„Ziemlich beste Freunde“ erster Titel bei Hanser Berlin

Ziemlich beste Freunde: Das zweite Leben des Philippe Pozzo di Borgo lautet der erste Titel im neuen Hanser Verlag Berlin.

Philippe Pozzo di Borgos autobiografische Erzählung erschien bereits 2001 in Frankreich unter dem Titel Le Second Souffle. Die deutschsprachige Übersetzung umfasst 240 Seiten und erscheint am 19. April 2011. Die Erzählung ist die Vorlage des gleichnamigen Films, der allein in Frankreich 18 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Auch in Deutschland startete am 5. Januar 2012 „Ziemlich beste Freunde“ mit über 300.000 Zuschauern am ersten Wochenende sehr erfolgreich.

Das Buch von Philippe Pozzo di Borgo ist in seiner Heimat ein Bestseller. In Deutschland kommt es bei Hanser Berlin mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren in den Handel. Das erste vollständige Programm mit zehn Titeln, darunter neue Bücher von Richard Ford, Henning Ritter und Richard Sennett, wird im Herbst 2012 veröffentlicht.

Kurzbeschreibung
Philippe Pozzo di Borgo ist Geschäftsführer der Firma Champagnes Pommery, als er mit dem Gleitschirm abstürzt und vom Hals ab querschnittsgelähmt bleibt. Er ist 42 Jahre alt und braucht einen Intensivpfleger. Der arbeitslose Ex-Sträfling Abdel erscheint zum Vorstellungsgespräch eigentlich nur, um eine Unterschrift fürs Sozialamt zu bekommen. Und kriegt den Job. Mit seiner mitleidslosen, lebensfrohen, ungehobelten und authentischen Art wird Abdel zu Philippes „Schutzteufel“. Zehn Jahre lang begleitet er ihn durch alle dramatischen und komischen Momente seines Lebens †“ und gibt ihm die Lebensfreude zurück. Von Olivier Nakache und Eric Toledano verfilmt, ist dieses moderne Märchen zu einem der erfolgreichsten französischen Filme aller Zeiten geworden. †“ Eine wahre Geschichte, die man sich nur unter höchstem Kitschverdacht hätte ausdenken können.

Quelle: Focus Online

Höllenspektakel: Unterwegs im Namen des Herrn von Thomas Glavinic

Unterwegs im Namen des Herrn von Thomas Glavinic

Die Pilgerfahrt auf den Balkan soll eigentlich zur Erleuchtung führen. Doch die bleibt aus. Thomas Glavinic und der Fotograf Ingo stehen kurz vor dem Nervenzusammenbruch: Die vierzehnstündige Busfahrt nach Bosnien mit den kauzigen Mitreisenden war schlimm genug. Im Pilgerort Medjugorje landen die beiden in einer perfekten Abfertigungsmaschinerie für gläubige Touristen. Zermürbt von den endlosen Gebeten der Religionsanhänger, versuchen sie zu fliehen, doch schon bald wünschen sie sich, sie wären bei den Predigern geblieben. Mit seinem neuen, brillanten Buch beweist Glavinic: Er ist böse – vor allem sich selbst gegenüber.

Gebundene Ausgabe: 208 Seiten; Verlag: Carl Hanser (29. August 2011)

