Die Auswahl – Cassia & Ky von Ally Condie [Rezension]

Die Auswahl – Cassia & Ky von Ally Condie

Es ist Frühling und ihr 17. Geburtstag als Cassia Maria Reyes in Begleitung ihrer Eltern die blitzsauberen Mamorstufen zur Stadthalle hinaufsteigt. Ihr Leben lang hat sie auf diesen Tag gewartet. Das grüne Kleid, die Nummer dreiundsiebzig in ihrem Terminal, für das sie sich entschieden hat, betont ihre schlanke Figur, ihre grünen Augen und das kupferfarben schimmernde braune Haar. Sie weiß, dass sie die Einzige an diesem Abend in dem grünen Kleid sein wird, das hat ihr eine Funktionärin verraten.

In wenigen Minuten soll sie ihren Lebenspartner kennenlernen. Es ist Cassias freie Entscheidung an dem Paarungsbankett teilzunehmen. Denn sowohl alleinlebende als auch verheiratete Bürger führen ein erfülltes Leben. Jedoch ist es nur denjenigen erlaubt, Kinder zu bekommen, die sich für die Paarung entscheiden. Das Paarungssystem ist sehr kompliziert. In den Stadthallen im ganzen Land werden die Paare in alphabetischer Reihenfolge verkündet. Abwechselnd tauchen die Gesichter von Jungen und Mädchen, die das System füreinander bestimmt hat, auf Monitoren in den verschiedenen Hallen auf. Das System garantiert körperlich und seelisch gesunden Nachwuchs, deshalb leben die Menschen länger und besser als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte.

Doch bei Cassia bleibt der Bildschirm dunkel, die Gäste fangen an zu tuscheln, bis der Moderator verkündet, dass ihr Partner ebenfalls in der Halle anwesend ist. Das Land ist riesig und die Städte so zahlreich, dass die Wahrscheinlichkeit den perfekten Partner am eigenen Wohnort zu finden, verschwindet gering ist. Dennoch, nach einer gefühlten Ewigkeit wird Cassia ihr langjähriger Freund Xander Thomas Carrow, mit dem sie einen Großteil ihrer Kindheit verbracht hat, als Partner verkündet. Cassia ist überrascht und glücklich, denn Xander sieht blendend aus, ist beliebt und ihr absolut vertraut. Das silberne Kästchen mit dem Mikrochip, auf dem die Hintergrundinformationen und Kontaktdaten ihres neuen Partners verzeichnet sind, und das ihr beim Paarungsbankett feierlich überreicht wird, braucht sie im Prinzip gar nicht.

Während ihre Freundinnen die nächsten Tage damit verbringen, die Bilder ihrer Partner anzuhimmeln und dem ersten Treffen entgegenfiebern, warten auf Cassia keine großen Überraschungen. Deshalb hat sie es auch nicht eilig, sich die Daten auf ihren Terminal zu laden. Doch dann traut sie ihren Augen kaum. Auf dem Monitor erscheinen zwei Gesichter. Nach Xander taucht das Bild von Ky Markham, ebenfalls ein Junge aus der Nachbarschaft, auf. Ky Markham ist eine „Aberration„, weil sein Vater einen Regelverstoß begangen hat. Aberrationen sind nicht gefährlich und werden im Gegensatz zu den „Anomalien“ nicht aus der Gesellschaft ausgesondert. Ky wurde im Alter von zehn Jahren von seinen Eltern getrennt und von den Markhams, die wie die Reyes´ in der idyllischen Ahorn-Siedlung leben, adoptiert. Ky stammt aus den Äußeren Provinzen. Dass er eine Aborration ist, ist nicht allgemein bekannt. Eine Funktionärin besucht Cassia noch am selben Abend, klärt sie über Ky auf, nimmt ihr den fehlerhaften Mikrochip ab und rät ihr, den Vorfall zu vergessen. Außer mit ihrem Großvater, der am nächsten Tag achtzig wird und stirbt, darf sie mit niemandem darüber sprechen…

