April 2010: Pferde stehlen von Per Petterson

„Pferde stehlen“ von Per Petterson, in der Übersetzung von Ina Kronenberger, lautet der neue Titel von dem Roman, den wir am 24.04.10 im Lesekreis besprechen. Wir treffen uns zur üblichen Zeit bei Jürgen. Wir können uns auf „eine ruhige, kraftvolle Prosa, wie auch die ZEIT über den Roman urteilt, freuen.

Kurzbeschreibung
Norwegen im Sommer 1948: Der fünfzehnjährige Trond verbringt die Ferien in einer Hütte nahe der schwedischen Grenze. Als in der Nachbarsfamilie ein schreckliches Unglück geschieht, entdeckt der Junge das wohlgehütete Lebensgeheimnis seines Vaters. In den Kriegsjahren hatte dieser zusammen mit der Nachbarin politisch Verfolgte über den Fluss gebracht. Und sich dabei für immer in diese Frau verliebt. Noch ahnt Trond nicht, dass er seinen Vater nach diesem gemeinsamen Sommer nie wiedersehen wird.

Pressestimmen
„Eine wunderschön erzählte Geschichte über die Liebe und das Glück, das Jungsein und das Alter, die Natur und die Einsamkeit. Das Schönste wäre, wenn einer auf die Idee käme, dieses Buch zu verfilmen. Das wäre ein Film, bei dem man ein bisschen weinen würde, aber gleichzeitig auch den Daumennagel anknabberte, weil es so spannend ist.“ (Christine Westermann, WDR)

„Pferde stehlen ist ein elegischer Vaterroman, aber auch eine poetische Huldigung an die nordische Natur.“ (Neue Züricher Zeitung)

„Eindringlicher als Per Petterson kann man von Leuten in ihrer Landschaft nicht erzählen.“ (Süddeutsche Zeitung)

„Das ist verdichtetes Leben: von absolut zwingender und unangestrengter Notwendigkeit.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Über den Autor
Per Petterson, geboren 1952 in Oslo, ist ausgebildeter Bibliothekar und arbeitete als Buchhändler und Übersetzer, bevor er sich als Schriftsteller etablierte. Sein Buch Sehnsucht nach Sibirien wurde 1997 für den Nordic Council’s Literature Prize nominiert.Ina Kronenberger, geboren 1965 in der Pfalz, übersetzt aus dem Norwegischen und Französischen, u.a. Per Petterson, Linn Ullmann, Ketil Björnstad, Anna Gavalda, Amin Maalouf und Thomas Gunzig.

Februar 2010: Die Einsamkeit der Primzahlen von Paolo Giordano

Rainer hat so überzeugend von seinem Buchvorschlag über „Die Einsamkeit der Primzahlen“ von Paolo Giordano geschwärmt, dass wir einstimmig beschlossen haben es beim nächsten Lesekreis-Treffen zu besprechen. Wir treffen uns am 13.02.2010 zur üblichen Zeit bei Eli.

Die Einsamkeit der PrimzahlenKurzbeschreibung
„Zum Teufel noch mal, was für ein großartiger Schriftsteller, schon mit 26 Jahren!“ Andrea Camilleri

Ein einziger Tag in ihrer Kindheit, so scheint es, hat über ihr ganzes Leben entschieden. An einem solchen Tag verlor Alice für immer ihre Unbeschwertheit und das Vertrauen zu ihrem halsstarrigen Vater. Mattia hingegen verlor mit sechs Jahren seine Schwester, deren Hilfsbedürftigkeit er ein einziges Mal, für wenige Stunden, missachtet hatte. Seither quälen ihn Schuldgefühle, die er niemandem offenbart.

Sieben Jahre später lernen Mattia und Alice sich auf dem Gymnasium kennen. Die Anziehungskraft zwischen den beiden scheint unwiderstehlich. Jeder erkennt im anderen die eigene Einsamkeit. Alice ist der einzige Mensch, dem Mattia wenigstens einmal seinen Schmerz zu offenbaren wagt. Und umgekehrt würde sie nie einen anderen als ihn bitten, das Tattoo von ihrer Haut zu entfernen, mit dem sie ihre inneren Wunden gleichsam übermalen wollte. Doch mit den Jahren werden die Hindernisse, die die beiden einander unbewusst in den Weg legen, höher und höher. Bis sie sich entscheiden müssen.

