Am 11. Oktober 2010 ist im Diana Verlag der Debütroman des Drehbuchautors Stefan Rogall erschienen. Stefan Rogall schreibt seit 10 Jahren Drehbücher für Komödien und Kriminalfilme. Für „Polizeiruf 110: Kleine Frau“ wurde Stefan Rogall mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Mit „Verliebt, verschneit, verzaubert“ hat Stefan Rogall einen liebenswerten Roman zur Einstimmung in die Weihnachtszeit geschrieben.
Stefan Rogall über die Entstehung seines Romans „Verliebt, verschneit, verzaubert“:
Es war der erste Advent, und ich saß im Zug. Die Strecke Köln-Berlin, an einem Tag hin und zurück, ungefähr neun Stunden. Viel Zeit zum Nachdenken. Genau richtig, wenn man eine Geschichte schreiben will. Aber wie fängt man an? Für mich beginnt es immer mit einem Bild. Etwas, das ich sehe, löst in meinem Kopf weitere Bilder aus, und irgendwie fügen die sich zusammen. Auf dieser langen Zugfahrt sah ich eine junge Frau und einen Mann, die hintereinander durch das Abteil gingen. Und während er von der Fliehkraft hin und her geschleudert wurde, ging sie traumsicher geradeaus. Er schien voller Sorgen, sie voller Leichtigkeit. Zwei Gegensätze, die meiner Ansicht nach wunderbar zur Weihnachtszeit passen. Zu keiner Zeit prallen schließlich so viele Hoffnungen und Enttäuschungen aufeinander, so viel Nostalgie und Zynismus †“ ein perfektes Spannungsfeld für eine Komödie. Meine Hauptfigur Ben pendelt kräftig zwischen diesen Polen hin und her. Einerseits zweifelt er an dem Zauber, der von Weihnachten ausgeht. Andererseits hofft er, dass dieser Zauber wieder in sein Leben zurückkehrt †“ was auch passieren wird, allerdings anders, als Ben es erwartet …
Über den Autor:
Stefan Rogall, Jahrgang 1969, schreibt seit zehn Jahren erfolgreich Drehbücher für Komödien und Kriminalfilme. Für Polizeiruf 110: Kleine Frau hat er den Adolf-Grimme-Preis erhalten. Verliebt, verschneit, verzaubert ist sein erster Roman.
Kurzbeschreibung
Ein Geschenk des Himmels …
Wenn der sechsunddreißigjährige Ben eines nicht ist, dann in Weihnachtsstimmung. Nach beinahe zehn Jahren ist seine Ehe in die Brüche gegangen, sein Arbeitgeber steht kurz vor der Pleite, und die Aussicht auf Weihnachten im Kreis der Patchwork-Familie trägt auch nicht zu Bens Erheiterung bei. Als er im Zug nach Hause Lili begegnet, ist er alles andere als gesprächig. Doch irgendetwas hat die junge Frau, das ihn auf beinahe magische Weise fasziniert. Spontan lädt Ben sie ein, Weihnachten mit ihm und seiner Familie zu verbringen †” und hat keine Ahnung, wie sehr die kommenden Tage sein Leben verändern werden …
Leseprobe:
23. Dezember
»Und †“ schon in Stimmung?«
Ben hoffte inständig, dass seine Chefin die Weihnachtszeit meinte. Was angesichts ihres Hangs zu Zweideutigkeiten und ihrer wie immer einen Knopf zu weit aufgeknöpften Bluse nicht unbedingt klar war.
Zwei Sätze später gab es jedoch keinen Zweifel mehr: Ja, Bens Chefin hatte das bevorstehende Weihnachtsfest gemeint, und ihre Ankündigung, die Urlaubstage »zwischen den Jahren« zu streichen, hatte nun alles versaut. Bens letzter Urlaub lag anderthalb Jahre zurück, und seine Wochenenden bestanden im Wesentlichen aus liegen gebliebener Arbeit, um am folgenden Montag nicht gleich wieder eine Aufholjagd starten zu müssen. Dazu all die privaten Querelen der letzten Jahre … Ben hatte auf die herannahende Weihnachtszeit nicht nur hingearbeitet, er hatte ihr verzweifelt entgegengefiebert. Ohne jene Tage, die zwischen Weihnachten und Neujahr lagen wie eine Insel, die die Zeit vergessen hatte, würde er entweder einen ohrenbetäubenden Schreikrampf erleiden oder seinen Schreibtisch umdrehen und darauf nackt das Treppenhaus hinunterrodeln.
Natürlich erlaubte Ben sich beides nicht. Stattdessen hörte er sich geduldig die vermutlich sogar ernst gemeinten Entschuldigungen seiner Chefin an, mit denen sie zu rechtfertigen versuchte, warum er und seine Kollegen sofort nach den Feiertagen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren mussten.