Leseprobe „Unterwegs im Namen des Herrn“ von Thomas Glavinic © Hanser Verlag 

2. Kapitel

Die Pilgerpässe †“ Botschaft der Gospa †“ Ingo stellt sich schlafend †“ Erweckungserlebnisse †“ Der Rosenkranz †“ Es gibt Würstel!
In Leibnitz, etwa zwanzig Kilometer vor der slowenischen Grenze, steigen weitere Pilger zu, und damit sind wir vollständig. Der Reiseleiter nimmt sich wieder das Mikrophon.
»Ich werde jetzt die Pilgerpässe und eine Botschaft der Gospa verteilen. Ich sag die Namen, der Besitzer meldet sich, dann bring ich ihm die Sachen. Die Pilgerpässe hängts euch bitte um, damit man den Namen sieht. Vorher noch eine Kleinigkeit: Während der Pilgerreise wollen wir uns als Brüder und Schwestern im Glauben begegnen und uns duzen. Und dann muss in Slowenien Rosenkranz gebetet werden, da brauchen wir einen Vorbeter oder eine Vorbeterin. Könnts euch schon überlegen, wer von euch will.«
Wir wollen was? Rosenkranz? Vorbeter? Botschaft von wem? Ich schaue zu Ingo zurück, der nickt nur, und unter seinem Auge zuckt es. Ich denke darüber nach, dass der Reiseleiter nie von beten
spricht, er sagt immer »betten«. »Vorbetten«. »Vorbetter«.
»Es muss Rosenkranz gebettet werden.« Das gefällt mir sehr. Lange dauert es nicht, da höre ich meinen Namen. Der Reiseleiter schaut über mich hinweg, als er mir den Pilgerpass und einen losen Zettel reicht.
Der Pilgerpass ist eine Art Visitenkarte, an die eine Schnur befestigt ist. Neben einem Bild der Jungfrau Maria steht mein Name. Auf dem Zettel ist links das Logo des Reisebüros, rechts ebenfalls das Bild der Jungfrau zu sehen, und über dem Bild der Muttergottes findet man kleingedruckt die genaue Anschrift des Reisebüros. Unter der Überschrift »Botschaft der Königin des Friedens in Medjugorje« steht:

Lieber Thomas,
Von neuem rufe ich dich auf, mir mit Freude zu folgen. Ich möchte euch alle zu meinem Sohn und eurem Erlöser führen. Bist du dir nicht bewusst, dass du ohne Ihn weder Freude noch Frieden und keine Zukunft, sowie kein ewiges Leben hast. Deshalb, mein lieber Thomas, nutze diese Zeit des frohen Gebetes und der Hingabe.
Danke, lieber Thomas, dass du meinem Ruf gefolgt bist.

Darunter, kleiner gedruckt: Botschaft der Gospa an Mirjana, am 2. August 2010

Liebe Kinder!
Heute lade ich euch ein gemeinsam, mit mir, zu beginnen, das Himmelreich in euren Herzen zu errichten, zu vergessen, was für euch persönlich ist und, durch das Beispiel meines Sohnes geleitet, an das zu denken, was Gottes ist. Was erwartet er von euch? Erlaubt Satan nicht, euch die Wege des irdischen Wohlergehens zu öffnen, die Wege ohne meinen Sohn. Meine Kinder, sie sind trügerisch und von kurzer Dauer. Denn mein Sohn existiert. Ich biete euch ewiges Glück und den Frieden, die Einheit mit meinem Sohn, mit Gott. Ich biete euch das Reich Gottes. Ich danke euch.

