Der schönste erste und letzte Satz von Richard Adams aus Unten am Fluß

1. Die Anschlagtafel

Chor: Warum wehklagst du so, wenn nicht bei einem Bild des Schreckens?
Cassandra: Das Haus dampft nach Tod und tropfendem Blut.
Chor: Wieso? Es nur der Geruch nach dem Altaropfer.
Cassandra: Der Gestank ist wie Grabeshauch.
Äschylus Agamememnon

Der gelben Schlüsselblumen waren verblüht. […]

[…] Der Mond, der am wolkenlosen östlichen Himmel voll aufgegangen war, bedeckte die hohe Einsamkeit mit seinem Licht. Wir sind uns des Tageslichtes nicht als etwas bewußt, das die Dunkelheit verdrängt. Selbst wenn die Sonne wolkenlos ist, scheint das Tageslicht uns einfach der natürlich Zustand von Erde und Luft. Wenn wir an die Downs denken, denken wir an die Downs bei Tag, wie wir an ein Kaninchen mit seinem Fell denken. Es mag Leute geben, die sich das Skelett im Inneren eines Pferdes vorstellen, aber die meisten von uns tun das nicht; und wir stellen uns gewöhnlich die Downs nicht ohne Tageslicht vor, selbst wenn das Licht nicht Teil der Downs ist, wie die Haut Teil des Pferdes ist. Wir nehmen das Tageslicht als selbstverständlich hin. Aber mit dem Mondlicht ist das etwas anderes. Es ist unbeständig. Der Mond nimmt ab und wieder zu. Wolken können ihn in einem Ausmaß verdunkeln, wie sie es beim Tageslicht nicht vermögen. Wasser benötigen wir, aber einen Wasserfall nicht. Wo man ihn antrifft, ist er etwas Besonderes, eine schöne Zierde. Wir brauchen das Tageslicht, und in gewissem Maß ist es eine Frage der Nützlichkeit, aber das Mondlicht brauchen wir nicht. Wenn es kommt, dient es keiner Notwendigkeit. Es verwandelt. Es fällt auf Böschungen und das Gras, trennt einen langen Halm von dem anderen, verwandelt eine Wehe brauner, mit Reif überzogener Blätter aus einem einzigen Haufen in zahllose blitzende Splitter oder schimmert längs nassen Zweigen, als ob das Licht selbst dehnbar wäre. Seine langen Strahlenbündel strömen weiß und scharf zwischen den Baumstämmen, aber ihre Klarheit vergeht, wenn sie bei Nacht in die dunkle Ferne von Buchenwäldern zurückweichen. Im Mondlicht scheinen zwei Äcker gemeinen Straußgrases wogend und knöcheltief, zerzaust und struppig gleich einer Pferdemähne, wie eine Bucht von Wellen, voll von schattigen Rinnen und Vertiefungen. Es ist so dick und verfilzt, daß selbst der Wind es nicht bewegt, aber das Mondlicht scheint ihm Stille zu verleihen. Wir nehmen das Mondlicht nicht als selbstverständlich hin. Es ist wie der Schnee oder wie der Tau an einem Julimorgen. Es enthüllt nicht, sondern verwandelt, was es bedeckt. Und seine geringe Intensität – soviel geringer als die des Tageslichtes – macht uns bewußt, daß es dem Hügelland etwas Zusätzliches verleiht, um ihm für kurze Zeit eine einzigartige, wunderbare Eigenschaft zu geben, die wir bewundern sollten, solange wir können, denn bald wird es wieder verschwunden sein […]

[…] Hazel folgte, und zusammen glitten sie davon, liefen leichtfüßig durch den Wald hinunter, wo die ersten Primeln zu blühen begannen.

Richard AdamsRichard George Adams, geboren am 9. Mai 1920 in Newbury, England, besser bekannt als Richard Adams, ist ein britischer Schriftsteller. Sein im Jahr 1972 erschienener Roman Unten am Fluss über eine Gruppe Wildkaninchen, die auf der Suche nach einer neuen Heimat sind, wurde zu einem weltweiten Bestseller.
Nach seinem Einsatz in der britischen Armee im Zweiten Weltkrieg von 1940 bis 1946, schloss er im Jahr 1948 sein Studium der neueren Geschichte am Worcester College an der Universität von Oxford mit einem Master-Abschluss ab. Von 1948 bis 1974 arbeitete er als Beamter für das Ministry of Housing and Local Government, ein Vorläufer des späteren britischen Umweltministeriums, in London.

Unten am Fluss (englischer Originaltitel: Watership Down) ist im Jahr 1972 erschienen. Der namensgebende Hügel Watership Down, nördlich von Hampshire gelegen, stellt einen der zentralen Handlungsorte der Geschichte dar. Auch alle anderen Schauplätze existierten zumindest zur Zeit der Veröffentlichung tatsächlich. Unten am Fluss war das erste und bis heute erfolgreichste Buch des Autors; die weltweite Gesamtauflage wird auf über 50 Millionen Stück geschätzt.

Nach dem kommerziellen Erfolg von Unten am Fluss gab Richard Adams nach der Veröffentlichung seines nächsten Werks Shardik im Jahr 1974 seinen ursprünglichen Beruf auf und wurde hauptberuflicher Schriftsteller. Als Präsident der Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals und Kandidat der unabhängigen Konservativen engagierte er sich außerdem für Tierschutz und die Einstellung der Fuchsjagd in England. Aus steuerlichen Gründen zog er später auf die Isle of Man. Heute lebt er zusammen mit seiner Ehefrau Elizabeth in Whitchurch, weniger als 20 Kilometer von seiner Geburtsstadt entfernt.

Untern am FlußKurzbeschreibung
Ein ungeschminktes Abbild der menschlichen Gesellschaft und die packende Saga vom langen Weg in die Freiheit.
Die weltbekannte Saga vom Exodus der Kaninchen: Der junge Fiver spürt, dass seinem Volk das Verderben droht. Nur seine engsten Freunde kann er überreden, mit ihm das Kaninchengehege zu verlassen und sich auf die Suche nach einer neuen Heimat zu machen. Was sie unterwegs durchleben, ist so beispielhaft wie fesselnd: zahllose Abenteuer, Meuterei, Treuebruch und Heldentum, Schlachten mit hohem Blutzoll – und schließlich der glückliche Einzug ins Land der Freiheit und des Friedens.

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