Druckfrisch mit Denis Scheck am 28.02.10 um 23.35 Uhr

Am Sonntag, den 28.02.2010, um 23:35 Uhr, heißt es wieder: Druckfrisch – Neue Bücher mit Denis Scheck.

Druckfrisch

Denis Scheck trifft Herta Müller und Javier Marías, empfiehlt aufregende Bücher und kommentiert leidenschaftlich und zugespitzt die aktuelle Spiegel-Bestenliste der Sachbücher.

Herta Müller: Niederungen
Das Debüt einer Nobelpreisträgerin, erschütternde Geschichten von den Abgründen der menschlichen Natur und ein von der Ceaucescu-Diktatur zensierter Text †“ das alles in einem ist der Prosaband „Niederungen“, der 1982 zuerst in Rumänien veröffentlicht wurde und nun endlich in der unzensierten Fassung in Deutschland erscheint.

Kurzbeschreibung
„Niederungen“ ist das Buch, mit dem Herta Müller auf einen Schlag bekannt wurde: In eindringlichen Szenen beschreibt die Nobelpreisträgerin das Leben der deutschsprachigen Banatschwaben im kommunistischen Rumänien, und sie beschreibt es als düstere Anti-Idylle in einer Enklave, die von Angst und Hass geprägt ist, von Intoleranz und Unbeweglichkeit. Diese schonungslose Chronik einer untergehenden Welt ist bereits die Grundlage eines Werkes, das sich seither immer breiter entfaltet hat. „Niederungen“ erschien 1984 in Deutschland in einer gekürzten Form. Die Neuausgabe bringt Herta Müllers Debüt zum ersten Mal in der originalen Fassung.

Javier Marías: Dein Gesicht morgen
Was bedeutet es, wenn man vorhersehen kann, wie sich ein Mensch verhalten wird? Javier Marías erzählt in seiner 1600-Seiten starken Romantrilogie eine packende Geheimdienststory im Zeitlupentempo und gibt auf diese Weise Einblicke in die Unergründlichkeit der menschlichen Psyche.
Dein Gesicht morgen. Bd. 1: Fieber und Lanze, Bd. 2: Tanz und Traum, Bd. 3: Gift und Schatten und Abschied
Kurzbeschreibung
„Man sollte niemals etwas erzählen …“, beginnt Jaime seine Geschichte. Aber er wird genau das Gegenteil tun: Er wird alles erzählen. Er wird vom britischen Geheimdienst erzählen und von dessen Sondereinheit MI6. Jaime Deza, der vor vielen Jahren in Oxford unterrichtet hat, kehrt nach England zurück. Dort entdeckt er, daß sein ehemaliger Mentor, Sir Peter Wheeler, Mitglied dieses Geheimdienstes ist und daß er ebenfalls über eine bestimmte Gabe verfügt: Er kann sehen, wie ein Mensch sich später verhalten wird, er kann erkennen, wie das Gesicht morgen sein wird, er weiß, wer ein Verräter sein wird und wer loyal.

Javier Marías verfolgt hier mehr denn je einige seiner bereits klassischen Themen: das unergründliche Wesen der Menschen, Segen und Fluch von Reden und Schweigen, und was wir alle vom ersten Augenblick an in anderen erkennen können.

Denis Scheck empfiehlt: Unterm Schnurbaum: Deutsch-Chinesische Wahlverwandtschaften. Essays von Wolfgang Kubin
„Ich möchte Ihnen ein sehr besonderes Buch vorstellen: ein verrücktes, ein verqueres, ein ganz und gar hinreißendes Buch, das messerscharf die richtigen Fragen stellt. Zum Beispiel: Wie kann man bloß nach China reisen, da herrscht doch eine Diktatur? „Unterm Schnurbaum“ heißt dieses Buch, das einen neugierig auf China macht.
Kurzbeschreibung
„Bei den Kirgisen hat sich noch die Sitte erhalten, Gäste am Ortseingang mit Schnaps und Gebäck zu begrüßen. Man nennt dieses „Xiamajiu“, eine feuchte Bewirtung. Der 52prozentige Schnaps wird in kleinen Bechern ausgeschenkt und dient der Einstimmung auf die kommende Rezitation des kirgisischen Epos ‚Manas‘. Wer bei Kirgisen „von einem Pferd absteigt“, hat auch von Kirgisen beköstigt zu werden. Wir wissen, was das bedeutet. Während des Essens sollen wir mit den Herren des Hauses im Wechsel große Schnapsschalen leeren. Jede Schale, gefüllt mit zwei Liang, das sind 100 ml, ist auf einem Tablett in Empfang zu nehmen, ex zu trinken und wieder auf das Tablett zurückzustellen. Ich bin der einzige, der in kleinen Schlucken trinkt. Bei der zweiten Runde geben die ersten auf und müssen sich verziehen. Wer jetzt noch keine Probleme hat, wird diese bald bekommen. Nach der dritten Runde meinen wir, noch eher nüchtern als trunken, zunächst Gesang und Tanz auf dem Großen Platz in praller Sonne und dann dem Polospiel mit totem Lamm unter verhangenem Himmel am Stadtrand beizuwohnen. Im ersten Fall sitzen wir auf Stühlen und langweilen uns im Anblick sowjetischer Architektur; im zweiten Fall sitzen wir zu Pferde und genießen das wilde Treiben der Reiter, die, in zwei Mannschaften aufgeteilt, ein Tier statt einer Kugel mit den Händen von einem Tor zum anderen zu bringen haben. Dabei fliegt das Lamm immer wieder von Mitspieler zu Mitspieler durch die Lüfte.“ – Wenn der Sinologe, Übersetzer und Dichter Wolfgang Kubin zu einer seiner vielen China-Reisen aufbricht, rüstet er sich für sinnliche Abenteuer. Diese literarischen Treffen zwischen Asien und Europa verlaufen alles andere als akademisch. Da schaffen sich Poeten aus Leibeskräften neues poetisches Material. Daß die starken Bilder in den fesselnden Versen aus solch wilden Momenten rühren, hat sich manch Lyrik-Freund nicht selten ausgemalt – dieser Essayband nun läßt teilhaben am dionysischen Ursprung aller Dichtung.

Quelle: DasErste.de

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