Liebesleben von Zeruya Shalev – Kinostart am 08. November 2007

Zeruya ShalevEr war nicht mein Vater und nicht meine Mutter, weshalb öffnete er mir dann ihre Haustür, erfüllte mit seinem Körper den schmalen Eingang, die Hand auf der Türklinke, ich begann zurückzuweichen, schaute nach, ob ich mich vielleicht im Stockwerk geirrt hatte, aber das Namenschild beharrte hartnäckig darauf, daß dies ihre Wohnung war, wenigstens war es ihre Wohnung gewesen, und mit leiser Stimme fragte ich, was ist mit meinem Eltern passiert, und er öffnetet weit seinen großen Mund, nichts ist ihnen passiert, Ja´ara, mein Name rutschte aus seinem Mund wie ein Fisch aus dem Netz, und ich stürzte in die Wohnung, mein Arm streifte seinen kühlen Arm, ich ging an dem leeren Wohnzimmer vorbei, öffnete die verschlossene Tür ihres Schlafzimmers.

Schon der erste Satz des Romans Liebesleben von Zeruya Shalev ist ein verführerisches Gebilde. Das Leben der Protagonistin und Ich-Erzählerin Ja´ara gerät durch die Begegnung mit Arie aus den Fugen. Vom ersten Moment an verfällt sie der erotischen Anziehungskraft des älteren Mannes, der ein Freund ihres Vaters ist. Sie verzichtet auf ihr bisheriges Leben, um sich bedingungslos dem tyrannischen, egozentrischen Arie hinzugeben.

Auf den Vorwurf, dass ihr Roman den falschen Titel trage, weil es zwischen Arie und Ja´ara ja nun wirklich keine Liebe gebe, hat Shalev einmal geantwortet: „Es gibt vielleicht keine romantische Liebe in diesem Buch, aber dafür viele verschiedene Arten von Liebe. Es gibt leidenschaftliche Liebe, kränkende, besitzergreifende, egoistische, mitleidige, unschuldige, lästige … und noch viel mehr. Darum geht es mir.†œ

Die obsessive Geschichte von Liebesleben ist das Regiedebüt der Schauspielerin Maria Schrader (u.a. Aimée und Jaguar), die gemeinsam mit Laila Stieler (u.a. Drehbuch für Andreas Dresens Willebrock) auch das Drehbuch schrieb. Der Kinostart ist am 08.11.2007. Die Schauspielerin Netta GartiNetta Garti spielt den Part der Jara (Ja´ara), Rade SherbedgiaRade Sherbedgia den von Arie. Liebesleben ist eine Produktion von X Filme in Co-Produktion mit Transfax Film Production/Tel Aviv, dem Bayerischen Rundfunk und Arte und wurde gefördert von der Filmstiftung NRW, FFA, BKM und dem Medienboard Berlin-Brandenburg.

Wir haben das Buch im Januar 2001 im Lesekreis gelesen und sehr kontrovers diskutiert.

Er nahm meine Hand, wie im Laden, und legte sie mit einer natürlichen, sogar müden Bewegung auf seinen Hosenschlitz und sagte, dafür bist du doch gekommen, und drückte sie fest dagegen, du kannst jetzt gleich gehen und du kannst in ein paar Minuten gehen, nachdem du ihn bekommen hast, und ich schaute auf die Uhr, als sei es eine Frage der Zeit, und vor lauter Anspannung sah ich nichts und flüsterte, meine Kehle war trocken und zusammengeschnürt, was würdest du mir denn empfehlen? Das ist deine Entscheidung, sagte er, und ich fragte, aber was willst du, und er sagte, für mich spielt es wirklich keine Rolle. Schließlich bist du zu mir gekommen und nicht ich zu dir, und trotzdem öffnete er langsam seinen braunen Gürtel ….

5 Gedanken zu „Liebesleben von Zeruya Shalev – Kinostart am 08. November 2007

  1. dolcevita, Du schreibst, daß Ihr das Buch sehr kontrovers diskutiert habt – erinnerst Du Dich noch, inwiefern kontrovers? Ist natürlich jetzt schon a bissel her, würde mich aber interessieren.

  2. hi Anjelka, die Besprechung war vor 6 Jahren 🙂 Aber gut, ich werde es versuchen. Kontrovers diskutiert haben wir, mit Ausnahme von „Emmas Glück“, eigentlich jedes Buch. Kennst du Liebesleben, oder hast du den Film jetzt im Kino gesehen? Es ist auf jeden Fall kein „schönes Buch“, wenn du verstehst, was ich damit meine. Es gibt ja Bücher, die sich lesen lassen, als würde man einen Becher Sahne trinken und dieses liest sich eher so, wie eine kalte Kartoffel schmeckt. Liebesleben stieß auf relativ viel Ablehnung, weil die Protagonistin sich derart demütigen und erniedrigen ließ. Vielleicht war die Erwartungshaltung bei dem Titel eine andere. (Man möge mich berichtigen, falls ich mich irre bzw. falsch erinnere.) Es ging darum, dass die Geschichte zu sehr konstruiert ist und weitab der möglichen Realität. Ansichtssache, d.h. mir hat es gut gefallen und ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass Menschen in solche Situationen geraten. Der Schluss zieht sich ein wenig zu sehr in die Länge.
    Mamalinde, wäre vielleicht noch eine gute Ansprechpartnerin hierzu. Ich werde sie mal fragen, ob sie Lust hat sich zu äußern.
    Sorry, Anjelka, das ist alles noch nicht so erquickend, aber ich muss jetzt los zu einem Geburtstag, vielleicht schaffe ich es später noch etwas mehr zum Buch zu schreiben, oder reicht dir das?
    Schönen Abend, meine Liebe und lG