In einer ebenso klaren wie poetisch-eindringlichen Sprache erzählt Paolo Giordano die Geschichte von Alice und Mattia, die wie Primzahlzwillinge nahe beieinanderstehen und doch immer durch eine Winzigkeit getrennt bleiben. Komplexe Seelenzustände schildert er so genau, dass sie fassbar werden und uns tief berühren. Paolo Giordano findet unvergessliche Bilder für die verschlungenen Wege, auf denen die Dramen der Kindheit in uns fortwirken. Seine Prosa verwandelt auf magische Weise Schmerz in Trost.

Ausgezeichnet mit Italiens renommiertestem Literaturpreis – dem „Premio Strega“. Mit 26 Jahren ist Paolo Giordano der jüngste Gewinner aller Zeiten.

„Eindringlich und unaufhaltsam lässt Giordano den Schmerz der Kinder, der Jugendlichen und der Erwachsenen in den Leser einsickern. … Hier zeigt sich der Physiker Paolo Giordano als hervorragender Menschenanalytiker – wie auch bei seinen Nebenfiguren, die oft nur kurz auftauchen, dann vom Autor vergessen scheinen, um plötzlich wieder bedeutsam zu sein. Selbst sie zeigen sich dem Leser in einer Komplexität, für die man ihren Schöpfer nur achten kann. … seine Geschichte besticht nicht nur durch direkte, schnörkellose Dialoge und einen poetischen, bildreichen Erzählstil, sondern auch durch Spannung. Und so war der Roman in Italien 2008 der meistgekaufte. Giordano, als Physiker der wissenschaftlichen Abhandlung so mächtig wie dem literarischen Schreiben, beweist, dass sich Naturwissenschaft und Literatur aufs Schönste ergänzen können. Eine ungewöhnliche Bereicherung.“ Liliane Zuuring, Westdeutsche Allgemeine (29.08.2009)

Die 368 Seiten umfassende gebundene Ausgabe ist im August 2009 in Karl Blessing Verlag erschienen. Die Einsamkeit der Primzahlen ist für 19,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

Dezember 2009: Atemschaukel von Herta Müller

Die Abstimmung für die „Atemschaukel“ von Herta Müller war ziemlich einstimmig. Natürlich kommen wir nicht darum herum, den neuen Roman der frischgekürten Literaturnobelpreisträgerin im Lesekreis zu lesen.  Die Besprechung findet am 19. Dezember um 21 Uhr bei Heike und Christian statt.

AtemschaukelKurzbeschreibung
Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. „Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.“ So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.

Pressestimmen
„Ein überwältigender, ergreifender, demütig machender Roman, die vielleicht nachhaltigste Leseerfahrung dieses Herbstes.“ (Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.09)

„Ein sprachliches Kunstwerk, wie es das in diesem Herbst kaum ein zweites Mal geben dürfte. Wer es schafft, Herta Müllers bestürzenden, bedrückenden und – wegen seiner sprachlichen Kraft – beglückenden Roman zu Ende zu lesen, wird dieses Buch nie wieder vergessen.“ (Focus, Hajo Steinert, 10.08.09)

Über die Autorin
Herta Müller, 1953 geboren im deutschsprachigen Nitzkydorf/Rumänien, studierte 1973 – 1976 deutsche und rumänische Philologie in Temeswar. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. Sie wurde entlassen, weil sie sich weigerte für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu arbeiten. Ihr erstes Buch „Niederungen“ lag danach vier Jahre beim Verlag und wurde 1982 nur zensiert veröffentlicht. 1984 erschien es in der Originalfassung in Deutschland. Herta Müller konnte danach in Rumänien nicht mehr veröffentlichen und war immer wieder Verhören, Hausdurchsuchungen und Bedrohungen durch die Securitate ausgesetzt. 1987 Übersiedlung nach Deutschland. 1989 – 2001 Gastprofessuren an Universitäten in England, Amerika, Schweiz und Deutschland. Seit 1995 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt. Herta Müller wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt sie 2006 den Würth-Preis für Europäische Literatur für ihr literarisches Gesamtwerk sowie den Walther-Hasenclever-Werkpreis. Herta Müller lebt in Berlin. 2009 erhielt die Autorin die Ehrengabe der Heine-Gesellschaft.

