Vom Nutzen Viktorianischer Trauerkleidung von Mary Kingsley

Mary Kingsley folgte bei der Wahl ihrer Expeditionstracht dem Grundsatz:“… man hat nicht das Recht, in Afrika in Sachen herumzulaufen, für die man sich zu Hause schämen würde“. Deshalb trug sie einen bodenlangen, stabil gefütterten Wollrock, ergänzt durch ein steifes, enges und hochgeschlossenes Mieder, so wie es sich eben für viktorianische Trauerkleidung schickte (wegen des Todes Ihrer Eltern).

Leseprobe aus „Die grünen Mauern meiner Flüsse. Aufzeichnungen aus Westafrika.“ © Deutscher Taschenbuchverlag 1992

Während ihrer Wanderung mit ein paar Eingeborenen durch den Busch hatte sie sich angewöhnt, in den Pausen ihrer schnelleren Begleiter, schon ein Stück vorauszugehen:

Mary Kingsley2Gegen fünf Uhr ging ich voraus und traf auf den angekündigten Pfad, auf dem ich weitergehen sollte. Er war nicht leicht zu erkennen, aber wenn man aufpaßte, konnte man ihm folgen. Dann brach er ab, führte aber jenseits eines Gebüschs wieder ziemlich deutlich weiter. Ich nahm eine Abkürzung und lag im nächsten Moment zwischen etlichen scharfen Stacheln ungefähr fünfzehn Fuß unter der Erdoberfläche auf dem Grund einer Großwildfalle. Das sind die Augenblicke, wo die Segnungen eines guten, festen Rocks so richtig zur Geltung kommen. Hätte ich mich an die Ratschläge vieler Leute in England gehalten und mich für männliche Kleidung entschieden, wäre ich jetzt bis auf die Knochen durchbohrt gewesen. Das Ende also. So aber saß ich, abgesehen von einer Menge Schrammen, dank der Stoffülle meines Rocks vergleichsweise gemütlich auf neun Ebenholzstacheln von gut 12 Inches Länge und rief frohgemut um Hilfe. Als erster kam der Duke [einer ihrer Begleiter, sie beschreibt ihn als Mann“mit den Manieren eines Herzogs und den Angewohnheiten eines Abfalleimers“]
und schaute über den Rand der Grube. „Hol eine Liane und zieh mich raus“, sagte ich. Er knurrte und setzte sich auf einen Balken. Der Passagier kam als nächster. ‚Tot?“ fragte er. „Nicht sehr“, klärte ich ihn auf. „Hol eine Liane und zieh mich raus“. „Kann nicht“, sagte er und setzte sich auf einen Balken. Schließlich kamen Kiva und Wiki. Wiki ging los, um diejenige Liane auszuwählen, mit der als einziger eine englische Lady herausgezogen werden darf: Sie war genau auf meinen Teint, mein Alter, meine Größe und diese besondere Grube abgestimmt. Von der Zeit zu schließen, die er dafür brauchte, schienen derartige Exemplare hier rar zu sein.“
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Der schönste erste Satz von Mary Kingsley

Mary KingsleyDie Westküste von Afrika und die arktischen Regionen haben eines gemeinsam: Wer einmal dort war, will wieder dort hin.

Die grünen Mauern meiner Flüsse von Mary Kingsley

Mary Henrietta Kingsley (* 13. Oktober 1862 in Islington;†  3. Juni 1900 in Simon’s Town, Südafrika) war eine englische Entdeckerin und Ethnologin mit großem Einfluss auf europäische Ideen über Afrika und die Afrikaner. Sie profilierte sich auch als Reiseschriftstellerin und mit Vorträgen über ihre Erlebnisse. Als erste Europäerin betrat sie abgelegene Teile in West- und Zentralafrika, etwa in Gabun.

Die Reisebücher enthalten viele Informationen über die Lebensweise der westafrikanischen Menschen in den 1890er Jahren. Ihre Vorträge trugen zu einem anderen Bild und besserem Verständnis der Afrikaner bei. Sie argumentierte gegen die damals in Europa und Amerika vorherrschende Vorstellung, Neger seien Primitive und dass Europa Afrika zivilisieren müsse. Händler, so glaubte sie, könnten noch am besten die Mentalität der Eingeborenen verstehen.

Leseprobe aus „Die grünen Mauern meiner Flüsse“