Black Dagger Ladies Online †“ Letzte Vorbereitungen [Kapitel 12]

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Letzte Vorbereitungen
Kapitel 12

Eine Weile sagte er nichts mehr, sondern hörte nur zu, was sein Gesprächspartner zu berichten hatte. Seine Miene verfinsterte sich dabei zusehends. „ Mit mir?†œ, rief er ungläubig, „okay, triff dich mit ihr und nimm Lucy mit, aber sie soll nur als Katze auftreten, das ist sicherer für euch beide. Ach ja, und dein Handy natürlich, damit ich mit dem sauberen Früchtchen… ja, genau! Aber erst muss ich noch… Ja, mach ich… also bis dann.†œ Er warf das ausgeschaltete Handy ungehalten auf den Schreibtisch und fluchte laut: „Kreuzdonnerwetter noch mal! Muss das jetzt sein? Das Timing ist sowas von daneben man, sowas können wir jetzt absolut nicht gebrauchen!†œ Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar und schüttelte den Kopf. Ich setzte mich im Bett auf und verstand überhaupt nichts mehr: „Duncan, was ist denn? Was ist passiert? Stimmt etwas nicht mit Lucy und Gavin?†œ Er starrte nachdenklich aus dem Fenster, nahm dann das Handy wieder in die Hand, tippte eine Nummer ein und sagte mit leiser Stimme zu mir gewandt: „ Nein, nein, es ist alles in Ordnung mit ihnen. Ich muss nur eben noch… Ja, Tiago, ich bin`s. Trommel die anderen vom Orden zusammen, wir treffen uns in 15 Minuten im Konferenzraum. Ja… nein, das erklär ich dann, danke… ja, bis gleich.†œ Wieder warf er das Handy weg, stürmte mit einem unterdrückten Fluch ins Bad und kurz darauf hörte ich die Dusche rauschen. Ich blieb ganz ruhig sitzen, zog meine Knie an, stützte mein Kinn auf und wartete einfach ab, was noch so passierte. Hm, ich verstand die ganze Aufregung einfach nicht, was mochte nur vorgefallen sein? In Rekordzeit war er im Bad fertig und kam, nur mit einem Handtuch um die Hüften, wieder zurück, um schnell in seine Sachen zu schlüpfen. Immer noch vor sich hin brummelnd schnappte er sich sein Handy, band seine Armbanduhr um und stürmte zur Tür raus. Oh oh. Mit hochgezogenen Brauen blickte ich wartend zur Tür. Drei… zwei… eins… Da flog sie wieder auf und er stand mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck im Rahmen: „Tut mir leid, tut mir leid! Ich bringe dich in deine Kabine, mein Herz. Gleich treffe ich mich mit den Jungs. Es ist etwas Unvorhergesehenes passiert, aber sobald ich etwas Genaues weiß, gebe ich dir Bescheid, versprochen.†œ Er nahm mich mit samt der Decke in seine Arme, küsste mich auf die Stirn und wollte so mit mir auf den Gang. „Ähm, Duncan? Ich glaube Bambi möchte auch gerne mit†œ, sagte ich zu ihm und zeigte mit einem Lächeln auf mein Shirt, das immer noch auf der Erde lag. „Oh, natürlich, so kannst du nicht…†œ „Jetzt mal ganz ruhig†œ, unterbrach ich ihn und legte einen Finger auf seine Lippen. „Ich finde den Weg schon in meine Kabine, geh du mal zu deinen Jungs. Es wird für mich sowieso höchste Zeit für eine Dusche und einen Kaffee mit meinen Schwestern.†œ Er stellte mich vorsichtig hin, nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mich plötzlich so ernst an, dass ich es ein bisschen mit der Angst bekam. „Angie, bitte sei mit deinen Schwestern in genau zwei Stunden im kleinen Konferenzraum, ja? Dann weiß ich mehr und… mach dir keine Sorgen.†œ Mit einem liebevollen Lächeln drückte er mir einen Kuss auf die Lippen, und schon war er durch die Tür verschwunden. Kopfschüttelnd sah ich ihm nach, zog mein Shirt an und machte mich auf den Weg in meine Kabine.
Nach der Dusche stand ich grübelnd vor dem Schrank. Dieser merkwürdige Anruf von Gavin ging mir nicht mehr aus dem Sinn. „Man, und draußen war es so schön†œ, dachte ich, „die Sonne und die Wärme luden zum Sonnenbaden ein, oder zum Schwimmen, und es wehte kaum Wind. Ob ich mir wohl etwas Zeit stehlen konnte, um mit den Schwestern am Pool ein bisschen abzuhängen? Wer wusste schon, wann wir das wieder konnten.†œ Das ungute Gefühl, das mich auf einmal beschlich, verdrängte ich aber ganz schnell wieder. Also zog ich mir meinen Bikini schon mal vorsichtshalber an und ein schlichtes weißes Strandkleidchen mit Spagettiträgern darüber. Gerade als ich mir meine Haare zu einem lockeren Knoten in meinem Nacken zusammen gebunden hatte, erschienen auch schon Doc mit Lilli, gefolgt von einer leicht außer Atem wirkenden Kerstin. Als ich meine Schwestern so vor mir stehen sah, konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen: „Wow, ihr drei leuchtet ja geradezu, haha, Lilli… deine Ohren sind ja dunkelgrün, zu mindestens die Spitzen.†œ Und mit einem Zwinkern fügte ich noch hinzu: „ Na? Alle eine schöne Nacht gehabt, stimmt`s?†œ Doch sie sahen mich