Oktober 2009: Panda Sex von Mian Mian

Am 17. Oktober 2009 besprechen wir den Roman Panda Sex der chinesischen Autorin Mian Mian. Wir treffen uns um 21 Uhr bei Heike und Christian.

Panda SexKurzbeschreibung
Durch die Nacht von Shanghai – mit Mian Mian, dem Bad Girl der chinesischen Literatur.

In Shanghai ist der Panda-Virus ausgebrochen: Sexmüde wie Pandabären sind die Figuren im neuen Roman von Mian Mian. Einst das Bad Girl der chinesischen Literatur, deren Werke in ihrer Heimat zensiert wurden, beweist sich die international gefeierte Autorin mit ihrem neuen Roman als Avantgarde-Klassikerin. Mian Mian war eine der ersten Schriftstellerinnen, die über die unbekannte Seite Chinas schrieb: über eine Jugend, die im Nachtleben ihr Glück sucht. Als Königin der Subkultur und Chinas begabteste Jungautorin feierte sie Der Spiegel.

Die Party ist zwar nicht vorbei in Mian Mians neuem Buch. Aber doch hat sich etwas verändert, es ist, als sei das einst glitzernde, leuchtende Shanghai in Schwarzweißlicht getaucht. Panda Sex erzählt von einer Gruppe junger Leute um das Schwesternpaar Mei Mei und Jie Jie.

Zwei Tage und Nächte lang durchstreifen sie die Shanghaier Party- und Clubszene und philosophieren dabei über die Liebe, Beziehungen, Geschlechterrollen und Sex. Gerade erst haben die Freunde ihren langjährigen Gefährten Little Beetle zu Grabe getragen. Dort, bei der Beerdigung, sollen sie sich infiziert haben mit dem Panda-Virus. Pandas haben nur zweimal im Jahr Sex. Den Figuren im Roman geht es ähnlich, sie suchen Nähe, sind süchtig nach echter Begegnung und können Sex doch nur mit Fremden haben.

Kühn konstruiert, protokolliert Panda Sex die Gespräche der Freunde auf den Straßen Shanghais. Mit flirrender Leichtigkeit und Melancholie entwirft Mian Mian das Bild einer Generation, die sich nach Liebe sehnt, aber das Risiko einer Beziehung fürchtet. China-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2009

Über die Autorin Mian Mian
Mián Mián (chin. 棉棉) wurde am 28. August 1970 in Shanghai geboren.
Sie beschreibt in ihren Erzählungen und Romanen die Subkultur des neuen China, die sie als DJ, Rock-Show- und Rave-Promoterin gut kennengelernt hat.

Mit 16 Jahren begann sie zu schreiben. 1997 wurden ihre ersten Kurzgeschichten in der Literaturzeitschrift Xiaoshuo Jie veröffentlicht. Die vier Erzählungen La La La erschienen 1997 in Hongkong (auf Deutsch 2000 im Verlag Kiepenheuer & Witsch). Ihr erster Roman Candy folgte im Frühjahr 2000. Beide Bücher wurden Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt. In der Volksrepublik China selbst waren sie jedoch schon nach kurzer Zeit nur noch als Raubkopien erhältlich.

Anschließend arbeitete Mian Mian als Schauspielerin im Film Shanghai Panic (2002), chinesischer Originaltitel: 《啦啦啦我们害怕啦啦啦》), zu dem sie auch das Drehbuch verfasst hat. Auch in dem Film Xiao shuo (2006) (englischsprachiger Titel: „The Obscure“ übernahm sie eine Rolle.

Wegen ihrer angeblich zweifelhaften moralischen Qualität waren Mian Mians Bücher bis 2002 von den chinesischen Behörden zensiert. La La La kam in Deutschland bei Kiepenheuer & Witsch in einer unzensierten und von der Autorin überarbeiteten Version heraus. Die gute Übersetzung leistete Karin Hasselblatt.

Mian Mian lebt in Shanghai. Ihre im Jahr 2000 geborene Tochter lebt bei ihrem Ex-Mann in Peking.

Über den Übersetzer Martin Woesler
geboren 1969, Sinologe, nach Studium, Forschung und Lehre an der Peking- und Harvard-Universität derzeit Professor an der Hochschule für Angewandte Sprachen München. Übersetzte u. a. den 250 Jahre alten klassischen chinesischen Roman „Der Traum der Roten Kammer“. Mit Mian Mian hat er die Orte aus dem Roman „Panda Sex“ besucht.

