Schoßgebete: Softporno, Therapiesitzung und Eheratgeber?

Um es gleich vorwegzunehmen, ich habe beschlossen, Charlotte Roches Schoßgebete nicht zu lesen. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich mich nicht einreihen möchte in die Gruppe der vielen, vielen Voyeure, die das Buch anziehen wird und die es danach entweder als voll geil oder als banales Frauengefummel abwerten. Als Frau ist mir die selbstbewusste dreiunddreißigjährige Engländerin durchaus sympathisch, als Schriftstellerin finde ich ihre radikale Offenheit beschämend.

Nicht ihre schriftstellerischen Fähigkeiten haben ihr Romandebüt Feuchtgebiete zum meistverkauften Buch im Jahr 2008 in Deutschland gemacht, sondern Themen wie Analverkehr, Intimhygiene, Masturbationstechniken, Intimrasur und Prostitution. Ging es bei Feuchtgebiet um die Verarbeitung der Scheidung ihrer Eltern, konfrontiert sie in Schoßgebete den Leser mit dem Unfalltod ihrer drei Brüder auf dem Weg zu ihrer Hochzeit im Jahr 2001. Zum ersten Mal erzählt Charlotte Roche jetzt öffentlich von diesem Schicksalsschlag durch ihre Protagonistin Elizabeth Kiehl. Sie beschreibt, wie die Unglücksnachricht sie erreichte, wie sie im Krankenhaus am Bett der Mutter, die schwer verletzt überlebt, wachte, wie ihre Familie und ihre Beziehung an den traumatischen Folgen zerbrach.

Am liebsten tagsüber und Fenster zu wegen der Nachbarn. So mag es Elizabeth. Ihr Mann macht die Heizdecken auf dem Bett an, dann kann´s losgehen. Sie fährt sofort mit der Hand rein in Georgs XXL-Yogahose. Und ab hier betrügt sie ihre Männer hassende Mutter, die ihr beibringen wollte, dass Sex etwas Schlechtes sei. Hat aber nicht geklappt, Glück für Elizabeth, Glück für Georg. Aber Sex ist ja nicht alles, es gibt auch noch das Essenkochen für ihre Tochter Liza, und es gibt den Exmann, Lizas Vater. Keine geringe Rolle spielen auch ihre Ängste und ihre schrecklichen Eltern. Wobei diese Themen für Elizabeth seit dem Unfall immer zusammengehören.

Schoßgebete“ erzählt von Ehe und Familie wie kein Roman zuvor. Radikal offen, selbstbewusst und voller grimmigem Humor ist es die Geschichte einer so unerschrockenen wie verletzlichen jungen Frau, heißt es in der Kurzbeschreibung.

Felicitas von Lovenberg schreibt in ihrer Rezension, die am 08.08.2011 in der FAZ veröffentlicht wurde, dass Charlotte Roche in Schoßgebete  quasi zu einer Therapiesitzung einlädt, in der der Leser in die Therapeutenrolle schlüpft.

Ich möchte auf gar keinen Fall die Therapeutin von Charlotte Roche sein. Dennoch bin ich sicher, dass die Startauflage von 500.000 Exemplaren nicht lange reichen wird. Schon 2 Tage vor Veröffentlichung hat es das Buch an die Spitze des Bestseller-Rankings bei Amazon geschafft.