische Autorin Maja Haderlap hat den Ingeborg-Bachmann-Preis 2011 gewonnen. Sie setzte sich mit ihrem ruhigen, poetischen Text Im Kessel – einem Auszug aus ihrem Romandebüt „Engel des Vergessens“ in Klagenfurt gegen 13 weitere Nachwuchsautorinnen- und autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch.  Maja Haderlap erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro.

Die 1961 geborene und in Klagenfurt lebende Autorin beleuchtet in ihrer Dorf- und Familiengeschichte den Widerstand der Kärntner Slowenen gegen die deutsche Wehrmacht. Haderlap habe der Geschichte der Kärntner Partisanen eine Stimme gegeben, begründete Jurorin Daniela Strigl, die sie für den Wettbewerb vorgeschlagen hatte, ihre Wahl. „Sie beschreibt es bedächtig, mit großer Genauigkeit und ohne Hass„, sagte Strigl.

Kurzbeschreibung „Engel des Vergessens“
Ein großes Romandebüt, das von einem Leben in der Mitte Europas erzählt; mit kraftvoller Poesie; Geschichten, die uns im Innersten betreffen.Maja Haderlap gelingt etwas, das man gemeinhin heutzutage für gar nicht mehr möglich hält: Sie erzählt die Geschichte eines Mädchens, einer Familie und zugleich die Geschichte eines Volkes. Erinnert wird eine Kindheit in den Kärntner Bergen. Überaus sinnlich beschwört die Autorin die Gerüche des Sommers herauf, die Kochkünste der Großmutter, die Streitigkeiten der Eltern und die Eigenarten der Nachbarn.

Erzählt wird von dem täglichen Versuch eines heranwachsenden Mädchens, ihre Familie und die Menschen in ihrer Umgebung zu verstehen. Zwar ist der Krieg vorbei, aber in den Köpfen der slowenischen Minderheit, zu der die Familie gehört, ist er noch allgegenwärtig. In den Wald zu gehen hieß eben „nicht nur Bäume zu fällen, zu jagen oder Pilze zu sammeln“. Es hieß, sich zu verstecken, zu flüchten, sich den Partisanen anzuschließen und Widerstand zu leisten. Wem die Flucht nicht gelang, dem drohten Verhaftung, Tod, Konzentrationslager. Die Erinnerungen daran gehören für die Menschen so selbstverständlich zum Leben wie Gott. Erst nach und nach lernt das Mädchen, die Bruchstücke und Überreste der Vergangenheit in einen Zusammenhang zu bringen und aus der Selbstverständlichkeit zu reißen und schließlich als (kritische) junge Frau eine Sprache dafür zu finden.

Eindringlich, poetisch, mit einer bezaubernden Unmittelbarkeit. Maja Haderlap hat eine gewaltige Geschichte geschrieben… Die Großmutter wie noch keine, der arme bittere Vater wie noch keiner, die Toten wie noch nie, ein Kind wie noch keines. (Peter Handke)

Die österreichisch-slowenische Vergangenheit ist nach Angaben Strigls zwar historisch, aber bisher kaum literarisch aufgearbeitet worden. Haderlap sei ein „Glücksfall, bei dem der Stoff zur Gestaltung gedrängt hätte.

„Das sind Geschichten, die mich mein ganzes Leben begleitet haben“, sagte die Gewinnerin, die auf Deutsch und Slowenisch schreibt, in einer ersten Reaktion. Sie sei damit aufgewachsen.

Über die Autorin
Maja Haderlap, geb. 1961 in Eisenkappel/Zelezna Kapla (Österreich), studierte Theaterwissenschaft und Germanistik an der Universität Wien. Sie war von 1992 bis 2007 Chefdramaturgin am Stadttheater Klagenfurt und unterrichtet regelmäßig am Institut für Angewandte Kulturwissenschaft der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt. Seit 2008 lebt Maja Haderlap als freie Schriftstellerin in Klagenfurt. Sie veröffentlichte Gedichtbände auf Slowenisch und Deutsch sowie Übersetzungen aus dem Slowenischen. „Engel des Vergessens“ ist ihr Romandebüt.

Mit dem Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, der seit 1977 in Klagenfurt stattfindet und mit der Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises verbunden ist, wird die Erinnerung in die österreichische Dichterin (1926-1973) aufrechterhalten. Bachmann schrieb zahlreiche Erzählungen, Gedichte und Hörspiele. Sie gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.

Haderlap setzte sich erst im vierten Wahlgang gegen den Deutschen Steffen Popp durch. Der in Berlin lebende Autor erhielt dann aber für seine Spurensuche in einem thüringischen Dorf den mit 10.000 Euro dotierten Kelag-Preis.

Der mit 7500 Euro dotierte 3sat-Preis ging an die junge deutsche Autorin Nina Bußmann.

Zuschauerliebling war der Berliner Thomas Klupp mit seinem unterhaltsamen Text „9to5 Hardcore“, in dem es um Pornografie und den Universitätsbetrieb geht. Er erhielt den Publikumspreis.

Der mit 7000 Euro dotierte Ernst-Willner-Preis ging an Leif Randt. Dieser Sonderpreis des Klagenfurter Wettbewerbs bietet den Verlagen aus dem deutschen Sprachraum, die ihn gestiftet haben, eine legitime eigene Public-Relations-Plattform.

Quelle: Tagesschau.de

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