August 2009: Der Junge und das Meer von Tschingis Aitmatow

Elli hat uns mit ihrer Schilderung über ihr „Lese-Erlebnis“ mit Tschingis Aitmatows „Der Junge und das Meer“ so überzeugt, dass wir den 1977 im Goldmann Verlag erschienen Roman des kirgisischen Schriftstellers beim nächsten Lesekreis-Treffen am 08. August besprechen. Wir treffen uns um 21 Uhr bei Elli.

In der Abstimmung setzte sich Aitmatows „Der Junge und das Meer“ gegen folgende Bücher durch:

Schnee von Orhan Pamuk
Die Straße von Cormac McCarthy
Die italienischen Schuhe von Henning Mankell
Die Eleganz des Igels von Muriel Barbery
Was mit Kate geschah von Catherine O´Flynn

Tschingis Torekulowitsch Aitmatow, geboren am 12. Dezember 1928 in Scheker im Talas-Tal, Kirgisistan, gestorben am 10. Juni 2008 in Nürnberg, war ein kirgisischer Schriftsteller, der hauptsächlich in russischer Sprache schrieb.

Leben
Aitmatow wurde im Norden Kirgisistans nahe der usbekischen Grenze im Dorf Scheker (Gebiet Talas) geboren. Sein Vater war dort Verwaltungsbeamter, seine Mutter Nagima Chasijewna, eine gebürtige Tatarin, war Schauspielerin am örtlichen Theater. In seiner Kindheit zog er, wie damals die meisten Kirgisen, mit seiner Familie und den Tieren des Klans von Weide zu Weide. 1937 wurde sein Vater Torekul Aitmatow während der stalinistischen „Säuberungen“ wegen bürgerlichem Nationalismus verhaftet und 1938 hingerichtet.

Aitmatow begann sein Arbeitsleben mit 14 Jahren als Gehilfe des Sekretärs des Dorfsowjets. Darauf folgten Tätigkeiten als Steuereintreiber, Lagerarbeiter und Maschinistenassistent. Da Kirgisistan zu dieser Zeit zu einer Sowjetrepublik wurde, hatte Aitmatow die Gelegenheit, an der neu eingerichteten russischen Schule in Scheker zu lernen und sich für ein Studium zu qualifizieren. 1946 begann er mit dem Studium der Veterinärmedizin, zunächst an der Technischen Hochschule im nahe gelegenen kasachischen Dschambul, und dann bis 1953 am Kirgisischen Landwirtschaftsinstitut in Frunse.

Seine literarische Tätigkeit begann 1951 mit Übersetzungen kirgisischer Prosa ins Russische; er arbeitete jedoch noch bis zum Erscheinen seiner ersten Erzählung am Wissenschaftlichen Forschungsinstitut von Kirgisistan.

1956 begann er mit einem Studium am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau, wo er bis 1958 lebte. 1957 wurde er in den sowjetischen Schriftstellerverband aufgenommen. Danach arbeitet er acht Jahre für die Parteizeitung Prawda.

Aitmatow ist Träger verschiedener Preise, unter anderen des Leninpreises 1963, des Staatspreises 1968, 1977, 1983. Ferner wurde er als Nationalschriftsteller Kirgisistans und als Held der sozialistischen Arbeit 1978 ausgezeichnet.

Er war Abgeordneter im Obersten Sowjet der UdSSR, Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei Kirgisistans sowie Mitglied des Sekretariats der Schriftstellerunion und der Kinematografen-Union. Er war Präsidiumsmitglied des Sowjetischen Solidaritätskomitees mit den Staaten Asiens und Afrikas.

Aitmatow war Chefredakteur der Zeitschrift „Inostrannaja literatura“ (Иностранная литература, dt. Ausländische Literatur) und Initiator der internationalen Intellektuellenbewegung „Issyk-Kul-Forum“ (Иссыккульский форум)

1988†“1990 war Aitmatow Vorsitzender des kirgisischen Autorenverbandes. In der Zeit der Perestroika war er als parlamentarischer Vertreter (Oberster Sowjet der UdSSR) aktiv, seit Ende 1989 auch als Berater Michail Gorbatschows. 1990 wurde er sowjetischer Botschafter in Luxemburg. Bis März 2008 war er Botschafter für Kirgisistan in Frankreich und den Benelux-Staaten und lebte in Brüssel.

