Black Dagger Ladies Online
Cuba Libre
Kapitel 15
Gavin erkannte die Sprache sofort, es war die Elfensprache. Zwar sprach Lilli mit einem Dialekt, der bei den Waldelfen gesprochen wurde, aber er konnte sie trotzdem verstehen. Langsam bewegte er sich ein paar Schritte nach vorne. Lucy schaute ihn an und formte mit den Lippen ein lautloses „Was?†œ. Gavin schaute wie gebannt auf Lilli. „Sie will mit dem Vieh verhandeln†œ, flüsterte er. Die Bestie sah furchterregend aus, wie ein mutierter Wolfshund. Sie hatte die Größe eines Bären, die riesigen Fangzähne waren entblößt und Speichel lief an ihnen herunter. An den Pranken konnte man messerscharfe Krallen sehen. Lilli redete weiter ruhig und konzentriert auf das Untier ein. Doch nun schlich die Bestie ein, zwei Schritte auf Lilli zu, duckte sich und fing an gefährlich zu knurren. Sie machte sich anscheinend zum Angriff bereit. Fernando stieß ebenfalls ein tiefes, lautes Knurren aus, seine Fänge blitzten auf und er wollte sich dem festen Griff von Duncan entreißen. Lilli ließ das Tier nicht aus den Augen, machte aber eine beruhigende Handbewegung hinter ihrem Rücken und zischte leise: „Kerstin, Angie, geht bitte langsam im Bogen um uns herum und verstellt dem Tier den Fluchtweg. Lucy, du musst mir unbedingt meine Schwerter holen. Schnell! Die anderen bleiben bitte unbedingt wo sie sind, egal was jetzt gleich passiert! Haltet euch raus! Besonders du, Fernando! Ich weiß ganz genau was ich tue, also bleibt unbedingt weg!†œ Jetzt redete Lilli wieder mit der Bestie, ihre Stimme wurde immer lauter und fordernder. Angie und Kerstin setzten sich vorsichtig in Bewegung und umrundeten die beiden Kontrahenten. Lucy rannte wie der Teufel zum Lager und schnappte sich Lillis Schwerter. Doc zupfte Gavin am Ärmel. „Sie fordert ihn zum Kampf heraus! Oh, Mist, jetzt greift er an!†œ, rief Gavin und schon nahmen die Dinge ihren Lauf. Die Bestie rannte auf Lilli zu und setzte zum Sprung an. Fernando riß sich von Duncan los und wollte zu Lilli rennen. Aber Bowen packte ihn von hinten, Drago drehte sich blitzschnell um und fing ihn ab. Fernando schrie gepeinigt auf und musste im Klammergriff der beiden hilflos zusehen, was weiter passierte. Lilli rannte der Bestie entgegen. Bevor diese zum Sprung ansetzte, sprang Lilli mit einem perfekten Salto über sie hinweg. Noch ehe sie wieder den Boden berührte, fing sie ihre Schwerter, die Lucy ihr zielsicher zugeworfen hatte, auf. Die Bestie drehte sich sofort nach Lillis Landung wieder um und stürzte sich ihr erneut entgegen. Die anderen schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Lilli drehte sich leicht um die eigene Achse und stellte sich in den Rücken des heranstürmenden Tieres. Jetzt war sie genau in der Position, die sie angestrebt hatte. Die Bestie warf den Kopf herum, um erneut auf Lilli loszugehen, doch plötzlich verharrte sie in ihrer Bewegung. Ihr Kopf befand sich genau zwischen den scharfen, gekreuzten Klingen von Lilli. Jetzt reichte eine kurze, kleine Bewegung aus dem Handgelenk und die Bestie hätte auf der Stelle ihren Kopf verloren. Auge in Auge standen sie sich gegenüber. Lilli sprach erneut in der Elfensprache auf das Tier ein. Nach einer kurzen Zeit schloss das Tier seine blutroten Augen und neigte den Kopf. Lilli ließ ihre Schwerter sinken. Sie stieß sie links und rechts neben sich in den Boden. Die Bestie senkte die Vorderbeine, neigte den gewaltigen Kopf vor ihr, bis die Stirn den Sand berührte. Doc flüsterte ganz aufgeregt: „Schaut nur, die Bestie gibt auf und erkennt Lilli als ihre Meisterin an. Oder verstehe ich da jetzt was falsch?†œ Gavin drehte sich um. „Nein Doc, das siehst du ganz richtig. Lilli hat der Bestie die Wahl gelassen, für ihren Herrn zu sterben oder Lilli als neue Herrin anzuerkennen.†œ Lilli beugte sich nun hinab zu dem Ungetüm und strich ihm mit der Hand sanft über Kopf und Rücken. Dabei murmelte sie immer wieder die gleichen Wörter. Alle schauten gebannt auf die Szene. Doc zupfte Gavin wieder am Ärmel: „Und, was macht die Lilli jetzt?†œ „Sie führt ein Befreiungsritual der Elfen durch. So etwas habe ich noch nie gesehen, nur davon gehört. Aber es sind eindeutig die Worte für Befreiung, die sie immer wiederholt.†œ In dem Moment leuchtete Lilli hell auf, die Konturen der Bestie fingen an zu flimmern und das Tier schrumpfte. Dann lag ein ganz normaler schwarzer Hund vor Lilli auf dem Boden. Sie ließ ihre Hand sinken und öffnete die Augen. Der Hund stellte sich vor sie, fing an mit dem Schwanz zu wedeln und leckte ihre Hand. „Schon gut, Kleiner. Geh nach Hause zu deinem Herrchen, er vermisst dich bestimmt†œ, sagte Lilli freundlich zu ihm und tätschelte seinen Kopf.
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Der Hund drehte sich um, dann trottete er vergnügt zwischen den Bäumen davon. Lilli stand auf und drehte sich erschöpft lächelnd um. Jetzt gab es kein Halten mehr. Alle stürzten jubelnd auf sie zu, Fernando natürlich vorneweg. Er riss sie von den Füßen und hielt sie fest an seine Brust gedrückt. Duncan und Bowen wußten ganz genau, was jetzt in ihm vorging. „So Leute, kommt, wir kümmern uns um unser Lager und lassen die beiden mal Luft holen. Lilli wird uns nachher erzählen, was hier genau passiert ist. Dürfte eine gute Geschichte fürs Lagerfeuer werden†œ, sagte Duncan und zog Angie mit sich zurück zum Rastplatz. Die anderen folgten ihnen und ließen Lilli und Fernando allein. Lilli fing an zu zappeln und nuschelte an Fernandos Brust: „Nando lass mich bitte runter. Ich bekomme keine Luft mehr und du erdrückst mich gleich.†œ Fernando stellte Lilli wieder auf ihre Füße und nahm jetzt liebevoll ihr Gesicht in seine Hände. „Ich dachte, dass ich dich verlieren würde!†œ Noch bevor Lilli antworten konnte, küsste er sie ungestüm und verzweifelt. All seine Ängste und sein Glück sie unbeschadet zurückbekommen zu haben, lagen in diesem Kuss und Lilli erwiderte ihn. Ebenfalls glücklich darüber, heil aus dieser Sache heraus gekommen zu sein. Fernando beendete den Kuss und zog sie, diesmal behutsam und zärtlich, wieder hoch an seine Brust. Lilli genoß dieses Gefühl von Geborgenheit und Schutz und schmiegte ihr Gesicht an seines. Stundenlang hätten sie so verweilen können, doch da rief schon Doc nach ihnen. „Lilli, Nando, Essen fassen!†œ Beide lachten gelöst auf und Fernando ließ Lilli wieder auf den Boden sinken. „Es geht doch nichts über geregelte Mahlzeiten†œ, sagte Lilli, nahm Fernando an der Hand und eilte mit ihm zurück ins Lager. Kaum waren sie mit dem Essen fertig, platzte es aus Doc heraus. „Los, erzähl! Ich halte es nicht mehr aus! Was für ein Tier war das jetzt und was ist da jetzt genau passiert? Was hast du mit der Bestie gemacht?†œ Lilli lachte. „Ja, ja, immer der Reihe nach. Ich erzähl ja schon. Aber ich muss ein wenig ausholen.†œ Alle suchten sich einen Platz und schauten gebannt auf Lilli. „Also, das war ein „Schwarzer Höllenhund†œ und ich kenne ihn aus den Erzählungen meiner Vorfahren. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einem begegne. Es handelt sich dabei um ganz normale Hunde, die durch schwarze Magie in Bestien verwandelt werden. Ich habe ihn mit einem alten Elfen-Ritual von der Magie befreit, jetzt ist er wieder ganz der Alte. Und ich weiß jetzt auch, woher die schwarze Magie kommt, mit der die Dragons arbeiten.†œ Doc war ganz zappelig. „Weiter, weiter†œ, sagte sie aufgeregt. Lilli lächelte Doc an und erzählte weiter. „Die Dragons müssen einen schwarzen Druiden in ihren Reihen haben. Das ist ein uralter Feind von uns Waldelfen. Vor einigen Jahrhunderten wandten sich einige Druiden von der guten Seite ab und verfielen der schwarzen Macht. Sie beherrschten damals den Teutoburger Wald. Sie waren gierig, machthungrig und blutrünstig. Sie unterdrückten die Menschen auf brutalste Art und Weise, und wer aufbegehrte, wurde vernichtet. Die Horden von „Schwarzen Höllenhunden†œ, die die Druiden geschaffen hatten, waren bekannt und sehr gefürchtet. Wenn sie in ein Dorf einfielen, blieb niemand am Leben, es waren schreckliche Gemetzel. Ein paar mutige Menschen machten sich dann irgendwann auf die Suche nach dem „Ewiggrünen Waldreich†œ, in dem wir Waldelfen lebten. Damals standen die Menschen den mystischen Wesen ja etwas aufgeschlossener gegenüber als heute. Sie hofften, dass die Elfen ihnen gegen die Druiden helfen konnten. Meine Vorfahren entschieden sich dann, mit den Menschen zu gehen und mit ihnen gegen die Druiden zu kämpfen. Die Kämpfe dauerten Jahrzehnte, es war ein regelrechter Krieg und er forderte auf beiden Seiten viele Opfer. Schließlich errangen wir Elfen und die Menschen den Sieg, aber ein paar schwarze Druiden konnten fliehen und treiben nun weiterhin ihr Unwesen. Einige Waldelfen blieben allerdings im Teutoburger Wald, um die Menschen, mit denen sie friedlich zusammenlebten, weiter zu beschützen. Meine Familie war eine davon. Mein Bruder und ich sind die letzten Überlebenden. Jetzt ist mir auch klar, warum Vito so darauf drängte, dass ich mein Erbe antrete. Er weiß, dass die Dragons einen Schwarzen Druiden haben, und dass ich ihn mit dem uralten Wissen meiner Sippe besiegen kann. So das war†™s! Zufrieden?†œ
Doc sprang auf. „Voll und ganz! Das ist ja mal wieder eine geile Geschichte und eine tolle Vorstellung! So langsam komme ich mir vor wie Alice im Wunderland.
