Nominierungen zum 30.000 Euro dotierten Wilhelm-Raabe-Literaturpreis

Nominierungen zum Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2010

Bislang wurde der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis alle zwei Jahre verliehen und war mit 25.000 Euro dotiert. In diesem Jahr hat sich das Reglement zu Gunsten der AutorInnen verändert. Das Preisgeld wurde um 5.000 Euro auf 30.000 Euro angehoben und wird jetzt jährlich von der Stadt Braunschweig und DeutschlandRadio zur Verfügung gestellt. Der Literaturpreis zeichnet ein deutschsprachiges Erzählwerk aus, „das einen besonderen Stellenwert in der Entwicklung der Autorin oder des Autors markiert

Die Nominierungen für den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2010 stehen fest. Die Mitglieder der Jury haben aus den Neuerscheinungen dieses Jahres acht Romane benannt.

Folgende Autoren und Bücher (in alphabetischer Reihenfolge) wurden nominiert:

Iris Hanika: Das Eigentliche (Literaturverlag Droschl)

Kurzbeschreibung
Ein Roman über das deutsche Leiden an der Nazi-Vergangenheit, ganz und gar kein historischer Roman also, sondern einer über das Heute. Woher dieses Leiden rührt, ist bestens bekannt, seine Äußerungsformen jedoch sind vielfältig. Darum ist dies zugleich ein Roman über die mittleren Jahre des Lebens, über die Zeit, wenn die Gewissheit abhanden gekommen ist, dass man auf dem richtigen Weg durch die Welt geht, und es ist ein Roman über die Einsamkeit ebenso wie über die Freundschaft.Ein Roman über das deutsche Leiden an der Nazi-Vergangenheit, ganz und gar kein historischer Roman also, sondern einer über das Heute. Woher dieses Leiden rührt, ist bestens bekannt, seine Äußerungsformen jedoch sind vielfältig. Darum ist dies zugleich ein Roman über die mittleren Jahre des Lebens, über die Zeit, wenn die Gewissheit abhanden gekommen ist, dass man auf dem richtigen Weg durch die Welt geht, und es ist ein Roman über die Einsamkeit ebenso wie über die Freundschaft.
Das Eigentliche ist für jeden etwas anderes. Für Hans Frambach sind es die Verbrechen der Nazizeit, an denen er leidet, seit er denken kann. Darum ist er Archivar im Institut für Vergangenheitsbewirtschaftung geworden; nur fragt er sich, ob es nicht an der Zeit für eine andere Arbeit wäre.
Auch für seine beste Freundin Graziela stand die Fassungslosigkeit über diese Vergangenheit im Mittelpunkt bis sie einen Mann kennenlernte, der sie begehrte, und fortan die Begegnung der Geschlechter im Fleische für das Eigentliche hielt; ein Konzept, an dem sie nun zweifelt.
Aber kann man denn den Nationalsozialismus für alles verantwortlich machen? Eigentlich ist es doch ihre Unfähigkeit zum Glück, die Hans und Graziela zu so wunderlichen Gestalten macht. Nur sie selbst halten ihr Unglück nicht für gott-, sondern für nazigegeben.
Zugleich hat auch der Staat, in dem sie leben, sein Eigentliches. Es ist das unausgesetzte Bemühen um Harmlosigkeit seiner Repräsentanten, das allen voran die Bundeskanzlerin vorführt, wenn sie jede Woche übers Internet zu uns spricht.
Iris Hanika zeigt, wie die Verbrechen der Nazizeit uns bis heute in ihren Klauen halten, und übersieht dabei nicht, zu welchen Absurditäten die Professionalisierung des Gedenkens führt. Eigentlich ist unsere Hilflosigkeit angesichts dieser Verbrechen das Eigentliche.

Thomas Hettche: Die Liebe der Väter (Kiepenheuer & Witsch)

