Radovan Karadzic: Ich habe mich vom Guten abgewendet

Radovan Karadzic

Das Gedicht steht als Beispiel Karadzics literarischer Aktivitäten:

Ich habe mich vom Guten abgewendet
Von Radovan Karadzic

Ich habe mich vom Guten abgewendet
brenne wie eine Zigarette auf
meinen neurotischen Lippen.
von allen fertiggemacht
warte ich in der Morgendämmerung auf
meine große Stunde.
Endlich werde ich
die Morgenbombe werfen und
man wird nur noch das
Lachen eines launischen
einsamen Mannes hören.

Radovan Karadzic, der vor dem UN-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Völkermord angeklagt ist, wurde 1945 im montenegrinischen Bergdorf Petnjica geboren. Der frühere bosnische Serbenführer studierte in den sechziger Jahren in Sarajewo Medizin und betrieb später als Psychiater eine eigene Praxis in Pale. 1990 wurde er Präsident der Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina und begann einen Krieg gegen die anderen bosnischen Bevölkerungsgruppen. KaradŠ¾ić wird beschuldigt, die dabei vorgenommenen sogenannten „ethnischen Säuberungen“ und Übergriffe auf bosniakische und kroatische Zivilisten geplant und befohlen zu haben. So wurde u.a. auf Befehl KaradŠ¾ićs am 11. Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica mit über 40.000 bosnischen Flüchtlingen von serbischen Truppen ohne Widerstand der niederländischen UN-Truppen eingenommen. Während Frauen und Kinder in Richtung Tuzla vertrieben wurden, wurde der größte Teil der männlichen Bevölkerung (bis zu 6.975 Bosniaken ermordet.

Auf anhaltenden internationalen Druck hin musste KaradŠ¾ić am 30. Juni 1996 als Präsident der Republika Srpska abtreten. Am 24. April 1995 gab das UN-Kriegsverbrechertribunal bekannt, dass es gegen KaradŠ¾ić ermittelt. Am 14. November reichte es eine erweiterte Anklageschrift ein, am 11. Juli 1996 erließ es einen internationalen Haftbefehl.

Auch eine von den Vereinigten Staaten ausgerufene Belohnung von fünf Millionen Dollar für Hinweise zur Verhaftung von Radovan KaradŠ¾ić hatten nicht zur Festnahme KaradŠ¾ićs geführt. Der nunmehr untergetauchte KaradŠ¾ić konnte aufgrund der Unterstützung von Regierungsbeamten der Republika Srpska und zunächst wohl auch seitens MiloŠ¡evićs, sich immer wieder dem Zugriff entziehen.

Karadzic verfasste Gedichte, schrieb Kinderbücher und komponierte volkstümliche serbische Musik. Von 1968 bis 1990 veröffentlichte er vier Gedichtbände, wobei bereits der erste, Ludo koplje (deutsch: Verrückte Lanze), vom Kampfgeist der Serben handelt. Während seines Belgrad-Aufenthalts lernte er den damals schon bekannten Romancier und Essayisten Dobrica Ćosić kennen, der ihn stark beeinflusste und in die literarische Szene der Hauptstadt einführte.

Am Montag, den 21. Juli 2008, wurde Karadzic in Belgrad verhaftet. Nach Angaben serbischer Ermittler habe er vor seiner Festnahme unter falscher Identität und mit stark verändertem äußeren Erscheinungsbild als „Dragan Dabić“ unbehelligt in Belgrad gelebt und in einer Arztpraxis als „Alternativmediziner“ gearbeitet. Kurz vor der Festnahme habe er sich auf seinen bevorstehenden Urlaub in der kroatischen Stadt Split vorbereitet.

Quelle: Süddeutsche Zeitung – Peter Köpf: Karadzic: Die Schande Europas. Econ-Verlag, Düsseldorf 1995

15 Gedanken zu „Radovan Karadzic: Ich habe mich vom Guten abgewendet

  1. Launisch und einsam? Soll man jetzt Mitgefühl haben oder was? Ach, Dolcevita, es gibt Leute, denen sollte man das Schreiben als Therapie verbieten.
    Durchhalten mit Umgestaltung. Sieht allerdings noch etwas abschreckend aus. LG Anne

  2. Es gruselt mich, das zu lesen und es ist noch gruseliger, dass dieser Mann in vielen Berichten tatsächlich auch „Dichter“ oder „Dichter und Psychiater“ usw. genannt wird. Nur weil jemand Worte in irgendeine Versform bringt, ist er doch kein Dichter. Ich zücke jetzt den ultimativen Vergleich (nein, es ist nicht der Autobahn Eva-Herrmann-Vergleich), hat aber auch Adolf Hitler zum Thema: Der hat auch Bildchen gepinselt und wird glücklicherweise von niemand als „Künstler“ bezeichnet. Es ist völlig unerheblich, wie die Leistungen KaradŠ¾ićs als Autor einzuordnen ist, ich kann es auch gar nicht beurteilen, denn ich kenne die Werke zum großen Teil nicht. Klar ist: Er ist ein Schlächter und weder ein lieber alter Kräuterarzt noch ein Kinderbuch-Onkel!!