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Jeden Tag ist Action und laufend entdecken wir neue Fähigkeiten an uns. Das ist doch echt krass!†œ Sie war ganz aufgekratzt und hatte vor Aufregung ganz rote Wangen. Duncan lachte. „Ja, das muss man schon sagen, ihr Mädels seid eine echte Wundertüte, immer wieder voller Überraschungen.†œ Lucy stand auf und grinste. „Da will ich doch auch mal was Überraschendes dazu beitragen.†œ Sie machte sich an einem Rucksack zu schaffen und packte doch tatsächlich alle Zutaten für einen „Cuba Libre†œ aus. Gavin half ihr beim Mixen und Austeilen der Drinks. „Ja, das ist wohl jetzt der richtige Zeitpunkt, um mal zünftig anzustoßen, obwohl leider die Eiswürfel fehlen†œ, sagte er und lächelte in die Runde. Alle saßen da und schauten abwechselnd zu Lucy, Gavin und den Cuba Libre in ihrer Hand. Sie waren kurz sprachlos. „Ich habe es ja gesagt, Wundertüte! Na dann, Prost!†œ, rief Duncan und erhob sein Glas. Alle prosteten sich zu und genossen den unerwarteten Drink. Die Stimmung war wieder gelöst und heiter und sie saßen bis tief in die Nacht plaudernd um das Lagerfeuer herum.
Im Lager war Ruhe eingekehrt. Endlich. Die Nacht war kühl und feucht. Aber das machte Lucy nichts aus. Sie genoss die Stille und die Einsamkeit. Sie hatte mit ihren Schwestern und den Brüdern einen ausgelassenen Abend, am Lagerfeuer sitzend und Cuba Libre schlürfend, verbracht. Irgendwann beendete Duncan die kleine Feier. „Er schickt uns in die Zelte wie kleine Kinder auf einem Zeltausflug †“ pfhh…†œ, dachte sie, hielt sich aber zurück den Gedanken laut auszusprechen. Gavin zog sie hoch und führte sie, den Arm beschützend um sie gelegt, zu ihrem Zelt. Ihm waren ihre Stimmungsschwankungen den ganzen Abend nicht verborgen geblieben, er hielt es aber für Nervosität. Er kannte das. Vor jedem großen Kampf ergriffen ihn und seine Brüder eine innere Unruhe, die sie manchmal aufzufressen drohte. Jeder hatte eine andere Art, damit umzugehen. Duncan zum Beispiel wurde noch mürrischer als sonst, während Bowen eher herum alberte und blödelte. Drago verdrosch so ziemlich alles, was sich nicht bewegte und wegrennen konnte. Bei ihm selbst stieg die Körpertemperatur an, sein Feuer war entfacht und nur mit Mühe konnte er es als zurückhalten. Sie schlüpften in ihre Schlafsäcke und kuschelten sich aneinander. Lucy lag mit dem Rücken zu Gavin, der sie dicht an sich zog. Seine Arme hatte er um sie geschlungen und ein Bein besitzergreifend über sie gelegt. „Was soll das? Ich bekomme ja keine Luft mehr†œ, fauchte sie ihn an. Aber Gavin war schon eingeschlafen und konnte sie nicht mehr hören. „Na toll, ich komme mir vor wie auf dem heißen Stein.†œ Lucy zwang sich zur Ruhe. Sie versuchte mentale Entspannungsspielchen, doch selbst Mäuse zählen half nichts. Der Schlaf, der dringend benötigte Schlaf, wollte sich nicht einstellen. Ganz langsam nahm sie Gavins Arm und platzierte ihn neben seinen Kopf, schob sein Bein von ihr runter und rückte allmählich von ihm ab. Dann stand sie auf und ging nach draußen. Niemand schien etwas bemerkt zu haben, und nun saß sie allein am Feuer. Sie stocherte mit einem Stock in der Glut und hing ihren trüben Gedanken nach. Was war eigentlich los mit ihr? Es lief doch alles Bestens. Sie hatte einen wundervollen Partner gefunden, der sie liebte und den sie liebte. Ja, okay, er hatte ein paar Probleme, aber niemand reist wirklich ohne Gepäck. Die Gemeinschaft mit ihren Schwestern war so fest, wie schon lange nicht mehr. Die Tage auf See hatten sie noch enger zusammengeschweißt.
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Und bei den Brüdern gab es auch keine Reibereien mehr. Also, warum nur war sie so aufgewühlt? Und warum nur ging ihr alles und jeder auf die Nerven?
Gavin schlug die Augen auf und wusste sofort, hier stimmte etwas nicht. Der Schlafsack neben ihm war leer, keine Spur von Lucy. Er zog rasch seine Jeans über und trat, noch bevor er den ersten Knopf schließen konnte, aus dem Zelt. Gavin musste nicht lange suchen. Er fand Lucy vor sich hin murmelnd am Feuer. Sie wirkte so niedergeschlagen, so deprimiert. Also doch nicht Nervosität, da war noch etwas anderes. Ohne ein Wort setzte er sich ihr gegenüber. Lucy sah zu ihm auf und murrte: „Oh, ich habe dich geweckt. Tut mir leid, das wollte ich nicht.†œ Gavin zog eine Augenbraue hoch und betrachtete sie eingehend. „Das klang aber eher nach – mir doch egal, verschwinde wieder – und nicht nach einer Entschuldigung. „Was ist los, Lucy?†œ „Alles ist gut. Wirklich. Alles ist gut!†œ Und dabei dachte sie wirklich „lass mich allein†œ. „Lucy, rede mit mir. Dich bedrückt doch etwas. Das sieht man dir an.†œ „Na toll, jetzt denkt jeder hier, die Lucy hat einen an der Klatsche. Prima†œ, rief sie verärgert. Am meisten ärgerte sie aber, dass sie ihre Gefühle und Stimmung nicht nach außen verbergen konnte. Was sollte sie Gavin nur sagen, sie hatte doch selbst keine Erklärung. „Bitte, rede mit mir. Glaub mir, das hilft. Das hast du mir beigebracht. Du warst da, als ich nicht mehr weiter wusste, du hast mir den Weg gezeigt. Und jetzt möchte ich dir helfen.†œ „Ja, aber wobei denn? Es ist doch alles Bestens. Angies Zauberkräfte werden immer stärker, Kerstin entdeckt Fähigkeiten von denen sie nichts wusste, Doc kann nahezu alles heilen und Lilli ist eine Königin.†œ Den letzten Satz schrie sie heraus. „Lilli ist deine beste Freundin. Freust du dich denn nicht für sie?†œ „Klar freue ich mich für sie. Ich wusste ja schon immer, das sie was Besonderes ist. Ich wusste das, tief in mir drin. Aber, …†œ „Was aber, was ist Lucy? Was noch?†œ „Ach, ich versteh nicht, was sie mit einer Streunerin wie mir will. Ich versteh euch alle nicht. Was wollt ihr von mir?†œ Lucy konnte sich nicht mehr zurückhalten, alle Dämme waren gebrochen. Ihre Tränen brannten heiß auf ihren Wangen. Gavin schaute sie mit Unverständnis an, wagte es aber nicht, sie jetzt zu unterbrechen. Es war gut, dass sie sich endlich Luft machte. „Gavin, ich bin euch hier doch nur im Weg. Ich kann euch doch hier gar nicht helfen. Ich bin nur ein kleines Schmusekätzchen, kann doch gar nichts Besonderes†œ, schluchzte sie. Das war es also, dachte Gavin. Sie hatte Zweifel. Nicht an ihren Schwestern, sondern sie zweifelte an sich und ihren Fähigkeiten. „Lucy, das siehst du falsch. Du bist hier niemanden im Weg. Du bist genau so ein Teil dieses Teams, wie Lilli, Angie oder Duncan†œ, versuchte er sie aufzumuntern. „Wen willst du eigentlich hier verarschen, Gavin? Wie kann ich euch denn schon großartig helfen? Ich kann doch nichts. Ich weiß ja nicht mal, wo ich herkomme. Was kann ein Schmusekätzchen schon ausrichten gegen Dämonen, dunkle Magie oder sonst was? Soll ich sie zu Tode schlecken, sag mir, was?†œ Mit den letzten Worten sprang sie auf. Gavin wollte sie in den Arm nehmen, sie trösten und die Selbstzweifel vertreiben. Doch Lucy ließ es nicht zu. „Bleib von mir weg. Bleib weg!†œ, schrie sie ihn an und lief dann davon. Der Zorn und die Entschlossenheit in ihrem Blick ließen ihn innehalten. So aufgewühlt wie sie war, kam er jetzt eh nicht zu ihr durch. Also ließ er sie gehen. Lucys Gefühlausbruch war im Lager natürlich nicht unbemerkt geblieben. Mit sorgenvollem Blick trat Lilli zu Gavin. „Was ist eigentlich los, Gavin? Ich habe leider nur Bruchstücke mitbekommen, ich war †“ äh †“ ein bisschen abgelenkt.†œ „Die Kurzfassung? Sie fühlt sich nicht als gleichwertiges Mitglied dieser Gruppe. Sie denkt, sie sei schwach und unfähig zu helfen.†œ „Oh je, so etwas habe ich mir schon gedacht. Ich geh ihr nach und ich rede mit ihr†œ, sagte Lilli bestimmt. „Ich suche sie und bringe sie zurück. Verlass dich auf mich.†œ Mit den Worten verließ auch Lilli das Lager und folgte Lucy in die Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, und da hörte Lilli sie schluchzen. Um sie nicht zu erschrecken, rief Lilli ein paar Mal nach ihr. Lucy saß zusammengekauert an einen Stein gelehnt, die Hände um die Knie geschlungen, den Kopf zwischen den Knien.
