Preis der Leipziger Buchmesse 2013: Die Preisverleihung im Überblick

Pünktlich um 16 Uhr eröffnete Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse seit 2004, die Preisverleihung zum Leipziger Buchpreis 2013. In den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung wurden die Literaturpreise in diesem Jahr zum neunten Mal vergeben. Die Auszeichnung ist in jeder Kategorie mit 15.000 Euro dotiert.

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Oliver Zille

Der neue Vorsitzende der Jury, Hubert Winkels, stellte im Anschluss sein Juryteam vor. Lothar Müller, Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung, René Aguigah, Abteilungsleiter Kultur und Gesellschaft beim Deutschlandradio Kultur, Daniela Strigl, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Wien sowie die freie Literaturkritikerin und Journalistin Ursula März sind zum ersten Mal in der siebenköpfigen Jury vertreten. Eberhard Falcke, freier Literaturkritiker, und Martin Ebel vom Tages-Anzeiger Zürich gehören schon länger zum Team.

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Hubert Winkels

Die 88-jährige Autorin, Essayistin, Herausgeberin und Übersetzerin Eva Hesse wurde in der Kategorie Übersetzung für ihr großes Übersetzungs-, Vermittlungs- und Erklärungswerk „Die Cantos“ von Ezra Pound ausgezeichnet. Eva Hesse konnte den Preis leider nicht persönlich entgegennehmen. Sie überließ Heinz Ickstadt diese ehrenvolle Aufgabe.

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Heinz Ickstadt in Vertretung von Eva Hesse

Eberhard Falcke verlas die Laudatio für Eva Hesse.

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Eberhard Falcke

Der Autor und Literaturkritiker Helmut Böttiger erhielt den Leipziger Buchpreis 2013 für sein Buch „Die Gruppe 47. Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb“ in der Kategorie Sachbuch. Er wirkte nicht nur erfreut, sondern auch ein wenig überrascht als er zum Podium ging. Die Jury lobte sein vielstimmiges, klug komponiertes Buch, in dem er die Geschichte der Neuformierung der Literatur und Erfindung des Literaturbetriebs in Deutschland nach 1945 mit dem Sensorium des Lesers und Kritikers – und mit den Mitteln der Literatur selbst erzählt.

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Helmut Böttiger

In der Kategorie Belletristik erhielt schließlich der 1971 geborene Berliner Autor David Wagner für seinen Roman „Leben“ den diesjährigen Leipziger Buchpreis. Der autobiografische Roman handelt von der Organtransplantation seiner eigenen Leber. „David Wagners erfundener Leidensbericht – oder durchlittene Erfindung – führt eindrucksvoll mit Witz und Ironie, mit tapferem Trotz und Understatement – und mit Sinn für das Banale, die „kleinen Klinikfreuden“, alles, was den Kranken ans Leben bindet, und dazu gehört auch der Speisezettel, vor. Das selbstverständliche Nebeneinander von Leben und Tod, von Leichtsinn und schwerer Not, von Angst und Genuss macht den Krankenhausalltag aus,“ heißt es in der Jurybegründung.

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David Wagner

Ein glücklicher und seliger Gewinner.

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Die österreichische Literaturwissenschaftlerin und Jurorin Daniela Strigl, die unmittelbar zuvor mit dem Alfred-Kerr-Preis auf der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden war, verlas die Laudatio für David Wagner.

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Daniela Strigl

Rowohlt Verleger Alexander Fest hatte ebenfalls allen Grund zur Freude.

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David Wagner und Alexander Fest

Die junge Autorin Lisa Kränzler war für den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 auf der Shortlist nominiert. Ihr Roman „Nachhinein“ erschien im Februar 2013 im Verbrecher Verlag.

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Lisa Kränzler

Die Literaturkritikerin Sigrid Löffler mischte sich unter das Publikum.

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Sigrid Löffler

David Wagner und Helmut Böttiger beim abschließenden Fotoshooting.

