Zwischen den Attentaten: Geschichten einer Stadt von Aravind Adiga
Am Anfang eines jeden Kapitels bekommt der Leser eine sachliche Einführung in die jeweilige Örtlichkeit. So beginnt Aravind Adigas neuer Roman „Zwischen den Attentaten“ (orig. Between the Assassinations) mit der Beschreibung des Bahnhofs in Kittur, einer fiktiven Stadt an Indiens Südwestküste zwischen Goa und Calicut:Â Der Bahnhof ist dreckig und düster und mit weggeworfenen Essensresten übersät, in denen streunende Hunde herumschnüffeln. Abends kommen die Ratten aus ihren Löchern.
Hier beginnt der Roman mit der Geschichte des zwölfjährigen Ziauddin, der in einem Teehaus in der Nähe des Bahnhofs aushilft. Er wird herumgestoßen, verliert seinen Job, kämpft dann als Gepäckträger an Kitturs Bahnhof um Kunden. Als er sich dafür bezahlen lässt, die Züge zu beobachten, die täglich indische Soldaten an ein unbekanntes Ziel transportieren, wird er fast hineingezogen in den Dauerkonflikt zwischen Moslems und Hindus.
Auch in den folgenden sechs Schilderungen Adigas geht es um private Spannungen und um die großen politischen und religiösen Konflikte in den achtziger Jahren in Indien, zwischen den Attentaten auf Indira und Rajiv Gandhi. Am Ende des Romans befindet sich eine Chronologie über die Zeit vom 31. Oktober 1984, dem Tag der Ermordung Indira Gandhis durch ihre Leibwächter, bis zum 21. Mai 1991, dem Tag, an dem CNN die Nachricht über Rajiv Gandhis Ermordung verbreitete und eine zweitägige Staatstrauer in Kittur angeordnet wurde.
Adiga zeichnet in seinen Mosaiken mit Humor, Sympathie und Offenheit ein brillantes, eindringliches neues Sittengemälde über Indien, das an „Der weiße Tiger“ anschließt und unser Verständnis für Indien und die Welt, in der wir heute leben, erweitert.
Die FAZ hat eine Rezension unter dem Titel Wankende Weltbilder veröffentlicht. Leider ist Indien im FAZ Romanatlas immer noch ziemlich verwaist. Bislang findet man dort nur Shashi Tharoors Aufruhr, dabei gehören Aravinds Der Weiße Tiger und Zwischen den Attentaten eigentlich zwingend auf die Landkarte.
Kurzbeschreibung
Als würde man an einer siebentägigen Erkundung der Stadt Kittur und ihrer Besonderheiten teilnehmen, so führt Aravind Adiga in seinem neuen Buch, einem Zyklus von Geschichten, den Leser durch diese brodelnde fiktive Stadt, die deutlich erkennbare Züge Bangalores trägt. Wie in Adigas preisgekröntem Debüt „Der weiße Tiger“ werden mit Witz und Furor, Mitgefühl und Humor, Mut und Leidenschaft Geschichten erzählt, in denen die unbarmherzigen Gegensätze und der unbeugsame Überlebenswille im heutigen Indien plastisch werden.
Da ist der zwölfjährige Ziauddin, der in einem Teehaus in der Nähe des Bahnhofs aushilft und, weil er einem hellhäutigen Fremden vertraut, einen großen Fehler macht. Da ist ein privilegierter Schuljunge, der aus Protest gegen das Kastenwesen an seiner Schule Sprengstoff zündet. Und da ist George D’Souza, der Moskitomann, der sich bei der reizenden, jungen Mrs Gomes zum Gärtner und dann zum Chauffeur hocharbeitet und alles verliert, als er die strengen Grenzen zu überschreiten versucht.
Aravind Adiga, dessen „Weißer Tiger“ den bedeutenden Booker-Prize gewann und zum Weltbestseller wurde, ist ein begnadeter Erzähler und Menschenkenner, und in dem reichen Panaroma von Figuren und Geschichten aus Kittur, die kunstvoll miteinander verwoben sind, erkennen wir fasziniert eine fremde Welt, die doch auch unsere ist, blicken in Abgründe menschlicher Kämpfe und lesen von Hoffnungen und Wünschen, die uns vertraut sind.
Über den Autor
Aravind Adiga wurde 1974 in Madras geboren, wuchs zeitweise in Sydney, Australien, auf, studierte Englische Literatur an der Columbia University und am Magdalen College in Oxford.
Adiga begann seine journalistische Arbeit als Finanzjournalist bei der Financial Times, Money und dem Wall Street Journal. Er berichtete über den Aktienmarkt und machte viele Interviews, unter anderem mit Donald Trump. Sein Artikel über das Buch Oscar und Lucinda erschien in Second Circle als Online-Literatur-Rezension. Danach blieb er für drei Jahre in Südasien als Korrespondent, bevor er freiberuflich arbeitete. In seiner Freizeit schrieb Adiga den Roman Der weiße Tiger, für den er 2008 den Booker-Preis erhielt. Einen großen Teil des Booker-Preisgelds in Höhe von 50.000 Pfund hat er seiner ehemaligen, katholischen Schule in Mangaluru gespendet.
Auf die Frage, welche Autoren ihn am meisten bei seinem Buch beeinflusst haben, antwortete Adiga, dass es drei afroamerikanische Schriftsteller waren †“ Ralph Ellison, James Baldwin und Richard Wright.
Heute arbeitet Aravind Adiga als Journalist in Asien und lebt in Mumba, Indien.
Über den Übersetzer
Klaus Modick, geboren 1951 in Oldenburg, studierte Germanistik, Geschichte, Pädagogik, Theaterwissenschaften und Philosophie in Hamburg. 1980 Promotion, seit 1984 freier Schriftsteller und weltweite Gastprofessuren. Modick lebt heute mit Frau und zwei Töchtern wieder in Oldenburg.
Die gebundene Ausgabe umfasst 382 Seiten und ist am 17. August 2009 im Verlag C.H. Beck (Lese- und Hörprobe) erschienen. Aravind Adigas Zwischen den Attentaten ist für 19,90 Euro im Handel erhältlich.
Diesen Roman finde ich klasse. Auf jeden Fall lese ich ihn. Danke für die ausführliche Info. Lg