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Lilli nahm sie in die Arme, wiegte sie nur hin und her, ohne ein Wort zu sagen. Allmählich beruhigte Lucy sich wieder und die Tränen versiegten. „Ich bin die schlechteste Freundin, die man haben kann†œ, brachte sie schniefend hervor. „Pssscht, bist du nicht, und das weißt du auch†œ, entgegnete Lilli. „Doch, ich bin schlecht, ich bin total neidisch auf dich. Nicht, dass ich mich nicht für dich freue, oh doch, ja, total sogar, aber es frisst mich von innen auf. Ihr seid alle so toll, und ich kann nichts. Ich bleibe hier im Lager, ich gehe nicht weiter mit, ich bin euch keine Hilfe – Ende der Diskussion†œ, sagte sie entschlossen. Lilli, die sie ohne Unterbrechung ausreden ließ, fing an grün zu leuchten, nur ganz leicht, anfangs kaum wahrnehmbar. „Freundin, ich werde dir jetzt nicht aufzählen, was du alles schon für mich oder die Schwestern oder Gavin getan hast. Nein, das mache ich nicht. Das weißt du alles. Du hast ne totale Mattscheibe, wenn ich dich daran erinnern muss. Jede von uns ist einzigartig, jede hat ganz besondere Fähigkeiten, auch Du, meine Liebe. Du gehörst genauso zum Team wie alle anderen auch. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass du je im Weg gewesen wärst†œ, schimpfte sie drauflos. „Meine Güte, du führst dich auf wie ein pubertierender Teenager. Auf jetzt, zurück ins Lager, hier ist es zu gefährlich†œ, sagte Lilli und reichte Lucy ihre Hand. Widerstandlos ließ sich Lucy auf die Füße ziehen. Die Standpauke hatte gesessen und das schlechte Gewissen machte sich breit. Lilli, immer noch wütend, stapfte voran in Richtung Lager zurück, ließ Lucy aber nicht aus den Augen. Ein folgenschwerer Fehler, denn Lilli stolperte über eine herausstehende Wurzel, fiel der Länge nach hin und schlug mit dem Kopf auf einen Stein. Lucys Reaktionszeit reichte nicht, um den Sturz abzufangen. Lilli lag auf dem Bauch und rührte sich nicht. An ihrer Schläfe klaffte eine stark blutende Wunde. Lucy drehte sie vorsichtig auf die Seite, hielt aber mitten in der Bewegung inne, schloss die Augen und atmete tief ein. Dieser Geruch kam ihr vertraut vor. Gefährlich, aber vertraut. Was war das nur? Die Antwort auf diese Frage ließ nicht lange auf sich warten. Offensichtlich angelockt von dem Blut, stand ein riesiger Berglöwe hinter ihr und fauchte sie wild an. Noch wartete er ab, aber es war nur noch eine Frage von Sekunden, dann würde er zum Sprung ansetzen. Lilli war immer noch ohne Bewusstsein und somit vollkommen hilflos. Lucy handelte instinktiv. Sie drückte auf ihrem Handy am Gürtel auf die Notruftaste, eine kleine technische Raffinesse, die sie auch bei allen anderen Handys installiert hatte. Das Handy setzte nicht nur den Hilferuf ab, sondern sendete auch ein Signal mit der genauen Position. „Halte durch Lilli, Hilfe ist unterwegs†œ, rief sie ihrer bewegungslosen Freundin zu. Der Berglöwe fauchte und brüllte, er musste unglaublichen Hunger haben oder krank sein. Er machte sich zum Angriff bereit. „Na, dann komm doch, Freundchen†œ, brüllte sie zurück und rannte auf die wilde Großkatze zu. Der Puma duckte sich, trippelte mit den Hinterbeinen in typischer Katzenmanier und sprang. „Du kriegst sie nicht†œ, schrie Lucy und hechtete nach dem Puma, um ihn von Lilli abzulenken. Sie stießen in der Luft zusammen und stürzen gemeinsam zu Boden. Kerstin und Gavin waren zuerst da, dicht gefolgt von Jane und Duncan. Jane und Kerstin kümmerten sich sofort um die verletzte Lilli. Duncan und Gavin sollten reichen, ihnen den Rücken freizuhalten. Ungläubig beobachteten sie den Kampf und konnten kaum glauben, was sie da sahen. War das wirklich Lucy, die da gegen einen Puma kämpfte? Gavin hatte Lucy bislang nur als kleines Kätzchen gesehen und niemals gedacht, dass sie sich in einen mächtigen Puma verwandeln konnte. Die Kämpfenden wirbelten so viel Staub auf, dass kaum etwas zu erkennen war. Sie wollten eingreifen, aber sie wussten nicht, wer von den beiden Lucy war. Hier kratzten und bissen zwei riesige, wütende Berglöwen miteinander. Lilli, inzwischen aus ihrer Ohnmacht erwacht, Kerstin, Jane, Duncan und Gavin mussten tatenlos zusehen. Sie konnten nicht riskieren, aus Versehen den falschen Puma zu erlegen. Das Risiko, Lucy zu verletzen, war zu groß. Einer der Pumas musste gerade einen schweren Hieb einstecken, eine tiefe Risswunde zog sich quer über seine Flanke. War das schon die Entscheidung zu Gunsten des anderen Pumas? Der verletze Puma blickte nur kurz zu Lilli und sprang erneut auf die Pfoten.
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Dieser kurze Blick reichte Lilli zur Gewissheit. Der verletzte Puma war Lucy. Auch Kerstin hatte dies bemerkt, griff unauffällig zu ihrer Waffe und entsicherte sie. Sie zielte, bereit einen sicheren tödlichen Schuss abzugeben. Gavin legte eine Hand auf die Waffe und drückte sie nach unten. „Lass sie, sie schafft das schon.†œ Die Pumas hatten sich erneut ineinander verkeilt, kämpften verbissen um Leben oder Tod. Lucy mobilisierte ihre letzten Kraftreserven und drosch auf den feindlichen Puma ein. Mit ihrer riesigen Pranke schlug in so schneller Abfolge zu, dass es mit dem bloßen Auge nicht mehr zu erkennen war. Der Puma taumelte benommen, die Chance, den Kampf endgültig zu beenden. Sie packte den Puma mit ihren Fängen im Genick und schleuderte ihn gegen eine Felswand. Schwer keuchend sackte sie in sich zusammen und verwandelte sich wieder zurück in ihre menschliche Gestalt. „Sieh doch nur†œ, rief Kerstin und deutete in Richtung des besiegten Pumas – aber da lag kein Puma mehr! Unterhalb des Felsens lag ein junger Mann. Sein völlig nackter Körper war zerschunden und zerkratzt. Blut sickerte aus mehreren Wunden. Lucy schleppte sich auf ihn zu und drehte ihn auf den Rücken, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er schlug die Augen auf, sein Blick war klar und fest auf Lucy gerichtet. „Schwester, endlich habe ich dich gefunden!†œ, waren seine letzten Worte, bevor er in die Dunkelheit sank.