  3. Hallo dolcevita,

    vielen Dank, daß Du mir trotz Zeitnot noch was geschrieben hast.

    Nein, ich kenne das Buch nicht und habe vom Film nur gelesen und ein paar Ausschnitte gesehen.

    Ich finde, Bücher sollen im Zweifel eher wahr sein als schön, es sei denn, man will sie wie Bonbons lutschen. Schlecht ist nur, wenn sie beides nicht sind.

    Obsessive Beziehungen gibt es zweifellos im Leben öfter als in Romanen. Welche Formen so etwas annimmt, hängt wohl an der Eigenart der beteiligten Personen.

    Mich irritiert nur die Aussage der Autorin zur Kritik am Buchtitel:
    Es gibt vielleicht keine romantische Liebe in diesem Buch, aber dafür viele verschiedene Arten von Liebe. Es gibt leidenschaftliche Liebe, kränkende, besitzergreifende, egoistische, mitleidige, unschuldige, lästige … und noch viel mehr.

    Du schreibst, daß es um eine demütigende und erniedrigende Beziehung geht. Ist dazu so etwas wie ein wertender Tenor im Roman erkennbar? Wird das positiv als Form von Liebe dargestellt, nach dem Muster: Besser Schmerz als gar kein Gefühl, das steigert die Lebensqualität?

    Als kontrolliertes Rollenspiel mag so etwas funktionieren, aber üblicherweise handelt es sich tatsächlich um suchtartiges Verhalten mit entsprechend zerstörerischer Wirkung. Derlei würde ich nicht als mögliche Variante von „Liebe“ bezeichnen, auch wenn es sich zunächst so anfühlt.

    Den ersten Satz finde ich allerdings sehr überzeugend. Würdest Du das Buch empfehlen? Ich hab ja nur 150 Bücher hier liegen, die ich alle mal demnächst lesen könnte/sollte/möchte.

    Natürlich interessiert mich mamalindes Eindruck ebenfalls, wenn sie was dazu schreiben mag. Wobei ich ja weiß, daß man Bücher gefälligst selbst lesen soll.

    🙂 Hoffentlich hattest Du einen netten Abend, so ganz ohne Netzanbindung.

    Guts Nächtle!

  4. So, und nun zu Dir 🙂
    Nein, ich würde es dir nicht empfehlen! Warum solltest du es lesen, wenn du noch 150 andere zu lesen hast und vor allem ich dir 100 andere mehr ans Herz legen würde. (ein bisserl übertrieben)
    Die Sprache in diesem Buch ist unbestritten wunderschön, sieh dir nur den ersten Satz an (ach so, hast du ja schon) oder eben auch diese Leseprobe da oben. Wow! Die ersten 100 Seiten sind ebenfalls sehr anregend, gespickt mit prickelnder Erotik. Dann wird es zunehmend blasser. Wahrscheinlich ist es beabsichtigt, dass der Leser mit in diesen Sog der Abhängigkeit gezogen wird und mitleiden muss. Wenn du dich mit der Inhaltsangabe vertraut gemacht hast, weißt du ja, dass es da diverse Handlungsstränge gibt. Im Vordergrund steht allerdings die Protagonistin, die alles (Ehe, Karriere) aufgibt, weil sie nicht anders kann. Insofern stimmt deine Vermutung, besser Schmerz, als nichts fühlen. Nur bis sie merkt, dass es Schmerz ist und nicht Liebe, dauert es ziemlich lange 🙂 Als Leser bist du nun verdonnert dies tatenlos mit anzusehen. Vielleicht bin ich zu alt dafür, denn solche Situationen kenne ich schon zur Genüge aus dem realen Leben 😉
    LG

  5. Danke, dolcevita, das ist in puncto Leseempfehlung doch mal eine klare Aussage, die mir weiterhilft.

    Wenn ich Dich richtig verstehe, geht die Moral von der Geschicht‘ dann also schon mit der Erkenntnis einher, daß es sich bei dieser Art „Liebe“ um nichts Wünschenswertes handelt.

    Um aus dieser Erkenntnis Gewinn zu ziehen, bin ich dann doch schon zu alt. Wie schön.

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