Social Web: Erreicht das Anfängerseminar die Zielgruppe? #BuchSW

Social Web: Erreicht das Anfängerseminar die Zielgruppe?

Das Who-is-Who der deutschen Verlagsszene war dem Aufruf von Lovelybooks gefolgt und hatte seine Teilnahme für die erste Veranstaltung zum Thema †Social Web: Der direkte Kontakt zum Leser†œ am 05.02.10 im Münchner Literaturhaus zugesagt.  Die meisten Verlage hatten Vertreter, zumeist aus dem Bereich des Marketings oder der Pressearbeit, geschickt. Den kleineren Anteil der Teilnehmer stellten die Betreiber von Websites und Blogs, Buchhändler, Autorinnen und Autoren, Lektoren, Literaturagenten, Redakteure und Journalisten. Mehr als 130 Personen trafen sich im Münchner Literaturhaus. Viele waren von weit her angereist. Eine Verlagsmitarbeiterin war um fünf Uhr morgens im Schwarzwald in den Zug gestiegen, andere kamen aus Hamburg oder Berlin.

Mitarbeiterinnen von Lovelybooks verteilten am Eingang vorbereitete Namensschilder und eine Stofftasche mit Werbematerial. In dem Raum neben dem Saal des Literaturhauses standen bereits Stärkungen bereit. Das sollte so bleiben. Das Catering Unternehmen, das Lovelybooks engagiert hatte, versorgte die Teilnehmer den ganzen Tag über mit allerlei Köstlichkeiten.

Lovelybooks hatte kurz vor dem Termin per Mail die Teilnehmer um das Mitbringen ihrer Laptops gebeten. Ebenfalls war schon im Vorfeld der Wunsch geäußert worden, dass alle bereits über einen Twitter- und Facebook-Account verfügen sollten. Für viele war diese Voraussetzung mit Sicherheit eine Überraschung. Schließlich hatte man aufgrund der Programmpunkte erwarteten können, dass jedem Teilnehmer der Umgang mit Twitter und Facebook vermittelt werden sollte.

Die Stuhlreihen waren mit diversen Steckdosenleisten versehen, und so saßen alle mit ihren Laptops auf den Knien pünktlich im Saal und versuchten über die genannten WLAN-Zugangsdaten Kontakt zum Netz herzustellen. In der Mitte der Bühne, hinter dem Rednerpult, befand sich eine große Leinwand. Hier wurden die jeweiligen Benutzeroberflächen, die die Referenten für ihre Vorträge zur Veranschaulichung  benötigten, auf eine Leinwand projeziert. Links davon befand sich eine ebenso große Leinwand, die sogenannte Twitterwall. Den ganzen Tag wurde das Gezwitscher mit dem Hashtag #BuchSW von Twitter in den Saal übertragen. Das sorgte für einige Belustigung, führte allerdings auch zu Ablenkungen bei den Teilnehmern und Irritationen bei den Referenten. Die Veranstaltung wurde per Livestream ins Web übertragen.

Um 10 Uhr begrüßte Sandra Dittert, eine der Gründerinnen von Lovelybooks, die Teilnehmer und stellte die Wirtschaftsinformatikerin und Gründerin der österreichischen Firma Digitalks, Meral Akin-Hecke, als Moderatorin für das Event vor. Mit Meral Akin-Hecke hat Lovelybooks eine sympathische Moderatorin gewählt, die die Veranstaltung souverän leitete.

Planmäßig trat Leander Wattig als erster Referent hinter das Rednerpult und erklärte, welche Tools, und damit meinte er in erster Linie Facebook und Twitter, wichtig sind und wie die Buchbranche durch die Nutzung dieser Plattformen auf sich aufmerksam machen kann. Schnell wurde sichtbar, welch schwierigen Spagat er versuchte. Viele der Teilnehmer sind längst online-versierte Fachleute, für den Rest war der Vortrag eindeutig zu fachlich. Dies verleitete das anwesende Literaturcafé dazu hinter Wattigs Rücken: „Habe den Eindruck, dass #BuchSW als Anfängerseminar nicht die Zielgruppe erreicht“, zu twittern. Vielleicht hätte Leander Wattig am Ende der Veranstaltung in einer Zusammenfassung für mehr Klarheit bei den „Newbies“ sorgen können.