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David Wagner und Helmut Böttiger

Um 17.30 Uhr war die festliche Veranstaltungsstätte in der Glashalle auf der Leipziger Buchmesse schon fast wieder verwaist.

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Glashalle – Leipziger Buchmesse 2013

Alle ausführlichen Jurybegründungen zur Vergabe der diesjährigen Preise der Leipziger Buchmesse können hier nachgelesen werden.

Marica BodroŠ¾ić erhält den Preis der LiteraTour Nord 2013

Kirschholz und alte GefühleDie 39-jährige Schriftstellerin Marica BodroŠ¾ić erhält den Preis der LiteraTour Nord 2013. Der mit 15.000 Euro dotierte Literaturpreis wird seit 1992 von der Stiftung der VGH-Versicherungen an deutsche Autorinnen und Autoren vergeben.

Die Jury würdigt Marica BodroŠ¾ić mit dieser Auszeichnung für ihr bisheriges Werk, insbesondere für ihren 2012 im Luchterhand Literaturverlag erschienenen Roman Kirschholz und alte Gefühle.

Marica BodroŠ¾ić zeichne darin vor dem Hintergrund der in Jugoslawien erlittenen Kriegserfahrung das Bild einer Protagonistin, die ihre eigene Persönlichkeit erst rückblickend, durch bruchstückhafte Erinnerungen zusammensetzen kann. Die Lückenhaftigkeit der Erinnerung verwandele die Autorin in eine genauso zarte wie gewaltige Sprache, die stets auf die feinen Unterschiede zwischen Realität, Wahrnehmung und Imagination verweise. Mit erfinderischer Leidenschaft gebe Marica BodroŠ¾ić sich so als sprachgebunden und zugleich frei zu erkennen„, lautet die Jurybegründung weiter.

Kurzbeschreibung
Erscheinungstermin: 10. September 2012 im Luchterhand Verlag
Von den Rissen in unserem Bewusstsein. Von den Rissen in der Welt.

Der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien hat die junge Arjeta ihrer Heimat beraubt. Als sie bei einem Umzug alte Fotos findet, begreift sie mit einem Mal vieles, was ihr über ihre eigene Lebensgeschichte lange im Dunkeln geblieben war. So geht Arjeta noch einmal den Rissen in ihrem Bewusstsein, in ihrem Leben nach †“ und den Rissen in der Welt.

Von vielem kann Arjeta Filipo sich trennen, vom Tisch ihrer Großmutter aber nicht. Jetzt sitzt sie an diesem Erbstück in ihrer neuen Berliner Wohnung und breitet darauf Fotos aus, die ihr beim Umzug in die Hände fallen. Die Erinnerungen steigen in ihr auf, als würde das Kirschholz alle Geschichten preisgeben, deren Zeuge der Tisch im Laufe der Jahre geworden ist.

Da sind die belagerte Stadt und das Istrien, das Meer ihrer Kindheit und Jugend, ihre alles ändernde Flucht Anfang der 90er Jahre. Aber da ist vor allem auch ihre Zeit in Paris, wo sie Philosophie studierte und in einer neuen Sprache ein neues Leben begann †“ zusammen mit dem Maler Arik, in den sie sich wider Willen verliebt. Der Vogelkundler Mischa Weisband wird ihr weiser Vertrauter, die Physikerin Nadeshda ihre engste Freundin. Beide Frauen verbindet und trennt ein Geheimnis, das über Jahre hinweg nur Arik kennt. Erst als sich beide den blinden Flecken in ihrem Inneren stellen, gelingt es ihnen, den Weg zur Wahrheit zu finden.

Eindrucksvoll erzählt Marica BodroŠ¾ic von Menschen, die Halt suchen in einer Welt voller Risse. Und die sich ihrer lange verdrängten Vergangenheit und den Zerrspiegeln ihrer Erinnerung stellen müssen †“ wenn sie wirklich im Hier und Jetzt leben wollen.

