Die 45-jährige Schriftstellerin und Regisseurin Jenny Erpenbeck erhält für ihren im August 2012 erschienenen Roman †œAller Tage Abend† den Evangelischen Buchpreis 2013. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis ist ein Leserpreis, dessen Auswahl ausschließlich auf Vorschlägen von Leserinnen und Lesern beruht. Er wird in diesem Jahr zum 35. Mal verliehen. Die Preisverleihung findet am 15. Mai 2013 in der Alten Handelsbörse in Leipzig statt, teilte der Verband Evangelisches Literaturportal am 13.02.2013 in Göttingen mit.
In der Begründung der Jury heißt es: In „Aller Tage Abend“ lasse Jenny Erpenbeck sprachgewaltig eine Welt am Anfang des 20. Jahrhunderts im jüdisch-christlichen Milieu Galiziens erstehen: Die stumme Trauer der erst achtzehnjährigen Mutter, das Auseinanderdriften der Eheleute, die Reaktionen der wegen der Heirat mit einem Nicht-Juden entzweiten Familie. Doch es sei nicht aller Tage Abend. Die Autorin erwecke ihre namenlose Protagonistin durch ein Intermezzo zum Leben und skizziere, wie sich das Geschick der Familie hätte entwickeln können. In vier weiteren „Büchern†œ werden die Möglichkeiten einer Biographie ausgelotet: Jugend und erste Liebe im vom Hunger geprägten Wien der Zwanziger Jahre, bedrohte Künstlerexistenz im Moskau des Stalinismus, Karriere als hochdekorierte Schriftstellerin im Ostberlin der Sechziger Jahre und vom Sohn betrauerter Tod der Neunzigjährigen im Altenheim im Berlin der Nachwendezeit. Dabei bleibe die Fragilität der menschlichen Existenz immer im Bewusstsein, jedes Buch ende mit einem durchaus möglichen, denkbaren Tod, jedes Intermezzo behaupte die Möglichkeit des (Über)Lebens. Diese mutige, ein Jahrhundert umspannende Konstruktion gelinge, weil Jenny Erpenbeck über eine wunderbare Sprache verfüge. Kunstvoll webe die Autorin Redewendungen, Bibel- und Literaturzitate ein und verknüpfe diese mit der Alltagssprache der Personen. Bewundernswert gelinge es ihr, jedes Kapitel in eine eigene, die Leserschaft fesselnde Form zu gießen.
Kurzbeschreibung
Erscheinungstermin: 20. August 2012 im Albrecht Knaus Verlag (288 Seiten)
Wie lang wird das Leben des Kindes sein, das gerade geboren wird? Wer sind wir, wenn uns die Stunde schlägt? Wer wird um uns trauern? Jenny Erpenbeck nimmt uns mit auf ihrer Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten sein können. Sie wirft einen scharfen Blick auf die Verzweigungen, an denen sich Grundlegendes entscheidet. Die Hauptfigur ihres Romans stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von allen Vergessene. Oder doch nicht?
Meisterhaft und lebendig erzählt Erpenbeck, wie sich, was wir „Schicksal“ nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstrickungen erweist. Der Zufall aber sitzt bei alldem „in seiner eisernen Stube und rechnet“.
Quelle: Evangelischer Buchpreis