Ally Condies Roman spielt in nicht allzu ferner Zukunft. In chronologischer Reihenfolge schildert die Autorin in ihrem Debütroman, der gleichzeitig der 1. Teil einer als Trilogie angelegten Reihe ist, die Ereignisse in der fiktiven Stadt Oria von Mai bis Oktober. Die 17-jährige Protagonistin Cassia ist Teil eines perfekt funktionierenden Systems. Ihre Eltern führen eine glückliche Ehe, beide sind anerkannte Funktionäre. Ihr Vater beaufsichtigt die Vernichtung der letzten Bücher aus den zerstörten Bibliotheken, die Mutter ist Botanikerin und befolgt die Anweisungen der Gesellschaft. Das Leben in dieser Gesellschaft ist unkompliziert. Das Essen wird in Einweggeschirr direkt ins Haus geliefert, Schüler tragen braune Ziviluniformen, Arbeiter blaue Arbeitsanzüge und Funktionäre sind immer weiß gekleidet. Alle Besitztümer eines jeden Menschen passen in einen einzigen Koffer. Jeweils hundert Lieder, Gedichte und Gemälde, die eine Kommission ausgewählt hat, stehen der Bevölkerung zur Verfügung. Der Rest wurde zum Wohl der Gesellschaft vernichtet, da die Kultur zu überladen und ungeordnet war. Der Lebensweg eines jeden Menschen ist vorherbestimmt. Anhand des Systems werden den Schülern die passenden Jobs zugeteilt, ebenso wie die zukünftigen Partner. Krankheiten sind ausgerottet, alte Menschen sterben immer an ihrem 80. Geburtstag.

Allie Condie nimmt sich viel Zeit die Struktur dieses totalitären Systems zu erklären. Ganz allmählich lernt Cassia ihre eigenen Gedanken und Gefühle zuzulassen, das System anzweifeln und sich über Verbote hinwegsetzen. Die Deutung eines verbotenen Gedichts von Dylan Thomas (1914-1953), das ihr der Großvater versteckt in der goldenen Puderdose ihrer Urgroßmutter hinterlässt, bringt ihr Weltbild ins Wanken. Denn es sind Verse, die zum Widerstand aufrufen.

Geh nicht gelassen in die Nacht,
Brenn, Alter, rase, wenn die Dämmerung lauert;
Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.

Weil keinen Funken je ihr Wort erbracht,
Weise †“ gewiss das Dunkel rechtens dauert,

Geh nicht gelassen in die Nacht.

Es sind die Worte, über die Cassia und Ky sich näher kommen. Anders als Xander kann Ky schreiben und interessiert sich wie Cassia für Gedichte. Die beiden gehen ein enormes Risiko ein, wenn sie sich auf ihren Wanderungen, eine Freizeitaktivität für die sich beide unabhängig voneinander anmelden, austauschen.
Cassia kommt zu der Erkenntnis, dass Ky eine Aberration sein mag, aber nichts Fehlerhaftes an ihm ist. Fehlerhaft ist die Regierung mit ihren Klassifikationssytemen, einschließlich des Paarungssytems.

Kys Lippen auf Cassias Wange sind wie die Pappelsamen, die sie gestreift haben, weich, hell, verheißungsvoll. Sie will mehr: sich eine eigene Arbeitsstelle suchen, heiraten, wen sie will, Kuchen zum Frühstück essen und auf einer echten Straße statt auf einem Laufband trainieren. Gedichte lesen und Wörter schreiben und am meisten will sie Ky. Das sind gefährliche Wünsche, die das System auf keinen Fall zulassen kann.

Die Auswahl – Cassia & Ky von Ally Condie umfasst 452 Seiten und ist am 28.01.2011 im Fischer Fjb Verlag erschienen. Der Verlag empfiehlt diesen Roman Jugendlichen ab 14 Jahren. Die englischsprachige Fortsetzung der Trilogie soll im November 2011 auf den Markt kommen. Wann die deutschsprachige Fortsetzung erscheint, ist noch nicht bekannt.

Der Lesekreis bedankt sich beim Fischer Verlag für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares.

Kurzbeschreibung
Der erste Band der neuen internationalen Erfolgsserie „Cassia & Ky“
Das System sagt, wen du lieben sollst – aber was sagt dein Herz?
Stell dir vor, du lebst in einer Welt, die ein absolut sicheres Leben garantiert. Doch dafür musst du dich den Gesetzen des Systems beugen: den Menschen lieben, der für dich bestimmt wird. Was würdest du tun? Für die wahre Liebe dein Leben riskieren? Für die 17-jährige Cassia ist heute der wichtigste Tag ihres Leben: Sie erfährt, wen sie mit 21 heiraten wird. Doch das Ergebnis überrascht alle: Xander, Cassias bester Freund, ist als ihr Partner vom System ausgewählt worden. Als jedoch, offenbar wegen eines technischen Defekts, das Bild eines anderen Jungen auf dem feierlich überreichten Microchip auftaucht, wird Cassia misstrauisch. Kann das System wirklich entscheiden, wen sie lieben soll?
Als ich Cassia & Ky gelesen habe, spürte ich dieselbe Begeisterung wie bei den Biss-Romanen.“ Jodi Reamer, die Entdeckerin von Stephenie Meyer

Über die Autorin
Ally Condie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Salt Lake City, USA. Nach ihrem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Romane um „Cassia & Ky“ werden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und sind große internationale Bestseller.

