Abby Cooper: Detektivin mit 7. Sinn von Victoria Laurie [Rezension]

Abby Cooper: Detektivin mit 7. Sinn von Victoria Laurie

Die 31-jährige Abigail Cooper ist Single und lebt in Royal Oak, einem kleinem Vorstädtchen von Detroit in Michigan. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als intuitive Beraterin, denn Abby ist ein Medium und anders als andere Menschen. Sie kann gewisse Dinge vorhersehen, indem sie mit ihren „Geistern†œ, die sie liebevoll ihre „Crew†œ nennt, in Verbindung tritt. Als ihre einzige Freundin Theresa, mit der sie sich ihre Praxis teilt, in einen anderen Bundesstaat zieht, versucht sie ihre soziales Leben etwas aufzufrischen und meldet sich bei einer Singlebörse an.
Das erste Date scheint gleich ein Volltreffer zu sein. Dutch ist ein netter Kerl und entspricht genau ihrem Geschmack. Bei diesem Treffen lässt Abby sich dazu verleiten ein paar Dinge über ein vermisstes Kind zu erzählen. Da sie nicht weiß, dass Dutch bei der Polizei arbeitet, ist sie umso überraschter, als er im Rahmen der Ermittlungen plötzlich bei ihr auftaucht. Ihre Vorhersagen waren absolut zutreffend und so konnte das Verbrechen aufgeklärt werden.
Als kurz darauf eine Klientin von ihr ums Leben kommt, gerät Abby in große Gefahr. Denn der Mörder hat eine Kassette gefunden, auf der sie die letzte Sitzung mit der Toten aufgezeichnet hat und darin die Ermordete vor dem Täter warnt. Während der Ermittlungen kreuzen sich die Wege von Abby und Dutch immer wieder. Dabei wollte sie ihm eigentlich aus dem Weg gehen. Dutch ist überzeugter Realist und hat so seine Probleme damit an das Übersinnliche zu glauben. Doch Abbys treffsichere Aussagen bringen ihn immer mehr zum Grübeln. Abby kann sich einfach nicht aus den Ermittlungen heraushalten und gerät zunehmend ins Visier des Mörders.

Dieser Roman bietet eine abwechslungsreiche, kurzweilige und humorvolle Geschichte. Er liest sich sehr flüssig und man hat auch keine Probleme einen Einstieg zu finden. Die Erklärungen der Protagonistin, wie denn ihre Gabe funktioniert, sind glaubwürdig und machen Abby so sympathisch. Es ist unterhaltsam ihr zu folgen und so manches Mal wünscht man sich auch diese Gabe der Intuition zu besitzen. Wäre es nicht schön, wenn man bei jeder schwierigen Entscheidung sich selbst befragen könnte und der eigene Geist die richtige Antwort parat hätte? Oder wenn man auf Anhieb erkennen würde, ob man belogen wird oder nicht? Abby lässt ihr Leben allerdings nicht durch dieses Talent bestimmen, sie kann ihre Gabe auch unterdrücken. Ihre eigenes Empfinden, ihre Empathie und ihre Unsicherheit machen Abby besonders liebenswert, denn natürlich begegnen ihr viele Menschen, die sie als Schwindlerin abstempeln. Sie lässt sich nicht unterkriegen und steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Die romantischen Anteile halten sich in Grenzen und erotische Szenen sind hier auch nicht zu finden. Dafür ist es umso spannender und man fiebert dem Ende entgegen und hofft für Abby auf ein Happy-End in allen Bereichen. Ich würde dieses Buch auch insbesondere als Urlaubslektüre empfehlen, denn der Inhalt sorgt für ein paar unbeschwerte Stunden voller Lesevergnügen.