Link zur Leseprobe

Über die Autorin

Marica BodroŠ¾ić wurde 1973 in Svib/ Dalmatien, dem heutigen Kroatien geboren. Sie lebt seit 1983 in Deutschland und schreibt Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, darunter den Förderpreis für Literatur von der Akademie der Künste in Berlin und den Kulturpreis Deutsche Sprache.

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Der Preis wird zum Abschluss der ebenfalls jährlich stattfindenden Lesereise „LiteraTour Nord“ verliehen, die von verschiedenen öffentlichen Kultureinrichtungen, Buchhandlungen sowie den Universitäten in Bremen, Hannover, Lübeck, Lüneburg und Oldenburg veranstaltet wird, seit 2010 zudem in Rostock. Begleitend finden Lehrveranstaltungen an den genannten Universitäten statt.

Für den Preis der LiteraTour Nord stehen jeweils die sechs Autorinnen und Autoren der aktuellen Tour zur Wahl. Über die Vergabe entscheidet eine Jury, die aus Vertretern der Veranstalter, den Moderatoren sowie der VGH Stiftung besteht. Außerdem hat das Publikum die Möglichkeit zur Stimmabgabe.

Die Preisverleihung findet am 18. April um 19.00 Uhr in Hannover statt. Die Laudatio hält die Literaturkritikerin Meike Feßmann (Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel).

Quelle: BuchMarkt

Peter Sloterdijk erhält den Ludwig-Börne-Preis 2013

Peter SloterdijkDer 65-jährige Philosoph, Kulturwissenschaftler und Essayist Peter Sloterdijk erhält den Ludwig-Börne-Preis 2013. Über die Vergabe entschied in diesem Jahr in alleiniger Verantwortung der deutsch-amerikanische Romanist, Literaturwissenschaftler und Literaturhistoriker Hans Ulrich Gumbrecht. Peter Sloderdijk schaffe es regelmäßig, die Öffentlichkeit in „intensive Zustände intellektueller Wachheit“ zu versetzen, begründete laut Börsenblatt Gumbrecht seine Wahl.

Seit 1993 verleiht die Ludwig-Börne-Stiftung jährlich den mit 20.000 Euro dotierten Ludwig-Börne-Preis. Mit dem Literaturpreis werden deutschsprachige Autorinnen und Autoren geehrt, die im Bereich des Essays, der Kritik und der Reportage Außergewöhnliches geleistet haben. Laut den Statuten der Stiftung entscheidet jeweils ein vom Vorstand benannte/r Juror/in über die Vergabe und hält auch die Laudatio auf den Preisträger/in. Der Ludwig-Börne-Preis wird am 16. Juni 2013 in der Frankfurter Paulskirche an Peter Sloterdijk überreicht.

Mit Marie-Luise Scherer (1994), Daniela Dahn (2004) und Alice Schwarzer (2008) wurden in den letzten 20 Jahren insgesamt drei Frauen mit dem Literaturpreis geehrt. Die in dieser Zeit benannten vier Jurorinnen Monika Maron (1994), Klara Obermüller (1995), Rachel Salamander (2002) und Necla Kelek (2009) vergaben die Auszeichnung jeweils an Autoren.

Friedrich-Hölderlin-Preis 2013 der Stadt Bad Homburg geht an Ralf Rothmann

Shakespeares HühnerDer mit 20.000 Euro dotierte Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg geht in diesem Jahr an den 59-jährigen Schriftsteller Ralf Rothmann. Den mit 7.500 Euro dotierten Förderpreis erhält der Schweizer Autor Arno Camenisch. Der Literaturpreis wird seit 1983 alljährlich am 6. Juni, dem Vorabend des Todestages von Friedrich Hölderlin, in Bad Homburg verliehen.