Im Anschluss erklärte Nina Reddemann vom Hanser Verlag, auf sehr anschauliche Art und Weise, wie ihr Unternehmen mit Facebook und Twitter arbeitet. Der Hanser Verlag betreibt seit August 2009 eine Facebook-Seite und hat diese auf seine Website integriert. Das Ergebnis sind ca. 300 Fans. Die Erkenntnis, dass Verlage es nicht gewohnt sind mit den Lesern zu kommunizieren, ist sicherlich die erste Voraussetzung für einen Sinneswandel in der Verlagsbranche. Je mehr Fans z.B. bei Facebook, umso größer ist die Erreichbarkeit der Leser und Kunden. „Ich will nicht Fan eines Verlages sein, sondern ich will Fan eines wirklich guten Buches sein …“, lautete allerdings die Botschaft auf der Twitterwall.

Nach einer kurzen Kaffeepause, die alle für lebhafte Diskussionen nutzten, sprach Christian Horvath von morgenjungs.com über Social Networks am Beispiel Facebook. So hat der Autor Daniel Glattauer über eine Facebook-Seite, die der Hanser Verlag eingerichtet hat und betreut, bereits 2555 Fans. Das sind über acht Mal mehr als der Verlag selbst verzeichnet hat. Der Knaur Verlag, dessen Team sich oft via Twitter und auch persönlich zu Wort meldete, zwitscherte die Zahl 696 für den relativ neuen Pan Verlag – das Ergebnis einer sehr aktiven Arbeit auf Facebook. Hingegen haben nur 47 Buchhandlungen Fanpages mit insgesamt lediglich 4000 Fans. Im weiteren Verlauf wurde über den Umgang mit den Fans gesprochen und wie man am besten mit Kritik umgehen sollte.

Thomas Pfeiffer von webevangelisten.de sprang nach der Mittagspause für die Web 2.0-Spezialistin Nicole Simon, die kurzfristig abgesagt hatte, ein und berichtete über das Thema „Twitter, viel mehr als nur unnötiges Gezwitscher. Gemeinsam probieren wir es aus.“ Prompt erschien wiederum eine höhnische Bemerkung von dem Literaturcafé auf der Twitterwall: „Jetzt wird den 95% der anwesenden Twitterer Twitter erklärt. #BuchSW.“ Thomas Pfeffers Bitte mal kurzzeitig aufs „Twittern“ zu verzichten, löste eher das Gegenteil aus und so ging seine Erklärung über die Funk­ti­ons­weise die­ses Micro­blog­ger­diens­tes fast unter.

Ein Highlight der Veranstaltung war auf jeden Fall der Auftritt von Krimiautor und Entertainer Andreas Franz. Ihm wurde mit Hilfe von Thomas Pfeiffer ein Twitter-Account (@krimifranz) eingerichtet, auch wenn er offen bekannte, dass er Sinn und Zweck der Nutzung von Twitter noch nicht erkannt habe. Und so schickte er kurzerhand einen Gruß an seine Tochter, überbrückte sehr unterhaltsam mit Smalltalk eine kurze technische Panne und verschwand wieder. Zuvor hatte er noch aus dem „Hashtag“ einen „Haschtag“ gemacht und damit für weitere Belustigung bei den Teilnehmern im Saal und im Livestream gesorgt.

Mar­cus Rafels­ber­ger setzte das Thema „Autoren im Social Web“ im Anschluss fort. Im Wesentlichen teilte er mit, dass er trotz seiner intensiven Aktionen im Netz wenig Erfolg damit hat.
Nachtrag: Aufgrund von technischen Problemen, wurde der Vortrag von Marcus Rafelsberger leider etwas verstümmelt. „Das wird der Sache nicht gerecht“, sagt der Autor von „Menschenteufel“. Sein erster Krimi erschien im September 2009 im Emmons Verlag. Seine Präsentation steht als PDF-Datei auf der LoveleyBooks-Site zum Download zur Verfügung. Absolut lesenswert sind seine detaillierten Ausführungen für alle Autoren, die gerade versuchen ihre eigenen Publikationen zu vermarkten. Wer die Tipps beherzigt, kann mit Sicherheit viel Zeit sparen und auch erfahren, was eben doch etwas bringt.