Kurzbeschreibung
Als professionelles Medium kommuniziert Abby Cooper mit der Welt der Geister, um ihren Klienten die Zukunft vorherzusagen. Da wird eine ihrer Klientinnen tot aufgefunden, und der gut aussehende Kommissar Dutch stattet Abby einen Besuch ab, um sie zu dem Mordfall zu befragen. Zwischen beiden fliegen augenblicklich die Funken. Das einzige Problem dabei: Dutch glaubt nicht an Übersinnliches. Abby beschließt, auf eigene Faust die Ermittlungen aufzunehmen und gerät dadurch schon bald in höchste Lebensgefahr. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der sie immer wieder mit dem charmanten Dutch zusammenführt …

Über die Autorin
Victoria Laurie lebt in Austin, Texas und arbeitet als professionelles Medium. 2003 hatte sie während der Arbeit die Idee einen Roman über ein Medium namens Abby Cooper zu schreiben, berichtet die Autorin auf ihrer Homepage. Abby Cooper: Detektivin mit 7. Sinn (orig. Titel: Abby Cooper, Psychic Eye) erschien in den USA im Jahr 2004. Die deutschsprachige Übersetzung ist am 06.12.2010 im LYX Verlag erschienen. Der nächste Teil mit Abby Cooper erscheint im Juni 2011 ebenfalls bei LYX unter dem Titel „Mörderische Visionen“. Mittlerweile hat Victoria Laurie 12 Romane veröffentlicht. Neben der Abby-Cooper-Serie hat sie ebenfalls sehr erfolgreich eine Reihe über die sympathische Geisterjägerin M. J. Holliday geschrieben.

Der Lesekreis bedankt sich bei Doc für die schöne Buchbesprechung und beim LYX Verlag für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares.

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Liebe und Magie: Phoenixfluch von Jennifer Benkau [Rezension]

Phoenixfluch von Jennifer Benkau

Ein Fluch, eine grenzenlose Liebe und Magie

Ohne eingreifen zu können, muss die junge Hexe Helena mit ansehen, wie ein junger, gutaussehender Mann direkt vor ihren Augen Selbstmord begeht. Immer noch schockiert von diesem Ereignis, trifft sie ihn nur einen Tag später quicklebendig an ihrer neuen Arbeitsstelle wieder.

Samuel, der tragische Held dieses Romans, trägt einen Fluch in sich. Er ist gezwungen, jeden Abend sein Leben zu beenden, um am darauf folgenden Morgen wie der Phönix aus der Asche zu neuem Leben zu erwachen. Damit er sich nicht gänzlich verliert, muss Sam immer wieder aufs Neue den Verlockungen der Hölle widerstehen. In seiner qualvollen Trauer um den frühen Tod seiner Frau, ließ er sich vom Teufel dazu verleiten, ihm seine Seele zu verkaufen. Doch das Schicksal, dargestellt in der Gestalt eines Kindes, hatte andere Pläne mit ihm. Helena, selbst durch ein trauriges Ereignis geprägt, wurde vom Schicksal dazu bestimmt an Samuals Seite den Fluch zu brechen, was ihr, allen Widrigkeiten zum Trotz, letztendlich auch gelingt.

Schon im Sommer 2010 habe ich mit Begeisterung Jennifer Benkaus Debütroman „Nybbas Träume“ gelesen – der „Phönixfluch„  ist aber noch um Längen besser. Der Roman handelt von grenzenloser Liebe, von Hoffnung und Vertrauen, Schuld und Sühne und von tiefer Verzweiflung. Mit Spannung und Action und einer Prise Humor hat Jennifer Benakau einen eindrucksvollen Erzählstrang geknüpft, der sich wie ein festes Band durch diese wunderbare Geschichte zieht. Auch das Sinnliche und Erotische kommt nicht zu kurz und wurde von der Autorin bemerkenswert feinfühlig mit eingeflochten. Der Leser leidet mit Samuel, erlebt seinen verzweifelten Kampf mit den Dämonen und beginnt mit Helena zu lieben, sich sorgen, hoffen und am Ende gewinnen.

Die sympathischen Randfiguren schließt man unwillkürlich auch gleich ins Herz. Wohltuend ist, dass die Autorin sich nicht in endlosen Schilderungen der männlichen und weiblichen Attribute verliert, wie es in diesem Genre oftmals üblich ist. Gegen Ende der Geschichte wird der Leser noch mit einer überraschenden Wendung konfrontiert. Ausgesuchte Zitate krönen zu Beginn jedes neue Kapitel.

Ich bin gleich auf den ersten Seiten in diese Geschichte eingetaucht, versunken, um am Ende nachdenklich und überrascht, dass sie schon zu Ende ist, wieder aufzutauchen… mit einem leichten Minzgeschmack auf der Zunge und nach einer grauen Katze Ausschau haltend. Neugierig geworden? Dann einfach den Roman lesen! 😉
Auch jedem Skeptiker von paranormalen Fantasygeschichten kann ich „Phoenixfluch„  nur empfehlen. Der Roman regt unter anderem dazu an, Parallelen zu ziehen im täglichen Kampf mit unseren eigenen Dämonen, die wir †“ mehr oder weniger- alle in uns tragen.

