Juli 2009: Mrs Dalloway von Virginia Woolf

Nachdem Virginia Woolf schon im Mai im Gespräch war und die Abstimmung im Lesekreis nur ganz knapp für den „Schattenfuchs von Sjón“ ausfiel, befassen wir uns jetzt fast einstimmig am 03. Juli zur gewohnten Zeit  mit Virginia Woolfs Mrs Dalloway. Wir treffen uns, bei hoffentlich schönem Wetter, unter dem Freisitz bei Gerlinde und Rainer.

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Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag)

Mrs. Dalloway

Mit dem Roman Mrs. Dalloway erweiterte Virginia Woolf die realistische Erzählweise des 19. Jahrhunderts um die experimentelle Form der Stream of consciousness-Technik (R Stichwort S. 1169). In der Überzeugung, jedes Individuum erfahre und verarbeite die objektive Realität unterschiedlich und schaffe sich im Bewusstsein eine eigene Wirklichkeit, schildert die Autorin Sinneseindrücke und Gedankenströme der Romanfiguren. Die Wiedergabe von Vorgängen in der äußeren Welt ist von untergeordneter Bedeutung. Woolf sah ihre Aufgabe darin, in die Psyche der Figuren vorzudringen, um die Dualität von Welt und Mensch zu verdeutlichen, und schuf mit Mrs. Dalloway den Prototyp des Bewusstseinsromans.

Inhalt:
Die Handlung des Romans konzentriert sich auf den Ablauf eines Tages. An einem Londoner Junitag 1923 trifft die 52-jährige Hauptfigur Clarissa Dalloway Vorbereitungen für eine Abendgesellschaft, die sie mit ihrem Ehemann Richard in ihrem Haus gibt. Nach ein paar Besorgungen in der Stadt bekommt sie Besuch von ihrem Jugendfreund Peter Walsh. Später bereitet sie sich für den Abend vor, an dem sie die perfekte Gastgeberin ist.
virginia-woolf1Parallel zu dem Geschehen um Clarissa führt Virginia Woolf die Figur des nervenkranken Kriegsveteranen Septimus Warren Smith ein, dessen psychische Instabilität als Folge seiner Erlebnisse während des Ersten Weltkriegs am Ende des Romans zu seinem Selbstmord führt.
Aufbau: Woolf arbeitet in die äußere Romanhandlung ein inneres Geschehen ein. Dabei kontrastiert sie beide nebeneinander existierenden Wirklichkeitsebenen: Die innerlich erlebte Zeit der Figuren (mind-time) steht der äußeren messbaren Zeit (clock-time) gegenüber, verdeutlicht durch die Glockenschläge von Big Ben. Die Stundenschläge bilden ein wesentliches Strukturelement: Sie fungieren als Übergänge vom Bewusstsein einer Person in das Bewusstsein einer anderen.
Für die Romanfiguren sind die Vorgänge der äußeren Welt Anlässe, in ihre eigene Gedankenwelt und Wirklichkeit einzutauchen und durch Assoziationen vergangene Lebenssituationen wieder zu erleben. Clarissa Dalloway erinnert sich an ihre Jugend und an verpasste Möglichkeiten, hervorgerufen durch das Wiedersehen mit ihrem Jugendfreund. Die Begegnung führt Clarissa darüber hinaus die Erkaltung ihrer aus gesellschaftlichen Zwängen bestehenden Ehe vor Augen. Die Figur weist eine polarisierte Spannung auf. Einerseits versucht sie der Gesellschaft zu entfliehen, andererseits vermitteln flüchtige Momente des Glücks und der Freude in ihr den Wunsch, Teil des Lebens zu sein.
Septimus durchlebt die Vergangenheit, den Krieg, immer wieder aufs Neue. Das Leitmotiv »Fürchte nicht mehr Sonnenglut« aus R Shakespeares dramatischer Romanze Cymbeline (1608) stellt die Verbindung der beiden Protagonisten her. Woolf entwarf die Septimus-Figur als eine Art Doppelgänger zu Clarissa, indem sie das Schicksal beider kontrapunktisch gegenüberstellt. Clarissa erfährt auf ihrer Abendgesellschaft von Septimus†™ Tod. In seinem Schicksal erkennt sie ihr mögliches eigenes. Am Ende des Romans entscheidet sie sich für das Leben.
Wirkung: Die formale Art der Darstellung stellte in den 1920er Jahren ein literarisches Novum dar und wurde mit Ulysses (1922) von James R Joyce, der Woolf künstlerisch beeinflusste, richtungweisend für den Roman der Moderne sowie den Nouveau Roman in Frankreich.