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nur mit hochgezogen Brauen an, zeigten stumm auf mich und fingen an zu kichern. „Was denn? Wächst mir da was Merkwürdiges aus der Stirn?†œ, fragte ich misstrauisch in die Runde und fuhr prüfend mit dem Zeigefinger über die besagte Stelle. „Nein, nein†œ, sagte Doc beruhigend, „aber deine Augen! So wie jetzt haben sie noch nie geleuchtet, und sie waren noch nie so grün wie jetzt… Hehe, und strahlen tust du auch.†œ Das war das Stichwort, und sofort erzählten und lachten wir, wie immer, alle durcheinander. Nur Kerstin wurde immer ruhiger, je aufgekratzter wir wurden. „Seid doch mal eben ruhig bitte, ich muss euch eine merkwürdige Geschichte erzählen†œ, rief sie laut und klatschte in die Hände, um sich Gehör zu verschaffen. Nachdem endlich alle mit Kaffee versorgt waren, legte sie los und erzählte uns von ihrem beunruhigenden Traum. Als sie fertig war, sahen wir sie besorgt an und Lilli fragte sie: „Und, wie geht es dir jetzt? Konnte Drago dich beruhigen? Man, dann müssen wir aber doppelt aufpassen!†œ „ Ja, das kannst du aber laut sagen. Drago war sehr lieb, jetzt geht†™s mir ja auch wieder gut, Gott sei Dank, aber ich kann euch sagen, das war schon eine merkwürdige Erfahrung†œ, sagte sie und konnte schon wieder lachen.
Plötzlich klopfte es an der Tür. „ Mädels? Seid ihr angezogen? Kann ich reinkommen?†œ Es war die Stimme von Tiago. „Nein, sind wir nicht!†œ, rief Doc sofort lauthals, „aber du kannst trotzdem reinkommen!†œ Sie wollte sich ausschütten vor Lachen und wir anderen auch. Draußen war es totenstill und nach einer Weile hörten wir ihn mit zögerlicher Stimme fragen: „Das war jetzt ein Witz, oder?†œ Da ich neben der Tür stand, erlöste ich ihn, indem ich die Tür öffnete und ihm lachend antwortete: „Na klar! Komm rein, wir beißen nicht. Was gibt es denn?†œ Kopfschüttelnd sah er uns der Reihe nach an und musste dann doch grinsen: „Man, ihr seid ja drauf. Aber Spaß bei Seite, ich soll euch von Duncan ausrichten, das die Teambesprechung jetzt stattfindet.†œ „ Okay, dann kommen wir am besten gleich mit†œ, sagte Lilli, und wir machten uns sofort auf den Weg.
Im Konferenzraum waren schon alle Brüder des Ordens versammelt und diskutierten lautstark miteinander. Als wir eintraten, verstummten sie schlagartig und sahen uns stumm und ein bisschen unsicher an. Komisch… doch dann sprachen alle wieder gleichzeitig, und wir Mädels suchte uns einen Platz bei unseren Partnern. Da Duncan vorne an einem Pult stand, setze ich mich in die Nähe. Als er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, trat augenblicklich Ruhe ein und alle sahen ihn erwartungsvoll an. Nachdem er mich kurz angelächelt hatte, blickte er wieder ernst nach vorne und legte mit seiner tiefen klaren Stimme los: „Ich werde euch nun den Ablauf für morgen bekanntgeben. Da der Hafen in Pisco sich als zu klein für unser Schiff erwiesen hat, werden wir also schon morgen um ca. 10 Uhr in Lima einlaufen und mit der Seraphim zwischen den anderen Kreuzfahrtschiffen vor Anker gehen. Das ist für uns die beste Tarnung, denn wir wissen nicht, inwieweit die Dragons von unserer Ankunft informiert sind. Unsere Verbindungsleute in Peru haben alles Weitere für uns organisiert. Am Pier steht ein landesüblicher Touristenbus bereit, der uns zum Hangar 51 bringen wird, wo die gesamte Ausrüstung schon fertig gepackt auf uns im NH 90 wartet. Und mit gesamter Ausrüstung meine ich natürlich inklusiv der dementsprechenden Kleidung, besonders für unsere Ladies, die wir für die Kletterpartie brauchen. Bones hat damals noch den Heli mit ein paar Extras ausgestattet. Unser Airwolf wird uns mit samt der Ausrüstung bis zum Basislager etwas außerhalb von Cachora bringen, wo Eric schon einen guten Landeplatz ausfindig gemacht hat. Von da ab geht†™s dann zu Fuß weiter. Und in etwa 2 Tagen treffen wir dann in Choqequirao ein. Ich werde mich in dem Hangar in Lima wahrscheinlich noch mit jemandem treffen, der vielleicht wichtig für uns sein könnte. Gavin und Lucy werden dort wieder zu uns stoßen, und diese… ähm, Person mitbringen. Alle stehen bitte mit ihrem persönlichen Gepäck gehen 11 Uhr bereit, um von Bord zu gehen. Lilli wird euch nun an Hand der ausgewerteten Satellitenbilder erklären, was uns in Choqequirao erwartet. Noch Fragen?†œ, sagte er und sah uns prüfend an. „Okay, dann ist ja soweit alles klar, ach noch eines… an Bord bleiben Jean, Tim, und Eric. Eric hält wie immer ständig Verbindung zwischen uns und Sweetlife

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und… Angie bleibt auf ausdrücklichen Wunsch von Sweetlife auch an Bord.†œ Ungläubig starrte ich ihn an, hatte ich mich gerade verhört? Was sollte das denn?! Empörte Stimmen wurden laut, doch er hob nur eine Hand und machte zu Lilli eine einladende Handbewegung, damit sie fortfahren konnte. Als er sich neben mich setzte, ergriff er meine Hand, drückte sie fest… zu fest und raunte mir ins Ohr: „ Nicht jetzt, lass uns später darüber reden.†œ „ Oh nein, mein Lieber, jetzt, sofort und draußen!†œ, zischte ich ihm wütend an. Ich sprang auf und versuchte ihn mit mir zu ziehen, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Wütend funkelte ich ihn an. Seufzend gab er nach und folgte mir widerstandslos nach draußen. Auf Deck suchte ich eine ruhige Stelle im Schatten bei den Sonnenliegen, weit weg von den anderen und baute mich empört mit etwas Abstand vor ihm auf. „So! Und jetzt erklär mir mal bitte was das gerade sollte. Und komm mir nicht damit, dass es Sweetlife war, die mich hier an Bord lassen will, das glaube ich dir nämlich nicht, so etwas würde sie niemals tun. Also? Warum willst du mich nicht dabeihaben? Du weiß genau, dass ich eine gute Kämpferin bin und mit meinen Waffen auch umgehen kann. Das habe ich dir ja wohl in New Orleans bewiesen, oder etwa nicht? Und über genügend magisches Potential verfüge ich auch, ich dachte, wir wären mittlerweile ein Team? Oder täusche ich mich da? Was ist, warum siehst du mich so komisch an?†œ „Weiß du eigentlich, dass du wunderschön aussiehst, wenn du wütend bist†œ, sagte er leise und seine Augen begannen wieder zu funkeln. „Duncan! Das ist jetzt nicht das Thema!†œ, rief ich empört und plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck in tieftraurig. „Was…? Oh nein†œ, flüsterte ich und sah ihn ungläubig an und meine Wut löste sich mit einem Schlag in Rauch auf. Endlich dämmerte es mir, warum er mich hier lassen wollte. Kopfschüttelnd stellte ich mich vor ihn hin, sah ihm in die Augen und legte eine Hand auf seine Wange: „Oh mein Gott,… du hast Angst um mich. Aber warum? Ich bin doch ein Profi und keine blutige Anfängerin mehr! Na gut, du darfst um mich besorgt sein, von mir aus, aber niemals Angst um mich haben, denn Angst ist ein sehr schlechter Begleiter, gerade jetzt auf dieser Mission. Was glaubst du denn, wie ich mich hier ohne euch, ohne dich, fühlen würde? Nicht zu wissen, wenn etwas passieren sollte, ob ich nicht hätte helfen oder eingreifen können. Willst du mir das wirklich antun?†œ Da nahm er meine Hand von seiner Wange, küsste die Innenfläche und legte sie sich an seine Brust, dann umarmte er mich fest und sagte leise: „Natürlich nicht. Du hast ja recht, aber ich habe dich doch gerade erst gefunden, und wenn ich dich jetzt wieder verlieren sollte…†œ „Das wirst du nicht, das verspreche ich dir! Und ein bisschen vertrauen kannst du mir ruhig.†œ Mit einem Lächeln setzte ich noch hinzu: „So schnell wirst du mich nicht wieder los.†œ Und da war es wieder, das Funkeln in seinen Augen, und als seine Hände langsam meinen Knoten in meinem Nacken lösten und er meine Haare durch seine Finger gleiten ließ, konnte ich das tiefe Knurren in seine Brust hören. Er zog meinen Kopf nach hinten und fuhr mit seiner Zungenspitze über meine Kehle, hauchte einen Kuss auf mein Kinn, und streifte mit seinen Lippen über meine.  Deine Haut und dein Duft machen mich verrückt!†œ Er rieb seine Nase zwischen meinem Ohr und meiner Schulter hin und her und atmete immer wieder tief ein.

