Black Dagger Ladies Online †“ Ein neuer Passagier [Kapitel 7]

Black Dagger Ladies Online

Ein neuer Passagier
Kapitel 7

Kate schlenderte an der Reling entlang und genoss die abendliche Brise, die über der ruhigen See wehte. Bones hatte noch etwas auf der Brücke zu erledigen und wollte sie später treffen. Ein lachsrosafarbenes Corsagenkleid betonte ihre wunderschönen Schultern und die Füße steckten in leichten Sandaletten, die an ihren schlanken Fesseln hoch gebunden waren. Kleine Perlen steckten in ihren Ohrläppchen und eine filigrane Silberkette mit einem hübschen Medaillon trug sie an ihrem anmutigen Hals. Ein Hauch von Zitrone umwehte sie, und sie musste lächeln, als sie daran dachte, dass Bones dieses Parfum so sehr an ihr mochte. Trotz der anstrengenden Stunden in New Orleans, fühlte Kate sich nach einem ausgedehnten Bad wie neu geboren. Ihre Stimmung war ausgezeichnet. Das hing wohl mit ihrer leidenschaftlichen Beziehung zu Bones zusammen. Sie konnte es kaum erwarten ihn wieder zu sehen und seine starken Hände auf ihrem Körper zu spüren. Dass ihr Wunsch so schnell in Erfüllung gehen würde, hatte sie allerdings nicht gedacht, denn in dem Moment kam Bones eilig auf sie zu. Sie merkte gleich, dass etwas passiert war. Sein Gesichtsausdruck war sehr ernst. „Kate, komm schnell mit auf die Brücke, Sweetlife will mit dir sprechen. Unterwegs werde ich dir erzählen was los ist.†œ Bones hatte eine Nachricht von der Werft in Miami erhalten. Er musste sofort abreisen und eines der fertig gestellten neuen U-Boote testen. Als er bereits Kapitän der Seraphim war, hatte er vor ein paar Monaten eine Zusatzausbildung zum U-Boot-Kapitän absolviert. Nun sollte die neu entwickelte Technik im Wasser getestet werden, und für diese Aufgabe kam nur er in Frage. Die Zeit drängte, die U-Boote sollten so schnell wie möglich zum Einsatz kommen. Als Kate mit Bones auf der Brücke ankam, reichte ihr Jean de Castelle, der 1. Offizier, schon den Hörer. „Hallo, Kate†œ, begrüßte Sweetlife Kate mit ihrer tiefen rauchigen Stimme, „hat Bones dir erzählt, dass er mit dem Hubschrauber nach Miami fliegt, um das neue U-Boot zu testen? „Ja, hat er, aber was habe ich damit zu tun?†œ, antwortete Kate, die inzwischen neugierig geworden war. „Nun, du hast dich bereits sehr intensiv mit den Plänen für das neue U-Boot beschäftigt, und du bist technisch die Versierteste unter euch Schwestern. Ich möchte, dass du Bones begleitest und dich in Miami ausbilden lässt eines der neuen Boote zu führen.†œ Sprachlos starrte Kate Bones an, in ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft. Sie sollte die Schwestern verlassen? Unmöglich, schließlich hatten sie sich ewige Freundschaft geschworen! Andererseits sprach einiges dafür, das Angebot anzunehmen. Bones würde das Schiff verlassen, und wenn sie ihn begleiten würde, konnte sie in seiner Nähe bleiben. Der Gedanke, ihn zu verlieren, hatte ihr spontan einen tiefen Stich versetzt. Außerdem fand sie die Idee, ein U-Boot zu führen, schon immer sehr reizvoll. Und letztendlich tat ihr vielleicht eine Trennung von den Schwestern auch gut. Es musste ja nicht für immer sein. Kerstin fiel ihr zurzeit ziemlich auf die Nerven. Lilli hatte ihr gesteckt, dass sie Kerstin mit diesem neuen Passagier an Bord, Drago, den Cousin von Angie, beim Knutschen erwischt hatte. Der arme Tim, sicherlich wird ihn das sehr verletzen, wenn er davon erfährt. „Hallo, hallo, Kate, bist du noch da?†œ Sweetlife wurde ungeduldig und wartete auf ihre Antwort. Kate holte tief Luft und sagte in den Hörer: „Okay, ich mach´s! Wann geht es los?†œ „Super†œ, hörte sie Sweetlife antworten, „ich wusste, dass du das Angebot nicht ablehnen würdest. Du musst in einer Stunde startklar sein, dann landet der Hubschrauber an Bord und holt euch ab. Näheres kann dir Bones erzählen. Und Kate, pass auf dich auf, wir bleiben in Kontakt.†œ Dann hatte sie aufgelegt. Bones, der das Gespräch verfolgt hatte, strahlte über das ganze Gesicht. Überglück zog er sie an sich und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. „Du kommst also wirklich mit? Das ist ja großartig!†œ „Aber wer übernimmt denn hier an Bord das Kommando?†œ, fragte Kate. „Das macht Jean, der ist mindestens genauso qualifiziert wie ich. Komm, wir müssen packen und uns verabschieden. Viel Zeit bleibt nicht…auf nach Miami.†œ