Der Lesekreis bedankt sich bei Angie für diese begeisterte Buchbesprechung und beim Sieben Verlag, hier findet sich auch eine Leseprobe, für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares.

Die broschierte Ausgabe von „Phoenixfluch“ umfasst 220 Seiten und ist am 01.12.2010 im Sieben Verlag erschienen.

Kurzbeschreibung
Seit Jahrzehnten erträgt Samuel seine verfluchte Existenz. Einst hatte er in seiner Verzweiflung dem Werben des Teufels nachgegeben, der ihn in den Selbstmord lockte. Doch der Schicksalsgöttin Moira, die andere Pläne mit Samuel hatte, gelang ein Handel mit Satan und sie schickte Samuel zurück ins Leben. Aber alles hat seinen Preis einen Preis, den Samuel jeden Tag bezahlen muss. Helena ahnt nicht, wie sehr das zufällige Zusammentreffen mit Samuel ihr Leben verändern wird. Als Nachfahrin einer alten Hexenzunft spürt sie, dass Samuel ihr etwas verheimlicht. Doch so sehr er sich auch sträubt, Helena gibt so schnell nicht auf. Für ihre Liebe zu Samuel ist sie bereit zu kämpfen, auch wenn der Gegner eine unbekannte Größe darstellt.

Über die Autorin Jennifer Benkau
Verspielt. Maßlos. Begeisterungsfähig †“ nein, frenetisch. Amoralisch. Erschreckend unsensibel. Blauäugig (in jedem Sinne) und ungeduldig. Ich bin Baujahr 1980, aber wenn ich Alkohol kaufen möchte, muss ich immer noch meinen Ausweis zeigen. Den Zwang, ein guter Mensch sein zu müssen, habe ich vor Jahren abgelegt, seitdem kann ich wirklich nett sein. Meine große Klappe und meinen Sarkasmus darf man mir sowohl positiv als auch negativ auslegen, und ich verberge meine Arroganz unter Schüchternheit und die Schüchternheit unter Arroganz. Vermutlich rede ich zu viel und sage zu wenig.

Ich schreibe mit ganzem Körpereinsatz. Paralysiert von meiner Muse, bewegungslos †“ bis auf meine Finger, die auf die Tasten einhacken. Nächtelang. Hemmungslos. Oder auch mal fluchend, herumrennend, lachend, jammernd, Türen zuschlagend, mich selbst hassend, oder vor Euphorie auf dem Sofa hüpfend. Das sieht leider sehr albern aus. Und wenn ich dann noch beginne, Dialoge nachzuspielen …

Außerdem habe ich einen Heidenspaß an Formulierungen. Verspielter Stil? Ja. Gradlinig verschnörkelt. Meine Figuren sind mehr als nur das. In ihrer penetranten Sturheit sind sie mir oft lieber als reale Gesellschaft und wichtiger als Schlaf oder Nahrungsaufnahme. Sie sind meine Engel und meine Dämonen, nicht selten in einer Person. Gerne nehmen sie mir die Arbeit ab und drängen den Plot in völlig neue Richtungen. Wie ich, tun sie grundsätzlich was sie wollen.

Wenn ich schreibe brauche ich dazu immer Musik und grundsätzlich Kaffee. Ich bete zur heiligen Senseo.

Die Phase, in der ich mich vor Drama, Action und Romantik fürchtete, habe ich schon lange überwunden.

Real romance is not for sissies!

Magdalenas Garten von Stefanie Gerstenberger

Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wächst Magdalena bei ihren Großeltern auf. Diese verweigern ihr jegliche Auskunft über den Vater, den sie nie kennengelernt hat. Ein einziges Foto und das Wissen, dass ihr Vater aus Italien stammt, reichen ihr irgendwann nicht mehr. Sie kann und will sich nicht mehr mit dem ihr auferlegten Schicksal zufriedengeben, lernt Italienisch und macht sich im Urlaub als Reisebegleiterin einer Busreisegesellschaft in Italien auf die Suche nach ihrem Vater.

