Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat heute mitgeteilt, dass der österreichische Schriftsteller Walter Kappacher in diesem Jahr mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wird. Der Georg-Bücher-Preis ist mit 40 000 Euro dotiert und ist die wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland.
Der 70-jährige Walter Kappacher habe in einzelgängerischer Konsequenz über Jahrzehnte hinweg ein höchst beachtliches, lange Zeit kaum wahrgenommenes Werk geschaffen. Erst seit dem Roman „Selina“ finde er angemessene Würdigung, heißt es in der Begründung. „Seine leise, musikalische Prosa voll melancholischer Unerbittlichkeit stets traurig, nie trostlos klärt uns über uns selbst auf. Dieser poetische Realist unserer Tage, der bei vollkommener Gegenwärtigkeit an die große Erzähltradition anknüpft, erzeugt einen Sog der Stille“, erklärte die Akademie weiter.
Kappacher ist zuletzt im Frühjahr dieses Jahres mit dem viel beachteten Roman „Der Fliegenpalast“ hervorgetreten, einem Künstlerroman auf den Spuren Hugo von Hofmannsthals, der im Feuilleton der F.A.Z. vorabgedruckt wurde.
Seinen ersten Roman „Morgen†œ hat Kappacher im Jahr 1975 veröffentlicht. Die ersten Kurzgeschichten schrieb er 1967 für die „Stuttgarter Zeitung“. Seit 1978 arbeitet Walter Kappacher als freier Autor. Er lebt in Obertrum bei Salzburg.
Aufgewachsen ist der am 24. Oktober 1938 geborene Kappacher in seinem Geburtsort Salzburg. Fasziniert vom Motorrad-Rennsport machte er zuerst eine Lehre als Motorradmechaniker. Nach dem Militärdienst begann er 1960 ein Schauspielstudium in Gauting bei München. Ein Jahr später ließ er sich zum Reisebüro-Kaufmann ausbilden, was zu seinem Brotberuf wurde.
Walter Kappacher ist Mitglied des Österreichischen PEN-Zentrums und seit 2004 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Er erhielt u.a. folgende Auszeichnungen: 1977 den Förderpreis zum Österreichischen Staatspreis für Literatur, 1985 den Rauriser Literaturpreis der Länderbank, 1986 den Literaturpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie, 2004 den Hermann-Lenz-Preis sowie 2006 den Großen Kunstpreis des Landes Salzburg.
Der Büchner-Preis wird auf der Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung am 31. Oktober in Darmstadt verliehen.
Quelle: F.A.Z.
Kurzbeschreibung Selina oder das andere Leben
Stefan, Lehrer, nimmt das Angebot Heinrich Seifferts – den er im Jahr zuvor in Arezzo kennen gelernt hat – an, sein altes abgelegenes Bauernhaus in der Toskana zu bewohnen. Der Leser erlebt, wie Stefan sich das Haus und die Umgebung bewohnbar macht, wie er bekannt wird mit den Menschen im Dorf, wie er Heinrich besucht, der seine Nichte Selina aus Deutschland erwartet. Es sind die Jean-Paul’schen Themen Liebe, Tod und Unsterblichkeit, die sich langsam entwickeln. „Er ist der ernsthafteste Autor, den ich kenne.“ (Peter Handke)
Pressestimmen
„Walter Kappachers Roman ‚Selina oder das andere Leben‘ ist ein auf schöne Art ehrliches Buch, weil es mit dem silbernen Blinken der Sterne nicht astronomisch wuchert. Mit ‚Selina‘ ist ihm das Kunststück gelungen, das einfach erscheinende Leben als großes kosmisches Kippbild zu zeichnen.“ Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 18.10.2005 „Die Stärke von Kappachers Büchern liegt in der Sparsamkeit der erzählerischen Mittel. Die Zustände und Befindlichkeiten werden nicht reflexiv aufgefächert, sie werden in den knapp beschriebenen Szenen sichtbar.“ Evelyne Polt-Heinzl, Die Presse, 1.10.2005 „…ein zutiefst menschenfreundliches Buch und zugleich ein metaphysisches Lehrstück… ein kluges Buch, das an keiner Stelle mit seiner Klugheit prunkt.“ Andreas Wirthensohn, Wiener Zeitung, 04.11.2005
Kurzbeschreibung Der Fliegenpalast
August 1924: H. ist auf der Rückreise und macht Halt in Fusch, einem Kurbad in den Salzburger Alpen, wo er mit seinen Eltern vor dem Krieg lange Sommer verbrachte. Inzwischen hat sich viel verändert: Freunde sind ihm abhanden gekommen, sein Ruhm liegt Jahre zurück, sein Schaffen ist bedroht von einer labilen Gesundheit und den leisesten Störungen. Auch im abgelegenen Bad Fusch hat die neue Zeit Einzug gehalten, an der er nur mehr als Beobachter teilnimmt, der sich selbst zunehmend fremd geworden ist. Bei einem Spaziergang wird H. ohnmächtig. Als er wieder zu sich kommt, lernt er den jungen Doktor Krakauer kennen, den Privatarzt einer Baronin. Auch er ist ein Rückkehrer in einer fremden Welt. H. sucht dessen Freundschaft, doch da ist die Baronin und da ist die Einsamkeit, der er nicht mehr entkommt. Walter Kappacher erzählt von einem Leben, das die Zeit überholt hat: mit fesselnder Intensität und luzidem Einfühlungsvermögen, so souverän wie virtuos. Er bestätigt damit seine Ausnahmestellung in der deutschsprachigen Literatur: ein Seltener (Peter Handke).