Axolotl Roadkill: Die Chronologie eines Skandals

Axolotl Roadkill: Die Chronologie eines Skandals

Am 18. Januar 2010 schreibt der SPIEGEL erstmals über das „Wunderkind der Boheme“, am 20.01. berichtet die WELT über das verblüffend kluge, angenehm groteske und herrlich sprachgewandte Buch des neuen Wunderkindes der Berliner Kreativszene, am 21.02. erscheint in der ZEIT ein zweiseitiger Artikel über diesen „literarischen Kugelblitz“.

Noch bevor Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ am 22. Januar 2010 im Ullstein Verlag erscheint, ist das Buch bereits berühmt.

Die Lobeshymnen nehmen kein Ende:  Am 23.02. erscheinen gleich zwei Artikel in der FAZ, am 28.02. ein weiterer in der ZEIT, in dem es heißt, dass bereits zweimal der Erscheinungstermin des Buchs wegen des großen Medieninteresses vorgezogen wurde. „Axolotl Roadkill“ ist schon vor der Veröffentlichung für den Erstlingspreis der LitCologne in Köln nominiert und wird von der Kritikerjury am 28.01 für den Leipziger Buchpreis auf die Nominierungsliste gesetzt.

Am 02. Februar 2010 berichtet das Börsenblatt, dass der Ullstein Verlag die 3. Auflage drucken lässt und bereits 50 000 Exemplare von „Axolotl Roadkill“ ausgeliefert wurden.

Am 05.02.10 resümiert die ZEIT: „Es gibt drei Gründe, warum ein Roman und sein Verfasser zu einem Phänomen werden können: Erstens, das Buch birgt einen Skandal. Zweitens, es ist literarisch besonders gut. Drittens, es trifft einen Nerv der Zeit, ist Antwort auf eine gesellschaftliche Sehnsucht. Skandalös ist es zum Beispiel, wenn es verrucht, versaut ist, voller Drogen- und Sexexzessen steckt. Charlotte Roches Feuchtgebiete wurde auf diese Weise zum Renner. Oder der Roman provoziert eine Anklage, wie bekanntlich im Fall von Maxim Billers Esra. Schon also, wenn eines dieser Dinge zutrifft, ist der Verkauf in den Buchhandlungen gesichert. Wenn aber alle drei Kriterien zutreffen, ja, dann hat man wirklich einen Knaller vor sich, dann ist das Buch rasch vergriffen und die Journalisten bieten sich bei der Berichterstattung ein Wettrennen.“ […]

Ein weiteres Beispiel für einen Skandal, das der ZEIT aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, ist der Plagiatsvorwurf. Ebenfalls am 05.02.10 berichtet Deef Pirmasens auf seinem Blog Gefühlskonserve von seiner Entdeckung:

Axolotl Roadkill: Alles nur geklaut?

In nahezu 20 Textpassagen stellt Deef Pirmasens den Vergleich zu dem im September 2009 erschienen Roman „Strobo“ von Airen an. Die Übereinstimmungen dieser Passagen in Axolotl Roadkill und Strobo sind verblüffend. Helene Hegemann hat sich nicht mal besonders angestrengt dies zu vertuschen.

„Helene Hegemann zeigt uns in Axolotl Roadkill zwar, dass sie nicht nur für ihr Alter, sondern ganz allgemein eine beachtenswert wortgewaltige und wundervoll böse Schreibe hat. Aber statt sich nur von anderen inspirieren zu lassen und zu zitieren, schreibt sie ab. Das stört den guten Eindruck ganz empfindlich“, schreibt Deef Pirmasens über seine Entdeckung.

Seit dem 08.02.2010 rudern nun alle zurück:

Zeitgeist oder Plagiat, Kreativität ohne Reinheitsgebot, total gedankenlos oder egoistisch heißt es in den Schlagzahlen. Der Verlag unternimmt den Versuch der Imagewahrung, der Autor Airen wird beteiligt, man einigt sich auf die Nennung seines Namens in künftigen Ausgaben, eine vierstellige Summe wird bezahlt. Immer mehr Autoren melden sich, um Ansprüche auf ihre Texte, die Hegemann ebenfalls verwendet hat, geltend zu machen. Kritiker, Lektoren, Autoren diskutieren und streiten im Netz. Ca. 2800 Leser haben sich an der Umfrage der WELT beteiligt: 82% sind der Ansicht: Eine Frechheit! Hegemann sollte sich schämen.

Mittlerweile hat Helene Hegemann sich entschuldigt und reist von einer Talkshow zur nächsten. Etwas Scham würde ihr gut zu Gesicht stehen, doch davon sieht man leider nichts.

Die Taschenbuchausgabe von Strobo umfasst 170 Seiten und ist am 01.08.2009 im SuKuLTuR Verlag erschienen, derzeit allerdings nicht lieferbar.