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Währenddessen lief Kerstin, tief in Gedanken versunken, nachdenklich über das Schiff. Lilli hatte sie zusammengepfiffen wegen der Sache mit Drago.
Na, jetzt hab´ ich den Salat, dachte sie bei sich. Was mach´ ich nun bloß, wie soll ich das Tim beibringen? Das kann nicht gutgehen. Das wusste sie ja selbst. Und nun, wo sollte sie hin? Die anderen waren beschäftigt, und es war ja schon schlimm genug, dass Lilli sie erwischt hatte. Eigentlich wollte sie doch nur ein paar Informationen von ihm. Wieso musste sie auch so neugierig sein? Sie stand an der Reling, lauschte dem Rauschen der Wellen und schaute aufs Meer. Es half alles nichts, sie musste unbedingt mit Tim reden und ihm erzählen, was passiert war.
Mit einem tiefen Seufzer machte sie sich auf den Weg. Überlegte es sich dann aber anders und beschloss zunächst zu duschen. Ja, eine heiße Dusche würde den Kopf klar machen. Kerstin ging in ihre Kabine und versuchte ihre angespannten Muskeln unter dem heißen Wasserstrahl zu entspannen. Es half ein bisschen. Gerade als sie die Dusche verlassen und sich in ein Badetuch gewickelt hatte, bemerkte sie eine Gestalt, die im Türrahmen stand. Es war Drago.
Er besaß doch tatsächlich die Frechheit hier aufzutauchen. Kerstin fand es überhaupt nicht komisch, wie er da mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht in ihrem Badezimmer stand. „Ich dachte, wir könnten da weiter machen, wo wir gestört wurden?“, sagte er und machte einen Schritt auf sie zu. „Oh, das glaube ich kaum†œ, erwiderte sie brüskiert und wich einen Schritt zurück. „Wenn du deine Männlichkeit behalten möchtest, solltest du sofort verschwinden.“ Aber Drago ließ sich davon nicht beeindrucken. Langsam kam er auf sie zu.
In dem Moment, als er sie packen wollte, ergriff Kerstin seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Mit ihrem Fuß drückte sie in seine Kniekehle und zwang ihn nach unten. Sie hatte den Überraschungsmoment gut gewählt. Drago machte seltsamerweise keine Anstalten sich zu wehren. Es war ganz so, als wollte er ihr die Oberhand lassen. Wütend zischte sie ihm ins Ohr: „Wenn ich NEIN sage, dann meine ich das im Allgemeinem auch so. Und da ich fühle, dass du mir nicht gut tust, sage ich es dir jetzt noch einmal. Lass mich in Ruhe!“ Sie drückte ihre Lippen auf sein Ohr und ließ ihn abrupt los. Drago spürte einen brennenden Schmerz an der Stelle, wo Kerstin ihn mit ihrem Mund berührt hatte. Fast wäre er gefallen, nachdem sie ihn so unverhofft losgelassen hatte. Wow, er hatte ja vermutet, dass sie so einige Sachen auf Lager hatte, aber das mit den brennenden Lippen kannte er noch nicht. Sie war also wirklich sauer. Aber dann grinste er schon wieder. „So, so, du möchtest also kämpfen? Das gefällt mir. Frauen möchten ja erobert werden. Okay, das kannst du haben.“
