Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz
Der erste Satz:
Als Mr. Silvera endlich (look, look, Mr. Silvera) den Sicherheitsgurt lockert und sich über seine Sitznachbarn hinüberreckt, um aus dem Flugzeugfenster zu spähen, ist Venedig schon wieder verschwunden; er sieht nichts als ein fernes Stück aluminiumfarbenes Meer und ein ganz nahes, massiges Aluminiumtrapez, den Flügel.
Kurzbeschreibung
Eine stürmische Romanze bahnt sich an zwischen Mr. Silvera, dem geheimnisvollen, polyglotten Reiseleiter mit verblüffend profunder Kenntnis von Venedigs Historie und Kunst, und der römischen Principessa, die im Auftrag eines Auktionshauses eine venezianische Gemäldesammlung begutachtet. Doch was weiß der „Mystery Man“ über den raffinierten Kunstschmuggel, dem die Aristokratin mit seiner Hilfe auf die Spur zu kommen versucht? Dieser Roman ist eine bittersüße Liebesgeschichte, eine faszinierende Hommage an Venedig und zugleich ein aufregender Krimi.
Die Hauptfigur des Buches, Mr. Silvera, ist ein „Mann um die 40, groß und mager, mit einem scharf geschnittenen Medaillenkopf und leicht gekrümmten Schultern“. Bezeichnend für ihn ist sein grashalmdünnes, nur sehr schwer deutbares Lächeln und seine viel sagende Antwort auf schwierige Fragen — „ah“. Man könnte sich für ihn alle möglichen Berufe vorstellen, aber er passt nur sehr schwer in das Bild eines Reisebegleiters. Mit unendlicher Geduld lässt er die immer wiederkehrenden Begeisterungsausbrüche der Touristen, die er durch Venedig führt, über sich ergehen: „Look, look, Mr. Silvera!“
Autorenporträt
Hinter den beiden Nachnamen Fruttero & Lucentini (oft auch nur F&L) verbergen sich die beiden italienischen Krimiautoren Carlo Fruttero, geboren 1926 und Franco Lucentini (1920†“2002). Als sehr erfolgreiches Autorenduo auftretend, werden sie auch „Die Firma“ (La ditta) genannt. Ihre Romane sind meist nicht nur Krimis, sondern enthalten auch hintergründige Gesellschaftskritik. Zudem leiteten sie gemeinsam von 1961-1986 das Science Fiction-Magazin Urania, welches bei Mondadori in Mailand erscheint und traten für den Verlag Einaudi in Turin als Übersetzer in Erscheinung.
In Der Lieberhaber ohne festen Wohnsitz spielen Fruttero und Lucentini die verschiedenen Möglichkeiten der Figur des Mr. Silvera bravourös durch, selbst der CIA und der KGB werden nicht ausgelassen, doch diese Lösung ist für die beiden Autoren natürlich zu primitiv. Sagen sie doch von sich, dass sie genau die Bücher schreiben, die sie selbst gerne lesen würden. In einem Interview führen sie aus, dass sie bei diesem Projekt zum Ziel hatten, das alte Venedig sichtbar zu machen und so zu erhalten, bevor es in einem Abfallhaufen versinkt. Und dieses Ziel haben sie zweifelsohne erreicht.
Ein schönes Buch, wirklich sehr empfehlenswert!