Gerade als ich dem Ruf der Natur gefolgt war und wieder zurück ins Zelt wollte, sah ich, wie Lilli das Lager verließ. Komisch. Wohin will sie nur so ganz alleine? Nach den Ereignissen der vergangenen Tage beschloss ich, ihr lieber zu folgen. Ich hatte noch Duncans Worte im Ohr: „Keine Alleingänge†œ! Na ja, ich bin ja nicht allein, beruhigte ich ihn in Gedanken und ging leise weiter. Da hörte ich sie nach Lucy rufen. Oh, Lucy war auch unterwegs? Aber da hatte ich die beiden schon entdeckt. Beruhigt drehte ich mich um, um schnell wieder ins Lager zu kommen, bevor Duncan mein Fehlen bemerkte. Doch meine Rückkehr wurde plötzlich unterbrochen. Wie aus dem Nichts stand eine große Gestalt vor mir und versperrte mir den Weg. Sie war in einen dunklen Umhang gehüllt, der bis auf den Boden reichte, und dort, wo normalerweise das Gesicht war, konnte ich nur unnatürliche Schwärze erkennen. Eine riesige Kapuze, die tief über den Kopf gezogen war, vervollständigte diese Schreckensgestalt. Nur die Augen! Rot glühende Augen leuchteten in der Dunkelheit und starrten mich finster an. Ich stand wie erstarrt und spürte sofort das absolut Böse, das diese Person umgab. Bevor ich auch nur einen Laut von mir geben, oder irgendwie reagieren konnte, hatte mich die Gestalt gepackt, wirbelte mich herum, drückte mich mit meinem Rücken an seinen Körper und hielt mich mit einem eisernen Griff umklammert. Seine klauenartigen Finger pressten sich auf meinen Mund. Ein stichartiger Schmerz in meinem Kopf signalisierte mir sofort… er versuchte in meinen Kopf einzudringen und meine Gedanken zu lesen. Gott sei Dank war ich in der Lage solche Angriffe sofort abzublocken! Da murmelte er einige unverständliche Worte, und ich konnte plötzlich keinen Muskel in meinem Körper mehr bewegen. „ Keinen Laut, sonst stirbst du gleich hier! Hast du verstanden?†œ, zischte er mit einer hohl klingenden, unheimlichen Stimme in mein Ohr. „Ob du verstanden hast, hab ich gefragt, Hexe?†œ Er schüttelte mich und lachte höhnisch, als ich mit dem Kopf nickte. „ Sehr schön!†œ Wer war das bloß? So jemanden hatte ich noch nie gesehen! Seine bösartige schwarze Aura prickelte auf meiner Haut, sodass ich mich unwillkürlich kratzen wollte, aber ich konnte nicht mal den kleinen Finger heben. „Ich weiß, warum ihr hier seid. Ich kenne euch! Ich bin der erste und mächtigste Wächter der Dragons. Mehr brauchst du nicht über mich zu wissen.
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Aber ich will wissen, wo euer Lager ist, und wer meinen Lieblings-Höllenhund Cerberus vernichtet hat. Ich werde jetzt meine Hand von deinem Mund nehmen. Wehe du gibst einen Laut von dir, dann breche ich dir sofort das Genick, verstanden?†œ Sein eisiger Atem streifte meine Wange, und ein kalter Schauer rann mir den Rücken herunter. Wieder nickte ich. Jetzt konnte ich mir denken, wer er war. Das musste der schwarze Druide sein, von dem Lilli erzählt hatte. Oh mein Gott, er darf das Lager niemals finden! Hoffentlich halten Docs und meine Schutzzauber auch gegen seine schwarzen Kräfte. Wenn Doc doch nur hier wäre. Sie wüsste bestimmt, wie man den Kerl besiegen kann. Langsam wanderte seine Hand zu meiner Kehle, und er zischte wieder in mein Ohr. „Wir werden jetzt deine kleinen Freundinnen dort besuchen und vielleicht plaudern sie ja ein paar Geheimnisse aus. Hehe, keine Angst, Hexe, sie werden uns nicht sehen und hören, dafür werde ich schon sorgen.†œ Wieder murmelte er einige merkwürdige Worte und schon schob er mich vor sich her. Da sah ich auch schon Lucy auf einem Stein sitzen. Lilli sprach auf sie ein. „Siehst du, Hexe, sie bemerken uns nicht. Also, ich will wissen wo euer Lager ist, sonst…†œ Seine Klaue drückte etwas fester zu, und seine Stimme klang sehr bedrohlich. Doch ich brachte keinen Ton raus. „Ach, du willst nicht? Okay, ein Leben gegen ein Leben! Sieh genau hin!†œ Wie von Geisterhand schoss eine Wurzel aus dem Boden und Lilli, die hinter Lucy ging, stolperte und schlug mit dem Kopf auf einem Stein auf und blieb bewegungslos liegen, bevor ich auch nur eine Warnung ausrufen konnte. „ Was soll das? Lass sie in Ruhe!†œ Vor lauter Anstrengung mich zu befreien, traten mir Schweißperlen auf die Stirn, aber ich konnte mich immer noch nicht bewegen. „Oh nein, das war erst der Anfang. Wollen doch mal sehen, wie dir das schmeckt.†œ In der Dunkelheit schlich ein ausgewachsener Puma mit geschmeidigen Bewegungen an uns vorbei, drehte seinen Kopf zu uns, sah kurz zu dem Druiden und schlich dann , den Kopf gesenkt, mit zuckender Schwanzspitze, die gefährliche Eckzähne gebleckt, weiter. Seine Augen fixierten die am Boden liegende Lilli. Ein lautes Grollen erfüllte die Luft. Er war bereit zum Sprung. Ich konnte nur ein entsetztes „ Nein!†œ flüstern und hielt die Luft an. Doch Lucy sprang ihm entgegen. Sie verwandelte sich noch im Sprung in einen riesigen Puma und griff ihn sofort an. Da hörte ich die Anderen herbeieilen, direkt neben mir liefen sie zu dem Kampfschauplatz ohne uns zu bemerken oder zu sehen. Der Druide zog mich mit aus dem Weg und raunte in mein Ohr: „ Wir zwei sind zwar unsichtbar, aber immer noch da!†œ Verzweifelt rief ich: „ Aufpassen! Er ist hier!†œ Doch keiner von ihnen reagierte, sie konnten uns wirklich nicht hören! Doc lief sofort zu Lilli, beugte sich über sie und behandelte ihre tiefe Wunde. Duncan lief so dicht neben mir her, dass ich ihn mit ausgestreckten Fingern hätte berühren können, aber ich war noch immer bewegungsunfähig. Das machte mich halb wahnsinnig. „Oh, da haben wir ja schon ein paar von denen, sie sind schnell, aber es wird ihnen nichts nützen!†œ, kicherte der Druide hämisch. Als Norbert so ziemlich als letzter eintraf, zeigte er nur mit dem Finger auf ihn. Norbert stürzte, wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, zu Boden und blieb regungslos liegen. Drago, der ein Stückchen neben ihm lief, erging es nicht viel besser. „Sind sie tot?†œ, flüsterte ich entsetzt. „Wer weiß?†œ, flüsterte der Mistkerl hinter mir. „Vielleicht ja, vielleicht nein. Oh, dann wollen wir doch mal sehen, was deine kleine Freundin so macht.†œ Wieder kicherte er und hob einen Finger. Auf Lucys Flanke zeigte sich plötzlich ein tiefer Riss. Das Blut, das sofort zu strömen begann, machte ihren Gegner nur wilder. Beide schenkten sich nichts, es war ein Kampf auf Leben und Tod. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich musste etwas tun, irgendetwas! Schnell blickte ich zu Doc, die noch immer bei Lilli stand. Lilli war wieder bei Bewusstsein, aber noch schwankte sie leicht und klammerte sich an Docs Arm. Beide verfolgten den Kampf. Da nahm Fernando Lilli in seine Arme und Doc sprach leise mit Kerstin, die sich zu ihnen gesellt hatte. Ich konzentrierte mich voll auf Doc und hielt meinen Blick fest auf ihren Kopf gerichtet. Eindringlich sprach ich in Gedanken zu ihr: „Doc! Jane! Kannst du mich hören? Bitte!†œ „ Angie!†œ Ich zuckte zusammen. Woher kam plötzlich diese Stimme in meinem Kopf?
