7 Fragen an Jost Renner

Geboren wurde ich 1960 und habe – bodenständig wie ich nun mal bin auf Experimente wie Wiedergeburt verzichtet. Dennoch hat meine Geburt (wie die etlicher tausend Anderer) zu einem Riesenskandal geführt, wurde doch sichtbar, daß die pharmazeutische Industrie recht sorglos mit ihren Produkten umging und der Staat dies keineswegs santionieren wollte – bis heute nicht. Contergankind nannte man mich früher, übrigens gern bis in meine Vierziger hinerin. Vielleicht war ja dieser Skandal der Grund, daß man sich beeilte, eine Mauer um Berlin zu bauen, die knapp ein Jahr nach meiner Geburt errichtet wurde.

Irr- und Umwege und Ausweglosigkeiten brachten mich irgendwann dazu, Buchhändler zu werden, also mein Hobby zum Beruf zu machen. Natürlich auf Kosten des Arbeitsamtes, denn die Wirtschaft war so frei, mich als Risiko nicht tragen zu wollen, erst recht nicht nach Maureröffnung, denn seitdem bin ich nur noch im Herzen Buchhändler.

Dafür kaufe und lese ich umso mehr Bücher. Ich habe ja jetzt Zeit. Und wenn ich nicht lese, schreibe ich – auf Facebook halbwegs intelligente Statusmeldungen, in meinem Blog LiebesEnden einigermaßen lesbare Gedichte. Ich lebe also, denke, fühle wie jeder andere Mensch und verweigere mich der medial verlangten Opferrolle. Und sehe das Leben, die Welt und mich gern mal durch die ironische Brille. Die hat mir das Leben verschrieben.

7 Fragen an Jost Renner

1. Mit wem würden Sie gerne für einen Tag den Platz tauschen?

Ich denke, ich möchte nicht tauschen. Ich bin immer nah bei mir und weiß andererseits, daß andere Leben viel mit Dingen und Entscheidungen zu tun haben, bei denen mir die Übersicht fehlt. Ich möchte z.B. nicht nicht – behindert sein, denn ich habe mich an mich gewöhnt und war zudem immer bemüht, die eigene Identität zu wahren. Daraus ergeben sich – vielleicht zu meinen Ungunsten – eine gewisse Sturheit und in Grenzen eine Art Konservatismus.

2. Welche Projekte warten auf ihre Vollendung?

Es gibt nichts, was ich vollenden könnte; es bleibt allenfalls ein Immer – Weitergehen, bis etwas abbricht oder versandet. So habe ich mehr Bücher, als ich in meinen restlichen Jahren noch lesen können werde. Ich werde weiterlesen – und irgendwann bin ich tot. Es bleibt Ungelesenes.

3. Was bringt Sie so richtig auf die Palme?

Ich neige eher zur Enttäuschung, also im eigentlichen Sinne Trauergefühlen, als zur Empörung. Mich ärgert einiges, aber ich versuche darauf mit einem ironischen, manchmal zynischen Hieb zu antworten – und dann ist es gut. Anderes blende ich aus oder nehme es nur zur Kenntnis.

4. Worauf sind Sie besonders stolz?

Ich denke, ich verfüge über eine recht gut, breit gefächerte Allgemeinbildung, weiß, meine Gedanken zu ordnen und sie sprachlich adäquat und korrekt auszudrücken. Ich halte mich zudem für kommunikativ und Menschen zugewandt.

5. Mit welcher historischen Figur hätten Sie sich gerne zum Essen verabredet?

Ingeborg Bachmann, Paul Celan, z.B.

6. Über welche verpasste Gelegenheit ärgern Sie sich noch heute?

Ich ärgere mich nicht. Etwas habe ich verpaßt, aber ich habe zum damaligen Zeitpunkt nicht anders können, als es zu verpassen. Und ich weiß nicht, ob es mir, meinem Lebensglück wirklich zum Guten gereicht hätte, das nicht zu verpassen.

7. Womit haben Sie ihr erstes Geld verdient?

Ich habe einen Minigolf-Platz betreut; vom Fegen der Bahnen und Wege bis zur Ausgabe von Schlägern und dem Verkauf von Eis unterlag alles einen Sommer lang meiner Verantwortlichkeit.
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Ich bedanke mich ganz besonders bei Jost für die Teilnahme an diesem Online-Interview. Er begleitet mich seit fast 5 Jahren – oder vielleicht ist eher umgekehrt – im Netz. Ich schätze seine fundierten Kommentare, liebe seine aussägekräftigen Rezensionen zu anspruchsvollen Büchern, seine sinnliche Lyrik und seine Authentizität überhaupt.

Quelle Foto: © Jost Renner – Facebook

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