Der mit 20.000 Euro dotierte Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg geht in diesem Jahr an den 59-jährigen Schriftsteller Ralf Rothmann. Den mit 7.500 Euro dotierten Förderpreis erhält der Schweizer Autor Arno Camenisch. Der Literaturpreis wird seit 1983 alljährlich am 6. Juni, dem Vorabend des Todestages von Friedrich Hölderlin, in Bad Homburg verliehen.
Die Jury begründet ihre Entscheidung für Ralf Rothmann wie folgt: „Der Friedrich-Hölderlin-Preis 2013 der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe (Stiftung Cläre Jannsen) wird verliehen an Ralf Rothmann für sein literarisches Werk, das sich in Gedichten, Erzählungen und Romanen durch atmosphärische Dichte und sprachliche Genauigkeit auszeichnet. Prägende Themen sind die Erinnerungen an die frühen Jahre im Ruhrgebiet und die Erfahrungen in Berlin, wo der Autor seit 1976 lebt. Stets luzide, nie aber rechthaberisch richtet sich sein Blick auf uns und unseren prekären Alltag. Rothmanns Š’uvre weist über den Tag hinaus und hat sich auch dadurch repräsentativen Rang erworben.“
Zuletzt erschien von Ralf Rothmann „Shakespeares Hühner: Erzählungen“
Kurzbeschreibung
Erscheinungstermin: 16. April 2012 im Suhrkamp Verlag (211 Seiten)
In einer der neuen Erzählungen Ralf Rothmanns denkt Fritzi, eine junge Gitarristin, über William Shakespeare nach und findet: „Verglichen mit den Sorgen und Nöten seiner finsteren Gestalten sind wir eigentlich nur Hühner oder? Shakespeares Hühner. Wir machen ein unglaubliches Gegacker um lauter Kram †“ Prüfungen, Lockenstäbe, Handymarken, Geld †“, und wissen insgeheim doch alle, dass es nicht das Wahre ist. Dass nichts das Wahre sein kann hinterm Hühnerdraht.“ Dramatische oder auch beglückende Wendepunkte im Leben schildert dieses Buch, dessen Sprache durch eine magische Genauigkeit besticht, und ob wir nun vom Selbstbetrug eines sterbenden Stasi-Beamten, von einer missratenen Orgie an der Ostsee, vom Wiedererwachen einer Liebe in einem japanischen Kloster oder vom Gedächtnis des Schnees hören: „Es ist ja nicht dieser oder jener Zustand, der das Leben ausmacht“, sagt Fritzi. „Es sind die Übergänge, wie in der Musik. Manchmal denke ich, sogar der Tod ist nur ein Akkordwechsel.“ Ralf Rothmann, der unangefochtene Meister der langen wie der kurzen Prosa, hat Erzählungen geschrieben, deren Realismus von der Sehnsucht nach dem Unvermuteten befeuert wird, voller Humor und Empathie. Und deren Nachhall verändert.
Die Entscheidung für den Förderpreis begründet die Jury wie folgt: „Der Förderpreis zum Friedrich-Hölderlin-Preis 2013 der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe (Stiftung Cläre Jannsen) wird verliehen an Arno Camenisch für die sprachartistische Erzähltrilogie über Landschaft und Leute seiner Graubündner Herkunft. Souverän spielt der Autor in den so kurzen wie konzisen Romanen „Sez Ner†™, „Hinter dem Bahnhof†™ und ‚Ustrinkata†™ mit den Idiomen, die ihn prägten: mit dem Rätoromanischen, dem Schweizerdeutschen und mit unserer Hochsprache. Entstanden ist darüber eine klangmächtige Wörtersymphonie, die ihre Figuren und Motive fest im Alltag verankert, sie aber auch in surreale Schwebezustände zu versetzen weiß. Arno Camenisch ist ein Literatur-Versprechen.“
Kurzbeschreibung „Ustrinkata“
Erscheinungstermin: 1. Februar 2012 im Engeler Verlag (96 Seiten)
Es ist der letzte Abend in der Helvezia, der Alkohol fliesst in Strömen wie der junge Rhein, und wes des Herzen voll ist, des geht der Mund über: Jetzt heisst es Austrinken! Noch einmal sitzen sie um den runden Tisch, der Otto, die Tante, der Luis, der Giachen und mit ihnen all die andern, die noch leben oder schon lange tot sind. Arno Camenisch hört ihren tragischen und zugleich komischen Geschichten genau zu, mit seinem präzisen Sinn für den Klang und die Eigentümlichkeiten ihrer Sprache hält er diese von Tod und Vergessen, von Naturgewalten und menschlichen Abgründen, von Hochwassern und Liebeswirren, von Steinschlägen und Händeln bedrohte Welt lebendig. Auf unverkennbar eigenwillige Art beschliesst Arno Camenisch mit „Ustrinkata“ nach „Sez Ner“ und „Hinter dem Bahnhof“ seine äusserst erfolgreiche Bündner Trilogie – es geht alles zu Ende, aber so lange einer noch erzählt, ist das letzte Glas nicht ausgetrunken.
Quelle: Stadt Bad Homburg