Am österreichischen Grenzübergang gibt es keinen längeren Aufenthalt. Als wir kurz hinter einem anderen Bus zu stehen kommen, klebt Rudi ein riesiges Muttergottesbild vorn auf die Windschutzscheibe. Hinter mir sind seltsame Geräusche zu hören, es klingt, als hätte sich jemand verschluckt. Im Niemandsland zwischen Österreich und Slowenien machen wir Toilettenpause. Der Reiseleiter treibt uns bald wieder mit einem schrillen Pfiff zusammen und fragt schon in kleiner Runde an der Tür, wer sich zum Vorbetten meldet. Alle steigen stumm und mit gesenktem Kopf ein. Während wir im Bus auf Nachzügler warten, greift der Reiseleiter zum Mikrophon.
»An dieser Grenze ist es gewesen, da hat eine Pilgerin einmal eine Erweckung gehabt. Genau da drüben war es. Sie war eine Zweifelnde und Suchende. Sie ist neben mir gestanden. Plötzlich packt sie mich am Arm und sagt: †ºDu, ich spüre etwas, und ich möchte wissen, spürst du es auch?†¹ Na, ich hab nichts gespürt und ihr das auch gesagt. Sie ist fünf Minuten dagestanden, dann ist sie in Tränen ausgebrochen. Einen Monat später war sie Ordensschwester.«
»Jööööh«, sagt die schöne alte Bäuerin verzückt.
»Wow«, ruft Jim der Amerikaner und klatscht.
»Sie hat zu mir gesagt: †ºEigentlich muss ich nicht mehr mitfahren, denn ich weiß alles, was ich wissen wollte. Aber aus Dankbarkeit fahre ich mit.†¹ Schwester Antonia heißt sie jetzt. Vergangenes Jahr war sie zum fünfundzwanzigsten Mal unten.«
Der alte Kappenmann steigt ein und versucht mit dem Reiseleiter ein persönliches Gespräch zu beginnen, wird von diesem jedoch schroff nach hinten gescheucht. Wir rollen auf den slowenischen Grenzposten zu. Ein vollbärtiger Beamter winkt uns durch. Rudi steuert den Bus wieder auf die Autobahn, und der Reiseleiter gibt über Mikrophon bekannt, dass in Slowenien immer der Rosenkranz gebettet werden muss, weswegen wir jetzt sofort den Vorbetter brauchen. Schweigen. Auch die vier Frauen neben mir schauen aus
dem Fenster.
»Einen brauchen wir. Herr Thomalla! Ach so, Entschuldigung, Domweber. Nicht? Frau Josefa? Bitte, Frau Josefa!«
Schweigen. Der Reiseleiter steht im Gang und wirft durchdringende Blicke auf die Pilger.
»Herr Ludwig? Ach so, Leo, Entschuldigung. Herr Leo, doch! Kommen Sie! Nein? Herr Jim? No?«
Stille. Der Reiseleiter starrt nach hinten.
»Gar niemand? Einer muss doch. Frau Andrea, Sie können das. Aber sicher! Ach so, Anna! Am Anfang hab ich immer die Namen noch nicht so intus.«
Stille. Der Reiseleiter starrt nach hinten.
»Herr Stefan? Resi? Die Resi vielleicht diesmal? Ach so, Rosi, meiner Seel.«
Zwei, drei, vier Minuten unerträgliche Stille. Die Szene wird immer bizarrer. Seit fünf, seit sechs, seit sieben Minuten steht der Reiseleiter vor uns, der Bus wackelt, der Reiseleiter wackelt, der alte Reiseleiterkopf wackelt bekräftigend auf und ab, die dürren Hände krümmen sich zu einem flehenden Bittebitte um das Mikrophon. Wieder und wieder machen diese greisen Hände bitte-bitte. Bitte-bitte, bittebitte, bitte-bitte. Und der Kopf nickt: Ja! Ja! Ja! Oja! Und mir fällt plötzlich auf, dass er sich nur zwei Namen problemlos gemerkt hat: Thomas und Ingo. Nachdem eine weitere lange Minute vergangen ist,
verändert sich etwas an seiner Miene. Er fixiert jemanden, das merke ich. Er sagt nichts, schaut aber eine Person im hinteren Teil des Busses unverwandt an. Dabei geht der Kopf begütigend auf und ab, ja, oja, bitte-bitte. Es sieht so grotesk aus, dass ich nicht einmal einen Schluck Wasser nehmen kann, weil ich am Wackelgesicht des Reiseleiters hänge, dessen Blick irgendjemanden hinter mir gnadenlos durchbohrt. Wenn ich seinen Ausdruck beschreiben müsste, würde ich sagen, er will dieses Gebet trinken, er muss es
haben, unbedingt, sonst verhungert oder verdurstet er auf der Stelle.
»Ja, kommen Sie! Erwin. Sehr gut. Aber jetzt schnell!«
An mir vorbei taumelt der Postangestellte nach vorne, in der Hand einen Rosenkranz. Er bekommt das Mikrophon und muss sich in die erste Reihe setzen. Er und der Reiseleiter wechseln ein paar Worte, der Postangestellte fragt etwas, der Reiseleiter sagt: »Wie du willst.«
Ringsum werden Rosenkränze gezückt, und der Postmann beginnt, in das Mikrophon zu beten. Die übrigen Pilger wiederholen den Refrain. Es klingt wie ein Hexenchor. […] Fortsetzung der Leseprobe beim Hanser Verlag

Über den Autor

Thomas Glavinic, 1972 in Graz geboren, lebt in Wien. 1998 erschien sein Debüt Carl Haffners Liebe zum Unentschiedenen. Es folgten Herr Susi (2000), Der Kameramörder (2001) und Wie man leben soll (2004). Bei Hanser erschien 2006 der Roman Die Arbeit der Nacht, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, Das bin doch ich (2007) und Das Leben der Wünsche (2009). Zuletzt erhielt er den Literaturpreis 2010 des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft.