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Als ich langsam wieder auftauchte und die Augen öffnete, sah ich sein schönes Gesicht über meinem schweben. Er lächelte mich glücklich an, dann küsste er mich sanft auf die Wange und flüsterte heiser: „Du hast mich gebissen! Das war sehr… mmh, sehr erotisch.†œ „Oh†œ, sagte ich leise, noch ziemlich außer Atem und sah den schon verblassenden Abdruck meiner Zähne auf seiner Schulter. Ich wurde prompt wieder rot und schnell strich ich mit meinen Lippen über die Stelle. Plötzlich hörte ich eine laute Stimme rufen: „Tapp, tapp, tapp… ich bin`s, und ich sehe euch nicht.†œÂ  „ Ich verschwinde auch sofort wieder, konnte ja nicht ahnen, dass hier… also, soll ich euch ein paar Eiswürfel bringen? Okay, dann nicht!†œ, rief er, als Duncan ihm mit der Faust drohte und laut brüllte: „Verschwinde endlich, dämlicher Drache!†œ „Haha, bevor hier noch Sachen durch die Luft fliegen… ich bin dann mal weg.†œ

Nachdem Angie und Duncan die Besprechung so fluchtartig verlassen hatten und nicht wiederkamen, löste sich das Zusammentreffen immer weiter auf. Bowen musste noch etwas erledigen und Doc wollte sich umziehen, um noch etwas im Fitnessraum zu trainieren. Die medizinische Ausrüstung war zusammengestellt und sie konnte nichts weiter tun, als die Zeit totzuschlagen. Was Kerstins Traum anging, ging ihr dieser nicht mehr aus dem Kopf. Auf dem Weg zu ihrer Kabine war sie tief in ihre Grübeleien versunken und versuchte eine Erklärung dafür zu finden. Als sie sich gerade in Höhe von Bowens Tür befand, ging diese plötzlich auf und zwei starke Arme zogen sie in seine Kabine. Von innen drückte Bowen sie gegen die Türe und fing an sie stürmisch zu küssen. Doc schnappte nach Luft. „Hey, ich dachte du bist in der Waffenkammer, wichtige Dinge erledigen und wir sehen uns erst später?†œ, fragte sie ihn atemlos. Er zog eine Spur heißer Küsse von ihrer Schläfe abwärts bis zu der empfindlichen Stelle hinter ihrem Ohr. Ein wohliges Kribbeln breitete sich in ihr aus. „Ich habe schon längst alles für die Tour vorbereitet, und mit wichtigen Dingen, meinte ich was anderes†œ, hauchte er in ihr Ohr. Er trat zur Seite und gab den Blick auf seine Kabine frei. Die Fensterfront war komplett verdunkelt und der Raum wurde nur von Kerzen, die auf dem Boden um das Bett herum angeordnet waren, erhellt. „Ähm, also eigentlich wollte ich gerade meine Sportsachen holen und dann trainieren.†œ Er überging Docs Einwurf einfach und zog sie mit sich.

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„Bowen?†œ Ganz nah legte er sich neben sie. Den Ton kannte er bei Frauen. „Ja?†œ Doc lächelte. „Ich würde gerne etwas wissen.†œ Sie hatte ihn die ganze Zeit schon fragen wollen. Meistens jedoch machte ihr Verstand in seiner Gegenwart ein Nickerchen, während ihr Herz und ihr Körper Bowen zujubelten. „Okay, frag, du kannst mich immer alles fragen, und ich werde dir antworten.†œ Er blickte sie ernst an und brachte ein klein wenig mehr Abstand zwischen ihre Körper. Das erleichterte ihr ein wenig das Denken. „Wenn du mich nicht als Gefährtin erkannt hättest, also hättest du, hätten wir auch so, ach du weißt schon.†œ Seufzend stieß er die Luft aus und drehte sich auf den Rücken, einen Arm fest um Docs Taille. „Das ist schwer zu beantworten. Ich weiß nur mit absoluter Gewissheit, dass ich dich liebe. Als ich dich zum ersten Mal gesehen hatte, war ich bereits absolut angezogen von dir, mir war allerdings die Tragweite noch nicht bewusst. Deshalb bin ich mir sicher, dass ich mich trotzdem für dich interessiert hätte, selbst wenn uns das Schicksal nicht füreinander bestimmt hätte. Ich glaube, es ist ein Fehler, wenn man dem Gefühl nachgibt, man hätte keine Kontrolle mehr über sein Leben. Vielmehr ist es ein seltenes Geschenk, das Beste, was das Leben einem zu bieten hat. Das Schicksal hat doch in allem seine Finger im Spiel. Du bist witzig, intelligent und du kannst mit Waffen umgehen, wie könnte ich dir nicht verfallen?†œ Doc kniff ihn in die Schulter. „Ach so, und ich dachte schon, ich wirke unwiderstehlich auf dich und mein Sex-Appeal treibt dich in den Wahnsinn.†œ Er blickte sie ernst an. „Jane, was denkst du denn, was mich so dermaßen um den Verstand gebracht hat, dass ich mich habe hinreißen lassen von dir zu trinken, ohne dir vorher zu erklären, welche Folgen das in unserem speziellen Fall hat. Übrigens könnte ich die gleiche Frage stellen, hättest du dich auch so auf mich eingelassen?†œ „Ich? Auf einen athletisch gebauten Kriegervampir? Mit dem besten Hintern auf der ganzen Südhalbkugel? Niemals!†œ Sie kicherte und schlang die Arme um seinen Hals. „Du hast Recht, das ist wirklich schwer zu beantworten, und es ist auch egal. Du hast Glück gehabt, ich habe mich ja wieder eingekriegt, außerdem bist du ebenso mein Gefährte, es war also nur eine Frage der Zeit.†œÂ  „Du raubst mir den Verstand, ich werde niemals genug von dir bekommen. Du bist Mein. Die zwei Tage, die du mich hast zappeln lassen, waren die schlimmsten in meinem Leben.†œ Einen kurzen Moment blitzte ihr schlechtes Gewissen auf, dann spürte sie ein Gefühl der Gewissheit, und etwas klopfte an ihre Gedanken, dass sie nicht in Worte fassen konnte. Er rollte sich plötzlich von ihr runter, und sah sie prüfend an. „Was hast du?†œ Er strich mit dem Zeigefinger langsame Kreise auf ihren Bauch. „Jane, ich will nicht, dass dir was passiert in Peru, versprichst du mir, das du nichts Unüberlegtes tust und immer an meiner Seite bleibst?†œÂ  „Ich verspreche es. Außerdem muss ich bei dir bleiben, damit ich auch auf dich aufpassen kann. Bo ich hab alles andere als hellsichtige Fähigkeiten, aber ich habe ein ungutes Gefühl wegen Peru. Vor allem nachdem, was mit Kerstin passiert ist.†œ Sie erzählte ihm in knappen Worten, was sie am morgen von Kerstin erfahren hatte. „Wow. Das klingt ja nicht wirklich positiv. Das wird eine große Nummer, trotzdem, um mich musst du dir wirklich keine Sorgen machen, so schnell lasse ich mich nicht enthaupten. Für alles andere, kenne ich eine bezaubernde Heilerin.†œ Nach einem tiefen Blick in seine saphirblauen Augen, merkte sie es wieder. Dieses Gefühl. Ein Erkennen. Wie konnte sie nur daran zweifeln, nicht für immer mit ihm zusammen zu sein? Wovor hatte sie nur solche Angst gehabt. Rückblickend, erschien ihr alles so idiotisch. Sie hatte immer gespürt, dass Etwas auf sie wartete. Jetzt wurde ihr schlagartig klar, dass sie Beziehungen nicht aus Bindungsangst aus dem Weg gegangen war, sondern weil ihr Weg sie zu Bowen führen sollte.