Kurzbeschreibung
Die berührende Geschichte eines Vaters, der um seine Tochter kämpft.
Peter hat eine Tochter, aber das Sorgerecht für sie hat er nicht. Annika war zwei, als er und ihre Mutter sich trennten. Seitdem gerät jede elterliche Absprache zum Machtkampf um die inzwischen dreizehnjährige Annika. Ein Silvesterurlaub auf Sylt wird für Vater und Tochter zur entscheidenden Probe auf ihre Liebe.
Die Reise auf die Insel ist für den Verlagsvertreter Peter auch eine Rückkehr in Landschaften der Vergangenheit. Hier hat er die Sommer seiner Kindheit verbracht, als seine Mutter in einer Buchhandlung in Kampen arbeitete. Die Spaziergänge am Strand, die alte Kirche von Keitum, der Leuchtturm rufen Erinnerungen in ihm wach. Zum ersten Mal versucht er, seiner Tochter von sich zu erzählen. Er begegnet Susanne wieder, einer Freundin aus der Schulzeit, mittlerweile verheiratet und Mutter zweier Kinder. Und er muss erleben, dass er auf die Väter der scheinbar heilen Familien, die diese Ferien zusammen verbringen, wie ein Menetekel wirkt.
Es ist die Zeit zwischen den Jahren, die Rauhnächte, in denen Tiere sprechen können und die Tore der Geisterwelt offen stehen. „Die Wilde Jagd“ tobt um das Ferienhaus auf der Düne, ein Wintersturm. Und in der Silvesternacht, zusammen mit Freunden im „Sansibar“, steht plötzlich Peters gesamte Existenz auf dem Spiel. Atemlos folgt man seiner Stimme, die erzählt, was ihm geschieht – gegenwärtig, distanzlos, unmittelbar.
Dieser Roman über die Schwierigkeit, heute Vater zu sein, ist Thomas Hettches persönlichstes Buch. Meisterhaft gelingt es ihm, die Atmosphäre des winterlichen Sylt mit einem Familiendrama zu verbinden, in dem es um die eigene Vergangenheit geht, die persönliche Integrität und eine gemeinsame Zukunft.

Paul Hochgatterer: Das Matratzenhaus (Deuticke)

Kurzbeschreibung
Frühlingsidylle in Furth am See, einer Kleinstadt in Österreich. Doch damit ist es mit einem Schlag vorbei, als eine rätselhafte Serie von Kindesmisshandlungen die Bewohner der Stadt in Unruhe versetzt. Der Psychiater Raffael Horn und Kommissar Ludwig Kovacs versuchen fieberhaft, den Täter zu finden, bevor die Sache noch weiter eskaliert. Das ungewöhnliche Ermittlerduo aus Hochgatterers Bestseller „Die Süße des Lebens“ geht in diesem literarischen Krimi ein weiteres Mal auf gemeinsame Spurensuche.

Georg Klein: Roman unserer Kindheit (Rowohlt)

Kurzbeschreibung
Ein scheinbar ewiger Sommer umfängt Neubaublöcke, amerikanische Kasernen, ein verlassenes Wirtshaus unter uralten Kastanien und die Laubenkolonie, wo die Kinder der Neuen Siedlung sich die großen Ferien vertreiben. Langsam, kaum merklich, sickert das Unheimliche ein: Ein Mord wird angekündigt, dann kommen die Boten, buchstäblich aus einer anderen Welt. Und es sieht aus, als könnten sie zumindest eines der Siedlungskinder auf die Nachtseite dieses Sommers hinüberziehen. «Roman unserer Kindheit» ist zugleich ein radikal autobiographisches und magisch-phantastisches Buch, ein Kindheitsroman voll fiebrigem Witz und dunkler Einsicht. «Ein Geniestreich ist dieser Roman, opak, dicht, verrückt, hässlich und irre schön.» Ina Hartwig, Die Zeit

Rolf Lappert: Auf den Inseln des letzten Lichts (Carl Hanser Verlag)

Kurzbeschreibung
Die zwei Geschwister, Megan und Tobey, sind trotz aller Unterschiede doch einzigartig aneinander gebunden. Eines Tages ist Megan verschwunden, und Tobeys Suche nach ihr wird zu einem lebensgefährlichen Abenteuer: Auf einer winzigen Insel in den Philippinen stößt er auf eine seltsame, im Verfall begriffene Welt. Wissenschaftler und Versuchstiere einer einstigen Forschungsstation für Primaten vegetieren hier vor sich hin, und Tobey kommt einem dunklen Geheimnis auf die Spur, von dem nur Megan die ganze Wahrheit kennt … Nach seinem preisgekrönten Roman „Nach Hause schwimmen“ liefert Rolf Lappert, der Autor aus der Schweiz, erneut ein Meisterwerk der Erzählkunst, das die Absonderlichkeiten des Lebens beschreibt und eine faszinierende fremde Welt eröffnet.