Buchtrailer

Rembrandt & Elsje: Der Maler und das Mädchen von Margriet de Moor

Der Maler und das Mädchen von Margriet der Moor

Elsje Christiaens war ein 18-jähriges Mädchen aus Jütland (Dänemark), das Anfang Mai 1664 in Amsterdam zum Tode verurteilt und öffentlich auf dem Dam-Platz vor dem Rathaus mit einem Strick erwürgt wurde. Zur Abschreckung wurde ihre Leiche an einen Galgen gehängt und auf die Halbinsel Volewijk, auf die andere Seite des IJ, gebracht, wo sie „van de Locht und ‚t Geflügel verzehrt“ wurde. Einige Tage zuvor hatte Elsje ihre Vermieterin, eine Schlaffrau, mit der Axt erschlagen.

Rembrandt ruderte noch an Elsjes Todestag nach Volewijk und fertigte zwei Skizzen von dem toten Mädchen am Galgen an. Bemerkenswert ist der unschuldige, kindliche Gesichtsausdruck.

[…]“Er und Elsje. Von oben, mit den Augen der Vögel betrachtet, die sie beide, während sie in der Luft kreisen, bereits eindeutig im Blick haben, wirken sie wahrscheinlich klein und eng mit einander verbunden. Aus großer Entfernung aufeinander zugereist. Und jetzt diese Szene. Die Begegnung eines sehr dummen Mädchens und eines Mannes, der absolut nicht weiß, wohin mit seinem Kummer, aber viel vom Malen versteht. Was sie verbindet, verdichtet sich in diesem Moment. Wie wenig es doch braucht, damit er fortdauert, nicht nur für kurze Zeit, sondern für immer.„[…]

Margriet de Moor hat diesen Roman dem Maler gewidmet. Elsje war die Wegweiserin zu ihm, Rembrandt, dessen Name nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Die Handlung ist im 17. Jahrhundert angesiedelt, dennoch ist es kein rein historischer Roman, da die Autorin aus der Sicht des 21. Jahrhundert erzählt.

Im Dezember 1663 verschwindet Elsjes Schwester Sarah-Dina wortlos aus dem gemeinsamen Elternhaus. Elsje weiß, dass sie sich auf den Weg in die verlockende Stadt Amsterdam gemacht hat, um ihrer großen Liebe zu folgen. Sie hinterlässt Elsje 5 Taler, ein kleines Vermögen, und die stumme Botschaft, die immer mehr zu einem Befehl wird : „Komm du auch!“ Am 06. März 1664, noch mitten im dänischen Winter, verlässt sie glücklich und unbesorgt ihren Heimatort, Ragnar, der in sie verliebt ist und ihren Stiefvater. „Wie sollte sie ahnen, dass sie in Wirklichkeit nicht auf dem Weg in eine Erzählung ist, sondern in eine Zeichnung, Tusche auf Papier?“ Bei Treibeis landet ihr Schiff auf einer kleinen Insel, mit dem Schlitten erreicht sie die nächste Küstenstadt, um dann wiederum mit einem Schiff, das 50 Rinder geladen hat, endlich Mitte April in Amsterdam anzukommen. Schon am Ende der Rampe wird sie von einer Frau angesprochen, die ihr einen Schlafplatz anbietet. Elsje besitzt noch 2 Taler und einige Stuiver. Die Schlaffrau verlangt pro Woche einen Taler. Elsje macht sich ohne Erfolg auf die Suche nach ihrer Schwester in der großen Stadt Amsterdam. Das Geld ist bald verbraucht, und sie kann die Miete nicht bezahlen.  Sie schuldet der Wirtin nach zwei Wochen einen Taler. Sich zu prostituieren lehnt sie ab, und nachdem die Wirtin mit einem Besen auf sie losgeht, nimmt Elsje die Axt, die zufällig in einem Handwerkskasten in greifbarer Nähe liegt, und schlägt zu. „Eine Sache, die nur die beiden Frauen etwas angeht.“