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Es war jedenfalls nicht die von Doc! „Angie, lass dir nichts anmerken! Dieser Druide ist sehr gefährlich. Noch spielt er nur mit euch, aber er kann euch alle blitzschnell mit einem Fingerschnippsen töten. Also, bleib ganz ruhig. Doc kann dich nicht hören, noch nicht. Aber ich kann zu ihr durchdringen und werde euch helfen, so gut ich kann.†œ Oh nein! Diese Stimme! Wie abgefahren ist das denn jetzt? Meine Augen suchten die Lichtung ab und blieben an dem kleinen Felsen hängen, auf dem vorhin noch Lucy gesessen hatte. Da stand er…Zorro! Ungläubig starrte ich ihn an. Er sah mich eindringlich an und hielt einen Finger an seinen Mund. „Die anderen können mich nicht sehen, auch der Druide nicht. Nur du.†œ „ Aber warum? Ich verstehe überhaupt nichts mehr! Wieso kann nur ich dich sehen? Was willst du hier? Zum finalen Schlag ausholen, oder was?†œ, schrie ich ihn in Gedanken wütend an. „Nein, natürlich nicht! Ich wurde von Vito geschickt, er war es, der mich von diesem Dämon, der mich über Jahrzehnte in seiner Gewalt hatte, befreit hat. Warum nur du mich sehen kannst? Weil du vor Kurzem mit schwarzer Magie in Berührung gekommen bist, darum hat der Druide auch dich ausgesucht!†œ „Ich traue dir nicht einen Meter weit.†œ „Du musst aber! Bitte! Ich weiß ja, wie schwer das für dich ist, nach allem, was ich euch angetan habe, besonders dir. Aber es ist überlebenswichtig für euch alle! Bitte!†œ Mein Verstand sagte nein, doch mein Gefühl sagte etwas anderes. Misstrauisch sah ich in seine Augen. Dieser Blick von ihm, so total anders, ungewohnt, irgendwie… aufrichtig. Tief atmete ich ein. „Also gut.†œ Erleichtert schloss er die Augen und sprach dann leise weiter, seine Stimme klang immer noch sehr eindringlich. „Okay, hör genau zu. Docs Kräfte allein reichen leider nicht aus, um diesen Bastard zu vernichten. Aber ihr beide zusammen könnt es schaffen. Doc muss sich an seinen Namen erinnern! Unbedingt! Nur sie weiß ihn. Sie ist ihm vor vielen Jahren schon einmal begegnet. In ihr schlummern Kräfte, von denen sie noch nichts weiß, und in dir auch. Ich werde mich jetzt gedanklich mit ihr verbinden und ihr alles erklären. Ach ja, und nur du wirst sie gleich noch sehen können. Dann muss ich verschwinden, weil ich sonst sichtbar werde.†œ „Halt, nicht so schnell! Wer sagt mir, dass du die Wahrheit sagst? Was ist mit Norbert und Drago? Sind sie tot?†œ Alleine der Gedanke trieb mir die Tränen in die Augen. „Das kann dir niemand sagen. Aber bitte glaube mir, nur dieses eine Mal! Und nein, sie sind nicht tot, noch nicht, er hat sie in eine Zwischenwelt geschickt, in der sie aber nicht lange überleben können. Angie, ich… ich… es tut mir alles so unendlich leid. Ich bin gleich verschwunden, aber ich will, dass du das weißt. Ich erwarte auch nicht, dass du mir verzeihst, wirklich nicht. Ich wünsche euch von ganzem Herzen viel Erfolg. Du brauchst mir nicht zu antworten, ich verstehe schon. Ich werde jetzt mit Doc reden, und dann bin ich weg.†œ Er sah mich noch einmal traurig an und wand sich dann zu Doc. Schnell sah ich zu ihr und im gleichen Moment erstarrte sie, hielt aber ihren Blick auf den Boden gesengt. Unmerklich nickte sie und flüsterte dann Kerstin, die direkt neben ihr stand, etwas zu. Langsam schob sich Doc hinter sie und schlenderte wie zufällig in Richtung Felsen, wo noch vor Sekunden Zorro gestanden hatte, von dem nichts mehr zu sehen war. Kerstin sah einen Moment erstaunt auf die Stelle, wo Doc noch vor einer Minute gestanden hatte, ließ sich aber weiter nichts anmerken. Ich fühlte noch immer die eisige Hand an meiner Kehle und konnte mich immer noch nicht bewegen. Dieser gedankliche Austausch mit Zorro hatte nur wenige Sekunden gedauert. Die grausame Stimme des Druiden drang wieder an mein Ohr. „Willst du mal was Lustiges sehen?†œ, kicherte er und zeigte nur mit dem Finger in die Richtung der Pumas. Erleichterung durchfuhr mich, er hatte von Zorro nichts mitbekommen. Doch da hörte ich ein lautes Krachen. Entsetzt sah ich, wie einer der Pumas an einen entfernten Felsen geschleudert wurde. Gott sei Dank war es nicht Lucy! Denn was sich da am Fuß des Felsen in einen Menschen verwandelte, war definitiv keine Frau! „So war das aber nicht vorgesehen!†œ, zischte der Druide wütend hinter mir und schob mich zu dem am Boden liegenden, wow, in jeder Hinsicht gut gebautem Mann. Immer noch bemerkte uns niemand. Fernando lief zu dem Verletzten, der mittlerweile in eine tiefe Ohnmacht gesunken war und rief laut nach Doc.
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Doch die stand noch bewegungslos am Felsen und plötzlich sprach sie mit mir: „ Keine Angst! Wir schaffen das schon! Zorro hat mir alles erzählt, und… ich glaube ihm!†œ Wie immer klang ihre Stimme beruhigend und zuversichtlich. „Ich habe Kerstin ein bisschen eingeweiht. Nur von dir konnte ich ihr nichts erzählen, dazu fehlte einfach die Zeit. Zu zweit schaffen wir das!†œ „ Okay†œ, signalisierte ich ihr stumm. Alle sahen sich suchend nach Doc um. „Angie? Wo ist Angie?†œ, brüllte Duncan plötzlich und sah sich hektisch um. Die anderen blickten sich erschrocken an. Sie hatten wohl jetzt erst bemerkt, dass ich überhaupt nicht dabei war. Bowen wurde gerade von Kerstin flüsternd über Docs geplantes Verschwinden informiert, als auch sie sich suchend umblickte und zu Duncan rief: „Ich dachte, sie ist bei dir.†œ „ Nein!†œ, antwortete er verzweifelt. „Oh nein!†œ Er raufte sich die Haare und suchte die ganze Umgebung nach mir ab, und ich musste tatenlos zusehen! „ Oh, der Arme. Sucht er seine Gespielin? Er wird sie aber nicht finden! Hahaha!†œ, lachte das Monster hinter meinem Rücken. „So, ich will noch ein bisschen spielen. Du auch? Bestimmt, das wird lustig. Pass auf!†œ Sein Finger zeigte auf… Bowen. Wie vom Blitz getroffen viel dieser in Sekundenschnelle in sich zusammen und landete hart auf dem Boden. „Er ist nicht tot, Doc. Glaub mir. Das gleiche hat er mit Norbert und Drago gemacht†œ, rief ich schnell in Gedanken, als ich hörte, wie Doc entsetzt aufschrie, und zu ihm wollte. Nur mit äußerster Willenskraft blieb sie stehen wo sie war, und ich konnte sehen, wie sie die Zähne zusammen biss. Plötzlich hörte ich Duncan rufen: „Schnell! Gavin und Fernando zu mir! Ich habe Norbert und Drago gefunden!†œ „Ach ja? Dann willst du wohl auch bei deinen Freunden sein Thorpe?†œ, säuselte der Druide und ich schrie auf: „Nein! Rühr ihn nicht an! Sonst…†œ „Was sonst? Du bist nicht in der Position um mir zu drohen!†œ
„ Oh doch!†œ Und dann überschlugen sich die Ereignisse.
Der Druide zeigte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger auf Duncan, im selben Moment schleuderte Doc einen ihrer Energiebälle auf den Feind. Und traf! Der Druide verkrampfte sich und löste so unfreiwillig den Griff um Angies Hals. Er krümmte sich zusammen, und kleine lilafarbene Blitze zuckten über seinen Körper.
„Angie, schnell komm rüber zu mir! Er erholt sich umgehend wieder†œ, rief sie und fixierte mit ruhigem Blick den Druiden. Schnell lief Angie zu Doc rüber, erleichtert nahmen sie sich kurz in den Arm. „Geht´s dir gut?†œ „Ja†œ, hauchte Angie und sah sich schnell um. „Angie, du musst dich darauf konzentrieren gedanklich mit mir zu sprechen, er hört dich sonst.
Duncan kniete mittlerweile neben Norbert und Drago, er inspizierte genauestens die Umgebung, nichts war zu sehen. Was hatte sie niedergestreckt? Kerstin stand neben ihm und sah extrem besorgt aus. Gavin tupfte vorsichtig das Blut von Lucys Wunden und Fernando kümmerte sich gemeinsam mit Lilli um Bowen und den Bruder von Lucy. Keiner von ihnen ahnte auch nur, in welcher Gefahr sich Angie und nun auch Doc befanden.
Langsam erhob sich der Druide wieder und blickte hasserfüllt hinüber zu dem Felsen vor dem Angie nun neben Doc stand. „Du!!!†œ Er zeigte auf Angie. „Wer ist hier noch?†œ Doc konnte er immer noch nicht sehen. In seinen rot lodernden Augen blitzte der blanke Hass auf. Er war das grausamste Wesen, das die beiden je zu Gesicht bekommen hatten. Doc versah ihn mit noch einem Energieball, um etwas Zeit zu schinden.
„Doc, wie werden wir diesen Skelletor los?†œ „Zorro hat mir gesagt, dass durch das Vampirblut, was wir getrunken haben, unsere magischen Fähigkeiten enorm gewachsen sind.