Kurzbeschreibung
An einem Junitag des Jahres 1923 bereitet Clarissa Dalloway, eine der glänzendsten Londoner Gastgeberinnen, eine große Abendgesellschaft vor. Während sie alle konventionellen Erwartungen erfüllt, stellen sich bei ihr Erinnerungen und Assoziationen ein, die ihr nach und nach bewußt machen, wie sehr ihre äußere Existenz sich von ihrer inneren unterscheidet.

Über die Autorin
Virginia Woolf (1882-1941) war, zusammen mit ihrer Schwester Vanessa, Mittelpunkt der „Bloomsbury Group“, des Künstler- und Literatenzirkels, der sich um 1905 in London zusammenfand. Ihr erster Roman, Die Fahrt hinaus, erschien 1915. Neben den Romanen umfaßt ihr Gesamtwerk Erzählungen, Tagebücher, Briefe und eine Vielzahl von Essays. Virginia Woolf gilt als die bedeutendste englische Schriftstellerin dieses Jahrhunderts.
Virginia Woolf litt unter schweren Depressionen. Am 28. März wählte sie im Fluss Ouse bei Lewes in Sussex den Freitod. Da sie sehr gut schwimmen konnte, packte sie einen großen Stein in ihren Mantel, um eine eventuelle Selbstrettung zu verhindern. Ihre Leiche wurde erst nach drei Wochen, am 18. April, gefunden. Sie hinterließ zwei Abschiedsbriefe, einen an ihre Schwester Vanessa und einen an ihren Ehemann. Dieser endet mit den Sätzen:
„Alles, außer der Gewißheit Deiner Güte, hat mich verlassen. Ich kann Dein Leben nicht länger ruinieren. Ich glaube nicht, dass zwei Menschen glücklicher hätten sein können, als wir gewesen sind.“
Die Werke von Virginia Woolf erscheinen seit 1989 im S.Fischer Verlag in neuen Übersetzungen, herausgegeben und annotiert von Klaus Reichert, und in der Umschlaggestaltung von Sarah Schumann.

Mai 2009: Der Schattenfuchs von Sjón (Sigurjón B. Sigurdsson)

Am 16. Mai besprechen wir den Roman Der Schattenfuchs von dem isländischen Autor Sjón. Wir treffen uns um 21 Uhr bei Heike und Christian. Der Schattenfuchs wurde mit 7 Stimmen gewählt. Mit in der Auswahl standen die Romane:
Das Orakel vom Berge von Philip K. Dick
Mrs Dalloway von Virginia Woolf
Die Brautprinzessin von William Goldman
Der Klang der Zeit von Richard Powers

der-schattenfuchs1Kurzbeschreibung
Island im Winter 1883. Abba wird zu Grabe getragen, aber nicht sie, sondern Steine liegen im Sarg. Fridrik beerdigt die Leiche lieber im eigenen Garten, als sie Pastor Baldur zu überlassen. Denn der hütet ein dunkles Geheimnis. In einer poetisch klaren Sprache ertastet Sjón den schmalen Grat von Mensch und Natur und entführt uns in eine mythische Zwischenwelt am Rande des Polarkreises, wo an den existentiellen Abgründen der Mensch zeigt, wer er wirklich ist.Sjón ist der innovativste und aufregendste Autor Islands, für Schattenfuchs erhielt er den Literaturpreis des Nordischen Rates 2005.„Eine mystisch-magische und zugleich gnadenlos-realistische Geschichte über das Tier im Menschen, über die Macht der Natur und die Natur der Liebe ist das, erzählt in einer klaren, schnörkellosen und doch bildhaften Sprache – sozusagen in poetischer Runenschrift aufgezeichnet.“ Ulrich Klenner, Bayerischer Rundfunk, Juni 2007

Eine Leseprobe aus Der Schattenfuchs befindet sich hier im Fischer Verlag

sjonÜber den Autor
Sjón (Sigurjón Birgir Sigurðsson) geboren am  27. August 1962 in Reykjavík, ist ein isländischer Autor und Künstler.