Schon bald findet sie auf Elba erste Hinweise, indem sie zufällig den Ort entdeckt, an dem das Foto entstanden ist. Damit fängt die Suche nach ihrem Vater erst richtig an. Nina und Matteo, ein Zweiergespann, dass sie eher durch einen unglücklichen Zufall kennenlernt, unterstützen sie bei ihren Recherchen und erweisen sich alsbald als gute Freunde.

Stefanie Gerstenberger hat mit Magdalena eine Protagonistin gezeichnet, die sich deutlich von vielen typischen Romanheldinnen von heute unterscheidet. Sie besitzt keine Traumfigur, begehrt mehr als sie begehrt wird und ist auch in beruflicher Hinsicht nicht besonders erfolgreich. Gerade durch diese Schwächen kann man sich sehr gut in Magdalena hineinversetzen, und sich so manches Mal sogar mit ihr identifizieren. Die Autorin, die selbst eine Zeitlang auf Elba gelebt hat, vermittelt eindrucksvoll einen italienischen Flair, den  sie vielfältig in den Beschreibungen von Gerüchen und Landschaften aufzeigt. „Magdalenas Garten“ ist eine schöne Sommerlektüre  – auch wenn die Story an sich nicht neu ist.

Magdalenas Garten“ von Stefanie Gerstenberger umfasst 448 Seiten und ist im August 2010 im Diana Verlag erschienen. Der Lesekreis bedankt sich bei Hannah für ihre schöne Buchbesprechung und beim Diana Verlag (hier findet sich auch eine Leseprobe) für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares.

Über die Autorin
Stefanie Gerstenberger, 1965 in Osnabrück geboren, studierte Deutsch und Sport, bis sie erkannte, dass sie keine Lehrerin werden wollte. Nach einem Wechsel in das Hotelfach lebte und arbeitete sie auf Elba und Sizilien, in der Karibik und in San Francisco. 1993 lernte sie in Köln den Schauspieler Thomas Balou Martin kennen, mit dem sie heute verheiratet ist und zwei Kinder hat. Ihre erster Roman „Das Limonenhaus“ (Diana, 2009) wurde von der Presse hoch gelobt und auf Anhieb ein großer Erfolg.

Geschenktipp: Boston Run – ein Marathon-Thriller von Frank Lauenroth

Christopher Johnson ist in vielerlei Hinsicht ein Genie. Für das Militär entwickelt er eine Substanz, die als Aufputschdroge Soldaten im Einsatz leistungsfähiger macht und von unschätzbarem Wert ist. Dennoch weiß die Nationale Sicherheitsbehörde seinen Einsatz nicht zu schätzen und verweigert ihm die nötigen Mittel, um seine Freundin von einer gefährlichen Krankheit zu heilen. Die Freundin stirbt, und Johnson rächt sich, indem er alle Aufzeichnungen seiner Forschungsarbeit vernichtet.

Um die Wirkung seiner Droge zu beweisen, lässt er seinen Freund Brian beim Boston Marathon antreten. Brian ist zwar sportlich, die 42 Kilometer-Distanz ist er zuvor aber nur ein einziges Mal gelaufen. Trotzdem ist er sicher, dass er mit der Substanz den Lauf gewinnen wird und rechnet mit der Siegprämie über 150.000 Dollar.  Das Dopingmittel ist so berechnet, dass es sich beim Überqueren der Ziellinie komplett abgebaut hat. Während Brian an dem Lauf teilnimmt, spürt die NSA das Versteck von Johnson auf und bricht dort ein. Da Johnson der einzige ist, der die Formel für die Droge kennt, muss er zwingend lebend in Gewahrsam genommen werden. Doch augenscheinlich kommt Christopher bei einer inszenierten Explosion ums Leben.

Nur das Blut des Läufers birgt jetzt eine letzte Chance auf die Formel. Und so startet ein zweiter Wettlauf mit einem ganz anderen Ziel. Christopher hat die Ereignisse vorausgesehen und bis ins Detail mehrere Fluchtmöglichkeiten für Brian eingeplant. Und dann ist da noch Rachel Parker, die Einsatzleiterin der NSA. Welche Rolle spielt sie beim „Boston Run“?

