Juli 2010: Atem von Tim Winton

Am 30.07.2010 besprechen wir Atem von Tim Winton im Lesekreis. Gerlinde hat den Roman vorgeschlagen, er konnte sich in der Abstimmung gegen „Die dunkle Seite der Liebe“ von Rafik Schami und Julia Francks „Die Mittagsfrau“ durchsetzen. Wir treffen uns zur üblichen Zeit bei Karin.

Das Leben ist eine Ansammlung von Erfahrungen. Einige führen uns an unsere körperlichen und mentalen Grenzen und manchmal überschreiten wir diese, freiwillig oder gezwungenermaßen. „Atem“ ist ein poetischer Beleg dafür. Der Autor Tim Winton erzählt mit einer so anschaulichen und klaren Wortgewalt, dass der Leser sich bei der Vorstellung ertappt, mit Surfbrett und Meer eins zu werden. Es ist ein Roman für alle, die das Meer lieben, eine Hommage an den Sport und das Leben.

Kurzbeschreibung
Sonne, Meer und Weite †“ für einen Surfer ist das nicht genug. Er braucht die große, die immer größere Welle. Bruce Pike ist in seinem Leben viele Wellen geritten, er weiß um die Faszination und die Tücken dieses Sports. Dabei fing alles so harmlos an, in seinem kleinen Kaff an der Westküste Australiens: Als Kind tauchte er mit seinem Freund Loonie um die Wette, es ging darum, so lange wie möglich den Atem anzuhalten. Bald entdeckten sie gemeinsam das Surfen †“ und forderten immer waghalsiger den Tod heraus.

„Nach seinem berauschenden ersten Buch, das ins Deutsche übersetzt wurde „Der singende Baum„, erzählt Australiens erfolgreichster Schriftsteller nun 17 Geschichten aus seiner Heimat, die das Leben auf dem fünften Kontinent lebendig werden lassen. Die Figuren darin sind so präsent, dass man sich mit ihnen freut, mit ihnen leidet und mit ihnen trauert. Das Mitfühlen wird hier ganz groß geschrieben.“
Bild am Sonntag über „Weite Welt“

Pressestimmen
„Wintons biegsame Sprache, seine Nachdenklichkeit, die nie belehrend wirkt, seine naturverbundene Erdhaftigkeit machen den zurückgezogen lebenden Autor zu einer literarischen Kultfigur.†œ NDR Kultur

„Tim Winton fesselt mit einer Geschichte über die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer.†œ Cosmopolitan

„Das ist doch mal ein Sommerbuch!†œ Volker Weidermann, FAZ

Über den Autor
Tim Winton wurde 1960 in der Nähe von Perth, Westaustralien, geboren. Er hat zahlreiche Romane, Sachbücher sowie Kinderbücher veröffentlicht und ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Australiens. Zweimal kam er auf die Shortlist des „Man Booker Prize“, und dreimal erhielt er den „Miles Franklin Award“, den wichtigsten Literaturpreis Australiens. Seine Werke sind in zwölf Sprachen übersetzt, einiges wurde für Bühne, Radio und Film adaptiert. Tim Winton lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Westaustralien. Bei Luchterhand ist erschienen: „Der singende Baum“ (Roman, 2004) und und „Weite Welt“ (Erzählungen, 2007).

Über den Übersetzer
Klaus Berr, geb. 1957 in Schongau, Studium der Germanistik und Anglistik in München, einjähriger Aufenthalt in Wales als „Assistant Teacher“, ist der Übersetzer von u.a. Lawrence Ferlinghetti, Tony Parsons, William Owen Roberts, Will Self.

April 2010: Pferde stehlen von Per Petterson

„Pferde stehlen“ von Per Petterson, in der Übersetzung von Ina Kronenberger, lautet der neue Titel von dem Roman, den wir am 24.04.10 im Lesekreis besprechen. Wir treffen uns zur üblichen Zeit bei Jürgen. Wir können uns auf „eine ruhige, kraftvolle Prosa, wie auch die ZEIT über den Roman urteilt, freuen.