Er wurde durch seine Liedtexte für Björk, insbesondere für Lars von Triers Film (Dancer in the Dark), berühmt.
Aufgewachsen ist er in einm Vorort von Reykjavík, wo er nach eigenen Angaben über die Liedtexte David Bowies und die Isländer-Sagas zur Poesie fand. Seinen ersten Gedichtband veröffentlichte er im Alter von 15 Jahren. Von 1980 bis 1986 gehörte er der surrealistischen, performance-orientierten Lyrikergruppe „Medúsa“ an. In dieser Zeit veröffentlichte er mehrere Gedichtbände, bevor 1987 auch sein erster Roman Stálnótt erschien.

Als Musiker trat Sjón als „Johnny Triumph“ (ein Wortspiel mit der Übersetzung seines Vornamens Sigurjón) unter anderem mit den Sugarcubes im Hit „Luftgitar“ in Erscheinung.

1989/90 lebte er in den Niederlanden und Mitte der Neunziger in London, wo er vor allem mit Björk zusammenarbeitete. Inzwischen ist er nach Reykjavík zurückgekehrt.

2005 wurde er für Skugga-Baldur mit dem Literaturpreis des Nordischen Rates ausgezeichnet.

Am 27. Mai 2006 trat er bei „Weltklang – Nacht der Poesie“ während des poesiefestivals berlin auf. 2006 erscheint im Kleinheinrich Verlag mit „gesang des steinesammlers“ (isl. „söngur steinasafnarans“) zum ersten Mal einer seiner Lyrikbände in deutscher Sprache. In die Anthologie „Wortlaut Island“ wurden mehrere Texte von Sjón aufgenommen.

2007 war Sjón Inhaber der Samuel-Fischer-Gastprofessur für Literatur am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin.

Im April 2007 erschien sein Roman Der Schattenfuchs im S. Fischer Verlag, im November 2008 kam sein neuer Roman Rökkurbýsnir in den Handel.

Skurriles von Google

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Es ist wirklich erstaunlich, wonach die Menschen im Internet suchen. Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wer die Suchanfragen abgesetzt haben könnte und was tatsächlich dahinter steckt. Wer ist auf der Suche nach „kräftigen Frauen“ oder sucht einen „Nachruf auf Martin Walser“? Was ist gemeint, wenn jemand die „Schlafposition Wikipedia“ oder die „dumme Thea“ googlet?  Fest steht, dass die Personen in den meisten dieser Fälle hier nicht das gefunden haben, was sie suchten. Sowohl die Hure in Frankfurt, als auch die Antwort auf die Frage was die „materialschlacht für die frontsoldaten bedeutet“, sucht man hier vergeblich. Das gilt leider auch für „Sir Edwards Whisky Preis“. 😉

In Klammern steht jeweils der Beitrag, bei dem der Suchende gelandet ist.

Google: kräftige frauen – (Nicole Kidman als Hanna Schmitz in Berlin)

Google: rezension werther selbstmord martin walser -  (Mafia – Petra Reskis Widerspruch gegen geschwärzte Stellen scheitert beim Landgericht München)

Google: Kasperle und die Polizei -  (Neues ARG – Gebildet ist der, der weiß, wo er findet, was er nicht weiß)

Google: \“Das Leben eines unnützen Menschen\“ (Der schönste erste Satz von Maxim Gorki)

Google: nachruf von martin walser – (Tod eines Kritikers von Martin Walser)

Google: zdf \“ohne fernseher\“ 14 tage -  (Trennung von Elke Heidenreich ist irreversibel – ZDF lehnt Bitte der Verleger ab)

Google: gedichtezum ersten mal sex – (Peter Rühmkorf – Gedichte zum Abschied)

Google: thea dorn analsex – (Feuchtgebiete erobern die Bühne – Bestseller-Theater in Halle)

Google: Sir Edwards Whisky Preis ? – (Der schönste erste Satz von Sir Edward Montague Compton Mackenzie)

Google: die grünen meiner flüsse – (0)

Google: astrid hure frankfurt -  (Ganz Frankfurt ist Feuer und Flamme – Krimi – „Feuertod“ von Astrid
Paprotta)

Google: schlafposition wikipedia -  (0)

Google: dumme thea – (und noch ein Stöckchen….)