Bis zum großen, überraschenden Finale bietet der „Boston Run“  atemlose Spannung. Wer noch nie an einem Marathon-Lauf teilgenommen hat, hat nach der Story das Gefühl selbst die 42 Kilometer gelaufen zu sein. Der Autor Frank Lauenroth hat nicht nur einen rasanten Thriller geschrieben, sondern vermittelt dem Leser auch einen kompakten Einblick in die Gedankenwelt eines Marathonläufers.

… ein Plot wie aus einem Hollywoodfilm„, findet auch Wolfgang Tischer in seiner Rezension vom 12.12.2008 auf Literaturcafe.de

Die Taschenbuchausgabe umfasst 224 Seiten und ist im August 2010 in einer neuen Auflage im Sportwelt Verlag erschienen.

Der Lesekreis bedankt sich bei Maximilian für seine Buchbesprechung und beim Sportwelt Verlag (hier findet sich auch eine kurze Leseprobe) für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares von „Boston Run„.

Kurzbeschreibung
Brian Harding war immer ein guter Sportler – aber niemals ein herausragender! Der Boston-Marathon ist erst sein zweiter Start über die 42-Kilometer-Distanz, doch Brian weiß, dass er heute gewinnen wird.
Ein neues Dopingmittel verleiht seinem Körper ein Mehrfaches des normalen Leistungsvermögens. Die Substanz baut sich während des Laufs ab, so dass sie nach dem Überqueren der Ziellinie nicht mehr nachweisbar sein wird.
Ein scheinbar perfekter Plan.
Doch außer der Siegprämie von 150.000 Dollar wartet bereits der Geheimdienst NSA auf Brian. Die Formel dieses neuen Dopingmittels ist immens wertvoll, und die NSA-Einsatzleiterin Rachel Parker weiß, dass sie an Brians Blut gelangen muss, bevor er auf die Zielgerade einbiegt.

Über den Autor
Frank Lauenroth, Jahrgang 63, lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Hamburg. Obwohl er ursprünglich Maschinenbau erlernte, studierte und letztlich diplomiert wurde, arbeitet er heute als Software-Entwickler.
Neben seiner Arbeit als Autor versucht er sich hartnäckig als Ausdauerläufer.
Sein Roman †œSimon befiehlt† war eines der vier Gewinnerbücher des Wettbewerbs †Deutschland schreibt† des Jahres 2005.
Weitere Romane sind in Planung bzw. in Arbeit. Aktuelle Projekte und sonstige Veröffentlichungen finden Sie unter www.franklauenroth.de.

Im Sitzen läuft es sich besser davon von Alois Hotschnig [Rezension]

Im Sitzen läuft es sich besser davon von Alois Hotschnig

In sechs Erzählungen unterschiedlichster Länge entfaltet Alois Hotschnig eine Welt des Alterns zwischen Vernunft und Verfall. Der Titel des Bandes ist zugleich der letzte Satz der letzten Erzählung. So entsteht eine Klammer, die die Sammlung in einen diskreten Zusammenhang bindet.

Der erste Text mit der Überschrift „Karl†œ beschreibt das symbiotische Zusammenleben eines älteren namenlosen Ehepaares mit ihrem Hund Karl. Die anfänglich noch realistisch wirkende Konzentration auf das Haustier schlägt zunehmend ins Absurde um, da Karl nicht nur „Mann†œ und „Frau†œ, sondern allmählich den ganzen Ort mit Bissen traktiert und beherrscht. Obwohl bandagierte Bisswunden bald zum Erscheinungsbild der örtlichen Bevölkerung gehören, ergreift keiner naheliegende Maßnahmen; die Launen des Hundes werden als unabänderlich hingenommen. Als seine Bisse schließlich als heilbringend begehrt werden, nimmt die Erzählung märchenhafte Züge an. Zum Schluss verschwindet Karl unter ungeklärten Umständen.

Trotz dieses inhaltlichen Normbruchs präsentiert die Eingangserzählung sich jedoch als normale Geschichte mit Anfang, Mitte und Ende. Die allwissende Erzählerstimme gestaltet einen zusammenhängenden Verlauf aus einer übergeordneten Perspektive. So wird eine Kontrollfähigkeit vermittelt, die den darauffolgenden Texten fehlt. Es ist als ob mit dem Verschwinden Karls auch der ordnende Zugriff abhanden gekommen. Von nun an wird in Dialogen, direkter und erlebter Rede erzählt, die Einheiten werden kleiner.

