Der schönste erste Satz von Christine Brückner

Wie schön ihr seid, meine Mädchen!

Wenn Du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen von Christine Brückner. Der gesuchte Satz entstammt dem Text Vergeßt den Eisvogel nicht. Sappho an die Abschied nehmenden Mädchen auf Lesbos.

Das Buch ist kein Roman, sondern eine Folge von fiktiven Monologen (um den Begriff †œTexte† mal zu spezifizieren).
Monologisiert wird in einem Zeitraum von der Antike bis 1977.Es handelt sich dabei auch mehr um †œFrauenliteratur† in Anführungsstrichen, würde ich sagen. Die Autorin ist jedenfalls meines Wissens nicht eigentlich als Feministin hervorgetreten.
Der Begriff †œFrauenliteratur† lässt sich aber jedenfalls unter einem inhaltlichen Aspekt fraglos auf das Buch anwenden.

Ich persönlich habe die Autorin zunächst über typische Jungmädchenbücher für 12-14jährige kennengelernt, von denen ich nicht weiß, ob es Bestseller waren, da für diese Sparte wohl keine offiziellen Verkaufslisten existieren. Bestseller waren aber in jedem Fall das gesuchte Buch sowie eine Roman-Trilogie, die auch für das Fernsehen verfilmt wurde.

Die †œungehaltenen Reden† habe ich als unterschiedlich überzeugend in Erinnerung. Eigentlich hätte ich gerne den wirklich ersten Satz des Buches aus †œIch wär Goethes dickere Hälfte. Christiane von Goethe im Vorzimmer der verwitweten Oberstallmeisterin Charlotte von Stein† genommen, weil mir dieser Monolog besonders gut gefällt. Der Titel gebende Monolog dagegen (†Wenn Du geredet hättest, Desdemona. Die letzte Viertelstunde im Schlafgemach des Feldherrn Othello† – Desdemona überredet ihren Gatten zur Aufgabe seines Mordvorhabens, indem sie ihn von ihrer Liebe überzeugt) ist zwar eine hübsche Idee, nur hat diese Figur dann eben nichts mehr mit Shakespeares Desdemona zu tun. Auch den Monolog Gudrun Ensslins (†Kein Denkmal für Gudrun Ensslin. Rede gegen die Wände der Stammheimer Zelle†) lese ich mit gewissen Zweifeln, was daran liegt, dass ich von der Person Ensslin ein Bild habe, das mir diesen Text eher weniger authentisch erscheinen lässt. Aber nichts genaues weiß man nicht. Ein interessantes Gedankenexperiment ist es in jedem Fall.

Gut gefallen haben mir übrigens auch die Illustrationen im Buch, Zeichnungen von Horst Janssen, vorwiegend Porträts der redenden Frauen.

Christine BrücknerChristine Brückner wurde als Tochter des Pfarrers Carl Emde geboren. Sie besuchte in Arolsen und in Kassel das Gymnasium. Im 2. Weltkrieg war sie für fünf Jahre dienstverpflichtet. Während dieser Zeit holte sie das Abitur nach. Sie wurde 1945 Diplombibliothekarin in Stuttgart. Von 1946 bis 1956 war mit dem Keramikkünstler Werner Brückner verheiratet. Sie war in den Jahren 1946 / 1947 Leiterin der ‚Mensa academica‘ der Universität Marburg und von 1947 bis 1950 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut dieser Universität. Im Nebenberuf studierte sie in dieser Zeit Kunstgeschichte, Germanistik und Psychologie. Anfang der 1950-er Jahre war sie Redakteurin der Zeitschrift ‚Frauenwelt‘ in Nürnberg.

Brückners erster Roman „Ehe die Spuren verwehen“ erschien 1954 und gewann bei einem Romanwettbewerb des Bertelsmann Verlages den ersten Preis. Danach war sie hauptberuflich Schriftstellerin.

1965 zog Christine Brückner nach Kassel und heiratete dort im Jahr 1967 den Schriftsteller, Maler, Lektor und Dramaturgen Otto Heinrich Kühner (1921†“1996).

1972 hatten Brückner und Kühner während einer Lesereise im Schwarzwald einen schweren Autounfall, den sie beide nur knapp überlebten. Brückner war danach für mehrere Monate im Krankenhaus. In dieser Zeit schrieb sie – im Krankenbett liegend – Kurzgeschichten, Balladen und Essays, die 1973 als Anthologie unter dem Titel „Überlebensgeschichten“ erschienen. In einem Interview erklärte Brückner:„Ans Bett gefesselt und nur knapp dem Tod entronnen, begriff ich wirklich, was Kunst und was Leben ist. Die Ärzte und Pfleger retteten mich physisch. Aber Freunde mußten mir Bücher, Schallplatten und Bilder bringen. Am wichtigsten war aber, daß ich meine Schreibmaschine neben mir hatte. Sie rettete meine Seele. Nur mit ihrer Hilfe konnte ich wirklich genesen.“

1984 gründete sie zusammen mit ihrem Mann die Stiftung Brückner-Kühner, die seit 1985 u. a. den mit 10.000 Euro dotierten Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor vergibt und heute als Zentrum für komische Literatur, avancierte Dichtkunst und als Ort der Erinnerung an Christine Brückner und ihren Mann wirkt.

Christine Brückner starb wenige Wochen nach ihrem Mann. Das Wohnhaus von Brückner und Kühner in Kassel kann nach Voranmeldung besucht werden.

Zu den größten Erfolgen der Autorin zählt die Roman-Trilogie „Jauche und Levkojen„, „Nirgendwo ist Poenichen“ und Die Quints sowie das Buch „Wenn Du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen„.

In den Jahren 1979 und 1980 wurden „Jauche und Levkojen“ und „Nirgendwo ist Poenichen“ jeweils als Mehrteiler für das Fernsehen verfilmt. Die Hauptdarsteller waren u. a. Ulrike Bliefert, Arno Assmann und Edda Seippel.

Anjelka am 11. Dezember, 2007