Marguerite Duras, geboren am 4. April 1914 in Gia Dinh , Vietnam (damals franz. Indochina) als Marguerite Donnadieu, gestorben am 3. März 1996 in Paris, war eine französische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Filmregisseurin.
Als Tochter eines Lehrerehepaars wuchs sie in Vietnam auf und ging 1932 mit 17 Jahren nach Frankreich, um in Paris Jura und Politikwissenschaft zu studieren. 1940 schloss sie sich einer Résistancegruppe von Buchhändlern an, wodurch sie Zugang zum rationierten Papier hatte. Ihr Ehemann Robert Antelme, der ebenfalls in der Résistance aktiv gewesen war, wurde von der Gestapo verhaftet und nach Dachau verschleppt. 1944 trat Duras dem Parti communiste français bei, protestierte gegen die Behandlung von Schriftstellern in der Sowjetunion, was zu ihrem Parteiausschluss 1950 führte.
Ihr Erstlingsroman, Les impudents (1943), wurde von der Öffentlichkeit mehr oder weniger übersehen. Bereits ihr zweites Werk jedoch, Un barrage contre le Pacifique (1950), war ein Erfolg und brachte ihr beinahe den Prix Goncourt ein. Internationale Bekanntheit erlangte sie schließlich 1959 mit dem Drehbuch zu dem Film Hiroshima, mon amour.
Ihre Romane waren immer wieder autobiographisch geprägt, so z. B. L’amant (1984, dt. Der Liebhaber) oder L’amant de la Chine du Nord (1991, dt. Der Liebhaber aus Nordchina). In beiden Werken beschrieb sie ihre turbulente Kindheit und frühe Liebeserfahrungen im Indochina der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Autorin war auch im Theaterbereich tätig und verfasste 1965 z. B. das Drama La musica. In den 70er und frühen 80er Jahren des 20. Jahrhunderts trat sie auch als Filmregisseurin in Erscheinung – wobei sie nicht nur bereits erschienene eigene Texte (India Song, 1975; Les enfants, 1984) auf die Leinwand brachte, sondern auch eigenständige Arbeiten für das Kino produzierte (Le Camion, 1977). Während dieser Zeit erschienene literarische Publikationen von Duras standen immer im Zusammenhang mit ihrem filmischen Schaffen – L’amant ist die erste wieder „rein“ literarische Publikation nach dieser Phase.
Charakteristisch für die Werke der Duras ist eine große Schlichtheit in Vokabular und Satzbau, die sich zudem auszeichnet durch zahlreiche Ellipsen, Anspielungen, Unausgesprochenes, das jedoch im Hintergrund steht, und fragmentarisch zusammengefügte Sätze. Ihr Gesamtwerk ist keiner der großen literarischen Strömungen des 20. Jahrhunderts zuzuordnen.
Gegenüber der Tendenz, Duras wegen der häufigen Wiederholung von Motiven und Topoi in ihren zahlreichen Büchern für eine oberflächliche Schriftstellerin zu halten, hilft ein Blick in das kurze Interview mit Leslie Kaplan von 1988, in dem Duras einiges zu ihrer eigenen Schriftstellerei, aber auch ihre Meinung über das entfremdete Leben in der Neuzeit äußert.
Der Wahnsinn selbst ist auf ewig offen für den Verlauf des Wahnsinns. … Das Nichts ist sich selbst gegenüber offen. … Ich glaube, das Offene schafft sich selbst gegenüber einen religiösen Raum. Ich habe an dem Horror teil, aus dem das ganze besteht, aber ich spüre es nicht. Das könnte eine Definition der Arbeiterklasse sein. Die Fabrik ist eine Art Luftschiff, wo innerhalb und außerhalb das gleiche Luftmaterial ist, mit einem winzigen Unterschied jedoch. Dieser Unterschied ist die Unendlichkeit des Menschen, der neun Stunden am Tag Kabel herstellt, ohne es zu spüren. … Wie das Gedicht kommt dieser Gedanke aus dem Grund der Zeiten, aus einer Art fundamentaler Wiederholung, derjenigen des Lebens, aus einer Art ozeanischer Ewigkeit, die jene des Todes wäre, verneint und erfaßt durch die Zeit….
Diese Unendlichkeit des Menschen war letztlich ihr Thema.
Über den Inhalt
Der Liebhaber (französischer Originaltitel L’amant) ist eine autobiografische Erzählung von Marguerite Duras aus dem Jahr 1984. Das Werk wurde im gleichen Jahr mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet.
Die Geschichte spielt in der französischen Kolonie Indochina, dem heutigen Vietnam am Anfang der 1930er Jahre. Duras schildert die Geschichte eines zu Beginn 15-jährigen französischen Mädchens, das in Südostasien aufgewachsen ist, von der Begegnung auf einer Mekong-Fähre mit einem 17 Jahre älteren Mann, bis zur Abreise nach Europa anderthalb Jahre später, Zeitsprünge in das Paris des Zweiten Weltkriegs eingeschlossen.
Die sexuelle Beziehung zu diesem reichen und von seinem Vater abhängigen Chinesen, die keine Liebesgeschichte ist, ist die Klammer, die das Stück nach außen zusammenhält, aber bei Weitem nicht die Erzählung dominiert. Tatsächlich spielen Familienmitglieder und Freundinnen eine mindestens ebenso wichtige Rolle:
* die von der Tochter als wahnsinnig bezeichnete Mutter (der Vater ist bereits verstorben), die die Beziehung ihrer Tochter zu dem Chinesen nicht zur Kenntnis zu nehmen scheint,
* der ältere Bruder, zur Bosheit neigend und von der Mutter vergöttert, der als Erwachsener versagen wird, sowie
* der jüngere Bruder, der vom älteren bedroht, von der Mutter nicht beschützt wird und seiner Schwester als einzige Verbündete hat und in jungen Jahren stirbt
* Mitschülerinnen in Vietnam und Bekannte in Paris, denen nicht unbedeutende Teile der Geschichte gewidmet werden, ohne dass ein tieferer Zusammenhang zur versuchten Selbstanalyse der Familie aufgebaut würde.
Der Liebhaber ist eine knapp 100-seitige Collage aus Erinnerungsfetzen der Autorin zur Zeit ihres Erwachsenwerdens (die bei der Niederschrift über 50 Jahre her war), in Abschnitte gegliedert, die zum Teil nur wenige Zeilen, höchstens aber zwei Seiten lang sind, zwischen denen in der Regel Sprünge in Zeit und Raum vollzogen werden, die keinen kontinuierlichen Erzählstrang ergeben.
Marguerite Duras nannte ihre Erzählung „das leichteste Buch, das ich jemals geschrieben habe†œ. Sie wurde auch ihre erfolgreichste.
Ein Gedanke zu „August 2008: Der Liebhaber von Marguerite Duras“