Google: Was bedeutet materialschlacht für die frontsoldaten ?? -  (Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque)

März 2009: Der Vorleser von Bernhard Schlink

Am 28. März besprechen wir den Roman „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink. Wir treffen uns zur üblichen Zeit, um 21 Uhr, bei Hanne.

der-vorleserKurzbeschreibung
Auf dem Nachhauseweg gerät der fünfzehnjährige Michael Berg in eine heikle Situation. Eine Frau, Mitte Dreissig, kümmert sich um ihn. Später kommt der Junge mit einem Blumenstrauss, um sich zu bedanken. Und er kommt wieder. Hanna ist die erste Frau, die er begehrt. Eine heimliche Liebe beginnt. Doch es ist etwas Düsteres, Reizbares um Hanna. Seine Fragen, wer sie war und ist, weist sie schroff zurück. Eines Tages ist sie verschwunden. Aus Michaels Leben, nicht aus seinem Gedächtnis. Als Jurastudent sieht er Hanna im Gerichtssaal wieder. Der junge Mann erleidet einen Schock. Er hat eine Verbrecherin geliebt. Vieles an Hannas Verhalten im Prozess ergibt keinen Reim. Bis es ihm wie Schuppen von den Augen fällt: Sie hat nicht nur eine grauenhafte Tat zu verantworten, sie hat auch ihr verzweifelt gehütetes Geheimnis. Die Vergangenheit bricht auf – die seiner Liebe und die deutsche Vergangenheit. Michael muss erleben, dass er von beiden Vergangenheiten nicht loskommt. Eine Frauengestalt, mit der man auch als Leser nicht einfach fertig wird. Und das Dilemma einer Generation.

Buch der 1000 Bücher
Copyright: Aus Das Buch der 1000 Bücher (Harenberg Verlag)

Der Vorleser
OA 1995 Form Roman Epoche Moderne
In dem zuerst in den USA erschienenen Roman, in dessen Mittelpunkt eine seltsame Liebesgeschichte steht, setzt sich Bernhard Schlink †“ auch aus rechtsphilosphischer Sicht †“ mit der Judenvernichtung im »Dritten Reich«, der Schuldfrage und dem Generationenkonflikt in den 1950/60er Jahren kritisch auseinander.
Inhalt: Der 15-jährige Gymnasiast Michael Berg lernt Ende der 1950er Jahre in Heidelberg Hanna Schmitz kennen. Die 20 Jahre ältere Straßenbahnschaffnerin kümmert sich um ihn, als ihm, an Gelbsucht erkrankt, auf dem Nachhauseweg übel wird. Wieder gesund besucht er sie und erlebt mit ihr seine erste Liebe. Bald entwickelt sich während der heimlichen Treffen in ihrer Wohnung ein Ritual, das der zunächst rein körperlichen Beziehung eine seelische Dimension gibt: Michael muss Hanna, über deren Vergangenheit er nur wenig erfährt, stets vor dem Liebesakt vorlesen.
Eines Tages verschwindet Hanna spurlos aus der Stadt. Erst Jahre später sieht er sie als Jurastudent in einem Auschwitz-Prozess wieder, wo sie mit anderen ehemaligen KZ-Aufseherinnen unter Anklage steht. Im Gerichtssaal findet Michael die lang gesuchte Erklärung für Hannas ungeschickte Verteidigung und für viele ihrer Handlungen: Sie ist Analphabetin, verheimlicht dies aus Scham auch im Prozess und wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihre Mitangeklagten, die ihr die Hauptschuld für ein grauenhaftes, schriftlich dokumentiertes Verbrechen zugeschoben haben, erhalten nur geringe Freiheitsstrafen.
Michael, der sich mitschuldig fühlt, schickt ihr regelmäßig Kassetten ins Gefängnis, die er mit Weltliteratur besprochen hat. Anhand der Kassetten lernt Hanna autodidaktisch lesen und schreiben und beginnt sich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten auseinander zu setzen. Nach 18 Jahren Haft nimmt sie sich kurz vor ihrer Entlassung das Leben.
Wirkung: Mit seinem Roman gelang Schlink ein internationaler Sensationserfolg, wie ihn die deutsche Gegenwartsliteratur seit dem Erscheinen R Der Blechtrommel von Günter Grass nicht mehr erlebt hatte. Der Vorleser, der in 27 Sprachen übersetzt eine Millionenauflage erreichte und mit zahlreichen Preisen (u. a. Prix Laure Bataillon, Ehrengabe der Heinrich Heine-Gesellschaft) ausgezeichnet wurde, prägte wesentlich das Deutschlandbild im Ausland. C. H.

