Bei der Aufzeichnung der Fernsehpreis-Verleihung im Kölner Coloneum am Freitag sollte Marcel Reich-Ranicki den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises für sein Lebenswerk erhalten.
Als er schließlich nach vier Stunden vorzeitig, der Ablauf musste geändert werden, weil er schon vorher drohte den Saal zu verlassen, auf die Bühne gebeten wurde, wetterte er auch schon los:
„Meine Damen und Herren, ich habe in meinem Leben, in den 50 Jahren die ich in Deutschland bin, … viele Literaturpreise bekommen. Und ich habe immer gedankt für diese Preise, wie es sich gehört und bitte – verzeihen Sie mir, wenn ich offen rede – es hat mir keine Schwierigkeiten bereitet, für die Preise zu danken. Heute bin ich in einer ganz schlimmen Situation. Ich muss auf den Preis, den ich erhalten habe, irgendwie reagieren, und der Intendant Schächter sagt mir, bitte, bitte nicht zu hart. Ja, in der Tat. Ich möchte niemanden kränken, niemanden beleidigen oder verletzen. Aber ich möchte auch ganz offen sagen, ich nehme diesen Preis nicht an … Wäre der Preis mit Geld verbunden, hätte ich das Geld zurückgegeben. Aber er ist ja nicht mit Geld verbunden, ich kann nur diesen Gegenstand, der hier verschiedenen Leuten überreicht wurde, von mir werfen, oder jemanden vor die Füße werfen. Ich kann das nicht annehmen. Und ich finde das auch schlimm, dass ich das hier vier Stunden erleben musste. Bei dem vielen Blödsinn, den ich heute Abend gesehen habe, glaube ich nicht, dass ich dazugehöre. Ich habe viele schöne Fernsehabende, zum Beispiel bei Arte, verbracht….“
Schließlich griff Thomas Gottschalk, der durch die Sendung führte, ein und bot Reich-Ranicki eine einstündige Sendung zusammen mit den Chefs der großen Sender an, bei dem über alles geredet werden könne, was derzeit fehle im Fernsehen: Bildung, Erziehung, „Literatur“, wie der Kritiker ergänzt. Der willigte skeptisch ein, denn die Intendanten würden seine Vorschläge sicher sehr schön finden, dann aber sagen, das könnten sie nicht realisieren.
Die „Sondersendung“ mit ihm und Gottschalk soll bereits in dieser Woche, am kommenden Freitag, im ZDF gesendet werden.
So weit so gut, eine Preisverleihung an die man sich durch die Ehrung Reich-Ranickis noch in zehn Jahren erinnern wird.
Ebenfalls haften bleiben wird die Reaktion von Elke Heidenreich hierzu. In der FAZ schrieb sie am Sonntag einen Artikel (Reich-Ranickis gerechter Zorn ), der sich wie eine längst fällige Abrechnung mit ZDF, ARD, Sat 1, RTL und Thomas Gottschalk liest.
Ihr Fazit: „Schmeißt mich doch raus!“
Man kann gespannt sein, ob das ZDF ihrer Aufforderung nachkommt.
Elke Heidenreich über die Fernsehpreis-Verleihung:
Der Moderator Thomas Gottschalk schritt routiniert über die Bühne und hudelte ohne einen Funken von Witz oder Geist seine „Moderationen“ herunter, die er so oder anders schon tausendmal gemacht hat.
Nahezu jeder Preisträger stammelte am Mikrofon herum, das sei so ein toller Preis, und man wisse nun gar nicht, was man sagen solle, und man sei totaaaaal überrascht, und man danke aber dem tollen Team und dem tollen Redakteur und dem Ehemann und dem Kind und, Mama, das ist für dich.
Die dargebotenen Produkte und Arbeiten waren in der Mehrzahl jämmerlich, jämmerlich wie unser Fernsehen ist, wie arm, wie verblödet, wie kulturlos, wie lächerlich.