Es waren schließlich harte Zeiten. Und jeder konnte froh sein, überhaupt einen Job zu haben. Dass sie selbst einen Kunden an Land gezogen hatte, der die Agentur vor dem sicheren Konkurs retten würde (wenigstens für ein paar weitere Monate), grenzte an ein Wunder. Ein Weihnachtswunder, wie sie hinzufügte und dabei die Winkel ihres blutrot geschminkten Mundes in die Höhe zog. Natürlich verdankte man dieses Wunder nicht nur ihrem überragenden Intellekt, sondern vor allem auch ihrem unnachahmlichen Charme. Warum Bens Chefin diesen Charme erst jetzt, nach dem ernüchternden letzten Besuch des Steuerberaters, hatte spielen
lassen, durfte allerdings niemand zum Thema machen. Ebenso wenig die Tatsache, dass sie den rettenden Überraschungskunden nur durch das Versprechen preiswerter (also schamlos unterbezahlter) und schneller (unter diesem Zeitdruck nicht zu bewältigender) Arbeit geködert hatte, und zwar nach einer durchzechten Nacht, an deren Ende sie mit rasenden Kopfschmerzen und ohne Unterwäsche neben dem selig schnarchenden Kunden aufgewacht war und es nicht hatte erwarten können, unter die Dusche zu kommen. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, hatte Ben auch noch versprochen, über die Feiertage seine Eltern zu besuchen. Und zwar mit dem Zug.Laut Wettervorhersage waren weiterhin Eisregen und Glatteis angesagt, und Ben hatte erst vor ein paar Tagen die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Seine Höllenfahrt war nur durch eine Reihe parkender Nachbarautos gestoppt worden.
Als Ben endlich am Bahnhof stand, bereute er seine Entscheidung bereits: Der Zug hatte Verspätung und hielt natürlich nicht im angegebenen Gleisabschnitt. Immerhin hatte Ben einen Platz reserviert, doch der Weg dorthin war ein einziger Hürdenlauf. Dabei benutzte Ben sein Gepäck als Bollwerk gegen Mitreisende, die noch schnell vor ihm ins nächste Abteil huschen wollten und dabei
schamlos auf seinen Füßen herumtrampelten, wenn sie nicht im ohnehin verstopften Mittelgang umständlich nach ihrem Platz suchten oder andere Reisende von ihren Plätzen verscheuchen mussten.
Erstaunlicherweise war nicht nur Bens Sitz frei, sondern auch der daneben. Schnell lud er sein Gepäck darauf ab und erklärte einem Mitreisenden, dass seine Begleiterin gleich von der Toilette zurückkommen würde. Das Letzte, was er jetzt noch gebrauchen konnte, war ein neugieriger, gesprächiger oder gar schnarchender Nachbar.
Ben zog seinen Mantel aus, verstaute ihn auf der Gepäckablage und ließ sich endlich auf seinem Sitz nieder, dessen Kopflehne nach verschüttetem Kaffee roch. Für die folgenden zwei Stunden hatte Ben nur ein einziges Ziel: die Augen zu schließen und seine Umwelt auszublenden. Seit seiner Kindheit fiel es ihm schwer, in Autos, Zügen oder Flugzeugen mehr als oberflächlich einzudösen. Theresa hatte immer behauptet, das würde mit seiner Angst vor Kontrollverlust zusammenhängen. Ben schob sein Einschlafproblem lieber auf den thrombosefördernden Abstand zum Vordersitz, der Platzangst in ihm auslöste.
Heute war Ben eigentlich erschöpft genug, um einzuschlafen. Doch vor seinem inneren Auge erschien immer wieder das verzweifelt falsche Zuversicht ausstrahlende Gesicht seiner Chefin. Bevor er an diesem Nachmittag die Agentur verlassen hatte, war er noch einmal in ihr Büro marschiert, um sie davon zu überzeugen, wie nötig er die wenigen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr brauchte. Die Geschwindigkeit, mit der sie von freundlicher Gelassenheit auf wütende Geringschätzung umgeschaltet hatte, war beängstigend gewesen.
In den letzten Monaten hatte Ben öfter beobachtet, wie ihre Augen sich mit Tränen gefüllt hatten, die sie nur mit äußerster Konzentration hatte wegblinzeln können, um dann hastig ein Lächeln aufzusetzen, das Souveränität vermitteln sollte. Anscheinend
hing nicht nur Bens Job an einem seidenen Faden. Doch für seine Chefin, eine Endvierzigerin, würde das Ende ihrer Agentur den Anfang eines unaufhaltsamen Abstiegs einläuten. Ben hatte allerdings auch nicht viel, auf das er sich freuen konnte. Schon seit Monaten studierte er Stellenanzeigen, schickte Bewerbungen los und ging zu Vorstellungsgesprächen †“ alles ohne Erfolg.
Obwohl gerade mal 36 Jahre alt, schien Ben bereits der angsteinflößende Geruch vertaner Chancen zu umgeben. Zu lange, so sagte man ihm, sei er in einer Agentur geblieben, die ihre besten Tage nie gesehen hatte. Zu selten habe er sich einen Namen gemacht. Außerdem gäbe es inzwischen weitaus jüngere, flexiblere Kandidaten.[…]
Fortsetzung der Leseprobe aus „Verliebt, verschneit, verzaubert“ beim Diana Verlag