Bernhard Schlink, geboren am 6. Juli 1944 in Bielefeld, ist ein deutscher Professor für Rechtswissenschaften und Romanautor.
Kurz nach seiner Geburt zog die Familie nach Heidelberg, wo er seine Kindheit verbrachte.

Schlink studierte Jura an der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg und an der Freien Universität Berlin. Als wissenschaftlicher Assistent war er an den Universitäten in Darmstadt, Bielefeld und Freiburg tätig. Er wurde im Jahr 1975 in Heidelberg zum Dr. jur. promoviert (auf Grund einer Dissertation über Abwägung im Verfassungsrecht, erschienen 1976) und habilitierte sich im Jahr 1981 in Freiburg im Breisgau (mit einer Arbeit über Die Amtshilfe: Ein Beitrag zu einer Lehre der Gewaltenteilung in der Verwaltung, erschienen 1982). Vor der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer berichtete Schlink auf der Tagung 1989 in Hannover über Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht.

Von 1982 bis 1991 war er Juraprofessor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und von 1991 bis 1992 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seit 1992 hat er an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie inne.

Seine derzeitigen Forschungsschwerpunkte sind:

* Grundrechte im internationalen Vergleich
* Denunziation und Verrat vom Mittelalter bis zur Neuzeit
* Kosten der Gerechtigkeit

Zu Schlinks Schülern zählt Ralf Poscher, Ruhr-Universität Bochum. Von 1987 bis 2005 war Bernhard Schlink Richter am Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.

Im August 2005 vertrat er die Bundesregierung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über die Klagen von zwei Bundestagsabgeordneten gegen die Entscheidung von Bundespräsident Köhler, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen festzusetzen.

Bernhard Schlink ist Mitglied im Kuratorium der ersten deutschen juristischen Internetzeitschrift Humboldt Forum Recht.

Heute lebt er in New York, Bonn und Berlin.

Bernhard Schlink begann schon früh, literarische Texte zu schreiben. Mit acht Jahren verarbeitete er in dem Drama „Der Brudermord“ einen Streit zwischen ihm und seinem Bruder Wilhelm. In den Jahren seiner Pubertät entstanden Sonette, die seiner unglücklichen Jugendliebe gewidmet waren.

1987 schrieb er zusammen mit dem Kollegen Walter Popp seinen ersten Roman „Selbs Justiz„. Darin erzählt er die Geschichte des 68-jährigen Privatdetektivs Gerhard Selb, der bei der Lösung eines Falles mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird.

Schlink wurde auf der Criminale 1989 der Friedrich-Glauser-Preis für seinen Kriminalroman „Die gordische Schleife“ verliehen.

Für „Der Vorleser“ erhielt er den Hans-Fallada-Preis (1997), einen italienischen Literaturpreis (1997), den Prix Laure Bataillon (bestdotierter Preis für übersetzte Literatur) (1997) und den WELT-Literaturpreis der Zeitung Die Welt (1999).