Die Jury begründet ihre Entscheidung für Ralf Rothmann wie folgt: „Der Friedrich-Hölderlin-Preis 2013 der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe (Stiftung Cläre Jannsen) wird verliehen an Ralf Rothmann für sein literarisches Werk, das sich in Gedichten, Erzählungen und Romanen durch atmosphärische Dichte und sprachliche Genauigkeit auszeichnet. Prägende Themen sind die Erinnerungen an die frühen Jahre im Ruhrgebiet und die Erfahrungen in Berlin, wo der Autor seit 1976 lebt. Stets luzide, nie aber rechthaberisch richtet sich sein Blick auf uns und unseren prekären Alltag. Rothmanns Š’uvre weist über den Tag hinaus und hat sich auch dadurch repräsentativen Rang erworben.

Zuletzt erschien von Ralf Rothmann „Shakespeares Hühner: Erzählungen“
Kurzbeschreibung
Erscheinungstermin: 16. April 2012 im Suhrkamp Verlag (211 Seiten)
In einer der neuen Erzählungen Ralf Rothmanns denkt Fritzi, eine junge Gitarristin, über William Shakespeare nach und findet: „Verglichen mit den Sorgen und Nöten seiner finsteren Gestalten sind wir eigentlich nur Hühner oder? Shakespeares Hühner. Wir machen ein unglaubliches Gegacker um lauter Kram †“ Prüfungen, Lockenstäbe, Handymarken, Geld †“, und wissen insgeheim doch alle, dass es nicht das Wahre ist. Dass nichts das Wahre sein kann hinterm Hühnerdraht.“ Dramatische oder auch beglückende Wendepunkte im Leben schildert dieses Buch, dessen Sprache durch eine magische Genauigkeit besticht, und ob wir nun vom Selbstbetrug eines sterbenden Stasi-Beamten, von einer missratenen Orgie an der Ostsee, vom Wiedererwachen einer Liebe in einem japanischen Kloster oder vom Gedächtnis des Schnees hören: „Es ist ja nicht dieser oder jener Zustand, der das Leben ausmacht“, sagt Fritzi. „Es sind die Übergänge, wie in der Musik. Manchmal denke ich, sogar der Tod ist nur ein Akkordwechsel.“ Ralf Rothmann, der unangefochtene Meister der langen wie der kurzen Prosa, hat Erzählungen geschrieben, deren Realismus von der Sehnsucht nach dem Unvermuteten befeuert wird, voller Humor und Empathie. Und deren Nachhall verändert.

Die Entscheidung für den Förderpreis begründet die Jury wie folgt: „Der Förderpreis zum Friedrich-Hölderlin-Preis 2013 der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe (Stiftung Cläre Jannsen) wird verliehen an Arno Camenisch für die sprachartistische Erzähltrilogie über Landschaft und Leute seiner Graubündner Herkunft. Souverän spielt der Autor in den so kurzen wie konzisen Romanen „Sez Ner†™, „Hinter dem Bahnhof†™ und ‚Ustrinkata†™ mit den Idiomen, die ihn prägten: mit dem Rätoromanischen, dem Schweizerdeutschen und mit unserer Hochsprache. Entstanden ist darüber eine klangmächtige Wörtersymphonie, die ihre Figuren und Motive fest im Alltag verankert, sie aber auch in surreale Schwebezustände zu versetzen weiß. Arno Camenisch ist ein Literatur-Versprechen.

UstrinkataKurzbeschreibung „Ustrinkata“
Erscheinungstermin: 1. Februar 2012 im Engeler Verlag (96 Seiten)
Es ist der letzte Abend in der Helvezia, der Alkohol fliesst in Strömen wie der junge Rhein, und wes des Herzen voll ist, des geht der Mund über: Jetzt heisst es Austrinken! Noch einmal sitzen sie um den runden Tisch, der Otto, die Tante, der Luis, der Giachen und mit ihnen all die andern, die noch leben oder schon lange tot sind. Arno Camenisch hört ihren tragischen und zugleich komischen Geschichten genau zu, mit seinem präzisen Sinn für den Klang und die Eigentümlichkeiten ihrer Sprache hält er diese von Tod und Vergessen, von Naturgewalten und menschlichen Abgründen, von Hochwassern und Liebeswirren, von Steinschlägen und Händeln bedrohte Welt lebendig. Auf unverkennbar eigenwillige Art beschliesst Arno Camenisch mit „Ustrinkata“ nach „Sez Ner“ und „Hinter dem Bahnhof“ seine äusserst erfolgreiche Bündner Trilogie – es geht alles zu Ende, aber so lange einer noch erzählt, ist das letzte Glas nicht ausgetrunken.

