Die letzten Tage von Pompeji von Edward Bulwer-Lytton, 1. Baron Lytton

Vorrede aus Die letzten Tage von Pompeji von Edward Bulwer-Lytton, 1. Baron Lytton,
entnommen einer Ausgabe von 1859, die einer früheren Übersetzung von Friedrich Notter von 1836 folgt.

In diesem Werk der Weltliteratur gibt Edward Bulwer-Lytton in seiner „Vorrede“ dem Leser einige aufschlussreiche Einblicke in die Thematik und seine Herangehensweise. Die zitierten Passagen stammen aus einer zeitgenössische Originalausgabe.

EdwardBulwerSo sind denn die Personen natürliche Geschöpfe der Zeit und des Ortes; eben so sehr dürften die Begebenheiten zu der damals bestehenden Gesellschaft stimmen; denn nicht nur die gemeinen Gewohnheiten des Lebens, Feste und Forum, Bäder und Theater, die längst bekannten Thatsachen vom Luxus der Alten sind es, um deren Anschauung willen wir die Vergangenheit zurückrufen; gleich wichtig und von höherem Interesse sind die Leidenschaften, die Verbrechen, die Schmerzen, die Unglücksfälle, welche die Schatten, die wir also ins Leben beschwören, bewegt haben mochten. Wir verstehen eine Weltepoche nur schlecht, wenn wir nicht auch ihr Gemüth unserer Forschung unterwerfen; †“ in der Poesie des Lebens liegt so viel Wahrheit, als in ihrer Prosa. […]

[…] Die erste Kunst des Dichters (des Schöpfers) ist es, seinen Geschöpfen den Lebensodem einzuhauchen, †“ die zweite: ihre Worte und Handlungen der Zeit, in welcher sie sprechen und handeln sollen anzupassen. Letztere Kunst wird vielleicht besser in Anwendung gebracht, wenn man die Kunst selbst dem Leser nicht beständig vor Augen führt, nicht jedes Blatt mit Citationen, jeden Rand mit Noten anfüllt. Fortwährende Hinweisungen auf gelehrte Autoritäten haben bei Werken der Einbildungskraft eben sowohl etwas Ermüdendes als etwas Anmaßendes. Sie erscheinen wie Lobsprüche, die sich der Verfasser auf seine eigene Genauigkeit und Gelehrsamkeit macht, sie helfen nicht seine Ideen in ein helleres Licht zu setzen, sondern paradiren mit seiner Crudition. […]

Edward George Bulwer-Lytton, 1. Baron Lytton, geboren am 25. Mai 1803 in London, gestorben am 18. Januar 1873 in Torquay, war einer der erfolgreichsten englischen Romanautoren des 19. Jahrhunderts.

Bekannt ist Bulwer-Lytton hauptsächlich für seinen Roman Die letzten Tage von Pompeji. Darüber hinaus kennt man auch sein Spätwerk The Coming Race. In diesem beschreibt er eine unterirdisch lebende Gesellschaft, die eine geheime Kraft beherrscht. Dieser Mythos lebte später in der (fiktiven) Vril-Gesellschaft fort und wurde nationalistisch bis rassistisch entfremdet. Der Roman gilt heute als eine der ersten Science Fiction Geschichten.

Mit okkulten Inhalten sind noch andere Werke versehen, so sein Roman Zanoni, in dem es um die Geschichte eines erhabenen Rosenkreuzers geht. 1867 wird er selbst sogar Mitglied der Societas Rosicruciana in Anglia, nachdem er bereits 1854 zusammen mit seinem freimaurerischen Freund Kenneth R.H. Mackenzie in London Eliphas Lévi begegnet war.

Bulwer-Lytton hatte auch eine beachtliche politische Karriere vorzuweisen. Er war lange Jahre Mitglied des britischen Unterhauses, zunächst für die Liberalen (1831†“41) und später für die Konservativen (1852†“1866); außerdem war er 1858 unter Lord Derby †“ wenngleich nur recht kurz †“ Kolonialminister.

Nachden ihm 1838 bereits die Würde eines Baronets (of Knebworth) verliehen worden war, wurde er 1866 als Baron Lytton zum Peer ernannt. Im Jahre 1843, als er Knebworth House geerbt hatte, fügte er seinem Nachnamen „Bulwer†œ entsprechend dem letzten Willen seiner Mutter den Namen „Lytton†œ hinzu.

Seine Frau Rosina Bulwer-Lytton, von der er allerdings seit 1836 getrennt lebte, war ebenfalls Romanschriftstellerin, sein Sohn Robert Bulwer-Lytton wurde Vizekönig von Indien und erhielt dafür eine Earlswürde verliehen.