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Sie wollte ihn nie wieder loslassen. „Bowen, können wir heute einfach den restlichen Tag im Bett bleiben? Ich brauche deine Nähe.†œÂ  „Natürlich, alles was du willst. Außerdem war das auch genau mein Plan.†œ „Bekommst du keinen Ärger, musst du nicht irgendwelche superwichtigen Waffenmeisterjobs erledigen?†œ Sie schnüffelte an seinem Hals, sie war jetzt schon süchtig nach seinem Geruch. Bowen griff zu seinem Handy und erklärte Duncan, dass er und Doc bis auf Weiteres einer dringenden Angelegenheit nachgehen würden.

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Aus Rücksicht auf Tim blieb Drago ein wenig auf Abstand, immer dann, wenn sie sich begegneten. Dennoch warf Tim ihnen Blicke zu, die sie augenblicklich in Asche hätte verwandeln können. Cyrus kam zu Drago und fragte ihn, ob er mit in die Waffenkammer käme. Das ganze Equipment sollte nochmals überprüft werden. Drago sagte zu, obwohl er sich beim Blick auf Kerstin nicht ganz sicher war, ob er sie alleine lassen konnte. Kerstin machte sich unterdessen auf den Weg in Richtung Bibliothek. Doch plötzlich stand Tim direkt vor ihr. Ob er auf sie gewartet hatte, wusste sie nicht, aber sie glaubte auch nicht an einen Zufall. „Entschuldigung, ich hab nicht aufgepasst“, sagte Tim und war im Begriff weiterzugehen. „Hey, Tim, bitte, wollen wir uns jetzt jedes Mal aus dem Weg gehen, wenn wir uns zufällig treffen? Das ist ein wenig schwer auf einem Schiff. Können wir nicht einmal in Ruhe miteinander reden?“ Tim lachte hart auf. „Was willst du eigentlich? Ich dachte, du bist glücklich mit deinem Drachen? Wieso quatschst du mich dann noch an. Außerdem seid ihr bald verschwunden. Und wer weiß, was danach noch geschieht.“
Das saß, und Kerstin wich ein Stück vor ihm zurück. Tränen schossen in ihre Augen, aber sie versuchte sie zu unterdrücken. Was natürlich nicht klappte. Sie drehte sich um und wollte gehen, als Tim sie fest am Arm hielt. Als sie in seine Augen schaute, sah sie eine Mischung aus Trauer und Wut. „Es, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anblaffen. Es tut mir nur weh, wenn ich euch zwei sehe, und mir dann wieder bewusst wird, was ich verloren habe.“ Kerstin musste schlucken. Ohne ein weiteres Wort nahm Tim sie in die Arme. Und sie ließ ihn machen ohne die Umarmung zu erwidern. Als Tim sie wieder losgelassen hatte, schaute er sie durchdringend an. „Ich werde euch keine Schwierigkeiten machen. Ich weiß, wann ich mich zurückziehen muss.“ Er gab ihr einen letzten Kuss auf den Mund und ging. Kerstin wurde schwindelig, und sie musste sich an der Wand abstützen. Sie versuchte tief durchzuatmen, aber ihr ganzer Brustkorb war wie zugeschnürt. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was war hier gerade passiert“, fragte sie sich. Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, ging sie in Richtung Bibliothek. Auf dem Weg dahin musste sie wieder an die Stimme und die Warnung denken. Sie musste einfach irgendetwas über diese Art von Träumen herausfinden. Wo konnte man das besser als in einer Bibliothek. Sie hatte es auch im Internet versucht, war dort aber nicht fündig geworden. Auf einem Wegweiser hatte sie gelesen, dass sich eine Bibliothek auf dem zweiten Deck befand. Also wollte sie dort ihr Glück versuchen. Es dauerte nicht lange, und sie hatte sie gefunden. Sie öffnete die imposante Holztür, die sich mit einem leisen Knarren öffnete. Wow, was für ein Anblick. Sie sah Regale, die bis zur Decke reichten, in langen Gängen gefüllt mit den verschiedensten Büchern, alle säuberlich geordnet nach Größen und allen erdenklichen Kategorien. Es gab Fachbücher über Medizin, Bücher über Städte, Länder, Kontinente mit den dazu gehörigen Karten.

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Über Architektur, Sprachen, Maschinenbau, Autos und sogar Krimis. Und es gab ein riesiges Regal voll mit Büchern über alles Mystische. Dieses Regal war aufgeteilt in Bereiche über Dämonen, Hexen, Zauberer, Schamanen, Elfen und andere Fabelwesen. Es gab Bücher mit alten Überlieferungen von Zaubersprüchen und Beschwörungsformeln. „Ich frage mich, woher die Bruderschaft diese einzigartige Sammlung hat und wer mag unter ihnen der Sammler sein? Das muss ich unbedingt Doc erzählen“, dachte Kerstin. Der riesige Raum war abgedunkelt, indirektes Licht schimmerte durch getöntes Glas, um die wertvollen alten Bücher vor schädlichem UV-Licht zu schützen. In der Luft lag der typische, leicht staubige, trockene Geruch nach Büchern. „Na klasse, wo fange ich nun an mit Suche“, überlegte Kerstin und zog ein mystisches Buch nach dem anderen aus dem Regal. Sie brauchte Informationen über Traumdeutung, Stimmen oder unerklärlichen Warnungen. Aber alles was sie fand, half ihr nicht wirklich weiter. Der größte Teil der Bücher war sogar in lateinischer Sprache verfasst. Resigniert ließ Kerstin sich in einen Sessel fallen. Sie rieb sich die Augen, ließ ihren Blick über die Bücher schweifen und blieb an einem alten, sehr dicken Buch hängen. Sie stand auf und zog es aus dem Regal. Fast hätte sie es fallen gelassen, weil es so schwer war – und kalt. Kerstin runzelte die Stirn. Ihre Neugierde war geweckt, vorsichtig legte sie das Buch auf den alten Eichentisch und rückte die kleine Lampe zurecht. Schon der Einband war faszinierend. Er war aus altem, dickem Leder. Auf dem Buchdeckel war ein Baum mit weitverzweigten Ästen eingestanzt. In goldenen Lettern stand „Stammbaum der 1000 Fragen†œ darüber. Völlig in seinen Bann gezogen, öffnete Kerstin die erste Seite des Buches. Dort fand sie eine Anleitung für die Handhabung und eine Erklärung über die Bedeutungen der Zeichen und Runen. Ohne groß zu Überlegen vertiefte Kerstin sich in dieses Buch. Sie bemerkte nicht einmal, dass die Tür zu der Bibliothek sich geöffnet hatte. Es war Drago, der seit mehr als drei Stunden nach ihr gesucht hatte. Leise schloss er die Tür und blieb stehen. Mehrmals rief er ihren Namen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Kerstin seine Stimme wahr genommen hatte. Erschrocken fuhr sie herum und ging sofort in Kampfposition. Drago hob seine Hände um ihr zu zeigen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Als sie ihn erkannt hatte, entspannte sie sich und lächelte ihn entschuldigend an. Langsam kam er auf sie zu und nahm sie dann erleichtert in seine Arme. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie in Ordnung war, wurde er wütend. „Sag mal, bist du noch ganz dicht? Ich suche dich seit Stunden und habe schon befürchtet, dass Tim dich über die Reling geworfen hat.“
Verdutzt sah Kerstin Drago an. Er tippte sich an die Stirn. „Schon vergessen? Ich kann hören, was du denkst. Besonders, wenn du aufgeregt bist. Und ich habe Bruchstücke deiner Unterhaltung mit Tim gehört. Leider konnte ich seine Gedanken nicht hören. Es tut mir Leid, dass es so gelaufen ist.“ Kerstin senkte ihren Kopf, diese Erinnerung tat weh. Drago legte seine Hand unter ihr Kinn und zwang sie ihn anzusehen. „Hey, es wird alles wieder gut.“ Mit einem schiefen Lächeln erwiderte sie seine Worte. Drago blickte sich um. „Wow, ich wusste gar nicht, dass wir so etwas“, er machte eine ausladende Handbewegung durch den Raum, „hier an Bord haben. Das ist ja richtig eindrucksvoll.†œ „Ja, das stimmt“, sagte Kerstin. So etwas Tolles habe ich auch noch nicht gesehen. Aber das Schlimmste für mich ist daran, dass die Bücher, die mir hätten helfen können, auf Latein sind. Also bin ich jetzt fast genauso schlau wie vorher.“ Drago grinste sie an. Da war es wieder, dieses selbstgefällige Lächeln. Kerstin runzelte die Stirn.“Na ja, vielleicht sind meine Sprachkenntnisse etwas eingerostet, aber Latein ist eine unserer Grundsprachen. Ich könnte also versuchen dir zu helfen, wenn du es möchtest.†œ Überglücklich schmiegte Kerstin sich in Dragos Arme und drückte ihm zum Dank einen dicken Kuss auf die Wange. „Ich werte das mal als ein JA. Okay, dann lass uns mal gucken, ob wir etwas herausfinden.“Aufgeregt zeigte sie ihm das alte Buch mit dem Ledereinband, das Kerstin so fasziniert hatte.

