Der mit 15.000 Euro dotierte Adelbert-von-Chamisso-Preis der Robert Bosch Stiftung geht in diesem Jahr an den österreichisch-tschechischen Schriftsteller und Übersetzer Michael StavariÄ. Die mit 7.000 Euro dotierten Förderpreise erhalten der ungarische Autor Akos Doma und albanische Autor Ilir Ferra.
Michael StavariÄ wird mit dem Chamisso-Preis für sein bisheriges Gesamtwerk, vor allem aber für seinen jüngsten Roman „Brenntage“ ausgezeichnet. Er habe die deutschsprachige Gegenwartsprosa auf sprachlich originelle Weise bereichert, teilte die Jury mit. Akos Doma erhält den Förderpreis für seinen Roman „Die allgemeine Tauglichkeit“ und Ilir Ferra für sein deutschsprachiges Debüt „Rauchschatten„.
Seit 1985 zeichnet die Robert Bosch Stiftung herausragende literarische Leistungen in deutscher Sprache, verfasst von Autoren, deren Muttersprache oder kulturelle Herkunft nicht die deutsche ist, Autorinnen und Autoren mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis aus. Dieser Preis ist der einzige seiner Art in Deutschland.
Die Auszeichnungen werden am 1. März 2012 in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz verliehen.
Nachfolgend die ausgezeichneten Romane:
Brenntage von Michael Stavaric
Kurzbeschreibung
„Das Ausbleiben der Zukunft ist nichts für schwache Nerven.“ So viel steht für den namenlosen Ich-Erzähler fest, der nach dem Tod der Mutter bei seinem Onkel in einer von Bergen und Schluchten umgebenen Siedlung lebt. Und die Zukunft macht sich rar, denn wegen der Abgeschiedenheit der Siedlung kapseln sich deren Einwohner zusehends ab. So entsteht ein Mikrokosmos mit ganz eigenen Sitten und Gebräuchen, wie etwa den „Brenntagen“ bzw. diversen „Waldriten“.
Die Grenzen zwischen Surrealität und Realität verschwimmen – Menschen verschwinden, durch die Wälder ziehen Soldaten, Hunderudel und mitunter sogar Geister, die auf längst geführte Kriege verweisen, überall Echos, deren eigentlicher Sinn verborgen bleibt. Da ist es nur gut, dass es den Onkel gibt, eine schier unerschöpfliche Quelle eigensinniger und abgründiger Weisheit. Und als die Siedlung durch ein großes Feuer in Schutt und Asche gelegt wird, übernimmt dieser das Kommando und veranlasst einen Umzug der Bewohner in eine der nahe gelegenen Minen …
In schillernd-poetischer Sprache erzählt Michael Stavaric in seinem neuen Roman auf waghalsige und zugleich berührende Weise vom Erwachsenwerden in einer sich beständig wandelnden Gegenwart.
Über den Autor
Michael Stavaric wurde 1972 in Brno (CZ) geboren und lebt in Wien. 1979 Emigration nach Österreich. Studium der Bohemistik/Publizistik an der Universität Wien. Vormals lange Jahre Lehrbeauftragter an der Sportuniversität Wien. Freier Schriftsteller, Übersetzer und Ghost-Writer. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Michael Stavaric erhielt verschiedene Preise. 2008 wurde er mit dem „Adelbert-von-Chamisso-Preis, Förderpreis“ geehrt und 2009 mit dem „Literaturpreis Wartholz 2009“.
Die allgemeine Tauglichkeit von Akos Doma
Kurzbeschreibung
Ferdinand und seine drei Freunde, allesamt Lebenskünstler und Gestrandete, hausen in einer Bruchbude am Stadtrand und träumen vom »echten« Leben. Bis Albert, der charismatische Erfolgstyp auftaucht, wild entschlossen, aus den vier Taugenichtsen »ordentliche Leute« zu machen. Gemeinsam erleben sie einen chaotischen Trip durch einen rauschhaften Sommer, an dessen Ende sich unverhofft eine Tür in ein anderes Leben öffnet … Akos Doma ist ein hinreißender Roman gelungen: eine rabenschwarze Gaunerkomödie, die Geschichte einer wahren Freundschaft und eine hintersinnige Parabel auf die Zumutungen unserer Gesellschaft.
Über den Autor
Akos Doma wurde 1963 in Budapest geboren. Mit seinen Eltern emigrierte über Italien nach England, bevor er im Alter von 14 Jahren nach Amberg kam. Am Erasmus Gymnasium in Amberg absolvierte er 1984 das Abitur. Im Anschluss studierte Doma zwei Jahre in München Anglistik, Amerikanistik und Germanistik. 1986 wechselte er an die Universität Eichstätt. 1994 promovierte der Schriftsteller über „Die andere Moderne†œ. Sein Debütroman „Der Müßiggänger“ erschien 2001 im Rotbuch Verlag. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller übersetzt Akos Doma Werke von László F. Földényi, Péter Nádas oder Sándor Márai aus dem Ungarischen ins Deutsche. Doma lebt mit seiner Familie in Eichstätt.
Rauchschatten von Ilir Ferra
Kurzbeschreibung
Der Mittagsschlaf ist nämlich wichtig. Für die Straßen ist er die Pause zwischen zwei Atemzügen. Die Blendung in dem Moment, in dem die Sonne angeschaut wird. Ein Versteck vor dringenden Entscheidungen. Die beste Möglichkeit, Zeit zu schinden. Ein Riss wie der Mund der Nacht mitten im grellen Gesicht des Tages. Ein Aussetzer, der, von außen betrachtet, die Stadt in eine verwüstete Landschaft verschwenderischen Lichts verwandelt.
Über den Autor
Ilir Ferra, geboren 1974 in Durrës/Albanien, lebt seit 1991 in Wien. Dort studierte er Übersetzungswissenschaften (Englisch und Italienisch). Heute arbeitet er als Autor, Übersetzer und Dolmetscher. 2008 erschien seine preisgekrönte Erzählung „Halber Atem“. Mit „Rauchschatten“ legte Ilir Ferra 2010 sein Romandebüt in deutscher Sprache vor. Der in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der albanischen Hafenstadt Durrës spielende Roman besteche vor allem durch seine eigenwillig bildreiche, sprachlich überzeugende Gestaltung sinnlicher Details, heißt es in der Begründung der Jury: „In sparsamer, oft fast lyrischer Diktion werden Erlebnisse, Geheimnisse, Sehnsüchte und Entdeckungen der Hauptfigur erzählt. Sie geben einen sensiblen Einblick in das Leben einer Familie, einer Stadt und eines ganzen Landes, das von allumfassender Unfreiheit geprägt ist. Ilir Ferra zeigt, wie die Schatten einer menschenverachtenden, paranoiden und omnipräsenten Diktatur tief in die Seelen der Menschen reichen und ihr Leben verdüstern.“
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Die Juroren des Adelbert-von-Chamisso-Preises 2012 sind:
Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Zsuzsanna Gahse (Schriftstellerin und Chamisso-Preisträgerin 2006), Michael Krüger (Schriftsteller und Verleger), Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann (Goethe-Institut), und Dorothea Westphal (Deutschlandradio Kultur).
Medienpartner beim Adelbert-von-Chamisso-Preis 2012 ist Deutschlandradio Kultur.
Quelle: Robert Bosch Stiftung