Susanne Martin, Inhaberin der Schillerbuchhandlung, vermittelte in ihrem Vortrag sehr anschaulich die Möglichkeiten für den stationären Buchhandel. Sie nutzt sowohl Twitter als auch Facebook und arbeitet mit dem Medium Podcast für die Vorstellung ihrer Bücher.

„Gerade einmal fünf Sortimenter waren bei der Konferenz Social Web im Münchner Literaturhaus. Aber können wir Buchhandlungen es uns denn leisten zu sagen: keine Zeit? Reicht eine Homepage noch aus? […] Entwickelt sich das Internet nicht immer mehr zur inzwischen deutlich spürbaren Konkurrenz für den stationären Buchhandel? Reicht eine Homepage noch aus †“ sollten wir nicht vielmehr auch versuchen, noch auf anderen Kanälen ins Gespräch zu kommen mit unseren Kundinnen und Kunden, von denen auch immer mehr immer mehr Zeit vor dem PC verbringen?“[…]

Das Feedback zum Event von Frau Martin unter dem Titel „Keine Zeit fürs Social Web?“ auf Buchreport.de (08.02.2010)

Karla Paul, die Betreiberin der Buchkolumne, seit kurzem Angestellte bei Lovelybooks, ging zum Abschluss der Veranstaltung als letzte Referentin gegen 16 Uhr auf die Blogosphäre ein: „Was bewirken Multiplikatoren im Social Web, und wie finde ich die Richtigen“ war ihr Thema. Ihre Empfehlung lautete authentisch zu sein und sich treu zu bleiben.

Dem kann ich mich nur anschließen.

Schön war´s und interessant, und ein Anfang sich auf die anstehenden Veränderungen in der Buchbranche vorzubereiten. Vielen Dank an LovelyBooks!

Reaktionen über die Veranstaltung im Netz:

Zukunft im Social Web? BuchMarkt, 06.02.10
Lovelybooks-Event †œSocial Web†: Gedanken zur Nutzung von Social Media in der Buchbranche Meine Verlag-Blog, 06.02.10
Präsentationsfolien zu meinem Vortrag auf dem LovelyBooks-Event LeanderWattig, 06.02.10
Lovelybooks-Event: Betreutes Twittern im Münchner Literaturhaus Das Literatur-Café, 07.02.10
Die Vorträge zum Nachhören auf LovelyBooks 08.02.2010
Nebenberuf: Kommunikator Cronenburg  08.02.2010
Social Media für die Buchbranche: Bringen Twitter & Co. wirklich Leser? Recht und Sprache, 08.02.2010

7 Gedanken zu „Social Web: Erreicht das Anfängerseminar die Zielgruppe? #BuchSW

  1. Die Verlage müssen sich langfristig neu orientieren, wollen sie nicht ihre Kundschaft verlieren. Immer mehr verlagert sich die Kundschaft ins Internet. Insbesondere der Buchhandel musst bereits die Auswirkungen spüren, die Umsätze sinken. Das E-Book treibt das Ganze noch weiter voran, wer jetzt nicht reagiert, verliert.

  2. Willkommen Kelvan,
    das Interesse an der Veranstaltung wäre wohl nicht so groß gewesen, wenn nicht die Buchbranche die Zeichen der Zeit erkannt hätte. Inwieweit die Umsätze im Buchhandel momentan sinken, ist mir leider nicht bekannt, aber ich meine gelesen zu haben, dass die Umsätze derzeit doch noch etwas steigen. Aber das E-Book wird über kurz oder lang sicherlich für Veränderung sorgen.
    LG

