Wie Spiegel Online berichtet, ist die deutsche Schriftstellerin Christa Wolf mit den Uwe-Johnson-Preis ausgezeichnet worden. Die 81-Jährige erhielt die Ehrung für ihren neuen Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud„.
Nach Angaben des Suhrkamp Verlages, der Wolfs Werke betreut, ist es der erste Preis, den die Autorin für das im Juni erschienene Buch erhalten hat. Die Laudatio im Schauspielhaus hielt auf Wunsch der Preisträgerin der Schriftsteller Christoph Hein. Wolf zeigte sich „tief gerührt“ von der Ehrung.
Wolf entwerfe „ein faszinierendes Netzwerk, in dem die Ich-Erzählerin alltägliche Begebenheiten, Assoziationen, Erlebnisse, Gefühle und Erinnerungen verwebt“, urteilte die Jury. Der Roman enthalte Bezüge zu der Poetik Uwe Johnsons, derzufolge es keine einfache Wahrheit gebe.
Laudator Hein würdigte die Autorin als trotz aller Anfeindungen „stolze Frau„. Wolf habe mit ihrer Lebensgeschichte großen Anteil daran, anderen Menschen 1989 Mut zu machen, sagte Hein und nannte als Beispiel Wolfs Widersprechen in der Biermann-Affäre.
Auch Festrednerin Sigrid Keler, ehemalige Finanzministerin in Mecklenburg-Vorpommern, erinnerte an die Wiedervereinigung. 20 Jahre danach sei die Vergabe des Johnson-Literaturpreises an Wolf ein „glücklicher Brückenschlag“, da sowohl Johnson als auch Wolf das Thema Teilung in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellten, so unterschiedlich die Autoren auch seien.
Der Roman spielt in Los Angeles, wo sich die Erzählerin auf Einladung des Getty Center für einige Monate zum Arbeiten aufhält. Ihr Forschungsobjekt sind die Briefe einer Frau, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA emigrierte. Die Erzählerin begibt sich auf deren Spuren und muss sich bei ihrer Reise sowohl mit der amerikanischen Lebensweise als auch mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen.
Viele der in dem Buch geschilderten Ereignisse verweisen auf Wolfs Biografie, wie jene Reise nach Los Angeles Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als in Deutschland Stasi-Vorwürfe gegen die Autorin erhoben wurden. So beschreibt die Ich-Erzählerin an einer Stelle ihre Gefühle beim Ansehen jener Stasi-Akte, in der sie als „IM“ geführt wurde.
Der Uwe-Johnson-Preis wird von der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft und dem „Nordkurier“ alle zwei Jahre an deutschsprachige Autoren vergeben. Bisherige Preisträger der mit 12.500 Euro dotierten Auszeichnung waren unter anderem Walter Kempowski, Joochen Laabs und Uwe Tellkamp.
Kurzbeschreibung „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“
Los Angeles, die Stadt der Engel: Dort verbringt die Erzählerin Anfang der Neunziger einige Monate auf Einladung des Getty Center. Ihr Forschungsobjekt sind die Briefe einer gewissen L. aus dem Nachlaß einer verstorbenen Freundin, deren Schicksal sie nachspürt †“ eine Frau, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA emigrierte. Sie beobachtet die amerikanische Lebensweise, taucht ein in die Vergangenheit des „New Weimar unter Palmen†œ, wie Los Angeles als deutschsprachige Emigrantenkolonie während des Zweiten Weltkriegs genannt wurde. Ein ums andere Mal wird sie über die Lage im wiedervereinigten Deutschland verhört: Wird der „Virus der Menschenverachtung†œ in den neuen, ungewissen deutschen Zuständen wiederbelebt? In der täglichen Lektüre, in Gesprächen, in Träumen stellt sich die Erzählerin einem Ereignis aus ihrer Vergangenheit, das sie in eine existentielle Krise bringt und zu einem Ringen um die Wahrhaftigkeit der eigenen Erinnerung führt. Das neue Buch von Christa Wolf ist auch autobiographische Prosa: Sie erzählt von einem Menschenleben, das drei deutschen Staats- und Gesellschaftsformen standhält, von einer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, von der Kunst, sich zu erinnern. »Und herausgekommen ist dabei eine gigantische, facettenreiche Lebensbeichte, eingebettet in jenes Jahrhundert, das das ihre war (…) kunstvoll verwoben, kontrastreich gegliedert, unter wechselnder Beleuchtung angestrahlt bietet sich das Mosaik dar, das jetzt vor uns liegt. Ein Zeugnis von Triumph des ordnenden Geistes über das Chaos der Gefühle.« Tilman Krause, Die Welt; »Es ist das radikale Bekenntnisbuch einer Schriftstellerin, die einst die bedeutendste Autorin der DDR gewesen ist, ein Buch der Suche und des Abschiedsnehmens, ein kämpferisches Buch, ein Buch über die Kämpfe des letzten Jahrhunderts, ein Buch der Verzweiflung (…) Sie hat nicht aufgehört nach ihrer Variante der Wahrheit zu suchen. Dieses Buch ist das kalifornische Monument dieser Suche.« Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung; »So erfrischend selbstironisch wie in „Stadt der Engel“ war Christa Wolf wohl noch nie. „Stadt der Engel“, der lang erwartete neue Roman der 81-jährigen Ost-Berliner Autorin, ist vieles: ein Buch der Erinnerung und des Abschieds. Eine waghalsige, in zehnjähriger Schreibarbeit entstandene, atemberaubende Selbstbefragung, ja Lebensbeichte. So ungeschützt präsentierte sich Christa Wolf noch nie. †ºJede Zeile, die ich jetzt noch schreibe, wird gegen mich verwendet werden.†¹« Oliver Pfohlmann, Der Tagessiegel; „Du bist dabei gewesen. Du hast es überlebt. Du kannst davon berichten.†œ Der neue große Roman von Christa Wolf: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud spiegelt das Leben der Autorin, wie in Kindheitsmuster immer wieder verbunden mit entscheidenden Momenten deutscher Geschichte.
Quelle: Spiegel Online Kultur