Schlacke im Gehirn – der Mythos um Entschlackungskuren

SchlackeEine Freundin verbringt 7 Tage in der Abgeschiedenheit eines Klosters, eine Nachbarin arbeitet derweil mit zittrigen Händen in einem Steuerbüro, und beide haben nur den einen Wunsch: ihre Körper zu entschlacken. Sie flößen sich literweise Entschlackungstees, Säfte und Wasser ein und bereiten sich auf die innere Leere vor.

Nur, entschlacken ist medizinischer Nonsens schreibt die SZ in ihrer Serie über Ernährung und Esskultur. Hungerkuren können ungesund sein, und es ist an der Zeit sich von den Mythen rund ums Fasten zu trennen.

Was und wie entschlackt werden soll, bleibt unklar. Angeblich sind Schlacken lästige Abfallprodukte des Stoffwechsels, die sich im Körper ablagern und dort alles Übel dieser Welt hervorrufen können – von Übergewicht, Rheuma und etlichen Zivilisationsleiden bis hin zu Gicht. Sehr eindringlich hat mir meine Freundin erklärt, dass sich die Schlacke bei ihr unterhalb der Augen einlagert und mir dabei ihr faltenfreies Gesicht gezeigt. Schlackeeinlagerungen konnte ich beim besten Willen nicht ausmachen. Keinem Forscher ist bis jetzt gelungen, Schlacken im Körper oder im Labor nachzuweisen.

„Der Glaube an die Entschlackung ist ein absolutes Steinzeitkonzept“, sagt Martin Reinecke, Leiter der Klinik für Innere Medizin der Ludwig-Maximilian-Universität München. „Die einzige Entschlackung, die medizinisch zu empfehlen ist, müsste im Kopf stattfinden – d.h. sich von dieser Vorstellung zu lösen.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) teilt lapidar mit: „Im Stoffwechsel des Menschen fallen keine Schlackenstoffe an. Der Organismus scheidet Endprodukte des Stoffwechsels über Niere, Darm, Lungen oder Haut aus.“

Die Propheten und Nutznießer von Entschlackungskuren stört das nicht. Die bildliche Vorstellung von der Entschlackung scheint so überzeugend zu sein, dass sich damit viel Geld verdienen lässt.

WasserDer Glaube an die körperliche Reinigung erhöht die Entschlackung zu einer quasi-religiösen Läuterung. Die Vorstellung sich von schädlichem Ballast zu befreien und sich „von innen heraus“ zu säubern, trägt dazu bei, wenn sich Menschen nach Entschlackungskuren besser fühlen. Wenn jedoch während des Fastens wichtige Nahrungsbestandteile fehlen, kann es gefährlich werden. So können Kreislaufstörungen, Herzrythmusstörungen und Schwindel auftreten, auch treten Unterzuckerungen, die sich als Zittern, Schwitzen oder Unruhe zeigen, auf. Muskelkrämpfe, Sehstörungen und Hexenschuss sind bei komplettem Nahrungsentzug ebenfalls häufiger.

Natürlich gibt es Menschen, die sich nach Fastenkuren leichter, reiner und befreiter fühlen. Das liegt dann eher an den Heilerwartungen, die Fastenfreunde hegen, womöglich auch an Kreislaufstörungen und Schwindelgefühlen. Eine zeitweise eingeschränkte Gehirndurchblutung kann schon mal euphorische Gefühle auslösen.

2 Gedanken zu „Schlacke im Gehirn – der Mythos um Entschlackungskuren

  1. Und selbst wenn das funktionierte : welchen Sinn macht es dann, sich nach ein paar Tagen Heilfastens dieselben Gifte wieder über Monate zuzuführen, die man kurz zuvor eigentlich ausgeschwitzt hätte ? Das ist in etwa genauso sinnvoll wie diese Diäten, die ohne dauerhafte Ernährungsumstellung und etwas forciertere Bewegungsdosierung auszukommen versprechen…. LG tinius

  2. hi tinius, das sehe ich genauso. Obwohl ich in meinem ganzen Leben noch keine Diät gemacht habe und eigentlich nicht mitreden kann, sagt mir mein Bauch und auch meine Umwelt, dass diese ganzen Diäten und „Entschlackungen“ nicht funktionieren können.
    Schönen Tag!

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