Kurzbeschreibung
Norwegen im Sommer 1948: Der fünfzehnjährige Trond verbringt die Ferien in einer Hütte nahe der schwedischen Grenze. Als in der Nachbarsfamilie ein schreckliches Unglück geschieht, entdeckt der Junge das wohlgehütete Lebensgeheimnis seines Vaters. In den Kriegsjahren hatte dieser zusammen mit der Nachbarin politisch Verfolgte über den Fluss gebracht. Und sich dabei für immer in diese Frau verliebt. Noch ahnt Trond nicht, dass er seinen Vater nach diesem gemeinsamen Sommer nie wiedersehen wird.

Pressestimmen
„Eine wunderschön erzählte Geschichte über die Liebe und das Glück, das Jungsein und das Alter, die Natur und die Einsamkeit. Das Schönste wäre, wenn einer auf die Idee käme, dieses Buch zu verfilmen. Das wäre ein Film, bei dem man ein bisschen weinen würde, aber gleichzeitig auch den Daumennagel anknabberte, weil es so spannend ist.“ (Christine Westermann, WDR)

„Pferde stehlen ist ein elegischer Vaterroman, aber auch eine poetische Huldigung an die nordische Natur.“ (Neue Züricher Zeitung)

„Eindringlicher als Per Petterson kann man von Leuten in ihrer Landschaft nicht erzählen.“ (Süddeutsche Zeitung)

„Das ist verdichtetes Leben: von absolut zwingender und unangestrengter Notwendigkeit.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Über den Autor
Per Petterson, geboren 1952 in Oslo, ist ausgebildeter Bibliothekar und arbeitete als Buchhändler und Übersetzer, bevor er sich als Schriftsteller etablierte. Sein Buch Sehnsucht nach Sibirien wurde 1997 für den Nordic Council’s Literature Prize nominiert.Ina Kronenberger, geboren 1965 in der Pfalz, übersetzt aus dem Norwegischen und Französischen, u.a. Per Petterson, Linn Ullmann, Ketil Björnstad, Anna Gavalda, Amin Maalouf und Thomas Gunzig.

Februar 2010: Die Einsamkeit der Primzahlen von Paolo Giordano

Rainer hat so überzeugend von seinem Buchvorschlag über „Die Einsamkeit der Primzahlen“ von Paolo Giordano geschwärmt, dass wir einstimmig beschlossen haben es beim nächsten Lesekreis-Treffen zu besprechen. Wir treffen uns am 13.02.2010 zur üblichen Zeit bei Eli.

Die Einsamkeit der PrimzahlenKurzbeschreibung
„Zum Teufel noch mal, was für ein großartiger Schriftsteller, schon mit 26 Jahren!“ Andrea Camilleri

Ein einziger Tag in ihrer Kindheit, so scheint es, hat über ihr ganzes Leben entschieden. An einem solchen Tag verlor Alice für immer ihre Unbeschwertheit und das Vertrauen zu ihrem halsstarrigen Vater. Mattia hingegen verlor mit sechs Jahren seine Schwester, deren Hilfsbedürftigkeit er ein einziges Mal, für wenige Stunden, missachtet hatte. Seither quälen ihn Schuldgefühle, die er niemandem offenbart.

Sieben Jahre später lernen Mattia und Alice sich auf dem Gymnasium kennen. Die Anziehungskraft zwischen den beiden scheint unwiderstehlich. Jeder erkennt im anderen die eigene Einsamkeit. Alice ist der einzige Mensch, dem Mattia wenigstens einmal seinen Schmerz zu offenbaren wagt. Und umgekehrt würde sie nie einen anderen als ihn bitten, das Tattoo von ihrer Haut zu entfernen, mit dem sie ihre inneren Wunden gleichsam übermalen wollte. Doch mit den Jahren werden die Hindernisse, die die beiden einander unbewusst in den Weg legen, höher und höher. Bis sie sich entscheiden müssen.

In einer ebenso klaren wie poetisch-eindringlichen Sprache erzählt Paolo Giordano die Geschichte von Alice und Mattia, die wie Primzahlzwillinge nahe beieinanderstehen und doch immer durch eine Winzigkeit getrennt bleiben. Komplexe Seelenzustände schildert er so genau, dass sie fassbar werden und uns tief berühren. Paolo Giordano findet unvergessliche Bilder für die verschlungenen Wege, auf denen die Dramen der Kindheit in uns fortwirken. Seine Prosa verwandelt auf magische Weise Schmerz in Trost.