Der Vorleser wurde in 39 Sprachen übersetzt und war das erste deutsche Buch, das auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times stand. 2007 begann die Verfilmung in Berlin, Görlitz und Köln, siehe dazu Der Vorleser (Film).

Februar 2009: Wüste von Jean-Marie Gustave Le Clézio

Am 07. Februar 2009 besprechen wir den Roman Wüste von dem Literaturnobelpreisträger 2008 Jean-Marie Gustave Le Clézio.

Jean-Marie Gustave Le Clézio, seltener LeClézio, geboren am 13. April 1940 in Nizza, ist ein französischer Schriftsteller.

Sein Vater stammt von der Insel Mauritius, die einst französische und britische Kolonie war. Im Alter von acht Jahren zog Le Clézio zusammen mit der Familie nach Nigeria, wo der Vater während des Zweiten Weltkriegs als Arzt arbeitete. Le Clézio wuchs zweisprachig, englisch und französisch auf. Im Jahr 1950 kehrte die Familie nach Nizza zurück.

Le Clézio studierte am Collège littéraire universitaire in Nizza und promovierte in Literaturwissenschaften. Er hat unter anderem an den Universitäten Bangkok, Mexiko City, Boston, Austin und Albuquerque gelehrt.

Bekannt wurde Le Clézio mit dem Erscheinen von Das Protokoll (Procès-verbal), für das er im Jahr 1963 den Prix Renaudot bekam, nachdem das Buch bereits für den Prix Goncourt nominiert gewesen war.

Seitdem sind über dreißig Bücher von Le Clézio erschienen, darunter Erzählungen, Romane, Essays, Novellen und zwei Übersetzungen indischer Mythologie. 1980 erhielt er für Wüste (Désert) den von der Académie Française ausgeschriebenen Prix Paul-Morand.

In seinen Buch †œDer Afrikaner†œ, das im vergangenen Jahr auf deutsch übersetzt wurde, schildert Le Clézio seinen Vater, den afrikanischen Kontinent sowie seine eigene Kindheit. Demnächst erscheint in Frankreich Le Clézios neustes Werk †œRitournelle de la faim†œ.
Wüste von Jean-Marie Gustave Le Clézio

Kurzbeschreibung
Nach dem Tode ihrer Mutter lebt die junge Marokkanerin Lalla in der Obhut einer Tante in den Slums einer Stadt am Meer. Ihre Zeit verbringt Lalla am Strand oder am Rande der Wüste, beobachtet dort Tiere und Pflanzen. Der stumme Hirte Hartani ist ihr Gefährte und Vertrauter. Immer wieder träumt Lalla von den blauen Männern, dem Nomadenvolk der Tuareg, mit deren Geschichten und Legenden sie groß geworden ist. Als die 17jährige mit einem ungeliebten Mann verheiratet werden soll, flieht sie nach Marseille und arbeitet in einem billigen Hotel. Das Elend der nordafrikanischen Einwanderer, die Armut, in der sie leben, die Brutalität der Großstadt machen Lalla immer bewusster, dass sie ein Kind der Wüste ist, nur dort leben kann. Auch als sie von einem Fotografen entdeckt wird, der, fasziniert von der dunklen Schönheit des Mädchens, ihre Bilder auf den Titelseiten der großen Illustrierten veröffentlicht, will sie nicht in Marseille bleiben. Sie kehrt in ihr Land zurück, wo sie sich den blauen Männern, ihren Vorfahren, näher fühlt. Dort bringt sie das Kind zur Welt, das sie von Hartani erwartet.
J.M.G. Le Clézio hat in seinem Roman die Schönheit der Wüste Sahara mit der »Wüste« Marseille kontrastiert, auf kunstvolle Weise die Geschichte der Tuareg mit der Lallas verknüpft. Das Buch nimmt gefangen durch die Ursprünglichkeit Lallas, die wilde Fremdartigkeit der Tuareg, verzaubernde Naturbeschreibungen und eine ungewöhnlich poetische Sprache.

Warum ich schreibe – Le Clézios Dankesrede zum Literturnobelpreis – FAZ vom 08.12.2008