  3. „Erreicht das Anfängerseminar die Zielgruppe?“ Mir erscheint die Fragestellung fehl am Platz. Im Gegensatz zu vielen der Branchenveranstaltungen und -konferenzen, die ich im Laufe der Jahre besucht habe, ging man in München mit der heterogenen Zielgruppe (die im übrigen eher die Regel als die Ausnahme ist) sehr gut um, mit einem einführenden Opener Leander Wattigs bis hin zu den Beispielen aus der Praxis, die auch Fehlschläge oder Unsicherheiten klar benannten. Zusammen mit der multimedialen Überforderung des einen oder anderen (Livestream, Twittern, Twittwall) wurde hier schlicht klar gezeigt, dass selbst die „Veteranen“ des SocialMedia keinen klaren Weg oder Plan aufzeigen können. Es gibt nicht einen, sondern viele Wege, und einige davon stellen sich im Nachhinein schlicht als Unfug heraus.
    Aber ohne Ausprobieren kann man diese Erfahrungen eben nicht machen, und diese Neugier habe ich im Gespräch mit einigen „Newbies“ ganz klar gemerkt, die gerade wegen der Offenheit der Vortragenden jetzt selbst etwas Mut zum twittern oder facebooken gefasst haben.
    Und auch ein Teil der alte Hasen oder Häsinnen will einige der eigenen Aktivitäten überdenken, wenn schon nicht angeregt durch die Vorträge, dann durch Gespräche mit Kollegen.
    Und das war das eigentlich Überraschende (und Schöne) dieser Veranstaltung – trotz aller Virtualität und digitalen Vernetzung tun Menschen eben doch noch eines fürs Leben gern: direkt miteinander reden, sich kennenlernen.

  4. Hallo Steffen,
    nun, für mich war es die erste Veranstaltung dieser Art, und ich hatte direkt Bedenken im Vorfeld, ob ich da überhaupt hingehöre. Meine Neugier war größer, und so habe ich mich angemeldet.
    Ich bin wirklich begeistert, meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen, es herrschte eine total nette Atmosphäre, alle war aufgeschlossen. es war kurzweilig und spannend und wahrscheinlich gerade wegen der Twitterwall ein wenig chaotisch.
    Zwei junge Verlagsmitarbeiter haben mir erzählt, dass sie sich gewünscht hätten, ihre Chefs und Vorstände wären hingegangen. Die reizende Autorin neben mir hatte ihr Passwort für ihren neu angelegten Twitter-Account vergessen, sie flüsterte mir zu, dass sie sowieso nichts twittern würde und sich auf Facebook auch nicht auskenne. Ich könnte dir weitere Beispiele aufzählen, aber letztendlich hast du ja recht, wenn du sagst, dass sich die gesamte Branche in einer Orientierungsphase befindet und noch niemand ein Patentrezept liefern kann. Fakt ist wohl, je aufgeschlossener mit der Thematik Social Web umgegangen wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit den Anschluss nicht zu verpassen. Wir werden sehen wie sich das entwickelt. Direkt miteinander reden, sich kennenlernen hätte ja fast bei uns auch geklappt, na ja, vielleicht dann beim nächsten Event und solange virtuell. 😉
    LG

  5. Das Problem ist: wenn Chefs oder Vorstände in München dabei gewesen wären, hätte das chaotischanarchische vielleicht auch kontraproduktiv sein können – die sind andere Arten der Veranstaltung gewöhnt 😉
    Chefs lassen sich idR „extern“ nur durch Analysen/Erfolge überzeugen, was bei so schwammigen Themen wie SocialMedia sehr schwer ist – Erfolgsmessung bzw. Nicht-Erfolgsmessung war ja ein Thema auf der Veranstaltung. Zur Not hilft der alte Trick mit dem Hinweis, dass die Verlegerkollegen von xyz das auch machen würden. Ein Me-Too-Effekt ist in der Verlagsbranche sehr ausgeprägt…
    Im übrigen bin ich öfters in München, können uns also gerne mal über den Weg laufen 😉

  6. genau das machen wir und erstellen dann einen Masterplan. 😆
    Ich habe ja tausend Ideen im Kopf wie man z.B. die Buchhandlungen wieder zu einem „guten Dienstleister“ machen könnte, wie die Verlage Blogs besser einbinden könnten, etc. ..

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