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Nachfolgend ein Auszug der Schlagzeilen rund um Christine Hegemann und Axolotl Roadkill:

Das Wunderkind der Boheme – Die Schülerin Helene Hegemann ist erst 17 und lebt in Berlin. In ihrem ersten Roman erzählt sie, wie schwer jungen Menschen die Rebellion fällt, wenn schon die Eltern Rebellen sind. Spiegel, 18.01.2010

Jung-Autorin Hegemann feiert die Kommune im Kapitalismus WELT Online, 20.01.2010

Literarischer Kugelblitz – Im Koksnebel: Helene Hegemanns heftiges Romandebüt „Axolotl Roadkill“ ZEIT Online, 21.01.2010

Bücher der Woche: Axolotl Roadkill – Mir zerfallen die Worte im Mund wie schlechte Pillen FAZ, 23.01.2010

Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill†œ – Glauben, lieben, hassen – FAZ, 23.01.2010

Helene Hegemann: Wie sie euch gefällt. Helene Hegemann ist fast noch ein Kind – mit ihrem ersten Roman soll sie der neue Berliner Literaturstar werden. Wir haben ihre Verwandlung über Monate begleitet. ZEIT Online, 28.01.2010

Gespräch mit Ullstein-Programmleiterin Ulrike Ostermeyer über Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“: „Es ist keine Wohlfühlliteratur“ Die dritte Auflage wird gerade gedruckt. 50000 Exemplare von Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ hat Ullstein ausgeliefert. Börsenblatt, 02.02.2010

Helene Hegemann: Futter für die infantile Gesellschaft. Warum ärgern sich so viele über den Hype um Helene Hegemann? Weil ihr Roman einen Nerv der Zeit getroffen hat. ZEIT Online, 05.02.2010

Fall Hegemann: Blogger entlarvt Fräuleinwunder Süddeutsche 08.02.2010

Debatte um Bestseller-Autorin Hegemann: Kreativität ohne Reinheitsgebot. Helene Hegemann, der neue Shootingstar der Literatur, hat abgeschrieben. Na und? Das haben schon ganz andere vor ihr getan. SPIEGEL Online, 08.02.10

Bestseller-Autorin Hegemann: Fräulein Wunder hat abgeschrieben. Süddeutsche Zeitung, 08.02.2010

Autorin Helene Hegemann: Untermieter im eigenen Kopf. Süddeutsche Zeitung, 08.02.2010

Bestseller-Autorin Hegemann: Literatur-Wunderkind schrieb bei Blogger ab. SPIEGEL Online, 08.02.10

„Total gedankenlos und egoistisch“ – Zeitgeist oder Plagiat? In ihrem bejubelten Romandebüt hat sich Helene Hegemann bei einem anderen Autor bedient. ZEIT Online, 08.02.2010

„Axolotl Roadkill“ 17-jähriger Literaturstar klaute Roman aus Netz WELT Online, 08.02.2010

Helene Hegemann: „Ich beraube meine Freunde schonungslos“ WELT Online, 08.02.2010

„Axolotl Roadkill“: Ullstein und Autorin Helene Hegemann äußern sich zu Plagiatsvorwurf Börsenblatt, 08.02.2010

Plagiatsdebatte „Axolotl†œ: Sie zitiert Airen, und er zitiert Benn und Burroughs FAZ, 09.02.2010

Meinung: Hegemann-Debatte – Das große Missverständnis. Warum die Literaturkritik im Fall Helene Hegemann so seltsam gescheitert ist. Eine Analyse von Thomas von Steinaecker, die der Schriftsteller mit einer Bitte an die Rezensenten verbindet. Börsenblatt, 10.02.2010

Plagiatsfall Helene Hegemann – Germanys Next Autoren-Topmodel FAZ, 10.02.2010

Die besten Bücher des Frühjahrs – 15 Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse Börsenblatt, 11.02.2010

Preis der Leipziger Buchmesse: Helene Hegemann nominiert FAZ, 11.02.2010

Buchpreis-Nominierungen: Jetzt aber ran mit Hegemann! Jetzt erhält die 17-jährige Helene Hegemann beinahe schon offizielle Weihen: Sie steht auf der Nominiertenliste für den Preis der Leipziger Buchmesse. SPIEGEL Online, 11.02.2010

Helene Hegemann: Neue Plagiatsvorwürfe gegen die Autorin ZEIT Online, 11.02.2010

„Axolotl Roadkill: Helene Hegemann hat ein beeindruckendes Buch geschrieben.“ Im Fall Hegemann meldet sich nun noch einmal Ullstein-Verlegerin Siv Bublitz zu Wort. In einer Mitteilung heißt es: „Wie bereits angekündigt, hat der Ullstein Verlag nun nachträglich Abdruckgenehmigungen für bislang nicht genannte Quellen des Romans „Axolotl Roadkill†œ von Helene Hegemann eingeholt.“ Börsenblatt, 11.02.2010

Hegemann-Buch: Ullstein Verlag erwirbt nachträglich Abdruckrechte ZEIT Online, 11.02.2010

„Komplette Kopie“ – Auch Filmstudent wirft Hegemann Plagiat vor WELT Online, 11.02.2010

Der bestohlene Blogger Airen im F.A.Z.-Gespräch: „Das habe ich erlebt, nicht Helene Hegemann“ FAZ, 12.02.2010

Warum alte Männer Helene Hegemann hassen. Die Aufregung um Helene Hegemann ist enorm. In immer kürzeren Abständen melden sich Autoren zu Wort, die angeben, sie seien von ihr beklaut worden. Damit haben die Pfaffen, die über den Zugang zur Kultur wachen, endlich etwas anderes gegen Hegemann in der Hand als nur ihre eigenen Vorurteile. WELT Online 12.02.2010

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