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Sie hatte das Kapitel mit den Traumdeutungen schon entdeckt, konnte die Erklärungen aufgrund der lateinischen Sprache aber nicht restlos entschlüsseln. Für Drago war das kein Problem und so gewannen sie relativ schnell Aufschluss darüber, was in jener Nacht passiert war. Vor vielen Jahrhunderten gab es ein Wesen, einen Schutzgeist, dessen Name zwar nicht überliefert ist, das den Göttern aber einen wichtigen Dienst erwies. Es bildete ein Schild und warnte sie rechtzeitig vor Leid und Gefahr oder vor unangenehmen Zeitgenossen. Dieser Schutzgeist bewahrte die Götter aber auch vor eigener Überheblichkeit und Machtmissbrauch. Er half ihnen dabei gerecht und gütig zu sein und weise Entscheidungen zu treffen. Eines Tages wehrte sich der Gott Kronos gegen die Beeinflussung, denn er wollte alleine unbegrenzt herrschen und seinen ungezügelten Leidenschaften frönen. Kronos spann Intrigen gegen dieses Wesen und hatte schließlich erreicht, dass man dem Wesen nicht mehr glaubte und es aus dem Reich verbannte. Seine weitere Tätigkeit zum Schutz der Götter wurde ihm auf immer verwehrt. Bevor es aber in seine Verbannung ging, legte es einen letzten Schutzschild über Hades und Poseidon, um sie gegen die bösen Machenschaften des Kronos immun zu machen. Letztendlich half der Schutzschild Kronos stürzen und ihn zu vernichten. Hades und Poseidon zerstückelten ihn und brachten ihn auf eine einsame Insel. Danach wollten die Götter natürlich, dass das Wesen zu ihnen zurückkehrte, aber es verweigerte seinen Dienst. Von da an lebte es sehr zurückgezogen in den Weiten des Olymps und sprach nur noch in ganz seltenen Fällen eine Warnung aus. Kerstin, die dem Geschlecht der Götter abstammte, hatte also scheinbar eine ernstzunehmende Warnung von dem Schutzgeist erhalten. Einerseits war sie sehr erleichtert, es zeigte zumindest, dass sie nicht verrückt geworden war. Andererseits tat ihr das Wesen unheimlich Leid und sie fragte sich, wo es jetzt lebte und wie sie ihm danken konnte. Aber diese Fragen würden wohl auf immer unbeantwortet bleiben. Genauso unbeantwortet blieben auch die Fragen nach den Auswirkungen ihres Traumes. Was würde in Peru passieren und vor wem oder was wurde sie gewarnt? Kerstin rieb sich den schmerzenden Nacken. Die vielen Stunden über den Büchern zeigten ihre Wirkung. Drago stellte sich hinter sie und fing ganz vorsichtig an ihren Nacken zu massieren. Kerstin ließ den Kopf nach vorne fallen und genoss die Berührung. Dann fing er an sie zu küssen. Erst am Haaransatz, dann den Hals entlang hinunter zu ihren Schultern. Kerstin bekam eine Gänsehaut. Gerade als seine Hände auf Wanderschaft gehen wollten, bremste sie ihn. „Sei mir nicht böse, aber ich bin jetzt zu aufgedreht. Und wenn wir beide uns vergnügen, dann möchte ich dir all meine Aufmerksamkeit schenken. Aber ich muss über das, was wir herausgefunden haben, nachdenken und auch mit Doc darüber reden. Sie hat als Schamanin vielleicht die meiste Erfahrung.“ Etwas enttäuscht zog Drago sich von ihr zurück, nahm sie aber sofort wieder in seine Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihr schwindelig wurde. Als sie seinen Kuss erwiderte und sich an ihn drückte, schob er sie sanft von sich weg. Mit einem Lächeln sagte er: „So, den Rest gibt es dann später.“ Okay, das war dann wohl die Retourkutsche und sie hatte sie verdient. Beide lachten auf und gingen zusammen aus der Bibliothek. Drago ging zurück zu den Jungs und Kerstin machte sich auf die Suche nach Doc. Sie wollte ihr die Buchseite zeigen, die aus einem der Bücher über Beschwörungsformeln gefallen war. Es sah aus wie ein Rezept, aber Kerstin konnte damit überhaupt nichts anfangen. Sie hatte die Seite schnell aufgehoben und eingesteckt ohne das Drago es bemerkt hatte.