Am 03. Mai 1664, dem Tag der Hinrichtung, strömen die Menschen zum Dam, um das Spektakel zu sehen. Rembrandt ist auf dem Weg zur Apotheke, er braucht Farben für sein neues Gemälde „Die jüdische Braut„. Die Hinrichtung interessiert ihn nicht, er macht einen Bogen um das Rathaus, in dem er anderthalb Jahre zuvor gedemütigt wurde. Eine Kommission hatte ein in Auftrag gegebenes Gemälde von ihm abgelehnt. Rembrandts 22-jähriger Sohn Titus steht in der Menge und sieht wie sie „das Ding“ ruckweise Stufe um Stufe höher hieven. Titus nimmt Elsjes Ende wie einen Sargträger auf die Schulter.

Der Maler und das Mädchen“ ist in 29 Kapitel gegliedert, die Handlung spielt letztendlich an diesem einen Tag im Mai 1664, den Tag der Hinrichtung. Dennoch steht die Geschichte um Elsje nicht im Vordergrund. In erster Linie geht es um Rembrandt. Der Erzähler greift in nicht chronologischen Rückblenden das Leben des Malers auf und schweift von Zeit zu Zeit in die Gegenwart ab.  Es geht um Rembrandts Gemälde „Die jüdische Braut„, um seine Insolvenz im Jahr 1656 und den dadurch bedingten Verlust seines Hauses in der Breestraat, seiner kostbaren Besitztümer und Gemälde und um den Tod seiner Kinder und seiner beiden Frauen. Seine zweite Frau Ricky (Hendrickje Stoffels) starb 1663 an der Beulenpest. Der Krankheitsverlauf wird bis zum schrecklichen Ende genau beschrieben. Überhaupt räumt Margriet de Moor Rembrandt und seine Zeit mit Ricky viel Platz in dem Roman ein.

Nicht Schuld und Sühne ist das große Thema in diesem Roman, sondern Leben und Tod oder Licht und Schatten, ein Stilmittel, das Rembrandt immer wieder zur Betonung von Personen und Handlungen einsetze. Auch Margriet de Moor beleuchtet ihre Figuren und Kulissen in dem für sie typischen sachlichen Schreibstil immer wieder von zwei Seiten: Rembrandt als begabter Schüler und erfolgreicher Maler zum Ende hin sprachlos und vom Kummer gezeichnet. Die lebensbejahende Ricky, die nach sechs Tagen der Pest zum Opfer fällt. Elsje, die hoffnungsvoll aufbricht und unvermittelt am Galgen endet. Die Wirtin, die in ihrer neuen Mieterin eine zusätzliche Einnahmequelle sieht und jäh erschlagen im Keller liegt. Und nicht zuletzt die Stadt Amsterdam – ein lebendiger Ort mit prachtvollen Bauten einerseits und andererseits  ein Ort voll modrigem Gestank. Die Stadt weckt Hoffnungen und zugleich geht sie gnadenlos mit den Menschen um, foltert sie oder vollstreckt Todesurteile.

Die Autorin urteilt nicht und wirkt nie moralisierend. Das Ergebnis ist ein faszinierender, spannender Roman mit vielen historischen Details in einer wunderbar funkelnden Sprache – ein Meisterwerk.

Kurzbeschreibung
Warum erschlug die achtzehnjährige Elsje, gerade erst nach Amsterdam gekommen, ihr Zimmermädchen mit einem Beil? Und was veranlasste den Maler Rembrandt, dessen Name nicht genannt wird, sich zu dem Leichnam zu begeben und ihn mit wenigen Strichen für immer festzuhalten? Margriet de Moor schreibt einen großen Roman über die Malerei, die Liebe und den Tod im Amsterdam des 17. Jahrhunderts. Wie eine Malerin wechselt sie in diesem Krimi zwischen Hell und Dunkel und verschränkt die gegensätzlichen Geschichten zu einer spannenden, ergreifenden Erzählung.

Die gebundene Ausgabe „Der Maler und das Mädchen“ umfasst 299 Seiten und ist im Februar 2011 im Hanser Verlag erschienen.