  3. Umgestaltung schaut immer besser aus – Glückwünsche – das Rot und die Bilder sind toll – da sieht man erst, wieviel Stoff da beisammen ist 🙂

  4. @ hi, anne! Hoffe, es ist nicht zu viel Stoff beisammen. Freue mich wirklich sehr darüber, dass dir das neue Outfit gefällt, habe schon schlaflose Nächte deswegen, aber wem sage ich das! ;.-)

    @ Frank Maria Reifenberg, herzlich willkommen hier! Ich frage mich, ob Hitler auch hierzulande nach dem Krieg, sein Dasein ein wenig verkleidet, ungestört hätte fristen können? Denn es steht ja wohl fest, dass Karadzic nach wie vor große Unterstützung in seinem Land hatte, das somit seine abscheulichen Taten gut hieß. Leider weiß ich nicht, wann er das Gedicht geschrieben hat, aber für mich klingt es wie ein Schuldeingeständnis.
    Viel Erfolg mit deinem neuen Blog, sieht vielversprechend aus 😉

    @ Leseratte, ich weiß nicht, ob er ein Psychopath ist, kriminell aber auf jeden Fall.

    Schönen Tag und liebe Grüße @all!

  5. … uuuh, das ist natürlich eine hübsch hässliche Frage an alle und es ist wohl gut, dass wir diesem „Test“ nicht ausgesetzt wurden, steht doch sehr zu befürchten, dass wir – durchgefallen wären.

  6. Hallo

    …möchte höflich fragen: aus welchem Gedichtbuch stammt das Gedicht, wo wurde es in Deutschland veröffentlicht…wer übersetzte es…

    Ich mag keine Sensationsberichte und vermeide jegliche Art von Unsachlichkeit (ohne Quellverzeichnis das „angebliche†œ Karadzićs Gedicht bzw. seine Lyrik zu besprechen ohne sie zu lesen ist im besten Falle unverantwortlich)

    …bin nicht irgendwelcher Sympathisier von ihm, (im Gegenteil) lebe als Flüchtling und Exillyriker in BRD und veröffentliche unter meinem vollen und richtigen Namen

    Ich hoffe es, ich habe Euch mit meiner kurzen Bemerkung nicht verletzt – in keinem Falle ist/war das meine Absicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Miroslav B. DuŠ¡anić

  7. Willkommen miro,
    das Gedicht stammt aus dem Buch „Karadzic: Die Schande Europas“ von Peter Köpf. Erschienen beim Econ-Verlag, Düsseldorf 1995.
    Ich mag auch keine Sensationsberichte, wenn sie unsachlich dargestellt sind. Dies trifft hier allerdings meines Erachtens nicht zu. Sämtliche Quellenangaben sind doch in dem Beitrag angegeben, siehe oben!
    Übersehen?
    Ansonsten bin ich allerdings ebenfalls der Meinung, dass dieses Gedicht in seiner Aussage mehr als sensationell ist.
    Herzliche Grüße

  8. Besten Dank für Ihre Antwort (ich habe auch andere Erfahrungen gesammelt)

    Angebliche R.K.-Lyrik (das Gedicht ohne Titel) aus dem P. Köpfs Buch „Karadzic: Die Schande Europas†œ ist mir nicht bekannt (auch nicht in einem serbischen Original)

    Vor dem Krieg R.K. veröffentlichte vier Gedichtbücher:

    1. Ludo koplje (Die verrückte Lanze), „Svjetlost,“ – Sarajevo; 1968.

    2. Pamtivek (Seit Menschengedanken), „Svjetlost,“ – Sarajevo; 1971

    3. Ima čuda – nema čuda (Es gibt Wunder – es gibt keine Wunder); 1982

    4. Crna bajka (Die schwarze Fabel), Biblioteka Savremenici. Poezija
    „Svjetlost†œ-Sarajevo, 1990

    Zu Kriegszeit nur zwei Gedichtbücher (beide nicht in Bosnien):