Quelle: Stadt Bad Homburg

Jenny Erpenbeck erhält den Evangelischen Buchpreis 2013 für „Aller Tage Abend“

Jenny ErpenbeckDie 45-jährige Schriftstellerin und Regisseurin Jenny Erpenbeck erhält für ihren im August 2012 erschienenen Roman †œAller Tage Abend† den Evangelischen Buchpreis 2013. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis ist ein Leserpreis, dessen Auswahl ausschließlich auf Vorschlägen von Leserinnen und Lesern beruht. Er wird in diesem Jahr zum 35. Mal verliehen. Die Preisverleihung findet am 15. Mai 2013 in der Alten Handelsbörse in Leipzig statt, teilte der Verband Evangelisches Literaturportal am 13.02.2013 in Göttingen mit.

In der Begründung der Jury heißt es: In „Aller Tage Abend“ lasse Jenny Erpenbeck sprachgewaltig eine Welt am Anfang des 20. Jahrhunderts im jüdisch-christlichen Milieu Galiziens erstehen: Die stumme Trauer der erst achtzehnjährigen Mutter, das Auseinanderdriften der Eheleute, die Reaktionen der wegen der Heirat mit einem Nicht-Juden entzweiten Familie. Doch es sei nicht aller Tage Abend. Die Autorin erwecke ihre namenlose Protagonistin durch ein Intermezzo zum Leben und skizziere, wie sich das Geschick der Familie hätte entwickeln können. In vier weiteren „Büchern†œ werden die Möglichkeiten einer Biographie ausgelotet: Jugend und erste Liebe im vom Hunger geprägten Wien der Zwanziger Jahre, bedrohte Künstlerexistenz im Moskau des Stalinismus, Karriere als hochdekorierte Schriftstellerin im Ostberlin der Sechziger Jahre und vom Sohn betrauerter Tod der Neunzigjährigen im Altenheim im Berlin der Nachwendezeit. Dabei bleibe die Fragilität der menschlichen Existenz immer im Bewusstsein, jedes Buch ende mit einem durchaus möglichen, denkbaren Tod, jedes Intermezzo behaupte die Möglichkeit des (Über)Lebens. Diese mutige, ein Jahrhundert umspannende Konstruktion gelinge, weil Jenny Erpenbeck über eine wunderbare Sprache verfüge. Kunstvoll webe die Autorin Redewendungen, Bibel- und Literaturzitate ein und verknüpfe diese mit der Alltagssprache der Personen. Bewundernswert gelinge es ihr, jedes Kapitel in eine eigene, die Leserschaft fesselnde Form zu gießen.

Aller Tage AbendKurzbeschreibung
Erscheinungstermin: 20. August 2012 im Albrecht Knaus Verlag (288 Seiten)
Wie lang wird das Leben des Kindes sein, das gerade geboren wird? Wer sind wir, wenn uns die Stunde schlägt? Wer wird um uns trauern? Jenny Erpenbeck nimmt uns mit auf ihrer Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten sein können. Sie wirft einen scharfen Blick auf die Verzweigungen, an denen sich Grundlegendes entscheidet. Die Hauptfigur ihres Romans stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von allen Vergessene. Oder doch nicht?

Meisterhaft und lebendig erzählt Erpenbeck, wie sich, was wir „Schicksal“ nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstrickungen erweist. Der Zufall aber sitzt bei alldem „in seiner eisernen Stube und rechnet“.

Quelle: Evangelischer Buchpreis