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Wir müssen ihn gemeinsam mit einem Spruch belegen. Er ist irgendwie auch ein Dämon. Früher hieß er Godfrey und gehörte zu den Guten. Mittlerweile ist er mehr und mehr von den dunklen Mächten besessen. Ich kenne auch seinen dämonischen Namen, damit können wir ihn bezwingen. Ihn zu wissen, verleiht uns die nötige Macht dazu . Wenn wir den Zauber aktivieren, werden wir auch wieder sichtbar und sind wieder bei den anderen. Er kann dich nicht länger unerkannt hier festhalten. Du bist eine geborene Hexe Angie, du hast mächtige Kräfte. Durch Moggovitors Zauber bin ich unsichtbar, aber nicht für dich, nur der Druide kann mich deshalb nicht sehen. Also los.†œ
„Okay. Und wie genau funktioniert das?†œ Jane flüsterte ihr die Worte zu. Dann erklärte sie schnell weiter. „Wir sprechen den Zauber zusammen. Danach musst du in dich gehen und dich auf dein magisches Licht konzentrieren. Es ist in dir und du kannst es freisetzen, so ähnlich funktioniert das auch mit meiner Energie. Denk einfach daran, was er mit Duncan machen wollte. Vertrau mir, und glaub an dich. Du schaffst das!†œ Während dieser hastigen Unterhaltung, war nur ein kurzer Moment verstrichen.
Der Druide hatte sich mittlerweile wieder gefangen und schwebte langsam zu den beiden herüber. Jane streckte beide Arme von sich, die Handflächen zeigten gen Himmel. Ein helles Licht fiel auf sie nieder. Nein, Doc leuchtete, sie erstrahlte von innen heraus. Ein bisschen sah sie aus wie ein Engel, aber das würde Angie ihr lieber nicht erzählen, denn wenn Jane eines nicht war, dann das. Für solche Gedanken war jetzt ohnehin keine Zeit. Sie erhob ebenfalls die Arme und dann begannen beide leise die Formel aufzusagen, dreimal hintereinander, anfangs nur ein leises Murmeln, und dann mit immer kräftigerer Stimme.
„Bael Mordoch, wir entbinden dich der Macht deines Herren Astaroth.†œ Die Luft um sie herum vibrierte immer stärker vor magischer Kraft.
„Du Hexe! Woher kennst du meinen Namen? †œ, fluchte er.
„Angie, jetzt!†œ Sie straffte ihren Körper, atmete tief ein und die Luft um sie herum begann zu knistern.
Mittlerweile konnten die anderen sie wieder sehen, verwirrt starrten sie die beiden an und dann auf die schwarze Gestalt, die sich ihnen immer noch näherte.
„Bleibt alle wo ihr seid†œ, rief Doc ihnen zu. Bael blickte sie an, ein bösartiges Grinsen umspielte seinen halbverwesten Mund. „Ach, der kleine Bastard vom Merlin. Du auch hier? Ich dachte, du würdest auch in Avalon feststecken so wie alle anderen. Na, wie gefällt dir, dass ich den Zugang zerstört habe? Ob dein Vater noch sauer ist, dass ich deine Mutter direkt nach der Geburt tödlich verflucht habe?†œ Stinksauer feuerte Doc noch einen Energieball auf Bael ab. der daraufhin zuckend in die Knie ging. Dabei fing er an unglaublich verrückt zu lachen. „Du kannst mich nicht zerstören mit so ein bisschen mickriger, weißer Druidenmagie, ich bin so viel älter und mächtiger als du!†œ
„Nein, da hast du Recht, aber wir haben noch was viel Besseres.†œ Das war das Stichwort. Angie streckte ihre Arme nach vorne. Ihre Handflächen deuteten in Richtung des Schwarzmagiers. Sie war konzentriert, wütend und wunderschön zugleich. Jane, die ihr folgte, hatte das Gefühl, die Luft um sie herum würde ihr die Haare versengen. Sie nahm den Geruch von uralter magischer Macht wahr. In Angie sammelte sich eine unbekannte Kraft tief in ihrem Innersten. Auch sie leuchtete nun von innen heraus. Eine starke Energiewelle brodelte in ihr wie ein Vulkan und verlangte nach einem Ventil. Da entlud sich eine große Welle nach außen. Mit einem lauten Knall schoss ein greller Blitz aus ihren Händen hervor und traf den Druiden.
Er fing fürchterlich zu schreien an, es war ein grauenvoller Laut, als ob mehrere Wesen gleichzeitig schrien. Allen stellten sich die Nackenhaare auf. Jane, die auch immer noch leuchtete, feuerte unablässig ihre Energiebälle auf den Druiden ab. Der Himmel zog sich zusammen, es fing an zu regnen und ein Donner grollte in weiter Ferne.
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Er hallte in den Bergen wieder und schuf eine gruselige Atmosphäre. Als Angie ein weiteres Mal ihre Kraft auf Bael losließ, bebte der Boden leicht. Hinter ihnen schlug ein Blitz in den Felsen, der laut krachend entzwei brach. Die Schreie des Druiden waren bei dem Lärm des Gewitters nicht mehr zu hören. Ein letztes Mal noch ließ Angie mit einem Kampfschrei einen Blitz auf den Druiden ab. Dann blieb er reglos am Boden liegen. Keuchend sank sie auf die Knie. Doc ging auf den am Boden liegenden Bael zu, beugte sich hinunter, und fühlte seinen Puls. „Er lebt noch!†œ Dann zog sie einen Dolch aus dem Halfter an ihrem Bein und stieß ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, in sein schwarzes Herz.
Mit einem lauten Zischen begann dieser sich aufzulösen und sickerte in die Erde. Nichts blieb übrig von ihm. „Jetzt nicht mehr!†œ, sagte sie mehr zu sich selbst und erhob sich langsam. Sie schwankte in Richtung Angie und sank neben ihr auf die Knie. Die beiden wirkten so erschöpft, als hätten sie seit Wochen nicht geschlafen. „Angie, du bist einfach unglaublich.†œ Mit letzter Kraft lächelte sie sie an. „Du aber auch. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert†œ, entgegnete Angie. Danach sanken ohnmächtig in sich zusammen.
„Angie, wach auf!†œ Duncan, der das ganze Geschehen entfernt beobachten musste, war zu ihr geeilt. Er zog sie vorsichtig auf seinen Schoß. Zärtlich strich er ihr über das Gesicht und bedeckte sie mit Küssen. Er flüsterte leise Dinge in ihr Ohr, um sie zu wecken. Doc bekam eine nicht ganz so liebevolle Behandlung von Kerstin, die ihr ganz leicht ein paar Ohrfeigen verpasste. „Doc, komm endlich zu dir!†œ Janes Augenlider flackerten und dann öffnete sie sie ganz vorsichtig. „Durst.†œ Kerstin hielt ihr die Feldflasche an den Mund, Doc trank und setzte sich dann auf.
„Man, das war ja was.†œ Dann blickte sie neben sich und beobachtete Duncan und Angie, die sich langsam in seinen Armen zu regen begann, mit halb geschlossenen Augen, murmelte sie leise „Duncan, du kratzt, bitte rasier dich doch endlich mal.“ Duncan lächelte sie liebevoll an und presste sie an sich. Die Erleichterung war in sein Gesicht geschrieben.
„Als du plötzlich wie vom Erdboden verschluckt warst, das war ja abgefahren. Und ich soll so tun, als ob ich nichts gesehen hätte.†œ Kerstin blickte sie neugierig an. „Tut mir leid, ich hatte nicht genug Zeit für genaue Erklärungen. Ich musste noch kurz mit Ef-Ef sprechen. Der war ja in meiner Hosentasche. Wo ist er eigentlich? Ich habe ihn einfach auf den Boden gesetzt. Ach, egal. Jedenfalls diese ekelhafte Kreatur, das war ein schwarzer Druide. Er hatte Angie in seiner Gewalt und einen Tarnzauber angewandt. Moggovitor hat Zorro als Boten geschickt, und die meiste Kommunikation lief telepathisch ab. Er gab mir den Tipp Ef-Ef zu fragen, wie man die schwarze Magie brechen kann, und das ich mich an den Namen erinnern müsste. Der Hamster konnte mir tatsächlich sagen, was zu tun war. Und dann war ich auch schon unsichtbar. Das ging alles so schnell. Was ist mit Bowen passiert? Wie geht†™s ihm?†œ Kerstin legte besorgt die Stirn in Falten. „Er ist bewusstlos, ebenso wie Norbert und Drago. Ich habe den Hamster zum Lager geschickt, er soll Cyrus und Tiago holen. Wir müssen sie zurücktragen. Fernando sagt, sie haben keine erkennbaren Verletzungen, sie liegen in einer Art Koma.†œ „Deshalb kann ich ihn nicht spüren. Oh Gott, Kerstin, sie sind immer noch im Limbo gefangen. Bael, der Druide hat sie in eine Dämonenzwischenwelt geschickt. Sie sind schon zu lange dort, deshalb sind sie nicht erwacht, als er gestorben ist. Wir werden sie verlieren.†œ Panisch sah Doc Kerstin an. „Es muss doch irgendeinen Weg geben sie zurückzuholen!†œ In Kerstin machte sich auch Panik breit. Und der stetige gedankliche Austausch, den sie sonst immer mit Drago hatte, war auch unterbrochen. Sie hörte ihn einfach nicht mehr. Da kamen Tiago und Cyrus. Cyrus trug Ef-Ef auf der Hand. Kerstin sprang auf und ging zu den beiden. Doc mobilisierte ihre Kräfte und wankte hinter ihr her. Bei den Vieren angekommen, nahm sie Ef-Ef entgegen. „Alors, von wegen isch bin ein nützlöses Vieh. Ne c´est pas? Den habt ihr ja ganz schön in die Mangel genommen. Aber isch mocht ihn sowieso nischt, er hat sich beim Dämonenfürsten immer fürschterlisch eingeschleimt.†œ „Ef-Ef, hör zu! Drago, Bowen und Norbert sind nicht bei Bewusstsein.