Man mutet keinem so intelligenten, achtundachtzig Jahre alten Mann einen solchen stundenlangen Schwachsinn in hässlicher Kulisse zu.
Thomas Gottschalk hat eine einzige Eigenschaft, die ihn zum Moderator befähigt, nur eine †“ er ist nicht intelligent, er ist nicht charmant, er hat keinen Witz, aber er ist reaktionsschnell.
Der Kritiker, der Spielverderber ist weg, nun ziehen wir unsere hirnlose Scheiße durch bis zum Schluss.
Keiner der Programmdirektoren oder Intendanten kam auf die Bühne in diesem Augenblick, weil es verknöcherte Bürokarrieristen sind, die das Spontane längst verlernt haben, das Menschliche auch, Kultur schon sowieso.
Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten. Von mir aus schmeißt mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde.
Ich schäme mich, ich entschuldige mich stellvertretend für alle Leidenden an diesen Zuständen, und derer sind auch in diesen verlotterten Sendern noch viele, bei Marcel Reich-Ranicki für diesen unwürdigen Abend.
Bitte nimm den Preis nicht an, jetzt nicht und nie. Lass dich nicht einlullen. Und rede nicht mit den Vertretern der Sender, es bringt nichts. Sie werden es nicht begreifen.
Und was die Macher eines solchen desolaten Abends angeht: Fahrt bitte einmal im Mai nach Hamburg zum Henri Nannen Preis und lernt, wie die das machen †“ ein unterhaltender Abend für intelligente Menschen. Es ist möglich. Aber eben nicht bei ZDF, ARD, Sat 1 und RTL. Und schon gar nicht mit Thomas Gottschalk.
Chapeau, Elke Heidenreich!
Nachtrag vom 23.10.2008:
Das ZDF hat die Zusammenarbeit mit Elke Heidenreich mit sofortiger Wirkung beendet. Die beiden für dieses Jahr noch geplanten Ausgaben von „Lesen!†œ werden nicht mehr produziert. Anstelle der geplanten Sendungen am 31. Oktober und 5. Dezember wird das Kulturmagazin „aspekte†œ ausgestrahlt. Weitere Infos siehe hier!
Quelle: Süddeutsche Zeitung, FAZ
Wenn es etwas hilft, dann hat es sich ja gelohnt. Ansonsten: Hut ab! Alter Mann. Das traut sich nicht jeder.
Na ja, sieht so aus, als würde er schon wieder ein wenig zurückrudern. Elke Heidenreich hat ja wesentlich deutlichere Worte gesprochen, da bin ich echt gespannt wie das weitergeht.
LG
bin begeistert.
ich auch! 😆
Achgott, Heidenreichs Statement sehr ich ja jetzt erst.
MRRs Reaktion auf der Bühne fand ich dufte, allein die verblüfften Gesichter im Publikum waren Gold wert! Aber die Heidenreich schämt sich JETZT AUF EINMAL, bei „so einem Sender“ zu arbeiten? Achwas, das hätte ihr aber auch früher einfallen können 😉
@maren… das mit dem früher einfallen, das stimmt allerdings
Ja, gut gebrüllt die Beiden. Nur ist Heidenreich in meinen Augen Teil des Problems, während die Schelte wohl nichts bewirken wird – bei den Privaten schon einmal garnicht, wie auch Hauptverantwortliche von RTL und Pro7 / sat 1 schon verlauten ließen, bei den ÖR vermutlich auch nicht. Denn gerade für die hieße das ja, den Auftrag zur Grundversorgung endlich ernstzunehmen, nicht mehr auf Quoten zu schielen und stattdessen vornehmlich im Informationsbereich tätig zu werden, wogegen sich das ÖR ja seit Jahrzehnten mit Händen und Füßen wehrt. So wird es also am Freitag eine nette, vermutlich heftige Diskussion mit Placebo – Effekt geben.
Noch eine Anmerkung : schreiten – ich schreite, ich schritt, ich werde schreiten. Da Frau Heidenreich aus dem Bereich der Printmedien kommt, wäre die Kenntnis und Anwendung korrekter Konjugationsformen nicht nur wünschenswert, sondern unerläßlich. LG tinius
hi tinius,
sorry, für die Verspätung.