11 Gedanken zu „Die Auswahl – Cassia & Ky von Ally Condie [Rezension]

  1. Treffend, tiefsinnig, ausführlich…
    wow dolce.
    Du bringst es wirklich auf den Punkt. In dem Buch hab ich mich ja echt beklemmt gefühlt teilweise, auch wenn für mich persönlich ein paar Fragen offen blieben, konnte man sich die Welt trotzdem gut vorstellen und ich werde den nächsten Band wohl weiter lesen müssen. Am schlimmsten fand ich das die „Alten“ mit 80 Jahren sterben. Sympathisch wiederum das im Prinzip Cassias ganze Familie kleine Revolutionäre sind. Nur ich weiss nicht, ob ein Gedicht einem Anstoss zu so einem umdenken gibt??? Vermutlich ja, vor allem da es so etwas besonderes ist. Ich persönlich bin ja eher ein Gedichtsbanause, was hab ich es gehasst die Dinger zu analysieren 😀

  2. Stimmt genau Doc… WOW. Dolce, ich habe das Buch noch nicht gelesen, aber es klingt sehr beklemmend. In so einem System leben zu müssen, stelle ich mir furchtbar vor. Keine eigene Meinung, das logische Denken wird einem abgenommen, Zufriedenheit und Perfektion suggeriert… ich finde das schlimm! Die Geschichte erinnert mich an einen Mix aus den Filmen „Soylent Green“ , „Fahrenheit 451“ und „Logan`s Run“.

  3. Vielen Dank, Ladies! Na ja, das Gedicht war wohl insofern ausschlaggebend, weil es einfach verboten war. Und sie muss ja ewig lange über dieses „geht nicht gelassen in die Nacht“ nachdenken. Ja, dass die Alten mit 80 einfach aus dem Weg geräumt werden ist schon krass, aber ich finde diese 3 Tabletten, die alle immer dabei haben müssen, auch ziemlich unheimlich.
    Überhaupt kommt die Geschichte ja eher ziemlich leise daher und ist wohl nicht mit „Die Tribute von Panem“ zu vergleichen, obwohl im Vorfeld ja oft darüber gesprochen wurde. Ich bin jetzt wirklich gespannt, wie meine 14-Jährige das Buch findet. Für sie ist es ja eigentlich geschrieben. Aber ich befürchte, es ist ihr einfach zu „harmlos“. 😉
    LG
    P.S.: Angie, es hat ja auch was, wenn man sich absolut keine Gedanken über Krankheiten, Arbeit, Kleidung oder Essen machen muss…

  4. Ja mit dem Gedicht das stimmt, Ich denke auch, das Wissen, das ihr Grossvater es heimlich aufgehoben hat bzw. davor die Vorfahren, das hat sie auch schon nachdenklich gestimmt. Ja hey die Tabletten, ich dachte ja echt die Rote würde einen töten, aber ne Gehirnwäsche ist ja auch nciht super, wer weiss was die schon alles vertuscht haben. Ich glaube auch für die Jugend ist es zu „soft“. Trotz alledem ich hätte mich auch in Ky verliebt, der Reiz des Verbotenen 😆

  5. Also,es liest sich schon sehr interessant.
    Und es erinnert mich alles ein bisschen an bestimmte Sachen,
    wo ich nicht weiß ob ich die hier erwähnen darf….
    Ich tu es einfach.
    Also mit diesen ganzen Vorschriften..erinnert mich schon ein wenig
    an das 3. Reich und das Regime der DDR.
    In beidem durften die Menschen keine eigene Meinung mehr haben.
    Es wurde ihnen diktiert was sie zu tun und zu lassen haben.
    Und auch alles andere ist für mich schon sehr Spacy -mäßig.
    Und unheimlich, beängstigend.
    Mal schaun ob ich es bei meiner Buchdealerin bestelle.
    Auf jedenfall ist es sehr schön von dir beschrieben, liebe Dolce.
    Hast du wie immer super gemacht. 🙂

  6. Klar ist es schön sich keine Gedanken über Krankheiten machen zu müsse, oder um Arbeit. Aber ich weiß nicht, da bleibt doch viel auf der Strecke in dem Friede-Freude-Eierkuchenland.

  7. ja, Kerstin, das stimmt schon alles, was du da sagst! 😉 Ich meine, die meisten Jugendlichen, die mit fliegenden Fahnen zur Hitlerjugend gegangen sind, hatten sicherlich überhaupt keinen Bedenken. Und Angie, wenn man nicht weiß, dass etwas auf der Strecke bleibt, dann mag das doch durchaus angenehm sein. Cassias einziges Problem in ihrer Jugend ist ja mehr oder weniger die Angst vom Sprungbrett zu springen. Ansonsten ist eben alles Friede-Freude in dem Eierkuchenland…
    LG

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