Nachdem der an Diabetes erkrankte Aitmatow bei Dreharbeiten im Wolgagebiet im Mai einen Schwächeanfall erlitten hatte, verstarb er am 10. Juni 2008 im Nürnberger Klinikum nach drei Wochen künstlichem Koma an den Folgen einer schweren Lungenentzündung.

Werk
Aitmatows erstes und bekanntestes Werk ist die später auch erfolgreich verfilmte Erzählung Dshamilja, eine in Kirgisistan spielende Liebesgeschichte aus dem Sommer des Kriegsjahres 1943. Louis Aragon übersetzte sie ins Französische und würdigte in seinem Vorwort mit den Worten: „Ich schwöre es, die schönste Liebesgeschichte der Welt†œ. Hannes Wader ließ sich von ihr zu seinem Lied „Am Fluss“ inspirieren. In der DDR gehörte es an den Schulen zur Pflichtliteratur.

Bereits in den 1970-er Jahren distanzierte er sich vom sozialistischen Realismus, sein Roman Der Richtplatz (auch: Die Richtstatt) gab 1987 wichtige literarische Impulse für die Perestroika.

In seinen Erzählungen spielen kirgisische Tradition und Kultur eine tragende Rolle. Den Kontrast zwischen dem harten, mit der Natur verbundenen Leben des ehemaligen Nomadenvolkes und dem Kolchos-Alltag in der Sowjetunion beschreibt Aitmatow gefühlvoll, poetisch und mit erzählerischer Kraft. In seinen neueren Werken kritisiert er konsequent die menschliche Ignoranz und die damit verbundene Zerstörung der Natur. Auf Bitten des Naturschutzbund Deutschland übernahm er die Schirmherrschaft der Vereinigung zum Schutz der Schneeleoparden.

Wie bei vielen anderen fremdsprachigen Werken der Literatur wird die künstlerische Leistung des Autors nur durch die künstlerische Leistung seiner Übersetzer nachvollziehbar. Das Werk Tschingis Aitmatows gewann wegen der Leistung seiner Übersetzer seine Beliebtheit im deutschen Sprachraum.

Dank umfassender Erkenntnisse und der zielgerichteten Nutzung vieler objektiver Gesetze der materiellen Welt hat die Menschheit ein hohes Niveau der technischen und technologischen Entwicklung erreicht. Im Bestreben, die modernsten Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Leben auch anzuwenden, hat die Menschheit jedoch zugleich ihre geistig-sittliche Sphäre aus dem Blickfeld verloren, genauer gesagt: Sie hat diesen Bereich, der ebenfalls existiert und sich nach bestimmten Gesetzen entwickelt, weitgehend ignoriert. Diese Gesetze sind nicht weniger objektiv als die der materiellen Welt. Hierbei wurde ein fundamentales Gesetz des Universums verletzt, das da lautet: Das Niveau der geistigen und sittlichen Entwicklung der menschlichen Gemeinschaft sollte stets ein wenig höher sein als das Niveau des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. Nur dann erwächst aus den grossartigen Leistungen der Wissenschaft und Technik auch die Verantwortung für das allgemeine Wohl der Menschen, für die Vorsorge vor Hunger, Verelendung und Krankheiten in den verschiedenen Teilen des Erdballs.

der-junge-und-das-meer2Kurzbeschreibung
Am Ufer des Ochotskischen Meers leben die Niwchen, ein Volk  von Fischern und Robbenjägern. Der halbwüchsige Kirisk darf zum ersten Mal mit aufs Meer hinausfahren und an einer Robbenjagd teilnehmen. Nach alter Tradition soll er auf dieser Fahrt sein Jägerhandwerk erlernen und mit dem Meer vertraut werden. Begleitet wird er von seinem Vater, vom Onkel und von Organ, einem weisen Greis. Als sich das Boot im dichten Nebel verirrt, wird aus der Weihe ein lebensgefährliches Abenteuer. Die drei erfahrenen Männer greifen zum äußersten Mittel, um dem Jungen das Überleben zu ermöglichen: Sie opfern ihr eigenes Leben.