    1. Slovenski gost, (Slawischer Gast), SKZ – Beograd/Serbien; 1992

    2. Pamtivek i druge pjesme (Seit Menschengedanken und andere Gedichte), „Oktoih“-Podgorica/Montenegro; 1995.

    Nächstes Gedichtbuch wurde erst nach dem Krieg veröffentlicht – Od ludog koplja do crne bajke, Dobrica knjiga-Novi Sad/Serbien; 2001

    Das zweifelhafte Gedicht stammt nicht aus o. g. Büchern…

  9. Lieber Miro,
    jetzt verstehe ich! Das Gedicht wurde am vergangenen Samstag in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt, und als Quelle wurde das Buch von Peter Köpf genannt.
    Gibt es denn wirklich ernsthafte Zweifel an der Herkunft? Da Sie ja ein Spezialist in Sachen Karadzic-Gedichte zu sein scheinen, interessiert mich wirklich, ob dieses Gedicht so völlig aus dem Rahmen fällt und Karadzic nicht zugetraut werden kann. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Süddeutsche sich das Gedicht selbst zusammengereimt hat, werde aber versuchen der Sache auf den Grund zu gehen und recherchieren.
    Schönen Tag!
    P.S.: vielen Dank für die ausführliche Antwort..

  10. …als Experte für KaradŠ¾ićs Lyrik würde ich mich nicht nennen, auch nicht als sein Verteidiger – mir geht es viel mehr um die Objektivität eines Berichtes. Ich kann es auch nicht glauben (in jedem Falle möchte nicht), das die SZ sich etwas zusammenreimt…sie machen nur das, was leider schon sehr verbreitet ist: Journalisten recherchieren nicht mehr, sie benutzen fremde Quellen ohne sie ernsthaft zu überprüfen…zuletzt habe ich viele zweifelhafte Artikel gelesen (Berliner Zeitung, Hamburger Abendblatt, Standard, Frankfurter Rundschau, taz…und…und…)

    Recht irritiert veröffentlichte ich in meinem Blog einen zynischen Beitrag unter dem Titel „Opium für Masse†œ…aber wenn interessiert das schon…?

    Mit freundlichen Grüßen
    @miro

  11. hi Miro,
    mich hat dein Artikel schon interessiert. Korrigiere mich bitte, aber ich habe das Gefühl und meine heraus gelesen zu haben, dass du dir einfach nicht vorstellen kannst, dass das Gedicht tatsächlich von Karadzic ist, oder? Da du ein völlig anderes, harmloseres (obwohl ich auch meine in dem „Heimkehrer“ den fordernden Ruf nach Veränderung zu hören) daneben gestellt hast, aber in welcher Absicht frage ich mich? Bist du von seiner Schuld nicht überzeugt oder ist es so, dass du ihn als Lyriker verehrst und nicht glauben kannst, dass er die sogenannten †œethnischen Säuberungen† und Übergriffe auf bosniakische und kroatische Zivilisten geplant und befohlen hat?
    LG

  12. …bin eben überrascht: Wo haben Sie herausgelesen dass ich seine Lyrik mag und noch „sein Unschuld†œ verteidige… blutbeschmierte Hände müssen verurteilt werden (die Nationalität ist da unwichtig – es gibt nicht unsere bzw. eure Straftäter/Kriminellen/Verbrecher/Vergewaltiger/Massenmörder/†œKriegshunde†œ…wie ich darüber denke – wenn sie Lust dazu haben, lesen Sie bitte Roman von serbischem Schriftsteller Vidosav Stevanović: Schnee und schwarze Hunde, Europaverlag Wien-München, 1995; ISBN 3-203-51217-3 und besprechen Sie ihn in Ihrem Lesekreis…)

    Ihr „Unterton†œ wirkt etwas „vorwerfend†œ, trotzdem antworte ich Ihnen gern: die Grausamkeit des Krieges haben Sie (Gott sei Dank)nur aus den Berichten kennengelernt – und die sind so, wie sie sind…meistens einseitig –
    Sie haben sicher auch Flüchtlingsstrom aus den Kriegsgebieten verfolgt und paar Flüchtlinge kennengelernt (nur die Flüchtlinge sind eine recht unzuverlässige Quelle, weil sie, auf Grund ihrer persönlichen Schicksalen neigen die Welt zu polarisieren – ihre Soldaten/Söldner und Freischäler sind für sie immer gut und fremde böse)

    Die Objektivität sollte unser Allgemeingut sein, die man pflegt (auch o. G. steht sie zu)…