Ausgezeichnet mit Italiens renommiertestem Literaturpreis – dem „Premio Strega“. Mit 26 Jahren ist Paolo Giordano der jüngste Gewinner aller Zeiten.

„Eindringlich und unaufhaltsam lässt Giordano den Schmerz der Kinder, der Jugendlichen und der Erwachsenen in den Leser einsickern. … Hier zeigt sich der Physiker Paolo Giordano als hervorragender Menschenanalytiker – wie auch bei seinen Nebenfiguren, die oft nur kurz auftauchen, dann vom Autor vergessen scheinen, um plötzlich wieder bedeutsam zu sein. Selbst sie zeigen sich dem Leser in einer Komplexität, für die man ihren Schöpfer nur achten kann. … seine Geschichte besticht nicht nur durch direkte, schnörkellose Dialoge und einen poetischen, bildreichen Erzählstil, sondern auch durch Spannung. Und so war der Roman in Italien 2008 der meistgekaufte. Giordano, als Physiker der wissenschaftlichen Abhandlung so mächtig wie dem literarischen Schreiben, beweist, dass sich Naturwissenschaft und Literatur aufs Schönste ergänzen können. Eine ungewöhnliche Bereicherung.“ Liliane Zuuring, Westdeutsche Allgemeine (29.08.2009)

Die 368 Seiten umfassende gebundene Ausgabe ist im August 2009 in Karl Blessing Verlag erschienen. Die Einsamkeit der Primzahlen ist für 19,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

Dezember 2009: Atemschaukel von Herta Müller

Die Abstimmung für die „Atemschaukel“ von Herta Müller war ziemlich einstimmig. Natürlich kommen wir nicht darum herum, den neuen Roman der frischgekürten Literaturnobelpreisträgerin im Lesekreis zu lesen.  Die Besprechung findet am 19. Dezember um 21 Uhr bei Heike und Christian statt.

AtemschaukelKurzbeschreibung
Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. „Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.“ So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.

Pressestimmen
„Ein überwältigender, ergreifender, demütig machender Roman, die vielleicht nachhaltigste Leseerfahrung dieses Herbstes.“ (Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.09)

„Ein sprachliches Kunstwerk, wie es das in diesem Herbst kaum ein zweites Mal geben dürfte. Wer es schafft, Herta Müllers bestürzenden, bedrückenden und – wegen seiner sprachlichen Kraft – beglückenden Roman zu Ende zu lesen, wird dieses Buch nie wieder vergessen.“ (Focus, Hajo Steinert, 10.08.09)

Über die Autorin
Herta Müller, 1953 geboren im deutschsprachigen Nitzkydorf/Rumänien, studierte 1973 – 1976 deutsche und rumänische Philologie in Temeswar. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. Sie wurde entlassen, weil sie sich weigerte für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu arbeiten. Ihr erstes Buch „Niederungen“ lag danach vier Jahre beim Verlag und wurde 1982 nur zensiert veröffentlicht. 1984 erschien es in der Originalfassung in Deutschland. Herta Müller konnte danach in Rumänien nicht mehr veröffentlichen und war immer wieder Verhören, Hausdurchsuchungen und Bedrohungen durch die Securitate ausgesetzt. 1987 Übersiedlung nach Deutschland. 1989 – 2001 Gastprofessuren an Universitäten in England, Amerika, Schweiz und Deutschland. Seit 1995 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt. Herta Müller wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt sie 2006 den Würth-Preis für Europäische Literatur für ihr literarisches Gesamtwerk sowie den Walther-Hasenclever-Werkpreis. Herta Müller lebt in Berlin. 2009 erhielt die Autorin die Ehrengabe der Heine-Gesellschaft.

Oktober 2009: Panda Sex von Mian Mian

Am 17. Oktober 2009 besprechen wir den Roman Panda Sex der chinesischen Autorin Mian Mian. Wir treffen uns um 21 Uhr bei Heike und Christian.