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Bael hat ihren Geist vom Körper getrennt und in den Limbo geschickt. Wie können wir sie da herausholen?“ „Ah Ah, im Limbo ist es aber nischt sehr schön!†œ „Du warst schon mal dort? Also kannst du dorthin und sie zurückschicken?†œ „Isch könnte, wenn isch wollte…†œ „Ford Fleur, ich befehle dir sofort in den Limbo zu gehen, und Bowen, Drago und Norbert zurückzuschicken.†œ Der Dämon zog einen Flunsch und verpuffte in einer Rauchwolke. Kerstin und Doc sahen sich fragend an. Die Zeit verstrich.
Gavin trug Lucy ins Lager und Cyrus und Tiago schnappten sich ihren Bruder. „Verflucht, wieso dauert das so lange?†œ „Da! Drago, er hat sich bewegt.†œ Kerstin stürzte hinüber zu ihm. Langsam schlug Drago die Augen auf und versuchte sich aufzusetzen. Da begann auch Norbert sich zu regen, um den sich Lilli kümmerte. Doc ging zu Bowen hinüber, der flach auf dem Rücken lag. Er regte sich immer noch nicht. „Verdammt, Ef-Ef mach schon. Bitte!†œ In stillem Gebet, an wen auch immer, blickte sie an den Himmel. Das Gewitter hatte nicht aufgehört, und es regnete immer stärker, aber sie spürte es kaum. Sie war geschwächt, und die Sorge um ihren Gefährten ließ sie fast wahnsinnig werden. Sie legte sich neben ihn. Mit dem Ohr auf seiner Brust, konzentrierte sie sich auf seinen schwachen gleichmäßigen Herzschlag. Sie hatte keine Ahnung wie lange sie schon so dort lag. Es war ein schreckliches Gefühl. Am anderen Ende ihrer Verbindung zu Bowen, war eine große Leere. Es schüttete mittlerweile wie aus Kübeln, und sie waren völlig durchnässt. Da berührte etwas ihre Hand.
Es war Angie. „Jane, komm…, wir tragen Bowen zum Lager. Du holst dir noch eine Lungenentzündung hier im Regen.†œ Träge stand sie auf und Duncan hob Bowen auf und trug ihn zum Lager. Angie hakte sich bei ihr ein, und still folgten sie ihnen. Im Lager hing ein bedrückendes Schweigen in der Luft. Angie legte Doc ein Handtuch um die Schultern und nahm sie in den Arm. „Ich, ich muss doch zu ihm!†œ Schon war Jane im Zelt verschwunden. Sie setzte sich neben Bo und strich ihm eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Dann begann sie ganz langsam ihn abzutrocknen. Plötzlich raschelte es im Zelt. Ef-Ef tauchte mit etwas Rauch auf. Er grinste breit. „Isch wusste, ich bin schneller als dieser Schuhschläger.†œ Da flackerten Bowens Lider und er öffnete die Augen. Er sah sie an, griff nach ihr und zog sie an sich. „Jane, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Du warst auf einmal weg. Ich konnte nur fühlen, dass mit dir etwas nicht stimmt. Und dann war ich, keine Ahnung, in der Hölle? Alles in Ordnung mit dir?†œ Das war zu viel für sie, er wäre fast für immer verdammt gewesen, und seine erste Sorge galt ihr. Docs Augen füllten sich mit Tränen. Schluchzend lag sie in seinen Armen. „Oh Bowen, ich dachte, wir schaffen es nicht dich zurückzuholen.†œ Beruhigend strich er über ihren Rücken „Schscht…, ich hab doch gesagt mir passiert so schnell nichts.†œ Er küsste ihre Tränen weg und dann mussten sie dringend aus diesen nassen Klamotten heraus, fand er. Ef-Ef zog sich ausnahmsweise einmal taktvoll zurück und berichtete den anderen, dass nun alle unversehrt zurück waren.
„Isch findö, das war doch mal eine gelungene Aktion. Isch wusste nicht, dass so viel Geheimnisvolles in unseren Mädschen steckt“, sagte Ef-Ef mit einem Grinsen im Gesicht, als hätte er eine große Kornplantage entdeckt. Aber er hatte recht. Angie war noch ganz mitgenommen von den Geschehnissen und auch alle anderen saß der Schreck in den Gliedern. Nur Ef-Ef versuchte etwas Positives aus der ganzen Geschichte zu ziehen. “ Hm, wenn isch es mir rescht überlegö – isch könnt jetzt ein ganzes Schwein auf Toast vertragen. Und da ihr allö nicht so ausseht, als wenn ihr festö Nahrung bei euch behalten könntet, übernehme isch das mal.“
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Sprach´s und schon war er verschwunden. Kerstin konnte sich ein Grinsen über Ef-Efs Benehmen nicht verkneifen. Als sie zu Drago sah, verging ihr aber dieses Grinsen. Er sah aus, als hätte er alles Schlimme dieser Welt gesehen. Er starrte vor sich hin und schüttelte von Zeit zu Zeit den Kopf. Um die anderen nicht zu erschrecken, versuchte sie mit Drago mittels Gedanken zu kommunizieren. Aber sie brauchte mindestens drei Anläufe, bevor Drago reagierte. Er sah sie an, und sein gequälter Blick verschlug ihr dem Atem. „Drago, was ist in dieser Zwischenwelt geschehen?“ Aber Drago schaute an ihr vorbei, fast so, als wenn er sie gar nicht gehört hätte. Kerstin wurde unruhig. „Was war hier los?“, schoss es ihr durch den Kopf. Sie versuchte noch einmal ihn zu fragen, aber wieder reagierte er nicht. Als sie ihn am Arm berührte, zuckte er zusammen und sah sie mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen an. Kerstin wusste nicht was sie machen sollte. Als er erneut auf ihre Gedanken nicht einging, stand sie auf. „Ich geh mal gucken was Ef-Ef so treibt“, sagte sie und ging zur anderen Seite des Lagers in Richtung Versorgungszelt. Von außen hörte man ein genüssliches Schmatzen. Ef-Ef saß auf dem Boden und hatte sich viele Leckereien organisiert. Er biss gerade in ein Stück Käsekuchen, als er sich bei Kerstins traurigem Anblick fast verschluckte. „Oh, was is dir denn über die Läber geüpft? Du siehst aber gar nischt gut aus.“ Kerstin erzählte ihm von Drago und auch Ef-Ef wurde etwas nachdenklich. „Hm, isch weiß aus eigener Erfahrung, dass man das, was man in der Zeischenwelt gesehen hat, nie wieder vergisst. Aber isch kann deinen Drachön nischt elfen. Das kannst nur du,Cherie. Red´ solangö auf ihn ein, bis er redet. Redön hilft beim Vergessen.“ Dann machte er sich über das nächste Stück Kuchen her. Dankbar für den Ratschlag, machte sich Kerstin sofort wieder auf den Weg zu Drago. Der saß noch immer auf der gleichen Stelle und starrte is Leere. „Okay, Ef-Ef hat gesagt, ich muss auf ihn einreden. Nichts leichter als das“, dachte Kerstin und versuchte es erst gar nicht nur mit ihren Gedanken, sondern sprach leise zu ihm. „Drago? Drago, wenn du mich verstehen oder wenigstens hören kannst, dann drück jetzt bitte meine Hand.“ Doch nicht geschah. Kerstin versuchte es weiter. „Drago, bitte, hörst du mich?“ Wieder nichts. „Also gut†œ, dachte sie sich, „er will es auf die harte Tour, das kann er haben.†œ „So mein Schnukkiputzi, wenn wir das hier überstanden haben, müssen wir uns gut überlegen was wir danach machen. Wollen wir zusammen ziehen? Wenn ja, gibt es hier sofort ein paar Regeln. Keine Bartstoppeln im Waschbecken. Die Zahnpastatube wird zu gemacht. Der Klodeckel bleibt unten. Ach ja, und den Müll trägst du runter.“ Während sie so auf Drago einredete, kam Lilli zur Feuerstelle. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich zu den beiden und lächelte Kerstin an. „Fernado schläft, und ich bin noch viel zu aufgedreht. Ist bei euch alles in Ordnung?†œ, fragte sie mit einem besorgten Blick Richtung Drago. Kerstin seufzte und erzählte Lilli alles. Diese schüttelte den Kopf. „Na gut, wenn Ef-Ef gesagt hat du sollst auf ihn einreden, bitte, lass dich von mir nicht abhalten.†œ Kerstin atmete tief durch und begann wieder leise auf Drago einzureden. „Weißt du was, mein Puschel, ich möchte ein Häuschen auf dem Land. Mit mindestens 8 Zimmern, einer Kochinsel, einem riesigen Wohnzimmer mit Blick auf Wiesen und Felder und einem Teich. Oh, und ich sehe auch schon das Baumhaus, welches du für unsere Kinder gebaut hast. Hm, wie viele Kinder möchtest du? Also ich möchte vier.†œ Kaum hatte Kerstin das gesagt, wurde Dragos Blick ganz klar. Er schaute ihr in die Augen. „Sag mal, hast du sie noch alle? Mit was für bescheuerten Namen sprichst du mich hier an“, schnauzte Drago sie an, und kleine Rauchwolken stoben aus seinen Nasenlöchern. „Und was soll das Gefasel von Kindern und Baumhäusern. Hast du irgendwas geraucht?“ Kerstin fiel ihm vor Freude um den Hals, so dass sie beide nach hinten fielen. Voller Überschwank küsste Kerstin Drago. Er bekam kaum noch Luft. In Gedanken schrie er ihr zu, dass er gleich ersticken würde, wenn sie jetzt nicht aufhöre. Das war das Schönste, was sie seit langem gehört hatte. Als sich beide etwas beruhigt hatten, bemerkten sie, dass Lilli noch immer am Feuer saß. Etwas verlegen setzten beide sich wieder hin.