Das macht sie keineswegs sinnentleert. In „Die großen Mahlzeiten†œ wird besprochen, in welchem Rhythmus die Medikamente zwischen den Mahlzeiten genommen werden sollen. Darüber herrscht keine Einigkeit, man diskutiert, beobachtet sich gegenseitig und der Kreis von Teilnehmern ist unscharf. Ich und Du, Vater und Mutter, aber auch Paul, Hans und Franz spielen eine Rolle. Hotschnig bedient sich dabei einer Sprache, die „dem Volk auf’s Maul schaut†œ. Die Versatzstücke klingen alltäglich und vernünftig, die Redewendungen sind konventionell. Erst die kleinen Verschiebungen machen stutzig:

„Wann du kommst, lässt sie fragen. Es ist sieben.
Die Pillen willst du nicht nehmen, sagst du? Warum denn nicht?
Weil ich hungrig bin. Weil mir nach Essen ist. Jetzt. Darauf freue ich mich schon den ganzen Tag. Satt zu sein, endlich einmal.
Aber gegessen habt ihr doch heute? Gefrühstückt. Es ist sieben Uhr abends jetzt, Vater.
Wäre denn jetzt nicht Zeit, dieses Zeug einzunehmen? Um sieben, um elf, um drei und um sieben, das sagst du doch immer. Oder ich frühstücke jetzt und nehme es um acht. Obwohl, wenn ich es um acht nehme, dürfte ich doch erst um neun wieder essen. Sie sagt, wenn ich es um sechs geschluckt hätte, könnte ich jetzt um sieben etwas haben.†œ

Mit der nächsten Erzählung, „Etwas verändert sich†œ, wird das Ensemble der Namen größer, Orte von Flattach bis Arles werden aufgezählt und die Dialoge schwanken in ihrem Realitätsbezug. Gleichzeitig nehmen inhaltlich Begriffe zu, die eine Art Heim, eine gemeinsame Unterbringung anzeigen. Dennoch bleiben die Dialoge konkret, sie zeugen von Vertrautheit und gemeinsamen Erinnerungen. Man spricht von Thea, Klaus und Kurt, den Freunden, und auch von Herrn Orter und Frau Harter. Wieder taucht ein Paul auf, kommt ein Hund vor, doch wer genau gerade spricht, bleibt unklar.

Die kleineren Reisen†œ vermischen nun ganz gezielt die „großen Mahlzeiten†œ der Gegenwart mit den Reisezielen der Vergangenheit. Refrainartig werden Menüs zitiert – „Kürbiscremesuppe, Saftfleisch mit Knödel und Blaukraut, Kompott†œ – ohne dass mit Sicherheit gesagt werden kann, ob das sprechende Paar vom ‚Essen auf Rädern‘ versorgt wird oder bereits in einem Altersheim isst. Ihr Interesse gilt aber vor allem dem Festhalten der Urlaubsorte und -erlebnisse aus vergangenen Tagen. Der erinnerte Figurenkreis expandiert gewaltig, gut dreißig Freunde und Bekannte werden namentlich erwähnt und mit Speisen und Orten verknüpft. Auch Karl ist wieder da, allerdings als Mensch, der mit „Gerda†œ um das Vorrecht des genaueren Erinnerungsvermögens ringt. Hotschnigs Wiedergabe ist dabei durchaus komisch:

Und in Cattolica Hans-Peters erste Lasagne. Er war zum ersten Mal mit dabei, und es war seine erste Lasagne.
Die beinahe seine letzte Lasagne gewesen wäre. Weil er doch am Tag darauf eine Kolik gehabt hat. Wegen der Muscheln.
Wegen der Muscheln war das? Hans-Peter isst keine Muscheln, das stimmt.
Hans-Peter isst überhaupt nicht mehr, Gerda. Zwanzig Jahre ist das jetzt her. Danach hat er sich nur noch von Lasagne ernährt.
†œ

