Als Christoph Wilhelm Hufeland im Jahr 1780 im Alter von 18 Jahren sein Studium der Medizin in Jena beginnt, hat er sein Ziel fest vor Augen. Er will Arzt werden, nicht weil sein Vater es bestimmt hat, sondern weil er sich mit jeder Faser seiner Seele danach sehnt. Er will beweisen, dass Krankheiten wie die Pocken, das Scharlachfieber oder die Arthritis behandelbar sind, wenn man deren Ursprung kennt. Doch die aufstrebende Universitätsstadt birgt viele Verlockungen und Gefahren, denen sich die jungen Studenten kaum entziehen können. Nächtliche Trinkgelage und willige Frauen lenken vom Studium ab, Duelle unter den Mitgliedern rivalisierender Studentenverbindungen sind keine Seltenheit. So muss Christoph Hufeland mit ansehen, wie sein Kommilitone Albert Steinhäuser von einem Studenten auf offener Straße angegriffen wird. Scheinbar tödlich verwundet bleibt er auf dem Pflaster liegen, während der Angreifer seine Taschen durchwühlt und anschließend unerkannt flieht. Am nächsten Tag erfährt Hufeland, dass Albert Steinhäuser bereits begraben auf dem Friedhof liegt. Hufeland befasst sich mit dem Scheintot und die Möglichkeit, dass sein Freund lebendig begraben sein könnte, lässt ihm keine Ruhe. Er vertraut sich dem Kommilitonen Johannes Vogt an. Gemeinsam begeben sie sich auf den Friedhof, um sich vom Tod Steinhäusers zu überzeugen. Hier erfährt Hufeland von den Machenschaften einer Freimaurerloge, die für ihn so ungeheuerlich sind, dass er beschließt, Jena zu verlassen.
Am Tag seiner Abreise aus Jena begegnet ihm Helene Steinhäuser, Alberts Schwester. Für einen kurzen magischen Moment treffen sich ihre Blicke, nicht ahnend, dass das Schicksal sie Jahre später wieder zusammenführen wird. Helene Steinhäuser flieht einige Woche zuvor aus Königsberg vor der arrangierten Ehe mit einem älteren und ihr gänzlich unsympathischen Mann. In Jena erhofft sie sich Unterschlupf bei ihrem Bruder zu finden. Völlig mittellos kommt sie nach einer beschwerlichen und gefährlichen Reise an und erfährt, dass ihr Bruder Albert tot ist. Ausgerechnet der zwielichtige Johannes Vogt zeigt ihr einen Weg, wie sie zu Geld kommen kann und führt sie zu einer unheimlichen Stätte. Von Visionen gequält wacht sie mit einer Wunde am Arm auf. Viele junge und verängstigte Frauen, die im Accouchierhaus in Jena, der ersten Geburtsklinik und Hebammenlehranstalt des Landes, anzutreffen sind, weisen Narben von ähnlichen Verletzungen auf.
Zur gleichen Zeit praktiziert der fünfundzwanzigjährige Mediziner Christian Friedrich Samuel Hahnemann in Hettstedt. Durch Hygiene versucht er die mittelalterlichen Heilmethoden bei immer wieder auftretenden Krankheiten wie die Ruhr, das Fleckfieber oder das katarrhalische Faulfieber zu bekämpfen. Statt die Erkrankten zur Ader zu lassen, mahnt er zu Reinlichkeit und experimentiert mit Tormentillawurzel, Galläpfeln oder Eichenrinde. Schließlich muss er die Gemeinde verlassen, weil man ihn für einen Scharlatan und Alchemisten hält, der mit dem Teufel im Bunde steht.
Jena ist Ende des 18. Jahrhunderts ein Ort, an dem neben den harmloseren Studentenverbindungen auch Anhänger der Freimaurerlogen zu finden sind. Nachweislich werden in dieser Zeit Versuche mit menschlichem Blut unternommen, Versuche, die zumeist tödlich enden. Die Suche nach der Existenz einer Rezeptur für ein Lebenselixier, ein universelles Allheilmittel, von dem die Gelehrten der Logen hinter vorgehaltener Hand erzählen, betreiben einige mit krimineller Energie, andere, wie Hahnemann und Hufeland, sind davon überzeugt, dass allein die Wissenschaft und die Kraft des Geistes Krankheiten zu heilen vermögen.
Heike Koschyks neuer Roman „Die Alchemie der Nacht“ beschäftigt sich mit den Anfängen der Homöopathie. Wer eines ihrer früheren Werke gelesen hat, wie zum Beispiel „Pergamentum„, in dem sich die Autorin mit dem Leben der Hildegard von Bingen auseinandersetzt, weiß, wie detailliert und profund sie der Historie gerecht wird. Auch in diesem Roman basieren die Charakterbeschreibungen der Protagonisten Christoph Hufeland und Samuel Hahnemann auf Recherchen in historischen Quellen. Die Autorin lässt sich viel Zeit, um die diversen Erzählebenen zusammenzuführen, genauso viel Zeit wie es die geschichtlichen Ereignisse verlangen. Das Ergebnis ist ein komplexer und spannender historischer Roman, in dem die gelernte Heilpraktikerin ihre umfangreichen Kenntnisse über die Homöopathie meisterlich einbindet. Der flüssige, der Zeit angepasste Erzählstil und eine Liebesgeschichte runden das Werk zu einem faszinierenden Lesevergnügen ab.
Der Lesekreis bedankt sich beim Verlag Rütten & Loening für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares.
Kurzbeschreibung
Der junge Medizinstudent Christoph Wilhelm Hufeland wird Zeuge, wie ein Kommilitone von einem Degenstoß niedergestreckt wird. Als die Leiche unter mysteriösen Umständen verschwindet, versucht er gemeinsam mit Helene, der Schwester des Toten, dieses Rätsel zu ergründen. Sie kommen einer blutigen Verschwörung auf die Spur – es geht um ein allmächtiges Heilmittel, skrupellose Menschenversuche an jungen Mädchen und die düsteren Machenschaften einer Freimaurerloge. Begleitet von Samuel Hahnemann, der seine Heilkunst der Homöopathie erst vollendet sieht, wenn er Gewissheit über eine letzte Frage gewinnt, begeben sie sich auf die Fährte einer geheimnisvollen Rezeptur, die ewiges Leben verheißt. »Heike Koschyk kann man getrost in einem Atemzug mit Historien-Queen Rebecca Gablé nennen.« Gala »Spannender Historienkrimi über die Irrwege der Medizin und die Entwicklung der Homöopathie.« Hörzu
Über die Autorin
Heike Koschyk, 1967 in New York geboren, war Heilpraktikerin mit einer eigenen Praxis und Dozentin für Homöopathie, bevor sie zu schreiben begann. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg und ist Trägerin des Agatha-Christie-Krimipreises. Mehr Informationen zur Autorin finden sich unter www.heike-koschyk.de oder auch hier im Interview.