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„So, könnte mir bitte jemand erklären, was hier los ist?“, fragte Drago die beiden. Kerstin war schlagartig wieder ernst. Sie erzählte ihm, was vorgefallen war: von seiner geistigen Abwesenheit, Ef-Efs Ratschlag und ihrem Plan ihn „wach zu reden†œ. Drago schaute sie erstaunt an. Lilli räusperte sich, blickte von Drago zu Kerstin und wieder zurück. Schließlich stellte sie die Frage, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. „Drago, was habt ihr drei in der Zwischenwelt gesehen?
Drago schaute abwechselnd Kerstin und Lilli an. „Ihr werdet nicht locker lassen, bis ich es euch erzähle. Stimmt†™s?†œ Kerstin schaute ihn etwas besorgt an und nickte nur mit dem Kopf. Lilli grinste und ließ nur ein trockenes „Jap†œ verlauten. Drago grinste zurück. „Vielleicht geht es mir ja besser, wenn ich es euch erzählt habe.†œ Schlagartig wurde sein Gesicht wieder ernst und sein Blick wanderte zum Feuer. Er starrte in die Flammen, als wolle er sie hypnotisieren und fing dann an zu erzählen. „Erst wusste ich überhaupt nicht, was los war. Ich stand in einer vollkommen leeren Welt. Nichts war zu sehen, keine Berge, keine Wiese, kein Wald, einfach gar nichts. Dann sah ich, dass Norbert und Bowen neben mir standen. Außer dem Kopf konnten wir nichts bewegen, und wir konnten auch nicht sprechen. Überall waberte ein zäher, schwarzer Nebel. Plötzlich fing die Luft an zu flimmern, der Nebel wurde fester und ein Bild erschien vor uns. Nein, nicht ein Bild. Es war eigentlich eher ein Film, und die Szenen, die ich zu sehen bekam, trieben mir Angst und Entsetzen in die Glieder. Vor uns erschien der „Red Dragon†œ und zwar in seiner Drachengestalt. Ihr Beide und Lucy habt gegen ihn gekämpft. Jane und Angie lagen unter seinen Hinterbeinen. Sie waren tot, ihre Körper zerschmettert und blutüberströmt. Obwohl ich sehen konnte, dass ihr ihm schwer zugesetzt und mit euren Schwertern mehrmals seine Schuppen durchstoßen habt, konntet ihr einfach nicht sein Herz erreichen. Lucy versuchte mit ihren Krallen seine Augen zu erreichen. Plötzlich ließ er seinen Schwanz durch die Luft peitschen, traf damit Lucy und enthauptete sie. Ihr beide wart darüber so entsetzt, dass ihr für einen kurzen Moment eure Schwerter sinken gelassen und zu Lucys geschundenem Körper herüber geblickt habt. Den Moment nutzte der Drache aus und schlug blitzschnell nach dir, Lilli, und schlitzte dir mit seinen scharfen Krallen die Brust und den Bauch auf. Dann packte er mit seinen widerlichen Klauen dich, Kerstin, blickte mich mit seinen blutroten Augen an und riß dir, mit einem triumphierenden Gebrüll die Kehle heraus. Als ihr alle tot und blutüberströmt am Boden lagt, fing er an zu lachen. Da erschien eine Gestalt in einem schwarzen Umhang. Unter der Kapuze konnte ich nur zwei leuchtend rote Augen erkennen. Auch die Gestalt lachte höhnisch und mit einer eiskalten Grabesstimme sagte sie: „So wie es euren dreckigen, kleinen Liebchen ergangen ist, wird es auch euch ergehen. Ihr könnt unsere Macht niemals besiegen!†œ Beide verschwanden und verwandelten sich in schwarzen Nebel, der durch etwas Kleines aufgewirbelt wurde. Da sah ich dann Ef-Ef auf mich zukommen. Ich war noch niemals so froh diesen kleinen Quälgeist zu sehen wie in diesem Moment. Er berührte mich und murmelte irgendeine Beschwörung, und schon war ich wieder unversehrt bei euch. Aber diese Bilder kann ich einfach nicht aus meinem Kopf verbannen, auch wenn sie nur ein Traum oder eine Halluzination waren. Es war so schrecklich, euch sterben zu sehen und nicht eingreifen zu können. Es war so furchtbar, hilflos mit ansehen zu müssen, wie einem das Liebste genommen wurde.†œ Drago hob seinen Blick vom Feuer, schaute Kerstin lange in die Augen und Tränen liefen ihm über die Wangen. Kerstin ging sofort zu ihm und nahm ihn in die Arme. „Ich bin doch hier bei dir. Uns wird nichts passieren.†œ
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Drago vergrub sein Gesicht in Kerstins Haaren und flüsterte mit zitternder Stimme: „Ich hoffe es, aber glauben kann ich es noch nicht.†œ Lilli sah die beiden mit einem liebevollen Lächeln an. „Drago, genau das hat der Schwarze Druide mit seiner Inszenierung erreichen wollen. Er wollte, dass ihr den Glauben an uns und euch verliert. Hat ihm aber leider nichts gebracht. Genau die beiden, die er von dem Drachen zuerst töten ließ, nämlich Angie und Doc, haben ihn vernichtet. So ein Pech aber auch.†œ Lilli grinste breit über das ganze Gesicht, und wie immer war ihr Grinsen ansteckend. Auch Dragos Mundwinkel verzogen sich zu einem ganz kleinen Lächeln. „Ja, Lilli, du hast wahrscheinlich Recht. Ich muss zusehen, dass ich das aus meinem Kopf verbanne und es unter bösen Träumen, die nicht wichtig sind, ablege.†œ „Das schaffst du schon, Drago, ich bin mir sicher, dass dir Kerstin gerne dabei hilft den Kopf frei zu bekommen. Nicht wahr?†œ, sagte Lilli und zwinkerte Kerstin zu. „So, ich werde mal nachsehen, ob mein Nando noch träumt und mich auch noch ein wenig aufs Ohr legen. Schließlich haben wir in ein paar Stunden einen Kampf vor uns. Wenigstens sind wir jetzt die Sorgen mit dem Schutzwall um Choquequirao los.†œ Kerstin schaute verdutzt Lilli an: „Wieso denn das?†œ „Na, dadurch, dass der Druide vernichtet ist und keine Magie mehr anwenden kann, ist der Schutz zusammengebrochen. Wenn wir Glück haben, wissen das die Dragons noch nicht, und wir können sie überraschen.†œ „Ja klar, daran hatte ich ja noch gar nicht gedacht†œ, sagte Kerstin und auch auf ihrem Gesicht erschien endlich wieder ein Lächeln. Lilli stand auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Zelt. „Gute Nacht, ihr zwei Turteltäubchen. Macht nicht mehr so lange. Morgen müssen wir topfit sein.†œ „Dir auch eine gute Nacht†œ, sagten Kerstin und Drago, während sie auch auf ihr Zelt zusteuerten.
In ihrem Zelt angekommen, kuschelte sich Lilli zu Fernando in den Schlafsack. „Hallo meine Schöne, wo warst du denn†œ, fragte er schlaftrunken. „Ich habe noch kurz mit Drago und Kerstin am Feuer gesessen. Ich war noch zu aufgekratzt, um schlafen zu können.†œ „Mmh†œ, murmelte Fernando an ihrem Ohr und legte seine Arme zärtlich um Lilli. Sie genoss seine Wärme und die Geborgenheit, die sie bei ihm spürte, aber schlafen konnte sie nicht. Die Vision von Drago hatte ihr doch mehr zugesetzt, als sie zugeben wollte. Der Tod des Druiden beruhigte sie nicht wirklich. Sicher, er war vernichtet worden, aber der Rote Drachen lebte noch.
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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online †“ Choqequirao [Kapitel 16]