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Die Besprechung war dank Duncan und Angie geplatzt. Lilli räumte etwas ratlos ihre Unterlagen zusammen, alle waren verschwunden. Das ging so nicht! Duncan musste eine neue Zusammenkunft anordnen. Alle mussten doch über die Gefahren, die da auf sie zukamen, informiert werden. Während Lilli darüber nachgrübelte, was sie jetzt als nächstes tun sollte, hörte sie ein gefährliches Knurren und sah auf. Am Tisch stand Fernando, die Hände zu Fäusten geballt, bebend vor Zorn. Das war nicht mehr der freundliche, liebevolle Mann, den sie kannte und liebte. Da stand ein wütender, gefährlicher Vampir kurz vor der Explosion. Lilli war entsetzt: „Nando?†œ, rief sie vorsichtig. Er schoss herum und fixierte sie. Schlagartig veränderte sich sein Gesichtsausdruck. „Oh, Lilli. Ich habe dich erschreckt. Das wollte ich nicht, aber dieses Verhalten kann ich Duncan nicht durchgehen lassen. Den muss ich mir jetzt mal gehörig zur Brust nehmen.†œ Fernando drehte sich um und wollte gerade zur Tür raus, als Lilli ihn aufhielt. „Nando, warte! Wir müssen alle zusammenrufen. Da kommt ein riesiges Ding auf uns zu und keiner weiß es. Ich gehe in den Computerraum und checke alles noch einmal.†œ Lilli schaute ihn eindringlich an. „Ich kümmere mich darum. Bis später†œ, sagte Fernando kurz angebunden und war verschwunden.

Angie und Duncan standen noch bei den Sonnenliegen, als Fernando auf sie zukam. „Oh, oh†œ, dachte Angie und da erschütterte sie auch schon Fernandos donnernde Stimme. „Duncan! Sofort!†œ Duncan schaute Angie zerknirscht an. „Sorry, Liebling†œ, sagte er zu ihr, „das habe ich jetzt wohl verdient.†œ Angie lächelte ihn aufmunternd an und küsste ihn. „Ja, hast du und glaub ja nicht, dass ich Mitleid mit dir habe.†œ Duncan folgte Fernando umgehend in den leeren Besprechungsraum. Duncan war noch nicht richtig durch die Tür, da legte Fernando schon los. „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen! Was bildest du dir denn eigentlich ein! Die Nummer mit Sweetlife haben dir vielleicht die anderen abgekauft, aber ich nicht und Angie offensichtlich auch nicht. Nicht genug, dass du über Angies Kopf hinweg entscheidest, du erlaubst dir auch noch sie hier an Bord zu lassen und alle anderen willst du in den Kampf schicken. Bist du noch zu retten? Du bist unser Anführer, willst du so deine Macht missbrauchen?†œ Fernando zitterte am ganzen Körper und seine Augen waren kohlrabenschwarz. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre Duncan an die Kehle gesprungen. Duncan hob beschwichtigend die Hände. „Fernando, du hast ja recht. Angie hat mir auch schon den Kopf zurecht gerückt. Ich habe mich da zu etwas hinreißen lassen, ohne nachzudenken. Ich entschuldige mich.†œ Fernando hatte sich jetzt wieder etwas beruhigt. „Dann kannst du dich ja gleich bei allen zusammen entschuldigen. Du musst so schnell wie möglich noch einmal alle zusammenrufen. Lilli hat sehr beunruhigende Sachen entdeckt. Und, Duncan, sieh zu, dass du deine Gefühle ganz schnell in den Griff bekommst. Wir haben alle Angst unsere Liebe zu verlieren, aber das darf nicht unser Denken und Handeln beherrschen.†œ „Ich weiß, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren. besonders jetzt. Gut, dass ich dich habe, alter Freund.†œ „Immer wieder gerne.†œ Sie grinsten breit und klatschten sich ab. „Neuer Besprechungstermin in zwei Stunden?†œ, fragte Fernando. „Ja geht klar. Oh, Bowen wird das wohl nicht passen. Er hat sich und Jane für den Rest des Tages abgemeldet.†œ „So, so, hat er. Das tut mir jetzt aber leid. Na er hat ja noch zwei Stunden.†œ Fernando und Duncan grinsten um die Wette, in Gedanken bei Bowen und Doc. „So, ich muss noch zu Lilli. Die habe ich etwas erschreckt, und du gehst besser zu Angie, damit sie sieht, dass ich dir nicht den Kopf abgerissen habe.†œ „Ja, Alter. Du hast ganz schön den Vampir raushängen lassen†œ, lachte Duncan. „Das war auch bitter nötig!†œ „Schon gut…†œ, gab Duncan kleinlaut zurück und machte sich auf die Suche nach Angie. Fernando eilte zum Computerraum. Lilli war vollkommen in ihre Auswertungen vertieft. Sie machte ein sorgenvolles Gesicht und bemerkte Fernando gar nicht. Er näherte sich vorsichtig: „Lilli?†œ Sie zuckte furchtbar zusammen. „Wieso bist du denn so nervös? Habe ich dich vorhin so erschreckt?†œ, fragte Fernando besorgt. „Nein, nein. Ich fand dich eigentlich sehr imponierend und unheimlich sexy. So ein wilder Vampir hat schon was†œ, sagte Lilli lächelnd. Sie schmiegte sich an seine Brust und schaute ihn mit leuchtenden Augen an.

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„Den könntest du mal wieder hervorholen, wenn wir alleine sind.†œ Er beugte sich zu ihr runter und strich ihr sanft mit seinen Fängen über den Hals. „Du stehst also auf böse Jungs?†œ Lilli erschauerte. „Ab und zu.†œ Fernando küsste ihre Nasenspitze. „Das wäre also geklärt. So und jetzt raus mit der Sprache, warum bist du denn dann so nervös?†œ Sofort war ihr Lächeln verschwunden und eine dicke Sorgenfalte erschien auf ihrer Stirn. „Wir sind da auf was ganz Großes gestoßen. Mit so etwas hätte ich nie gerechnet. Ruft Duncan alle zusammen?†œ „Ja er informiert alle, dass wir uns in zwei Stunden noch einmal treffen.†œ „Gut. Dann stelle ich noch alles zusammen.†œ Lilli lief hektisch zu ihrem Laptop und tippte mit fahrigen Händen über die Tastatur. Fernando setzte sich in einen der bequemen Bürosessel und beobachtete sie nachdenklich. Nach einer Weile stand er auf, ging zu ihr und klappte den Laptop zu. Er nahm sie auf die Arme, setzte sich in ihren Sessel und platzierte sie auf seinem Schoß. Lilli schaute in verwundert an, was hatte das jetzt zu bedeuten? „Was macht dir solche Angst?†œ, fragte Fernando sie mit leiser Stimme. Lilli schaute ihm direkt in die Augen. „Das was vor uns liegt und der Gedanke, dass ich dich oder eine meiner Freundinnen verlieren könnte. Und diese Angst kannst du mir nicht nehmen. Wir bewegen uns in einem gefährlichen Business. Ich muss einfach lernen damit umzugehen. Aber im Moment fällt mir das sehr schwer. Halt mich einfach nur fest, dann geht es mir wieder besser.†œ Fernando schlang seine starken Arme um sie und legte sein Kinn auf ihr Strubbelhaar. „Ich verstehe dich. Mir geht es genauso.†œ Ohne ein weiteres Wort saßen die beiden engumschlungen im Computerraum, vergaßen kurz die Welt um sich herum und genossen die Nähe des anderen, die Ruhe vor dem Sturm. Doch dann klingelte Fernandos Handy und holte sie in die Wirklichkeit zurück. „Ja, Duncan, alles klar, wir sind schon unterwegs. Ja, du kannst ruhig schon anfangen, wir sind gleich bei euch.†œ Lilli schaute ihn an. „Ups, sind wir zu spät?†œ „Nicht wirklich. Duncan will sich erst noch bei allen für seinen Auftritt vorhin entschuldigen. Aber komm, wir müssen uns beeilen, schließlich bist du ja jetzt die Hauptperson.†œ Lilli schnappte sich ihr Laptop und schon eilten sie zur Besprechung. Als die beiden eintrafen, war Duncan gerade mit seiner Entschuldigung fertig. „Genau aufs Stichwort! Lilli, leg los, was erwartet uns in Choqequirao?†œ Alle waren gespannt endlich zu erfahren, was jetzt auf sie zukam, und Lillis Gesicht sprach Bände. Sie machte sich kurz an ihrem Laptop zu schaffen und schon erschien auf dem großen Bildschirm im Besprechungsraum eine Aufnahme von Choqequirao. Im Hintergrund sah man oberhalb der Stadt die Berge. Das Bild war mit roten Punkten versehen, durch Quadrate geteilt und von Linien durchzogen. Lilli sah jeden Einzelnen an, bevor sie anfing zu sprechen. „Leute…, wir haben da etwas ganz Großes aufgespürt. Die roten Punkte auf der Aufnahme markieren Hohlräume in Bergen. Ich habe mehrere kleine und sechs große Kammern ausgemacht, die alle über größere Gänge miteinander verbunden sind.†œ Es erschienen Großaufnahmen dieser Kammern auf dem Bildschirm. Die Kammern hatten eine rosane Farbe und in der Mitte wurden dunkelrote Rechtecke sichtbar. Lilli holte tief Luft. „So, wie es aussieht haben wir eine Zuchtstation für die Klone entdeckt. Ich habe die Rechtecke vermessen und sie haben genau die Maße wie die Klonbehälter, die wir hier an Bord haben. Ich habe in jeder Kammer zehn Stück gezählt. Die dunkelrote Farbe lässt darauf schließen, dass sie alle in Betrieb sind. Ich habe noch ein spezielles Programm mitlaufen lassen, das Bewegungen aufzeichnet und analysiert. Das Ergebnis ist, dass sich im Moment ca. 100 Personen in dem Berg aufhalten. Wie viele davon Kämpfer sind und wie viele Wissenschaftler, kann ich natürlich jetzt nicht sagen. Außerdem befinden sich 60 aktive Klone in dem Areal.†œ
Alle waren geschockt. Mit solchen Ausmaßen hatte keiner von ihnen gerechnet. Sogar Drago, der ja bei den Dragons heimlich spioniert hatte, war vollkommen überrascht. Kerstin, der Sonnenschein der Truppe, war die erste, die das bedrückende Schweigen brach. „Wow, das wird aber mal ein geiler Kampf!†œ Drago musste unweigerlich grinsen. „Na, da hat ja wenigstens eine von uns Spaß.†œ Lilli machte sich wieder an ihrem Laptop zu schaffen, und neue Bilder erschienen. „Ich weiß jetzt nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, aber ich habe bis jetzt nur einen Zugang zu dem unterirdischen Labyrinth ausmachen können.