Panda SexKurzbeschreibung
Durch die Nacht von Shanghai – mit Mian Mian, dem Bad Girl der chinesischen Literatur.

In Shanghai ist der Panda-Virus ausgebrochen: Sexmüde wie Pandabären sind die Figuren im neuen Roman von Mian Mian. Einst das Bad Girl der chinesischen Literatur, deren Werke in ihrer Heimat zensiert wurden, beweist sich die international gefeierte Autorin mit ihrem neuen Roman als Avantgarde-Klassikerin. Mian Mian war eine der ersten Schriftstellerinnen, die über die unbekannte Seite Chinas schrieb: über eine Jugend, die im Nachtleben ihr Glück sucht. Als Königin der Subkultur und Chinas begabteste Jungautorin feierte sie Der Spiegel.

Die Party ist zwar nicht vorbei in Mian Mians neuem Buch. Aber doch hat sich etwas verändert, es ist, als sei das einst glitzernde, leuchtende Shanghai in Schwarzweißlicht getaucht. Panda Sex erzählt von einer Gruppe junger Leute um das Schwesternpaar Mei Mei und Jie Jie.

Zwei Tage und Nächte lang durchstreifen sie die Shanghaier Party- und Clubszene und philosophieren dabei über die Liebe, Beziehungen, Geschlechterrollen und Sex. Gerade erst haben die Freunde ihren langjährigen Gefährten Little Beetle zu Grabe getragen. Dort, bei der Beerdigung, sollen sie sich infiziert haben mit dem Panda-Virus. Pandas haben nur zweimal im Jahr Sex. Den Figuren im Roman geht es ähnlich, sie suchen Nähe, sind süchtig nach echter Begegnung und können Sex doch nur mit Fremden haben.

Kühn konstruiert, protokolliert Panda Sex die Gespräche der Freunde auf den Straßen Shanghais. Mit flirrender Leichtigkeit und Melancholie entwirft Mian Mian das Bild einer Generation, die sich nach Liebe sehnt, aber das Risiko einer Beziehung fürchtet. China-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2009

Über die Autorin Mian Mian
Mián Mián (chin. 棉棉) wurde am 28. August 1970 in Shanghai geboren.
Sie beschreibt in ihren Erzählungen und Romanen die Subkultur des neuen China, die sie als DJ, Rock-Show- und Rave-Promoterin gut kennengelernt hat.

Mit 16 Jahren begann sie zu schreiben. 1997 wurden ihre ersten Kurzgeschichten in der Literaturzeitschrift Xiaoshuo Jie veröffentlicht. Die vier Erzählungen La La La erschienen 1997 in Hongkong (auf Deutsch 2000 im Verlag Kiepenheuer & Witsch). Ihr erster Roman Candy folgte im Frühjahr 2000. Beide Bücher wurden Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt. In der Volksrepublik China selbst waren sie jedoch schon nach kurzer Zeit nur noch als Raubkopien erhältlich.

Anschließend arbeitete Mian Mian als Schauspielerin im Film Shanghai Panic (2002), chinesischer Originaltitel: 《啦啦啦我们害怕啦啦啦》), zu dem sie auch das Drehbuch verfasst hat. Auch in dem Film Xiao shuo (2006) (englischsprachiger Titel: „The Obscure“ übernahm sie eine Rolle.

Wegen ihrer angeblich zweifelhaften moralischen Qualität waren Mian Mians Bücher bis 2002 von den chinesischen Behörden zensiert. La La La kam in Deutschland bei Kiepenheuer & Witsch in einer unzensierten und von der Autorin überarbeiteten Version heraus. Die gute Übersetzung leistete Karin Hasselblatt.

Mian Mian lebt in Shanghai. Ihre im Jahr 2000 geborene Tochter lebt bei ihrem Ex-Mann in Peking.

Über den Übersetzer Martin Woesler
geboren 1969, Sinologe, nach Studium, Forschung und Lehre an der Peking- und Harvard-Universität derzeit Professor an der Hochschule für Angewandte Sprachen München. Übersetzte u. a. den 250 Jahre alten klassischen chinesischen Roman „Der Traum der Roten Kammer“. Mit Mian Mian hat er die Orte aus dem Roman „Panda Sex“ besucht.