Ja, mag sein, dass du recht hast. Wie war denn die „nette, vermutlich heftige Diskussion“? Hast du sie gestern Abend verfolgt, ich habe es verpasst, war unterwegs.
Meine Güte, was täte ich ohne dich, vielen Dank für die Korrekturanweisung…
LG
Ich dachte, da in einem Zitat, wäre es Heidenreichs Fehler… Dich hätte ich nicht korrigiert. ;). Ich habe nur die ausführliche Vorberichterstattung gelesen und mir die Sendung erspart. Es war am Donnerstag aufgezeichnet und der Presse im Voraus zugänglich. Es ist ausgegangen wie erwartet : ohne Beteiligung der Verantwortlichen, nur eine halbe Stunde statt der zugesagten Stunde, es wird keine Konsquenzen haben – selbst nicht aus Thomas Gottschalks Sicht…. Für sinnloses weil folgenloses Gelaber wurde eine Kutursendung eine halbe Stunde weiter in die Nacht verdrängt…. (und nicht einmal T. G. war bereit, vom Bildschirm zu verschwinden, was ich tief betrübt zur Kenntnis nahm). LG tinius
Nun ist sie weg, die Sendung wurde mit sofortiger Wirkung – dem Kündigungsbegehren entsprechend – abgesetzt. 2009 soll es ein neues Format für Literatur im ZDF geben. Wenn man nicht befürchten müßte, daß dieses noch schlechter wird, könnte man zu einem dreitägigen Dankesfest ansetzen…. Quelle. LG tinius
nun hat sie bekommen was sie wollte – passt doch
och nö! Das darf doch nicht wahr sein, woher habt ihr diese Info?
Geschockte Grüße…
wieso ihr? ich hab sie von hier
In meinem Kommentar hab ich eine von zig Quellen angegeben und sie als solche benannt / verlinkt. 😉 LG tinius
aha, du liest also das Handelsblatt 🙂
ich habe mich natürlich gleich auf die FAZ gestürzt um mehr zu erfahren. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht so genau was ich davon halten soll. Finde es irgendwie ungerecht, ich meine nicht das sie gehen muss, aber wie sich alles entwickelt hat. Zunächst hätte die FAZ sie warnen müssen, aber scheinbar hat sie dort keinen guten Freund, der ihr geraten hat noch eine Nacht darüber zu schlafen, bevor sie den ersten „frechen“ Artikel dort veröffentlicht hat. Denn letztendlich war schon klar, dass sich das ZDF das nicht bieten lassen „kann“. Sie hat dann zwar in ihrem 2. Artikel ein wenig zurückgerudert, aber auf einen Vertrag gepocht, der ja auch einseitig (da werden bestimmt Gelder fließen) beendet werden kann. Den Vorwurf, dass sie unbedingt aus persönlichen Gründen die Laudatio für MRR halten wollte, finde ich absurd. Bin überzeugt, dass sie ihn tatsächlich vor Gottschalks „Spötteleien“ über den „Tod eines Kritikers“ etc. bewahren wollte. Nur, MRR ist mittlerweile wohl schon so senil, er merkt gar nicht, wenn Gottschalk ihn veräppelt.
Na ja, wie auch immer, werde Lesen! im ZDF vermissen, aber das ist ja schon bekannt, und von wegen dreitägiges Dankesfest, hehe!
LG 😉
Nein, ich habs in einem meiner Foren gelesen und mir für den Kommentar hier die erste erreichbare offizielle Quelle gegriffen. Das mit dem „Tod eines Kritikers“ war eine Unverschämtheit von Gottschalk, denn da RR mit der Hauptfigur gemeint war, könnte man das als Billigung dieses persönlichen Angriffs Walsers sehen…. und Tod ist ein Wunsch, den man keinem wünschen, zuschreiben etc. sollte. LG tinius