    Aber zurück:
    In sieben Gedichtbüchern, die ich Ihnen aufgelistet habe, ist o. g. Text nicht zu finden…und da sind alle seine Gedichte ab 1968 bis 2001 – das P. Köpfs Buch wurde 1995 in Düsseldorf veröffentlicht…wo fand er aber das angebliche Gedicht…

    …und KaradŠ¾ićs Lyrik, ehrlich gesagt, ist nicht „mein Ding†œ – paar Gedichte finde ich interessant und das ist alles: serbische Lyrik kann sehr gut ohne ihn auskommen („ohne mich auch†œ) –

    Über Interpretation von Gedichten brauchen wir uns nicht unterhalten: jeder Leser sieht und findet, was er sucht (und dementsprechend jeder hat recht – einmal veröffentlicht, das Gedicht gehört nicht mehr dem Autor…)

    Seit es bekannt wurde, was alles KaradŠ¾ić trieb, sucht man, ließt man und interpretiert man seine Lyrik anders als sonst…und das machen meine Literaturfreunde auch wenn sie meine Gedichte lesen (und das nur auf Grund paar bekannten biographischen Notizen…)

    Ach, noch was…von politisch inkorrekten Autoren verehre sehr wenige…einer ist z.B. Esra Pound

    Ich hoffe Sie nicht beleidigt zu haben…verbleiben Sie mir bitte gesund
    @miro

  13. Lieber Miroslav,

    irgendwie habe ich das Gefühl wir reden die ganze Zeit aneinander vorbei. 😉

    Die Süddeutsche Zeitung hatte das Gedicht „Ich habe mich vom Guten abgewendet“ (ich weiß, das ist nicht der Titel des Gedichtes, sondern der Anfang) als „Beispiel Karadzics literarischer Aktivitäten gedruckt“. Mich interessiert wirklich, ob die Aussage in dem Gedicht, oder der Tenor, hier so grundverschieden von dem ist, was er sonst publiziert hat! Mit anderen Worten, ist es denn nahe liegend, dass das Gedicht nicht von ihm stammt? „Der Heimkehrer“, das Gedicht, das Sie in Ihrem Artikel als Beispiel seiner Lyrik verwendet haben, unterscheidet sich zumindest, auch ohne Interpretation, doch sehr von diesem hier.
    Mein Ton ist eher fragend und bestimmt nicht vorwerfend, möchte ja auch unbedingt der Sache auf den Grund gehen…

    Schönen Tag und viele Grüße
    P.S.: Danke für den Buchtipp, mal sehen, ob ich die Truppe überzeugen kann 😉
    P.P.S: bin übrigens bestens vertraut mit Flüchtlingsgeschichten, wenn auch nicht mit denen aus diesem Krieg, aber ansonsten: Mutter, Großmutter sind Flüchtlinge, beide Großväter in Russland gefallen, Onkel und Tanten z.T. auf Nimmerwiedersehen verschleppt…

  14. Hm…ich glaubte Ihnen schon geantwortet zu haben…

    Nach alldem was mir aus o. g. Büchern bekannt ist (gelesen im Original), der in SZ bzw. im P. Köpfs Buch veröffentlichte Text könnte nicht von R. KaradŠ¾ić stammen…

    KaradŠ¾ić ist stark von traditional epischer Lyrik beeinflusst aber auch mit Werken von Rajko Petrov Nogo, Gojko Đogo, Brana Crnčević, Miroslav Toholj (zuletzt sein Verleger) vertraut…diese Lyrik verwendet eine recht archaische Sprache und bedient sich/inspiriert sich an den geschichtlichen Quellen (serbische Geschichte / Mythen / Legenden) bzw. lehnt sich an die Volkslieder: nutzt ihre Rhythmik und Form, auch ihre Thematik…und meistens reimt sich…

    Manche Gedichte wirken recht surrealistisch – Serbischer Surrealismus: Zenitismus von Ljubomir Micić und seinen Bruder Branko Micić (auch als Branko Ve Poljanski bekannt)…

    Also, der o. g. Text ist ein Pamphlete (Machtbekenntnis – sehr schizophren und un-lyrisch)…R. KaradŠ¾ić verwendete mehr oder weniger „geschulte†œ lyrische Sprache und Form bzw. versuchte „lyrisch zu wirken†œ…

    Wenn ich zu andere Ergebnisse kommen sollte, werde mich in jedem Falle bei Ihnen melden um mich zu korrigieren: Die Wahrheit kann nicht zwei Gesichter haben…

    @miro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.