Jürgen Dehmers erhält Geschwister-Scholl-Preis 2012 für Buch über die Odenwaldschule

Die Landeshauptstadt München und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels †“ Landesverband Bayern vergeben seit 1980 den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis. Ausgezeichnet wird jährlich ein Buch, „das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem gegenwärtigen Verantwortungsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.†œ

Der Geschwister-Scholl-Preis 2012 wird an Jürgen Dehmers für sein Buch „Wie laut soll ich denn noch schreien? Die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch“ verliehen.

Jürgen Dehmers (Pseudonym) schildert in seinem Bericht was ihm und anderen Schüler angetan wurde, er beschreibt auch die Folgen einer Traumatisierung durch sexuellen Missbrauch †“ Gefühle der Ohnmacht, Angst, Wut, Ekel, Störungen der Persönlichkeitsentwicklung, bis hin zu Suchtkrankheiten und Suizidgefahr. Opfer sexueller Gewalt äußern sich selten öffentlich. Dies machen sich Täter zu nutze. Dass Jürgen Dehmers es gewagt hat, das Schweigen zu durchbrechen und zu benennen, was geschah, würdigt die Jury des Geschwister-Scholl-Preises als ein seltenes Beispiel von Mut.

Dehmers Buch beschreibt die Vorgänge an der Odenwaldschule als ein kriminelles weit verzweigtes System mit Tätern und Mitwissern, von Macht und Gewalt. Er deckt die Mechanismen auf von Vertuschung, Verschweigen, Abhängigkeit, Bedrohung, die einen fortgesetzten Missbrauch erst möglich machen. Auch darin liegt eine große Leistung dieses Buches: dass es hinweist auf das Versagen von Zivilgesellschaft und Rechtsstaat, von Bürgern, Pädagogen, bis hin zu Presse und Justiz, die darin scheitern, die Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen, wie es die UN-Charta für die Rechte der Kinder verlangt†œ, heißt es in der Begründung der Jury.

Dieses Buch ist ein notwendiger Appell, an Einzelne sowie an die Institutionen unserer Gesellschaft, solchen Missbrauch zu unterbinden sowie geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es erlauben, den Opfern zu helfen, die Täter zu stellen und zu bestrafen. Es fordert dazu auf, Zivilcourage zu zeigen sowie Verantwortung zu übernehmen und ist damit geeignet, dem Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.

Der Geschwister-Scholl-Preis wird im Rahmen des Literaturfests München am 26. November vergeben.
Eine öffentliche Veranstaltung mit Jürgen Dehmers ist am 27. November 2012 auf der Münchner Bücherschau geplant.

Kurzbeschreibung
Der Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule hat die deutsche Öffentlichkeit in Atem gehalten. Dass ausgerechnet in einer pädagogischen Modellschule sexuelle Übergriffe stattgefunden haben, schockierte die Menschen − und viele wollten die schreckliche Wahrheit zuerst nicht glauben, weil die Ereignisse ihre Vorstellungskraft überstiegen. Dazu sagt Jürgen Dehmers: «Hört auf, euch etwas vorzustellen, hört uns endlich zu!»

Mittlerweile ist bekannt, dass über hundert Schüler Opfer des Missbrauchs wurden und mehr als ein Dutzend Lehrer und Erzieher zu den Tätern gehören.

Mit Jürgen Dehmers berichtet der Initiator der Aufklärung persönlich von den Vorfällen. Dehmers gelang es bereits als jungem Mann, trotz massiver Traumatisierungen und ideologischer Gehirnwäsche ein Leben nach der Odenwaldschule zu finden und Distanz zwischen sich und den schrecklichen Erlebnissen zu schaffen.

Das Buch demaskiert die Täter und ihre Helfer, die schutzbefohlenen Kindern unheilbare Verletzungen zugefügt haben. Darüber hinaus gelingt es dem Autor, das «System Odenwaldschule» zu beleuchten und dem Leser die Hintergrundinformationen zu liefern, wie es dazu kommen konnte, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern zum Alltag einer hochgelobten Reformschule gehörte, in der die Schule alles war und das einzelne Kind nichts.

Ein Aufklärungskrimi, der spannend bleibt bis zum Schluss, obwohl die Täter ab der ersten Seite bekannt sind.

Über den Autor
Jürgen Dehmers ist das Alter Ego eines Autors, der als Schüler in den 80er Jahren die Odenwaldschule besuchte, dort eines der Opfer des Schulleiters Gerold Becker wurde und seit über einem Jahrzehnt Täter, Mitwisser, Schweiger und Vertuscher mit ihren Verbrechen konfrontiert. Jürgen Dehmers nutzt die Medien zur Anklage der Verantwortlichen, da durch das deutsche Rechtssystem wegen unzureichender Verjährungsfristen keine juristische Gerechtigkeit mehr geschaffen werden kann. Im Jahr 2010 gelang ihm die weitreichende Vernetzung der Betroffenen, und er wurde endlich von einer breiten Öffentlichkeit gehört.

Quelle: Geschwister-Scholl-Preis

Liao Yiwu erhält den Geschwister-Scholl-Preis 2011 „Für ein Lied und hundert Lieder“

Der Geschwister-Scholl-Preis 2011 wird dem 53-jährigen chinesichen Schriftsteller, Dichter und Musiker Liao Yiwu für sein Buch „Für ein Lied und hundert Lieder. Ein Zeugenbericht aus chinesischen Gefängnissen†œ verliehen.