Über die Autorin
Margriet de Moor, geb. 1941, studierte in Den Haag Gesang und Klavier. Nach einer Karriere als Sängerin, vor allem mit Liedern des 20. Jahrhunderts, studierte sie in Amsterdam Kunstgeschichte und Architektur.

Die Frauen von T. C. Boyle

Thomas Coraghessan Boyle, besser bekannt als T.C. Boyle,  neuer Roman „Die Frauen“ ist Anfang Februar im Hanser Verlag erschienen.

„Der ideale Stoff für T. C. Boyle. … Mit großer Ironie schildert er einen leidenschaftlichen Egozentriker im lebenslangen Kampf gegen die Klatschpresse, Ex-Gattinen, kleingeistige Anwälte und Ehegesetze. So ist „Die Frauen“ am Ende auch weniger ein Künstlerroman als vielmehr ein aufschlussreiches Gesellschaftsporträt aus dem prüden Amerika des frühen 20. Jahrhunderts.“ Brigitte, 11.02.09

diefrauen1Kurzbeschreibung
Er ist genial, er ist exzentrisch und er ist der berühmteste Architekt der USA – wenn nicht gar der Welt: Mit der überlebensgroßen Figur Frank Lloyd Wright erweitert T. C. Boyle seine Darstellung mythischer Amerikaner. Mitten in der Prärie hat Wright einen Traum verwirklicht: das Anwesen Taliesin. Hier lebt und arbeitet er mit seinen treuen Schülern und seinen geliebten Frauen: der aparten Tänzerin aus Montenegro, der exaltierten Morphinistin und – natürlich – Mrs. Wright. Sie alle führen erbitterte Kämpfe gegen ihre Nebenbuhlerinnen und gegen die bigotte amerikanische Gesellschaft. Boyles Geschichte des großartigen Egomanen ist zugleich eine Kritik an der Prüderie der Amerikaner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Leseprobe

Kapitel 1

FÜR DIE TOTEN TANZEN

An dem Tag im Herbst 1924, als er bei einer Ballettvorstellung in Chicago Olga Lazovich Milanoff Hinzenberg kennenlernte, war Frank Lloyd Wright* optimistisch gestimmt, geradezu vergnügt. Mag sein, dass es an jenem Tag regnete †“ doch, es regnete, das graue Gestrichel verwandelte die nähere Umgebung in ein pointillistisches Gemälde, gebeugte Gestalten stapften unter dem Schutz ihrer Regenschirme die Straße entlang, Graupelschauer waren angekündigt, gefolgt von Schnee †“, doch seine Stimmung war durch nichts zu trüben.
Er hatte sich immer als ein heiteres Gemüt betrachtet, sonnig und übersprudelnd, als einen jener seltenen Menschen, die die Stimmung eines ganzen Raums verändern können, indem sie einfach nur zur Tür hereintreten, doch die Gefühlswirren der letzten zwei Jahre †“ jedenfalls seit seiner Rückkehr aus Japan †“ hatten ihn zermürbt. Das Problem, oder vielmehr dessen Gipfel und Krönung, war natürlich Miriam. Hinzu kamen Geldnöte. Zu wenige Aufträge, hasenherzige Kunden und die tief verwurzelte Ignoranz (und Feigheit, auch Feigheit) seiner Landsleute angesichts der Fauvisten, Futuristen, Dadaisten, Kubisten und all der anderen -isten und -ismen, Duchamp, Braque und Picasso sowie, noch schlimmer, des soi-disant Internationalen Stils von Le Corbusier, Gropius, Meyer, Mies †“ all dieser neuen Bewegungen, durch die er sich veraltet und bedrängt fühlte. Das alles
machte die Sache nicht besser. Während er im Fernen Osten gewesen war, waren die Europäer in Amerika eingefallen.
Doch es ging bergauf. Miriam war fort, seit Mai, mochte er auch, jedesmal wenn er über einer Zeichnung oder einem Buch die Augen
schloss, ihr Gesicht sehen, das tragische, das sie wie eine Maske trug: …Fortsetzung der Leseprobe hier beim Hanser Verlag .

* Im Original Wrieto-San.

Gebundene Ausgabe: 560 Seiten, erschienen im Hanser Verlag (4. Februar 2009), 24,90 Euro