Thomas Lehr: September. Fata Morgana (Carl Hanser Verlag)

Kurzbeschreibung
Zwei Väter und zwei Töchter, zwei parallele Lebensgeschichten in den USA und im Irak. Ihre Schauplätze sind weit entfernt, und doch verbinden sie zwei politische Ereignisse: Sabrina stirbt am 11. September 2001 im New Yorker World Trade Center, während Muna 2004 in Bagdad bei einem Bombenattentat ums Leben kommt. Thomas Lehr, in Deutschland einer der „klügsten und brillantesten Schriftsteller“ (FAZ), begibt sich in seinem grandiosen, vielschichtigen Werk auf eine literarische Grenzwanderung zwischen zwei Kulturen. In einer verdichteten, lyrischen Sprache erzählt „September“ vom Islam, von Öl, Terror und Krieg und von zwei Frauen, die stellvertretend für die Opfer dieses Konflikts stehen.

Andreas Maier: Das Zimmer (Suhrkamp)

Kurzbeschreibung
Mit einem Bein steht er noch im Paradies, dafür hat die Geburtszange gesorgt. Immer ist er ein Kind geblieben, und wurde doch stets älter, und leben mußte er auch irgendwie. Nun ist er schon dreißig und hat seine große Liebe, einen VW-Variant Typ 3, mit dem fährt er zwischen den blühenden Rapsfeldern umher. Es ist das Jahr der ersten Mondlandung, 1969, als man in Frankfurt am Main noch Treppensteigen geht in den Bordellaltbauten um den Bahnhof herum. Ein Tag im Leben Onkel J.s. Hin- und hergerissen zwischen Luis Trenker, der Begeisterung für Wehrmachtspanzer und den Frankfurter Nutten, wird J. plötzlich als ein Mensch erkennbar, der außerhalb jeden Schuldzusammenhangs steht, noch in den zweifelhaftesten Augenblicken. Einer, der nicht zugreift, weil er es gar nicht kann, während die Welt um ihn herum sich auf eine heillose Zukunft wie auf die Erlösung vorbereitet. Nach den Romanen „Wäldchestag“, „Klausen“, „Kirillow“, „Sanssouci“ und „Onkel J. Heimatkunde“ setzt Andreas Maier neu an: Das Zimmer ist ein Erinnerungsporträt und Roman zugleich, vielleicht der Beginn einer großen Familiensaga, eine Reflektion über Zeit und Zivilisation, über die Würde des Menschen und wie sie erhalten bleiben kann. „Der begabteste Schwadroneur unter den jüngeren Autoren.“ Ulrich Greiner, Die Zeit

Alain Claude Sulzer: Zur falschen Zeit (Galiani Berlin)

Kurzbeschreibung
Wer zur falschen Zeit den Falschen liebt … Mit der Wucht einer griechischen Tragödie erzählt Alain Claude Sulzer einen großen Roman über Liebe und Verrat und die Unausweichlichkeit des Schicksals. Es ist die Uhr am Handgelenk seines Vaters,
die ihn aus unerfindlichen Gründen plötzlich interessiert. Siebzehn Jahre lang hatte das Foto, auf dem der Vater sie trägt, wenig beachtet im Regal in seinem Zimmer gestanden. Gekannt hatte er seinen Erzeuger nicht, die Mutter hatte ungern von ihm
erzählt. Doch jetzt, mit siebzehn, erwacht seine Neugier. Es ist das Bild eines professionellen Fotografen, die Uhr aber steht auf Viertel nach sieben. Welcher Berufsfotograf macht zu solch einer Zeit Bilder? Der Erzähler beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Auf der Rückseite des Porträts findet er eine Pariser Adresse – und stellt mit Erstaunen fest, dass der Fotograf sein mysteriöser Patenonkel ist, der sich seit der Taufe nie mehr gemeldet hat. Ohne die Mutter oder den Stiefvater in seine Pläne einzuweihen, hebt er all sein Geld ab, hinterlässt einen knappen Abschiedsbrief und reist nach Paris. Dort gerät er auf die Spur der wahren Geschichte seines Vaters. Einer Geschichte, die den Boden unter seinen Füßen zum Wanken bringt. Mit großer Dezenz und dennoch mit der Wucht einer griechischen Tragödie entfaltet Alain Claude Sulzer in seinem Roman die Geschichte eines Mannes, der an sich selbst und an den Zeitumständen, in denen er lebt, scheitert. Die Geschichte eines Mannes, der erkennen muss, dass die Heirat mit seiner Frau, die ihm selbst lange wie die Rettung schien, ein Fehler war. Und dass er sie betrügen und hintergehen
muss, um die wahre Liebe seines Lebens zu leben.

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Die Jury des Wilhelm-Raabe-Literaturpreises, die Ende September tagen wird, setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Gerd Biegel (Raabe-Gesellschaft e.V./ Institut für Regionalgeschichte), Ina Hartwig (Frankfurter Rundschau), Anja Hesse (Fachbereichsleitung Kultur der Stadt Braunschweig),
Katrin Hillgruber (freie Literaturkritikerin), Ursula März (Literaturkritikerin, Die Zeit), Michael Schmitt (ZDF/3sat), Julia Schröder (Stuttgarter Zeitung), Renate Stauf (Germanistisches Seminar Technische Universität Braunschweig) und Hubert Winkels (Sprecher der Jury, Deutschlandfunk).

Der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis wird in einer öffentlichen Feierstunde im November verliehen.

Quelle: Wilhelm-Raabe-Literaturpreis

Barbara Aschenwald erhält Jürgen-Ponto-Literaturpreis für Leichten Herzens

Barbara Aschenwald erhält Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung  für „Leichten Herzens“

Die österreichische Autorin Barbara Aschenwald erhält in diesem Jahr den mit 15.000 Euro dotierten Literaturförderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung für ihren Debütroman „Leichten Herzens„.

Die 1982 in Schwaz in Tirol geborene und im Zillertal aufgewachsene Autorin habe mit ihrem Roman „ernsthafte, ungewöhnliche und erstaunliche Erzählungen“ vorgelegt, teilte die Jury der zur Commerzbank gehörenden Jürgen-Ponto-Stiftung am Donnerstag in Frankfurt mit. Jurymitglied Hans-Martin Gauger lobte das Buch, „weil es sich stilistisch von der Schreibweise junger Autoren abhebt„.

In „Leichten Herzens“ erzählt die in Innsbruck lebende und Vergleichende Literaturwissenschaften studierende Autorin 13 Geschichten von Liebe und Zerstörung, Schönheit und Verzweiflung. 2002 wurde Aschenwald mit dem Rimbaud-Preis ausgezeichnet.

Der Jürgen-Ponto-Preis wird seit 1978 jährlich für ein literarisches Debüt vergeben und in diesem Jahr im November im Literaturhaus Frankfurt verliehen.

Kurzbeschreibung
Wir balancieren durch die Schatten in der Luft, stecken unsere Hände in die Wolken, rühren sie um, machen Wetter, lassen es donnern. Was Barbara Aschenwald zwischen einfachen Wort- und Satzfolgen für den Leser hinterlegt, geht weit über den Inhalt des Gesagten hinaus. Ihre im wahrsten Sinne mitreißenden Prosastücke erzählen von Schönheit und Verzweiflung des Menschen, von Liebe und Zerstörung, vom Kaputtmachen und Lebenlassen †“ gewichtige Themen, die Aschenwald im Leser jedoch sanft zum Schwingen bringt, anstatt ihn damit zu erdrücken. Von den Straßen und Städten wandert die Erzählerin wachen Blickes bis hinauf in uralte Gebirgsgegenden. Auf ihrem Weg begegnet sie Fremden und Bekannten, Familien und Einzelgängern, die in sinnlicher Darstellung aus den Geschichten hervortreten.

Leichten Herzens legt die junge Autorin hier ein bemerkenswertes Debüt vor. Aschenwalds zutiefst unzynischer Blick sieht in den selbstgemachten Katastrophen unserer Zivilisation nicht nur das Dämonische, sondern auch das Banale. Eine eigentümliche Leichtigkeit macht den speziellen Ton ihrer Prosa aus, der aus den vielen Stimmen zeitgenössischer Literatur angenehm hervorsticht.

Quelle: derStandard.at

Anna Katharina Hahn erhält Roswitha-Preis 2010

Anna Katharina Hahn erhält Roswitha-Preis 2010

Den Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim erhält in diesem Jahr die Autorin Anna Katharina Hahn. Die Jury würdigte die Schriftstellerin für „ihre seltene Gabe, eleganten Schreibstil, Sarkasmus und Empathie zu vereinen„.

Die 39-jährige Autorin hat zahlreiche Essays und Erzählungen sowie ihren in Stuttgart spielenden Debütroman „Kürzere Tage“ veröffentlicht.

Die mit 5500 Euro dotierte Literaturauszeichnung wird am 05.11.2010 bei einer Feier im Ganderheimer Dom verliehen. Die Auszeichnung wird jährlich an Frauen vergeben und ist nach Roswitha von Gandersheim, einer Äbtissin aus dem 10. Jahrhundert, benannt.

Zu den bisherigen Preisträgerinnen gehören Felicitas Hoppe, Ruth Klüger, Katja Lange-Müller, Herta Müller, Ulla Hahn, Elfriede Jelenik  und Silvia Bovenschen.

Kürzere Tage – Kurzbeschreibung
Marco wohnt im Hochhaus an der Hauptstraße. Von hier ist es nicht weit bis zum Olgaeck, und hinter dem Olgaeck liegt die Constantinstraße, wo die Altbauten unter Denkmalschutz stehen und die Äpfel beim türkischen Feinkosthändler teurer sind als im Hauptbahnhof. Hier wohnen die Aufsteiger, Übermütter und ihre wohlerzogenen Kinder. Hier scheint alles in Ordnung †“ wenn man nicht vom Supermarkt ins Büro und vom Büro in den Kindergarten hetzt, so wie Leonie, wenn man nicht am Doppelleben als Karrierefrau und Mutter verzweifelt. Judith findet Halt in der Anthroposophie. Hingebungsvoll pflegt sie den Jahreszeitentisch für ihre Kleinen. Doch nachts helfen nur Tabletten gegen die Angst. Im Nebenhaus wohnen die alten Posselts. Sie haben geschafft, wovon die Enkelgeneration nur träumt, nämlich ein Leben lang zusammenzubleiben. Da versetzt Marco die Nachbarschaft in Aufruhr. Kürzere Tage ist eine wortmächtige Bestandsaufnahme und eine melancholische Abrechnung mit einer Gesellschaft, in der alle Werte fragwürdig geworden sind. Wohlstand und Aussichtslosigkeit, Eurythmie und Hysterie, Elternglück und Kinderleid. Virtuos schildert Anna Katharina Hahn das satte Stuttgart von einer anderen Seite.

Über die Autorin
Anna Katharina Hahn begann, nachdem sie 1990 in Stuttgart die Reifeprüfung abgelegt hatte, ein Studium der Germanistik, Anglistik und Volkskunde an der Universität Hamburg, das sie 1995 mit dem Magistergrad abschloss. Von 1996 bis 2001 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bibel-Archiv und in der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg tätig. Neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu spätmittelalterlichen Historienbibeln publizierte sie literarische Texte in Zeitschriften und Anthologien sowie zwei Bände mit Erzählungen. 2004 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Sie lebt heute mit ihrer Familie in Stuttgart.

Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2010

Die Jury hat sich entschieden: Die sechs Finalisten für den Deutschen Buchpreis 2010 stehen fest und wurden heute bekannt gegeben.

„Einen Tag lang haben wir über die Kandidaten für unsere Shortlist diskutiert. Nicht immer, das gehört dazu, waren wir uns einig. Wir freuen uns, nun sechs außergewöhnliche Finalisten zu präsentieren, sechs sehr unterschiedliche literarische Stimmen: poetisch, komisch, experimentell. Es sind Romane, deren Gemeinsamkeit wohl vor allem in ihrer Welthaltigkeit zu finden ist“, sagt Jurysprecherin Julia Encke, Literaturkritikerin bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Die Jury hat in den letzten fünf Monaten insgesamt 148 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2009 und dem 8. September 2010 erschienen sind. 20 Titel haben es in die Longlist geschafft und nachfolgend die 6 nominierten Romane der Shortlist in in alphabetischer Reihenfolge:

Jan Faktor – Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag

Kurzbeschreibung
Ein ödipales Vergnügen – Faktors erotischer Entwicklungsroman über Widerstände, Schmutz und Schönheit. Georg wächst in der schönsten Wohngegend Prags in einem summenden Frauenhaushalt auf. Leider zur Zeit des politischen Terrors, der überirdischen Atomversuche und später des Reformversuchs von ’68. Zwischen Tanten mit Kriegstraumata, dem tyrannischen Onkel ONKEL und der überstrahlend-schönen Mutter bleibt ihm nur die Flucht nach vorn.
Das sozialistische Prag hat in den Jahren von Georgs Jugend seinen Glanz verloren. In einer Stadt voller gewalttätiger Müllmänner, 50-ccm-Motorradcowboys, sexbesessener Fremdgänger und vieler anderer unsozialistischer Elemente nutzt Georg alle sich bietenden Freiräume, um auszubrechen: Er experimentiert mit hochexplosiven Substanzen, verbringt die Nachmittage mit wilden Jugendcliquen und findet im Kreis der Familie schließlich auch eine Geliebte. In einer Gesellschaft, die von den Rändern her vergammelt und sich von innen auflöst, bekommt das Körperliche eine befreiend-subversive Bedeutung. Georg mobilisiert alle Kräfte, um neben der Mutter auch dem stickig-klebrigen Vaterhaushalt zu entkommen, in dem er seine verhassten Wochenenden verbringen muss. Als er nach der Okkupation des Landes den kulturellen Niedergang miterlebt und sich der Prager Dissidentenszene nähert, wird ein geschasster Intellektueller, der sich trotz seiner Blindheit wie ein Sehender in der Stadt bewegt, zu seinem Wunschvater.
Georg macht sich seit seiner frühen Kindheit Sorgen um seine Vergangenheit, seiner hellen glücklichen Zukunft ist er sich aber völlig sicher. Die Frage, ob er wirklich glücklich werden wird, beantwortet sich bei einer zufälligen, aber nicht wirklich vermeidbaren Begegnung auf der Straße.
Indem Jan Faktor Georg selbst erzählen lässt, macht er das Erzählen zu einem zweiten subversiven Akt – und führt damit den Entwicklungs- und den Gesellschaftsroman zusammen. So entstehen ein vor Witz strotzendes Psychogramm einer Familie und ein hellsichtiges Porträt einer Stadt.

Thomas Lehr – September. Fata Morgana

Kurzbeschreibung
Zwei Väter und zwei Töchter, zwei parallele Lebensgeschichten in den USA und im Irak. Ihre Schauplätze sind weit entfernt, und doch verbinden sie zwei politische Ereignisse: Sabrina stirbt am 11. September 2001 im New Yorker World Trade Center, während Muna 2004 in Bagdad bei einem Bombenattentat ums Leben kommt. Thomas Lehr, in Deutschland einer der „klügsten und brillantesten Schriftsteller“ (FAZ), begibt sich in seinem grandiosen, vielschichtigen Werk auf eine literarische Grenzwanderung zwischen zwei Kulturen. In einer verdichteten, lyrischen Sprache erzählt „September“ vom Islam, von Öl, Terror und Krieg und von zwei Frauen, die stellvertretend für die Opfer dieses Konflikts stehen.

Melinda Nadj Abonji – Tauben fliegen auf

Kurzbeschreibung
Eine ungarische Familie aus Serbien in der Schweiz. Ein schwungvoll und gewitzt erzählter Roman aus der Mitte Europas.Zuhause ist die Familie Kocsis also in der Schweiz, aber es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem, sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben?

Doron Rabinovici – Andernorts

Kurzbeschreibung
Weshalb polemisiert der israelische Kulturwissenschaftler Ethan Rosen gegen einen Artikel, den er selbst verfaßt hat? Erkennt er seinen eigenen Text nicht wieder? Oder ist er seinem Kollegen Klausinger in die Falle gegangen, mit dem er um eine Professur an der Wiener Universität konkurriert? Ethan Rosen und Rudi Klausinger: Beide sind sie Koryphäen auf demselben Forschungsgebiet, und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein: Rosen ist überall zu Hause und nirgends daheim. Selbst der Frau, die er liebt, stellt er sich unter falschem Namen vor. Klausinger wiederum ist Liebkind und Bastard zugleich. Er weiß sich jedem Ort anzupassen und ist trotzdem ruhelos: Was ihn treibt, ist die Suche nach seinem leiblichen Vater; sie führt ihn schließlich nach Israel und zu Ethan Rosen. Dessen Vater, ein alter Wiener Jude, der Auschwitz überlebte, braucht dringend eine neue Niere. Bald wird die Suche nach einem geeigneten Spenderorgan für die Angehörigen zur Obsession. Und selbst der obskure Rabbiner Berkowitsch hat plötzliches Interesse an den Rosens. Herkunft, Identität, Zugehörigkeit †“ um und um wirbelt Doron Rabinovici in seinem neuen Roman „Andernorts“ die Verhältnisse in einer jüdischen Familie, deckt ihre alten Geheimnisse auf und beobachtet sie bei neuen Heimlichkeiten. Am Ende dieser packend erzählten Geschichte sind alle Gewißheiten beseitigt. Nur eines scheint sicher: Heimat ist jener Ort, wo einem am fremdesten zumute ist. »Rabinovici gelingt das Kunststück, seine Prosa unterhaltsam, elegant und leicht, zugleich aber auch ausgesprochen artifiziell, genial und mehrdeutig darzubieten.« Tages-Anzeiger

Peter Wawerzinek – Rabenliebe

Kurzbeschreibung
Ein Buch wie ein Erdbeben. Über fünfzig Jahre quälte sich Peter Wawerzinek mit der Frage, warum seine Mutter ihn als Waise in der DDR zurückgelassen hatte. Dann fand und besuchte er sie. Das Ergebnis ist ein literarischer Sprengsatz, wie ihn die deutsche Literatur noch nicht zu bieten hatte. Ihre Abwesenheit war das schwarze Loch, der alles verschlingende Negativpol in Peter Wawerzineks Leben. Wie hatte seine Mutter es ihm antun können, ihn als Kleinkind in der DDR zurückzulassen, als sie in den Westen floh? Der Junge, herumgereicht in verschiedenen Kinderheimen, blieb stumm bis weit ins vierte Jahr, mied Menschen, lauschte lieber den Vögeln, ahmte ihren Gesang nach, auf dem Rücken liegend, tschilpend und tschirpend. Die Köchin des Heims wollte ihn adoptieren, ihr Mann wollte das nicht. Eine Handwerkerfamilie nahm ihn auf, gab ihn aber wieder ans Heim zurück.
Wo war Heimat? Wo seine Wurzeln? Wo gehörte er hin? Dass er auch eine Schwester hat, erfuhr er mit vierzehn. Im Heim hatte ihm niemand davon erzählt, auch später die ungeliebte Adoptionsmutter nicht. Als Grenzsoldat unternahm er einen Fluchtversuch Richtung Mutter in den Westen, kehrte aber, schon jenseits des Grenzzauns, auf halbem Weg wieder um. Wollte er sie, die ihn ausgestoßen und sich nie gemeldet hatte, wirklich wiedersehen? Zeitlebens kämpfte Peter Wawerzinek mit seiner Mutterlosigkeit.
Als er sie Jahre nach dem Mauerfall aufsuchte und mit ihr die acht Halbgeschwister, die alle in derselben Kleinstadt lebten, war das über die Jahrzehnte überlebensgroß gewordene Mutterbild der Wirklichkeit nicht gewachsen. Es blieb bei der einzigen Begegnung.
Aber sie löste – nach jahrelanger Veröffentlichungspause – einen Schreibschub bei Peter Wawerzinek aus, in dem er sich das Trauma aus dem Leib schrieb: Über Jahre hinweg arbeitete er wie besessen an Rabenliebe, übersetzte das lebenslange Gefühl von Verlassenheit, Verlorenheit und Muttersehnsucht in ein großes Stück Literatur, das in der deutschsprachigen Literatur seinesgleichen noch nicht hatte.

Judith Zander – Dinge, die wir heute sagten

Kurzbeschreibung
Bresekow, ein Dorf in Vorpommern. Als die alte Frau Hanske stirbt, kommt ihre Tochter Ingrid mit ihrer Familie aus Irland zur Beerdigung. Ingrid hatte Bresekow vor vielen Jahren fluchtartig verlassen. Der Besuch verändert vieles im Dorf, wirft gerade für die Familien Ploetz und Wachlowski alte und neue Fragen auf. Die Dorfbewohner beginnen zu sprechen, über ihr derzeitiges Leben und ihre Verstrickungen von damals. Bresekow war immer eine kleine Welt, eng, abgelegen und heute zudem vom Verfall bedroht.
Judith Zander lässt drei Generationen zu Wort kommen. Sie erzählt mit ungeheurer Sprachkraft von einem verschwiegenen Ort im Nordosten Deutschlands, von Provinz und Alltag, von Freundschaft und Verrat, vom Leben selbst.

Am 4. Oktober 2010 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers, erfahren die sechs Autoren, wer von ihnen den Deutsche Buchpreis 2010 gewonnen hat. Der Preisträger erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro.

Shortlist Man Booker Prize 2010

Shortlist Man Booker Prize 2010

Heute gab die Jury die Shortlist mit den nominierten 6 Titeln für den diesjährigen Man Booker Prize bekannt.

Insgesamt wurden in diesem Jahr 138 Bücher eingereicht – 13 schafften es auf die Longlist, die am 27.07.2010 veröffentlicht wurde.

Der Man Booker Prize ist mit £50.000 dotiert und gehört zu den wichtigsten Literaturauszeichnungen im englischsprachigen Raum.

Der Gewinner wird am 12.10.2010 beim Dinner in Londons Guildhall bekanntgegeben.

Nachfolgend die nominierten Romane der Shortlist:

Peter Carey mit Parrot and Olivier in America

Kurzbeschreibung
Oliver ist ein französischer Aristokrat, traumatisiertes Kind der Überlebenden der Revolution, immer in Angst vor neuen Unruhen. Parrot ist der Sohn eines englischen Wanderarbeiters, der ein Künstler sein wollte aber als Diener endete. Auf ihrer Reise in die neue Welt, mal gemeinsam, mal getrennt, entdecken sie das Abenteuer der Amerikanischen Demokratie- erzählt wechselweise aus den Perspektiven von Herrn und Diener. Erfindungsreiche Erzählung einer unmöglichen Freundschaft.

Emma Donoghue mit Room

Kurzbeschreibung
Es ist sein Geburtstag und Jack findet es aufregend fünf zu werden. Er lebt mit seiner Mutter im „Zimmer“. Das „Zimmer“ hat eine abgeschlossene Tür, ein Oberlicht und misst vier mal vier Meter. Er liebt es fernzusehen, denn da sieht er seine „Freunde“, die Cartoonfiguren. Aber er weiß, dass die Dinge hinter der Mattscheibe nicht echt sind – echt sind nur Ma, er und die Dinge im Zimmer. Bis der Tag kommt, an dem Ma zugibt, dass es eine Welt da draußen gibt…
Lustig, niederschmetternd und erhebend zugleich – „Room“ ist ein Roman wie kein anderer.

Damon Galgut mit In A Strange Room

Kurzbeschreibung
A young man takes three journeys, through Greece, India and Africa. He travels lightly, simply. To those who travel with him and those whom he meets on the way – including a handsome, enigmatic stranger, a group of careless backpackers and a woman on the edge – he is the Follower, the Lover and the Guardian. Yet, despite the man’s best intentions, each journey ends in disaster. Together, these three journeys will change his whole life. A novel of longing and thwarted desire, rage and compassion, „In a Strange Room“ is the hauntingly beautiful evocation of one man’s search for love, and a place to call home.

Howard Jacobson mit The Finkler Question

Kurzbeschreibung
‚He should have seen it coming. His life had been one mishap after another. So he should have been prepared for this one‘. Julian Treslove, a professionally unspectacular and disappointed BBC worker, and Sam Finkler, a popular Jewish philosopher, writer and television personality, are old school friends. Despite a prickly relationship and very different lives, they’ve never quite lost touch with each other – or with their former teacher, Libor Sevick, a Czechoslovakian always more concerned with the wider world than with exam results. Now, both Libor and Finkler are recently widowed, and with Treslove, his chequered and unsuccessful record with women rendering him an honorary third widower, they dine at Libor’s grand, central London apartment. It’s a sweetly painful evening of reminiscence in which all three remove themselves to a time before they had loved and lost; a time before they had fathered children, before the devastation of separations, before they had prized anything greatly enough to fear the loss of it. Better, perhaps, to go through life without knowing happiness at all because that way you had less to mourn? Treslove finds he has tears enough for the unbearable sadness of both his friends‘ losses. And it’s that very evening, at exactly 11:30pm, as Treslove hesitates a moment outside the window of the oldest violin dealer in the country as he walks home, that he is attacked. After this, his whole sense of who and what he is will slowly and ineluctably change. „The Finkler Question“ is a scorching story of exclusion and belonging, justice and love, ageing, wisdom and humanity. Funny, furious, unflinching, this extraordinary novel shows one of our finest writers at his brilliant best.

Andrea Levy mit The Long Song

Kurzbeschreibung
Im turbulenten Jamaika des 19.Jahrhunderts lebt July als Sklavin auf der Zuckerrohrplantage „Amity“. Sie erlebt die letzten Jahre der Sklaverei, den großen Sklavenaufstand und die ersten Jahre der Freiheit …
Mit diesem Roman wirft britische Autorin Andrea Levy einen unterhaltsamen und spannenden Blick auf das Land ihrer Eltern und seine Geschichte. In ihren teils preisgekrönten Romanen reflektiert sie die Erfahrungen der schwarzen Briten und untersucht die innigen Bande, die die britische Geschichte mit der Geschichte der Kariben verbindet.

Tom McCarthy mit C

Kurzbeschreibung
The acclaimed author of Remainder, which Zadie Smith hailed as †œone of the great English novels of the past ten years,†gives us his most spectacularly inventive novel yet.
Opening in England at the turn of the twentieth century, C is the story of a boy named Serge Carrefax, whose father spends his time experimenting with wireless communication while running a school for deaf children. Serge grows up amid the noise and silence with his brilliant but troubled older sister, Sophie: an intense sibling relationship that stays with him as he heads off into an equally troubled larger world.
After a fling with a nurse at a Bohemian spa, Serge serves in World War I as a radio operator for reconnaissance planes. When his plane is shot down, Serge is taken to a German prison camp, from which he escapes. Back in London, he†™s recruited for a mission to Cairo on behalf of the shadowy Empire Wireless Chain. All of which eventually carries Serge to a fitful†”and perhaps fateful†”climax at the bottom of an Egyptian tomb . . .
Only a writer like Tom McCarthy could pull off a story with this effortless historical breadth, psychological insight, and postmodern originality.

Quelle: Man Booker Prize