Lesung mit Martin Walser am 28.05. im Münchner Literaturhaus

Programmvorschau

Lesung mit Martin Walser am Mittwoch, den 28.5.2008, um 20 Uhr im Saal des Münchner Literaturhauses, Salvatorplatz 1
Moderation: Dieter Borchmeyer

Ein liebender Mann

Martin Walser fasst die bisweilen schmerzhafte historische Liebesgeschichte in einen so empfindsamen wie schonungslosen Roman. Er liest Passagen daraus vor und spricht mit dem Literaturprofessor Dieter Borchmeyer über seine Umsetzung eines pikanten historischen Themas.

Kurzbeschreibung
Der 73-jährige Goethe – Witwer und so berühmt, dass sein Diener Stadelmann heimlich Haare von ihm verkauft – liebt die 19-jährige Ulrike von Levetzow.
1823 in Marienbad werden Blicke getauscht, Worte gewechselt, die beiden küssen einander auf die Goethe´sche Art. Er sagt: Beim Küssen kommt es nicht auf die Münder, die Lippen an, sondern auf die Seelen. „Das war sein Zustand: Ulrike oder nichts.“ Aber sein Alter holt ihn ein. Auf einem Kostümball stürzt er, und bei einem Tanztee will sie ein Jüngerer verführen. Der Heiratsantrag, den er Ulrike trotzdem macht, erreicht sie erst, als ihre Mutter mit ihr nach Karlsbad weiterreisen will. Goethe, mal hoffend, mal verzweifelnd, schreibt die „Marienbader Elegie“. Zurück in Weimar, lässt ihn die eifersüchtige Schwiegertochter Ottilie nicht mehr aus den Augen. Martin Walsers neuer Roman erzählt die Geschichte einer unmöglichen Liebe: bewegend, aufwühlend und zart. Die Glaubwürdigkeit, die Wucht der Empfindungen und ihres Ausdrucks – das alles zeugt von einer Kraft und (Sprach-)Leidenschaft ohne Beispiel.

Der liebende Mann“ ist ebenso stilsicher wie die †œAngstblüte† banal mäandert. Walsers blitzgescheiter Witz, so selten in der deutschen Literatur, hier ist er wieder, und alles Muffige und Verklemmte verschwindet aus dieser Geschichte der Wehmut angesichts des Elends vom Altwerden. (Elke Heidenreich)

Gedicht von Martin Walser – Friedensfeier, aber bald

Durch nichts zu ersetzen ist die Bestimmtheit,
wenn sie fehlt. Du kannst fast nichts lernen.
Du bist ein Aufbruch, dem nicht gesagt wird,
wohin. Wenn alle Autos plötzlich führen,
als führen sie zum selben Ziel. Kindische Wünsche.
Endlich mit den Armen nur noch umarmen, auch
die Fallensteller, die Untersteller. Den Mund
zu nichts mehr brauchen als zum Küssen. Die Hände
zum Streicheln. Zu Fäusten haben sie nicht getaugt. Wenn
ich nur nicht vorsichtig werde. Ich spür ja, wie mir
die Hölderlin-Mut fehlt. Viel zu wenig frech bin ich.
Dass ich nichts mehr wissen will von den Quartieren, in denen
das Rechthaben blüht, ist schon fast ein Verbrechen. Umarmen,
streicheln, küssen, aber alle. Alle Fallensteller, Untersteller,
Verdächtiger. Mir ist zum Umarmen keiner zu schrecklich.
Zum Unterscheiden bin ich nicht blind genug. Wie jeder werd ich
durch Zustimmung schön. Zur Friedensfeier komm ich, sagt mir, wohin.
Der himmlischen, still widerklingenden, Der ruhig wandelnden Töne voll,
sei, was ist. Ich, das Echo der Freundlichkeit. Zu hoffen ist nichts,
zu lieben viel. Überall willkommen ist niemand. Robinson wär
ein Patron. Ich habe mich so vergangen und will
gefunden werden, wo ich am liebsten wär.

Quelle: Süddeutsche Zeitung am 05. Februar 2008