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Er liegt an der Zeremonienplattform oberhalb von Choqequirao. Das ist einleuchtet, da man die Plattform prima als Hubschrauber Landeplatz nutzen kann. Wir müssen uns also nicht aufteilen, um mehrere Zugänge abzudecken, allerdings ist nur ein Zugang auch wesentlich leichter zu verteidigen.†œ
Lilli klappte ihren Laptop zu: „So, dass war es von mir.†œ Duncan erhob sich und stellte sich neben sie. „Danke, Lilli. Das war wirklich sehr aufschlussreich. Ich würde sagen, dass wir diese unerfreulichen Neuigkeiten erst einmal sacken lassen. Wir machen mit unseren Vorbereitungen weiter wie gehabt. An unserer Route nach Choqequirao ändert sich deswegen vorerst nichts. Jeder sollte sich Gedanken darüber machen, wie wir gegen dieses Bollwerk vorgehen. Für mich steht allerdings fest, dass wir diese Klone um jeden Preis vernichten müssen. Nicht auszudenken, welche Macht die Dragons erlangen, wenn sie diese Klone zum Einsatz bringen.†œ Duncan machte eine kurze Pause und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. „Dann ist die Besprechung hiermit beendet. Jeder weiß was er zu tun hat.†œ Alle nickten Duncan schweigend zu und verließen mit nachdenklichen Gesichtern den Raum.

Gavin starrte noch einige Sekunden auf sein Handy, nachdem Duncan das Gespräch so barsch beendet hatte. Zwar hatte er klare Anweisungen erhalten, aber er machte sich Sorgen über die nicht ausgesprochenen Dinge. So aufgebracht und gereizt hatte er seinen Anführer noch nie erlebt. Die ganze Situation ließ alle an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit gehen. Die Idee, Lindsay nach Peru zu bringen, um sich dort mit Duncan zu treffen, gefiel Gavin überhaupt nicht. Das Risiko, das sie damit eingingen, erschien ihm zu groß. Sie würden dadurch womöglich Lindsays derzeitigen Standort verraten und unter Umständen ihre eigene Deckung verlieren. So lange sie nicht mit Sicherheit wussten, ob Lindsay vertrauenswürdig war, sollte er sich auf ein Treffen mit ihr nicht einlassen. Jahrelang hatte Lindsay sie in dem Glauben gelassen, dass sie tot sei. Sie hatte nichts, nichts gegen den Schmerz und die Trauer, die die Bruderschaft über den Verlust empfunden hatte, unternommen. Er mochte sich gar nicht ausmalen, wie es um Dragos Gefühlswelt zur Zeit bestellt war. Allerdings musste er sich zugestehen, dass er neugierig auf Lindsays Geschichte war. Was hatte sie dazu getrieben, was waren ihre Beweggründe dafür einfach so zu verschwinden? Warum hatte sie Drago derart verletzt? Hatte sie ihm nur etwas vorgespielt und ihre wahren Gefühle vor ihnen verborgen? Drago hatte nicht nur seine Partnerin verloren, durch den erlittenen Verlust kam es zu Spannungen, und er hatte sich von der Bruderschaft abgewandt. Und letztendlich blieb die Frage, wer ihr geholfen hatte. Es musste einen Mitwisser in der Bruderschaft geben, denn wie hätte sie es bewerkstelligen können, ihren Selbstmord derartig überzeugend zu inszenieren. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr kam er zu der Erkenntnis, dass es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für ein Treffen war. Gavin beschloss, das Treffen hinauszuzögern, bis ihre Mission in Peru abgeschlossen war. Sie hatten so lange nichts von Lindsays Existenz gewusst, da kam es auf etwas mehr Zeit auch nicht. Er hatte seine Entscheidung getroffen, sie würden noch heute in Richtung Peru aufbrechen. Den Auftrag nicht zu gefährden, war wichtiger und schließlich wollte er Lucy der Gefahr eines Treffens nicht aussetzten, auch als Katze war sie nicht unverwundbar.
Sie sollten sich noch ein paar Stunden Ruhe gönnen und versuchen nach dem anstrengenden Tag und der langen Nacht noch ein wenig Schlaf zu finden. Lucy hatte sich in einem Sessel zusammengerollt und war vor Erschöpfung eingenickt. Sanft schob er seine Arme unter ihren Körper, hob sie hoch und trug sie zum Bett. Sie murmelte verschlafen etwas, das wie „ich komm ja gleich†œ klang und öffnete dabei die Augen. Er legte sich neben sie und zog sie ein seine Arme. „Mo cridhe, mi gradhaich a thu, schlaf weiter, wir haben noch Zeit†œ, raunte er ihr ins Ohr. „Was es auch bedeutet, es klingt wunderschön. Was hast du zu mir gesagt?†œ „Das ist Gälisch und bedeutet, mein Herz, all meine Liebe für dich†œ, erklärte er ihr. „Aber jetzt lass uns noch ein wenig schlafen.†œ
Anfangs lag Lucy in vollkommener Erschöpfung starr auf dem Grund eines dunklen Sees. Langsam tauchte sie an die Oberfläche und vernahm gedämpfte Geräusche und sah undeutliche Gestalten in einem Krankenzimmer. In einem Bett lag ein bleiches, kleines Mädchen. Maria. Eine der verschwommenen Gestalten stellte sich an die Seite des Bettes. Sie gehörte zu der Gruppe der grausamen Mädchen, die Maria misshandelt und geschlagen hatte. Die Gestalt streckte einen Arm aus und legte eine Hand auf den Mund des Mädchens. Die Kleine riss vor Schmerz und Furcht die Augen auf. Unfähig sich zu rühren, Maria zu schützen oder zu verteidigen, musste Lucy das in ihrer Starre mit ansehen. Sie starrte in Marias Augen, die glasig wurden, als sie starb.
Mit einem erstickten Keuchen fuhr sie aus dem Schlaf. Gavin hielt sie bereits in seinen Armen und wiegte sie tröstend hin und her. „Pst. Du hast geträumt.†œ Er küsste sie zärtlich auf die Schläfe. „Ich bin bei dir. Halt dich an mir fest. Es war nur ein Traum.†œ „Ich bin schon wieder okay.†œ Dennoch vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter und atmete tief ein. Gavin selbst fühlte sich schrecklich hilflos, wenn sie so einen Alptraum durchlitt. Er konnte spüren wie ihr Pulsschlag sich beruhigte und der hässliche Fleck verblasste, den das erlebte Grauen in ihren Gedanken hinterlassen hatte. Sie konnte ihn riechen †“ er duftete nach Aftershave und sich selbst †“ und spürte, dass sein seidig weiches Haar sanft über ihre Wange strich.