In der vorletzten, sehr kurzen, Erzählung wird nun deutlich ein Umzug vorbereitet. Es scheinen drei Generationen involviert (Grossvater, Sohn und Enkel), aber es bleibt unentscheidbar, ob die Abreise in Richtung Familienanschluss oder eher sogar ins Irrenhaus geht. „Besorgungen für den Tag†œ unterscheidet sich nämlich dahingehend von den übrigen Texten als hier über größere Strecken nun wirklich Non-Sense-Reime aneinandergereiht werden. Gerda ist auch wieder da und der Hund Klabund und eine deutliche Anspielung auf einen anderen Wahnsinn: Brandstiftung. So wie „Die kleineren Reisen†œ auch „Die großen Mahlzeiten†œ hätten heißen können, würde für diese Erzählung „Etwas verändert sich†œ passen. Die „Besorgungen für den Tag†œ wiederum überschreiben genauso gut die Einkaufsbemühungen aus „Die kleineren Reisen†œ. Hotschnig spielt mit diesen Momenten des Wiedererkennens, so dass nicht nur die Grenzen innerhalb der einzelnen Erzählungen, sondern auch die zwischen ihnen verschwimmen.

Der Ort der letzten Erzählung, „Ausziehen ja, anziehen auch†œ, ist eine Arztpraxis. Vom eigenen Haus mit Hund über eine Gemeinschaftsunterkunft verengt sich nun der Raum auf ein Wartezimmer. Die Wörterliste stammt diesmal aus dem Bereich der Medikamente, das Personal aus der Gegenwart und dem erinnerten Café Central. Wieder sind die Dialoge meist voll sinnvoller, gegenseitiger Anteilnahme und lassen sich gut verfolgen, nur das Kreisen um das Immergleiche weist auf einen Verfallsprozess hin.

Sehen Sie?
Sehen Sie, sehen Sie, Sagen Sie mir, was ich sehen soll, vielleicht sehen wir es dann gemeinsam.
Frau Miller. Frau Miller war die Nächste, meine ich. Oder nicht?
Frau Miller war die Nächste, ja. Frau Miller ist immer die Nächste. Seit ich bei der Frau Doktor bin, ist Frau Miller die Nächste oder eine der Nächsten, in jedem Fall aber ist sie vor mir. Und das oft mehrmals am Tag.
Und jetzt?
Was und jetzt, Sie können einen aber auch ganz schön beschäftigen, wissen Sie.
Der Nächste, wer der Nächste ist, jetzt, nach der Frau Miller. Sie? Oder ich? Nach Frau Miller wird ja nicht wieder Frau Miller die Nächste sein. Oder doch?

Zu diesem Zeitpunkt hat man auch als Lesender bereits aufgegeben, die Texte unterscheiden zu wollen, es gibt immer einen davor und einen nächsten. Hotschnig spinnt ein Gewebe, welches einem immer bekannter vorkommt und doch könnte man es nicht nacherzählen. Jede einzelne Äußerung klingt vernünftig, das Ganze aber lässt sich nicht platzieren. Dieses „Dunkel war’s, der Mond schien helle†œ ist keine neue Technik und muss es auch nicht sein; die Frage stellt sich aber, warum Hotschnig sie anwendet. Ist der Erzählantrieb denn wirklich widersprüchlich? Das Bewusstsein der Figuren mag sicherlich ausfransen und die Lebensschau nicht immer chronologisch sein. Der Tonfall aber ist stets gutmütig; man ist willig zu verstehen, zu trösten und aufeinander einzugehen. Insofern verdeutlicht die Absurdität vielleicht lediglich das Asynchrone eines alternden Gehirns. Man wird Zeuge mannigfaltiger Listen von Details †“ Namen, Begriffe und Orte †“ , die nicht mehr gebraucht werden und Redewendungen, die nichts mehr bewirken. So bleibt vielleicht nur der sture Witz übrig, mit dem Frau Hatzer sich im allerletzten Abschnitt widersetzt:

„Frau Hatzer, wollen Sie sich nicht setzen, wo wir endlich einen Platz für Sie gefunden haben, dort wäre noch ein Platz für Sie, sehen Sie?
Das macht nichts. Ich kann auch stehen. Ich versäume nichts, wenn ich stehe und ich versäume nichts, wenn ich sitze. Aber solange ich noch stehen kann, sitze ich doch lieber, wissen Sie. Im Sitzen läuft es sich besser davon.
†œ

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Der 140 Seiten umfassende Erzählband „Im Sitzen läuft es sich besser davon†œ von Alois Hotschnig erschien bei Kiepenheuer & Witsch im September 2009.

Der Lesekreis bedankt sich Gabi für die ausführliche Rezension und beim Verlag Kiepenheuer & Witsch für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplares.