Gedicht von Martin Walser – Friedensfeier, aber bald

Durch nichts zu ersetzen ist die Bestimmtheit,
wenn sie fehlt. Du kannst fast nichts lernen.
Du bist ein Aufbruch, dem nicht gesagt wird,
wohin. Wenn alle Autos plötzlich führen,
als führen sie zum selben Ziel. Kindische Wünsche.
Endlich mit den Armen nur noch umarmen, auch
die Fallensteller, die Untersteller. Den Mund
zu nichts mehr brauchen als zum Küssen. Die Hände
zum Streicheln. Zu Fäusten haben sie nicht getaugt. Wenn
ich nur nicht vorsichtig werde. Ich spür ja, wie mir
die Hölderlin-Mut fehlt. Viel zu wenig frech bin ich.
Dass ich nichts mehr wissen will von den Quartieren, in denen
das Rechthaben blüht, ist schon fast ein Verbrechen. Umarmen,
streicheln, küssen, aber alle. Alle Fallensteller, Untersteller,
Verdächtiger. Mir ist zum Umarmen keiner zu schrecklich.
Zum Unterscheiden bin ich nicht blind genug. Wie jeder werd ich
durch Zustimmung schön. Zur Friedensfeier komm ich, sagt mir, wohin.
Der himmlischen, still widerklingenden, Der ruhig wandelnden Töne voll,
sei, was ist. Ich, das Echo der Freundlichkeit. Zu hoffen ist nichts,
zu lieben viel. Überall willkommen ist niemand. Robinson wär
ein Patron. Ich habe mich so vergangen und will
gefunden werden, wo ich am liebsten wär.

Quelle: Süddeutsche Zeitung am 05. Februar 2008

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