In Janne Tellers erstem Jugendroman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ geht es um den Sinn des Lebens. Auch ihr neuer Roman, der zwar schon 2004 in ihrer Heimat in Dänemark erschienen ist und erst jetzt in der deutschsprachigen Übersetzung bei Hanser verlegt wurde, handelt von nichts anderem, nur dass in „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ die Überlebensfrage im Vordergrund steht.
Janne Teller verkehrt darin die Welten. In Europa liegt alles in Schutt und Asche, und in den arabischen Staaten herrscht Sicherheit. Der Protagonist ist ein 14-jähriger Junge, dem es mit einem Teil seiner Familie gelingt das Land zu verlassen. In einem Flüchtlingslager wartet er darauf, dass er wieder über sein Leben bestimmen kann. Das Asylverfahren zieht sich hin, die Abschiebung droht. Er kann kein Arabisch und darf nicht zur Schule gehen. Er ist allenfalls geduldet und allein schon wegen seiner blauen Augen zum Migranten abgestempelt, ein Mensch zweiter Klasse.
Sind das Themen für Jugendliche, wird Janne Teller immer wieder gefragt.
„Ja, Jugendliche spielen stundenlang Videospiele und vergnügen sich mit seichter Unterhaltung. Das liegt aber auch daran, dass wir ihnen als Gesellschaft nichts Tieferes bieten. Jugendliche wollen verstehen, was um sie herum passiert. Doch was man ihnen im Fernsehen präsentiert, ist oft reine Meinungsmache. Sie verlangen nach besseren Antworten auf ihre Fragen und wissen nicht, wo sie sie finden können. Mit „Nichts“ habe ich das Buch geschrieben, das ich als Teenager selber gerne gelesen hätte. Das gilt auch für „Krieg“, sagte Janne Teller ganz aktuell in einem Interview mit Sacha Verna, das im Schweizer Tagesanzeiger am 04.04.11 unter dem Titel „Was wäre, wenn aus privilegierten Europäern Flüchtlinge würden?“ veröffentlicht wurde.
Der Hanser Verlag hat zum Erscheinen des Buchs „Krieg. Stell dir vor er wäre hier“ eine eigene Webseite eingerichtet und Schüler und Lehrer dazu aufgerufen „Krieg“ gemeinsam zu lesen und sich an einem Schreibwettbewerb zum Buch zu beteiligen.
Eingereicht werden können Texte, die sich mit den im Buch angesprochenen Inhalten auseinandersetzen, diese kommentieren, weitererzählen oder ergänzen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die einzelnen Beiträge dürfen nicht länger als fünf Seiten sein.
Die Beiträge müssen bis zum 31. Mai 2011 an folgende E-Mail-Adresse geschickt werden: schreibwettbewerb@janne-teller-krieg.de
Jedem Beitrag ist eine kurze Information zum Autor (Name, Kontaktdaten, Schule, wenn gewünscht Foto) beizufügen. Alle Texte werden auf der Website www.janne-teller-krieg.de mit Angaben zum Autor veröffentlicht.
Eine Jury, bestehend aus Janne Teller, Saskia Heintz (ihrer Lektorin im Verlag) und Tilman Spreckelsen (FAZ), wählt den besten Beitrag aus.
Der Gewinner des Schreibwettbewerbs bekommt für die ganze Klasse Exemplare von „Krieg“, die Janne Teller mit einer persönlichen Widmung versieht. Der zweit- und drittplatzierte Teilnehmer erhält je einen unsignierten Klassensatz von „Nichts“.
Die besten Beiträge aus dem Diskussionsforum und dem Schreibwettbewerb werden außerdem in einem Dokument zusammengefasst, das man auf der Website als PDF herunterladen kann.
Für Lehrer stellt der Hanser Verlag außerdem ein Unterrichtsmodell bereit!
Kurzbeschreibung
Stell dir vor, es ist Krieg – nicht irgendwo weit weg, sondern hier in Europa. Die demokratische Politik ist gescheitert und faschistische Diktaturen haben die Macht übernommen. Wer kann, flieht in den Nahen Osten, wie der 14-jährige Protagonist aus Deutschland. In einem ägyptischen Flüchtlingslager versucht er mit seiner Familie ein neues Leben zu beginnen. Weil er keine Aufenthaltsgenehmigung hat, kann er nicht zur Schule gehen, kein Arabisch lernen, keine Arbeit finden. Er fühlt sich als Außenseiter und sehnt sich nach Hause. Doch wo ist das? Die Bestsellerautorin Janne Teller wagt ein aufrüttelndes Gedankenexperiment zu hochaktuellen Themen wie Flucht, Migration und Fremdenfeindlichkeit.
Über die Autorin
Janne Teller, geb. 1964, ist ehemalige UN-Mitarbeiterin und gelernte Ökonomin. Sie lebt derzeit in Paris.Sigrid Engeler, geboren 1950 in Wolfenbüttel, lebt heute in Kiel. Sie übersetzte aus dem Dänischen, Norwegischen und Schwedischen.
Prolog
Wenn bei uns Krieg wäre. Wohin würdest du gehen?
Wenn durch die Bomben der größte Teil des Landes, der größte Teil der Stadt in Ruinen läge? Wenn das Haus, in dem du und deine Familie lebt, Löcher in den Wänden hätte? Wenn alle Fensterscheiben zerbrochen, das Dach weggerissen wäre? Der Winter steht bevor, die Heizung funktioniert nicht, es regnet herein. Ihr könnt euch nur im Keller aufhalten. Deine Mutter hat Bronchitis, und bald wird sie wieder eine Lungenentzündung bekommen. Dein großer Bruder hat schon früh bei einem Vorfall mit einer Mine drei Finger der linken Hand verloren und unterstützt gegen den Willen deiner Eltern die Milizia. Deine kleine Schwester wurde von Granatsplittern am Kopf verletzt, sie liegt in einem Krankenhaus, dem es an allem fehlt. Deine Großeltern starben, als eine Bombe ihr Pflegeheim traf.
Du bist noch unversehrt, aber du hast Angst. Morgens, mittags, abends, nachts. Jedes Mal, wenn in der Ferne die Raketen abgefeuert werden, zuckst du zusammen, jedes Mal, wenn du am Horizont Licht aufscheinen siehst und du nicht weißt, ob die Rakete dieses Mal in deine Richtung fliegt. Jedes Mal, wenn es irgendwo kracht, zuckst du zusammen. Wie viele deiner Freunde wurden dieses Mal getroffen?
Die Wasserrohre sind schon lange geplatzt. Jeden Tag müssen du und dein großer Bruder durch die Straßen und über den Rathausplatz zum öffentlichen Wasserversorgungswagen laufen, jeder mit zwei Eimern. Den Platz muss man schnell überqueren. In einigen Gebäuden lauern Heckenschützen, Griechen und Franzosen, die lange genug in Deutschland gelebt haben, um mit einem von uns verwechselt zu werden. Aber nicht lange genug, um sich als Teil von uns zu fühlen, wenn Krieg ist und Nationalität eine Definition von Freund und Feind.
Schlimmer als die Angst ist der Hunger. Am allerschlimmsten ist die Kälte. Du frierst die ganze Zeit, und dabei ist es erst Anfang November. Du weißt nicht, wie ihr den Winter überleben sollt. Der Arzt sagt, deine Mutter wird einen weiteren Winter im Keller nicht schaffen. Er kann euch zu keiner besseren Bleibe verhelfen. Es gibt zu viele andere, die einen weiteren Winter im Keller nicht schaffen werden.