Lesen! im ZDF mit Elke Heidenreich und Nike Wagner am 26.06.07

Kaum kam sie in mein Wohnzimmer gefegt, war sie auch schon wieder draußen – wie ein Wirbelwind. 😉

Elke Heidenreich las einen heiteren Abschnitt (Ratschläge eines Vaters an seine Söhne) aus der Familienchronik „Die Geschichte der Wapshots“ von John Cheever vor. John Cheever, geboren 1912, gestorben 1982, wurde für diesen Roman mit dem National Book Award ausgezeichnet. Der Roman, in einer neuen Übersetzung von Thomas Gunkel, wurde jetzt neu vom Dumont Literatur und Kunst Verlag aufgelet.

Für unbedingt lesenswert hielt sie den Roman von Kathrin Aehnlich. „Alle sterben, auch die Löffelstöre“ ist ein sehr komischer Roman, vorzüglich da, wo er am traurigsten ist. Kathrin Aehnlich, 1958 in Leipzig geboren, hat den bitter-melancholischen Nachruf auf die Jugend ihrer eigenen Generation geschrieben – in seiner ehrlichsten Form, der Satire.

Mit Oliver Hilmes „Herrin des Hügel. Das Leben der Cosima Wagner“ leitete Elke Heidenreich den Besuch ihres Gastes Dr. Nike Wagner ein. Dr. Nike Wagner ist die Urenkelin von Richard Wagner. Seit 2004 ist Nike Wagner künstlerische Leiterin des Kunstfestes Weimar. Elke Heidenrich wies noch kurz auf das Werk „Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel“, ebenfalls von Oliver Hilmes verfasst, hin und bescheinigte dem Autor zwei großartige Biographien dieser schillernden Persönlichkeiten geschrieben zu haben.

„Anna Amalia, Herzogin von Weimar“ von Annette Seemann wurde als nächstes Buch, in Anlehnung an Nike Wagners Wirken in Weimar, vorgestellt. Das klassische Weimar ist ohne Anna Amalia (1739-1807), die Mutter Carl Augusts, undenkbar. Unter ihrer Regentschaft verwandelte sich die kleine Residenz zum geistigen Zentrum der Goethezeit. Es gelang ihr, herausragende Geister der Epoche – darunter Goethe, Wieland, Herder und Schiller – an ihren Hof zu ziehen. Sie begründete den »Weimarer Musenhof« mit seinen berühmten Leseabenden. Annette Seemann schildert den Lebensweg einer der bedeutendsten aufgeklärten Fürstinnen ihrer Zeit. Ein Akzent ihrer Darstellung liegt auf dem vielleicht größten Verdienst der Herzogin: der Gründung der »Herzogin Anna Amalia Bibliothek«. Nach dem verheerenden Brand des Jahres 2004 wird sie in Anna Amalias 200. Todesjahr nach umfangreichen Restaurierungen wieder zur Benutzung freigegeben.

Dann stellte Dr. Nike Wagner ihr Lieblingsbuch vor. Es handelt sich um den Gedichtband „erdlebenbilder“ von Wulf Kirsten. Wulf Kirsten ist in der Nachfolge Johannes Bobrowskis und Peter Huchels einer der großen Dichter in deutscher Sprache. Am 21.Juni 2004 feiert er seinen 70.Geburtstag. Aus diesem Anlaß erscheint diese Sammlung alter und neuer, bislang unveröffentlichter, Texte, welche die Entwicklung eines Dichters aufzeigt, der sich von Anfang an, wie die ersten Texte belegen, zur Aufgabe gemacht hat, der Sprache jene Gefühlsfelder wiederzugewinnen, die in den Worten bewahrt sind. Nike Wagner las ein Gedicht daraus vor und Elke Heidenreich wollte nicht so ganz glauben, dass dieser Gedichtband für jedermann so leicht verständlich ist.

Nike Wagner, geht niemals in den Zoo, weil ihr die Tiere leid tun, ist für Elke Heidenreich die Einleitung sich über den „Knut-Effekt“ zu ärgern, der eine Vielzahl von Büchern hervorgebracht hat. Sie sprach von verlogener Tierliebe und davon, dass man mehr „Autorenpflege“ betreiben und nicht nur den Blick aufs schnelle Geld haben sollte.

Anne Michels erster Roman mit dem deutschen Titel „Fluchtstücke“, der als nächstes vorgestellt wurde, enthält Sätze von atemberaubender lyrischer Dichte: Knappheit und Härte der Anfangsseiten ihres Romans üben beim Lesen einen Sog aus, dem man sich nicht entziehen kann: So grauenerregend die Geschichte einsetzt, man will weiterlesen, mehr über das Schicksal des Protagonisten erfahren. Der siebenjährige Jakob Beer wird Zeuge, wie im Zweiten Weltkrieg Deutsche seine Eltern, polnische Juden, erschlagen und seine ältere Schwester verschleppen. Er flieht und versteckt sich auf dem Gelände einer archäologischen Grabungsstätte. Dort wird er nach Tagen von einem griechischen Forscher gefunden und gerettet.

Als die beste Erinnerung für Fans stellte Elke Heidenreich danach das 2007 im Brandstätter Verlag erschienene Buch „Romy Schneider. Ihre Filme. Ihr Leben. Ihre Seele“ von Johannes Thiele vor.

Dann wurde eine kurze Sequenz aus dem Hörbuch „Oskar Maria Graf. Das Leben meiner Mutter“, gesprochen von Gustl Bayrhammer, eingespielt.

Abschließend versprach Elke Heidenreich Frau Wagner in Weimar besuchen zu wollen, erzählte, erstmals, wohlmöglich im roten Walle-Walle-Kleid, in diesem Jahr zu den Festspielen nach Bayreuth zu fahren und kündigte für den September ihre 30. Lesen! – Sendung an.

Und das alles in 30 Minuten! Puh, erst Mal Luft holen, einen Schluck Wein trinken und das soeben gesehen und gehörte reflektieren. Hier trafen zwei Frauen aufeinander, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Die eine quirlig, ungeduldig und eloquent, die andere introvertiert und ein wenig schwermütig wirkend, was durch die Vorstellung ihres Lieblingsbuches noch verstärkt wurde. Wenig Aktuelles und Neues hat Elke Heidenreich diesmal vorgestellt. Trotzdem schade, dass das ZDF der Sendung nicht mehr Platz einräumt, kommt man doch als Zuschauer, wie schon gesagt, kaum zum Luft holen.
Die komplette Sendung vom 26.06.2007 kann als Video in der ZDF Mediathek abgerufen werden.

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