Begründung der Jury

Das Manuskript dieses erschütternden, wilden und mitreißenden Buches wurde von den chinesischen Behörden mehrmals beschlagnahmt †“ und so musste Liao es mehrmals schreiben. Im Juni dieses Jahres hat er sich ins Exil nach Deutschland absetzen können, wo das Buch im Juli 2011 im S. Fischer Verlag erschienen ist.

Geschildert werden darin die vier Jahre der Inhaftierung des Autors von 1990 bis 1994. Liao hatte am Vorabend des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989 in Peking ein prophetisches Gedicht geschrieben, für das er ins Gefängnis geworfen wurde. Sein epischer, drastischer Bericht handelt von der Brutalität und Absurdität willkürlicher staatlicher Repression. Er gilt aber nicht allein dem persönlichen Schicksal des Autors, der wie andere verfolgte Künstler seines Landes vielfach einer existentiellen Unterdrückung ausgesetzt war. Vielmehr unternimmt es Liao Yiwu in seiner starken, mal illusionslosen, mal bildreichen Sprache, allen Erniedrigten Chinas eine Stimme zu geben.

Der Schriftsteller kämpft einen literarischen Kampf für die Wiederherstellung der Menschenwürde †“ er ist ein großer Künstler und ein mutiger Chronist zugleich. Liao Yiwu hat seinen eigenen Kopf und seinen eigenen Ton. Gerade damit ist er im Sinne des Vermächtnisses der Geschwister Scholl ein Vorbild für alle, die gegen Ungerechtigkeit und Diktatur aufbegehren. Sein Werk steht in besonderer Weise für moralischen und intellektuellen Mut. Mit der Auszeichnung von Liao Yiwu verbindet sich die mahnende Hoffnung, dass er einmal in ein freies, demokratisches China zurückkehren möge.

Der 32. Geschwister-Scholl-Preis wird am 14. November 2011 um 19.00 Uhr in der Großen Aula der Ludwig-Maximilian-Universität in München verliehen.

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Quelle: Homepage Geschwister-Scholl-Preis

Joachim Gauck erhält den Geschwister-Scholl-Preis 2010

Joachim Gauck erhält den Geschwister-Scholl-Preis 2010

Joachim Gauck wird für sein aktuelles Buch „Winter im Sommer †“ Frühling im Herbst“ mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2010 ausgezeichnet.

In der Begründung der Jury heißt es, dass Gauck mit seiner klaren Haltung in Leben und Werk aus dem politischen und gesellschaftlichen Mainstream herausrage und im Sinne des Preises handle.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels †“ Landesverband Bayern und die Landeshauptstadt München vergeben den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis 2010 zum 31. Mal. Zu den bisherigen Preisträgern zählen u. a. Roberto Saviano, David Grossmann, Anna Politkovskaja und Necla Kelek

Die Preisverleihung findet am 29. November 2010 um 19 Uhr in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität in München statt. Der Geschwister-Scholl-Preis wird zum ersten Mal im Rahmen des Literaturfests München vergeben.

„Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ ist die Autobiografie eines Mannes, der wie wenige andere über seine Opposition zur DDR-Führung und die Aufarbeitung des DDR-Unrechts identifiziert wird. Der Theologe Gauck war erster Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit.

Winter im Sommer – Frühling im Herbst (Kurzbeschreibung)
Der politische und sehr persönliche Rückblick eines friedlichen Revolutionärs

Eine Schlüsselfigur der jüngsten deutschen Geschichte erinnert sich: Joachim Gauck, engagierter Systemgegner in der friedlichen Revolution der DDR und herausragender Protagonist im Prozess der Wiedervereinigung als erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Joachim Gauck verlebte seine Kindheit in einem Dorf an der Ostseeküste. Später studierte er Theologie in Rostock und fand seinen Weg in die Kirche in Mecklenburg. Distanz zum DDR-System prägte seine Tätigkeit von Anfang an. Wie selbstverständlich wurde er Teil einer kritischen Bewegung und schließlich zu einer Symbolfigur im Umbruch von 1989. Nach dem Mauerfall übernahm Gauck politische Verantwortung, er wurde Abgeordneter im ersten freien Parlament der DDR und erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Der Kampf gegen das Vergessen und Verdrängen blieb als Redner und Kommentator sein großes Thema, auch als er nach zehn Jahren aus dem Amt ausschied.

Zu seinem 70. Geburtstag hat Joachim Gauck seine Erinnerungen aufgeschrieben. Ihm ist ein gleichermaßen politisches wie emotional berührendes Buch gelungen, in dem er in klaren Bildern die traumatisierende Erfahrung der Unfreiheit und das beglückende Erlebnis der Freiheit nachzeichnet und den schwierigen Übergang von erzwungener Ohnmacht zu einem selbstbestimmten Leben beschreibt.

Über den Autor
Joachim Gauck, geboren am 24. Januar 1940 in Rostock, war von 1990 bis 2000 Bundesbeauftragter für die Unterlagen der Staatssicherheit. Seit 2003 ist er Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen †“ Für Demokratie„. Er lebt in Berlin.