„Ich will gemein sein. Schreckliche Gemeinheiten machen, und warum eigentlich nicht“, lauten die ersten Sätze in Victor Lodatos Romandebüt Mathilda Savitch. Mit kleinen Gemeinheiten sucht die dreizehnjährige Protagonistin Mathilda Aufmerksamkeit. Mal verpasst sie einem Mitschüler eine Ohrfeige, lässt von Zeit zu Zeit absichtlich einen Teller fallen oder schneidet sich die Haare kurz.
Dem Leser wird schnell klar, dass die Ich-Erzählerin in einer tiefen Krise steckt. Der Todestag ihrer fast 16-jährigen Schwester Helene jährt sich zum ersten Mal. Helene starb vor einem einfahrenden Zug. Mathilda ist fest davon überzeugt, dass ihre Schwester vor den Zug gestoßen wurde. Unermüdlich macht sie auf die Suche nach Antworten für die Tat und den mutmaßlichen Mörder. Sie kramt in den Sachen der toten Schwester, liest Briefe und knackt schließlich das Passwort und verschafft sich so Zugang zu Helenes E-Mails. Hier taucht die pubertierende 13-Jährige in das Liebesleben der Schwester ein und erfährt Dinge, die sie einerseits ängstigen und andererseits faszinieren. Sie erkennt, dass sie ihre Schwester nicht gekannt hat und quält sich mit Schuldgefühlen. Auf Unterstützung durch die Eltern wartet sie vergeblich, denn beide sind durch den Verlust der ältesten Tochter im Leben wie erstarrt.
„Nicht alles, was man auf dem Herzen hat, schafft es über die Lippen. Vieles geht unterwegs verloren“, heißt es an einer Stelle in dem Roman. In Sätzen wie diesen spiegelt sich das Dilemma in dem Mathilda steckt. Nach außen zeigt sie sich trotzig, intelligent und selbstbewusst, innerlich ist sie zutiefst verunsichert und macht sich Gedanken über das Leben, die Zukunft, die Unendlichkeit.
Es ist erstaunlich wie detailliert, präzise und überzeugend Victor Lodato die Figur der Mathilda Savitch entwickelt hat. Man kann sich ihrer sarkastischen oftmals auch humorvollen Stimme kaum entziehen, der Roman ist perfekt ausgearbeitet.
„Die Stimme von Mathilda Savitch erreichte mich eines Morgens mit einer eigentümlichen Energie. Ich weiß noch, wie ich aus dem Schlafzimmerfenster heraus sah, noch nicht richtig wach, und mir plötzlich die ersten Worte des Romans über die Lippen geflüstert kamen. Als Theaterautor bin ich es gewöhnt, Stimmen zu hören, aber Mathildas Stimme war besonders beharrlich †“ und sagenhaft verführerisch. Die folgenden Jahre habe ich dann damit verbracht, alles aufzuschreiben, was dieses Kind mir gesagt hat. Ich fühlte mich wirklich mehr wie ein Sekretär als ein Schriftsteller“, sagt Victor Lodato in einem Interview. (Das Interview ist komplett nachzulesen beim C.H. Beck Verlag)
Victor Lodato arbeitete 6 Jahre an Mathilda Savitch. Das Ergebnis ist ein wundervolles, beeindruckendes Buch und eine absolute Empfehlung für Jugendliche ab 13 Jahren und auch für Erwachsene.
Die gebundene Ausgabe umfasst 301 Seiten und ist im C.H. Beck Verlag im Juli 2009 erschienen. Der Preis beträgt 17,90 Euro.
Über den Autor
Victor Lodato, in Hoboken, New Jersey geboren, studierte an der Rutgers University und ist Mitglied der Dramatist Guild of America. Für seine erfolgreichen Theaterstücke hat er u. a. Fellowships der Guggenheim Foundation und des National Endowment of Arts erhalten sowie zahlreiche Preise, u. a. vom Kennedy Center Fund for New American Plays.
„Mathilda Savitch“ ist sein erster Roman. Victor Lodato lebt in Tuscon, Arizona und in New York.
(Stand April 2009)
Über die Übersetzerin
Grete Osterwald wurde 1947 in Bielefeld geboren und lebt als freie Übersetzerin aus dem Englischen und dem Französischen in Frankfurt am Main. Sie erhielt u. a. 2001 den Übersetzerpreis des Verlages C.H.Beck und 2007 den Wilhelm-Merton-Preis für ihr umfangreiches Gesamtwerk.