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Ihre Welt geriet wieder ins Gleichgewicht. „Möchtest du, dass ich es dir erzähle?†œ „Nur, wenn du es willst. Ich möchte dich nicht noch einmal so gequält sehen.†œ
„Oh†œ, erwiderte Lucy, „wo fange ich an? Das ist wahrlich keine schöne Geschichte, aber ich möchte sie dir erzählen. Ich bin ein Findelkind, man hat mich vor der Tür eines Waisenhauses abgelegt. Ich weiß nicht, wo ich herkomme, noch wer meine Eltern sind. Es gab mal eine Zeit, da wollte ich unbedingt meine Eltern ausfindig machen, aber das, was ich über sie herausgefunden habe, hat mir nicht gefallen. Also hab ich aufgehört zu suchen. Ich bin in einem Waisenhaus in Rom aufgewachsen. Das waren harte Zeiten, niemand hat mir etwas geschenkt. Als Kind war ich relativ klein und von zarter Statur, also Freiwild für die Stärkeren im Heim. Die machten sich einen Spaß daraus mich zu quälen, mir mein Essen zu stehlen oder meine Kleider zu zerreißen. Das zog dann immer Ärger mit den Nonnen nach sich, die mich noch zusätzlich bestraften. Aber, das machte mir alles nichts aus, denn ich kannte es ja nicht anders. Es gab viele Kinder, die noch nicht mal ein Dach über dem Kopf hatten und auf der Straße leben mussten.†œ Lucy machte eine Pause, atmete ein paar Mal tief ein und erzählte dann weiter:
„Eines Tages kam ein kleines, verstörtes Mädchen zu uns. Ich war inzwischen 15 und schloss sie sofort in mein Herz; meine süße Maria. Sie war so klein und unschuldig. Ich versuchte sie so gut es ging vor den anderen Mädchen zu schützen. Es war an einem Sommertag, die Luft war heiß und drückend. Ich war mal wieder zur Strafarbeit verdonnert worden und musste bei sengender Sonne den Hof kehren. Nach getaner Arbeit lief ich in Richtung Waschraum, um mir den Staub abzuwaschen und meiner trockenen Kehle ein paar Schluck Wasser zu gönnen. Man konnte sie schon auf dem Gang hören. Wie eine aufgehetzte Meute Hunde, blutrünstig und grausam. Maria lag zusammengekauert auf den Fliesen vor den Duschen und wimmerte leise. Sie haben sie geschlagen und getreten, und auch nicht aufgehört, als sie schon am Boden lag. Da ist es zum ersten Mal passiert. Ich habe mich verwandelt. Ich habe um sie gekämpft wie eine Löwin um ihr Junges und ein ganz schön blutiges Chaos in den Duschräumen angerichtet. Trotzdem konnte ich sie nicht retten. Sie starb im Krankenhaus an ihren Verletzungen. Das war es dann für mich. Danach bin ich von dort abgehauen und nie wieder zurückgekehrt. Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich gelernt hatte meine Verwandlungen zu kontrollieren. Deshalb konnte ich nie lange an einem Ort bleiben. So habe ich fast ganz Europa kennengelernt. Na ja, und eines Tage traf ich Lilli. Den Rest kennst du ja.†œ Mit von Tränen erstickter Stimme schluchzte sie: „Ich konnte sie nicht retten, ich konnte sie nicht retten.†œ
Gavin konnte Lucys stummes Flehen hören und begann sie zu streicheln. Zärtlich, sanft, tröstlich. Was auch immer er dabei flüsterte, beruhigte ihre aufgewühlte Seele, bis sie sich entspannte und ihm die Führung überließ. Seine Lippen waren warm und weich, als er sie innig und zugleich vorsichtig küsste. Ganz langsam, Stück für Stück, ergab sie sich, und Gavin erlebte wie seine starke, tapfere Soldatin unter seinen Händen weich wie Wachs wurde. Abermals umfing ein Nebel ihr Gehirn. Doch dieses Mal waren in dem Nebel keine Alpträume verborgen, lauerten keine düsteren Gestalten in irgendwelchen Ecken. Es gab nur noch sie und Gavin und die beinahe lässigen Liebkosungen, die sanften, träumerischen Küsse, mit denen er sie langsam, aber sicher in einem Meer der Ruhe und des Friedens untergehen ließ. Herrliche Gefühle überdeckten die Erschöpfung und Verzweiflung, die sich ihrer bemächtigt hatte.
Er hoffte, dass sie jetzt vielleicht noch etwas schlafen konnten †“ friedlicher und ruhiger als zuvor -, doch der Morgen dämmerte bereits herauf. Sie hob eine Hand und vergrub die Finger in seinem dichten Haar. „Du weißt, du bist nicht Schuld an ihrem Tod. Du konntest nicht mehr tun.†œ „Ja, ich weiß, aber es quält mich trotzdem. Wir sollten etwas essen und währenddessen kannst du mir erzählen, was wir heute noch wegen Lindsay unternehmen. Aber erst will ich duschen. Ich brauche noch ein bisschen Zeit für mich.†œ „Also gut†œ, gestand er ihr zu, „während du unter der Dusche stehst, organisiere ich uns ein Frühstück.†œ „Aber vorher muss ich noch mal mit Duncan reden†œ, fügte er in Gedanken an, „und das Treffen mit Lindsay verschieben.†œ

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Peru [Kapitel 13]