Im 20. Jahrhundert gelangte Bulwer-Lytton zu ganz neuer und unerwarteter Popularität durch den nach ihn benannten „Bulwer-Lytton fiction contest†œ der San Jose State University. In diesem Wettbewerb geht es in verschiedensten Kategorien darum, den schlechtesten möglichen Anfangssatz eines (fiktiven) Romans zu schreiben. Grund dafür, dass ausgerechnet Bulwer-Lytton als Namenspatron für diesen wenig ehrenhaften Wettbewerb herhalten musste, ist sein berühmt gewordener Anfangssatz zu seinem Roman Paul Clifford: „It was a dark and stormy night …†œ. Dieser Satz inspirierte selbst Peanuts-Hund Snoopy zu schriftstellerischen Meisterleistungen.

In Radioessays, mit der Übersetzung zweier Werke ins Deutsche und durch die aufnehmende Verarbeitung in eigenen Prosawerken unterstrich Arno Schmidt in den letzten Jahren seines Schaffens die Bedeutung von Bulwer-Lytton.

Richard Wagner schrieb seine Oper Rienzi nach dem gleichnamigen Roman Edward Bulwer-Lyttons.

Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji (engl. The Last Days of Pompeii) ist ein Roman von Edward Bulwer-Lytton aus dem Jahre 1834.

PompejiErzählt wird die Geschichte des jungen, reichen Griechen Glaucus und seiner Geliebten Jone, die um 75 n. Chr. in Pompeji leben. Glaucus, der das Leben eines verwöhnten Adligen führt und seine Tage in der Gesellschaft nichtsnutziger, neureicher Tagediebe wie etwa des Patriziers Clodius und des Freigelassenen Diomed verbringt, ändert seine Lebensweise abrupt, als er der Jone begegnet. Diese ist, wie auch ihr Bruder Apäcides, ein Mündel des ägyptischen Zauberpriesters Arbaces, der sie begehrt. Apäcides, von Arbaces in der ägyptischen Religion unterwiesen, ist enttäuscht von dem technischen Mummenschanz, mit dem Arbaces die Gläubigen beeindruckt, und wendet sich dem Christentum zu.

Glaucus und Jone treffen sich und sind auf den ersten Blick verliebt, doch ihrer Liebe stehen einige Hindernisse entgegen. Die reiche Julia etwa will Glaucus für sich gewinnen und bestellt darum bei Arbaces einen Liebestrank. Dieser jedoch will Glaucus als einen Nebenbuhler loswerden und lässt ihr darum ein Gebräu zukommen, das seinen Konsumenten für einige Zeit wahnsinnig werden lässt. In Glaucus verliebt ist auch Nydia, ein blindes Sklavenmädchen, das er von ihren brutalen Besitzern kauft (nicht freilässt), aber nicht behält, sondern Jone schenkt. An Julia verliehen, wird sie zur Botin des Wahnsinnstranks und hofft, der „Liebestrank†œ werde Glaucus für sie, nicht für Julia, entflammen.

Während Glaucus das Gebräu zu sich nimmt, trifft Apäcides auf seinen ehemaligen Lehrmeister Arbaces und droht ihm, dessen Religion als bloße Trickserei zu entlarven. Hieraufhin tötet Arbaces ihn und stellt den zufällig in Wirrnis vorbeistolpernden Glaucus als Täter hin, der daraufhin zum Tod in der Arena verurteilt wird. Einziger Zeuge des Verbrechens ist der Priester Kallistos. Als dieser an Arbaces herantritt, um ihn zu erpressen, sperrt ihn der in seine Schatzkammer ein, um ihn dort verhungern zu lassen. Es gelingt jedoch Nydia, die wegen ihres Wissens um den Trank ebenfalls in Arbaces´ Haus gefangensitzt, eine Botschaft an Glaucus´ Freund Sallust zu senden, woraufhin dieser beide befreit.

Glaucus und ein christlicher Priester (der ihn von der Richtigkeit seiner Lehre überzeugt), werden in die Arena geführt, als Sallust mit Kallistos und Nydia als Zeugen auftaucht und den ebenfalls anwesenden Arbaces anklagt. In diesem Moment bricht der Vesuv aus, und Arbaces nutzt den entstehenden Tumult, um zu entkommen. Nydia führt Glaucus, Jone und Sallust durch das Chaos der Straßen, auf die der Ascheregen niederfällt, zum Hafen, von wo sie entkommen, während Arbaces, Clodius und der Priester wie tausende anderer den Tod finden. Im Wissen, dass Glaucus ihr niemals Liebe, sondern nur Zuneigung entgegenbringen wird, ertränkt Nydia sich. Glaucus und Jone entkommen nach Athen, Glaucus´ Heimat, wo er ebenfalls zum Christentum konvertiert, wie er Sallust nach Rom schreibt.

Don Farrago am 22. März, 2008