Er schaute ihr tief in die Augen. „Ah, so ist das†œ, sagte er. Kerstin erschrak und wurde sich bewusst, dass er schon wieder ihre Gedanken gelesen hatte. Jetzt hatte sie erkannt, dass er dazu Augenkontakt brauchte. Diesmal war sie diejenige, die grinste. Allein durch ihre Gedanken ließ sie ihn das auch wissen. Und plötzlich war der gute Drago gar nicht mehr so selbstsicher, worüber Kerstin sich umso mehr freute. Dass er wusste, wie anziehend sie ihn fand, machte die Situation nicht einfacher. „Ich denke, wir zwei sind uns einig, und jetzt verschwinde†œ, sagte sie im kühlen Ton. Mit ausdrucksloser Miene ging er zur Tür, drehte sich aber nochmals um und sah sie an. Plötzlich hörte sie seine Stimme, ohne dass seine Lippen sich bewegten. „Es tut mir leid, wenn ich dich bedrängt habe, aber ich glaube, wir zwei müssen uns dringend mal in Ruhe unterhalten. Es gibt da Dinge, von denen scheinst du selbst noch nichts zu ahnen.“ Und dann war er weg. Was war das? Wieso konnte sie ihn verstehen, obwohl er nicht laut gesprochen hatte? Und was ahnte sie nicht? Okay, dass sie mit ihren Lippen jemanden verbrennen konnte, wusste sie erst seit kurzer Zeit. Das geschah immer dann, wenn sie sich besonders ärgerte, aber konnte sie jetzt etwa auch Gedanken lesen? Funktionierte das jetzt bei allen, oder war es eine mentale Sache nur zwischen ihr und Drago? Fühlte sie sich deswegen so von ihm angezogen? Kerstin blieb keine Zeit für weitere Überlegungen, denn in dem Moment klopfte es an der Tür. Tim stand da mit einem Tablett voller leckerer Köstlichkeiten. Auf dem Tablett waren Erdbeeren mit weißer Schokolade überzogen, frisch gepresster Orangensaft, Weintrauben, verzierte Pralinen. Auch Rührei mit Speck und Toast und eine kunstvoll geknotete Servierte konnte Kerstin entdecken. Tim selber hatte eine wunderschöne leuchtend rote Rose im Mund. Unwillkürlich musste Kerstin laut lachen. Sie wollte diesen Moment nicht zerstören, deshalb beschloss sie Tim nichts von Dragos Besuch zu erzählen. Sie wollte später mit Angie darüber reden, schließlich war sie seine Cousine. Vielleicht konnte Angie ihr die Vorkommnisse erklären. Jetzt musste sie herausfinden, ob sie auch Tims Gedanken lesen konnte. „Oh, was für eine zauberhafte Überraschung, komm rein! Du kommst wie gerufen, wie du siehst, bin ich noch nicht mal angezogen, aber ich sterbe fast vor Hunger. Wie konntest du das wissen?†œ Lachend zog sie ihn in ihre Kabine und schloss die Tür.

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Lilli betrachtete sich noch einmal im Spiegel und mit dem was sie sah, war sie sehr zufrieden. Sie trug ein silberfarbenes Etuikleid und feuerrote Pumps. Passend dazu lag ein hauchdünner, roter Chiffonschal über ihren Schultern. Sie hatte sich nur dezent geschminkt und die Haare waren, wie immer, strubbelig frisiert. Sie atmete noch einmal tief durch und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Dinner. Auf der letzten Treppenstufe lagen schon Rosenblätter. Lilli folgte dem markierten Weg, der zum hinteren Teil des Oberdecks führte. Er endete vor einem schmiedeeisernen Pavillon, der mit dunkelroten Rosen überwuchert war und mitten in einem riesigen Dachgarten lag. Und da stand er, Fernando!
Er trug einen eleganten, schwarzen Smoking. Sein schwarzes, leicht gewelltes Haar glänzte in der untergehenden Sonne. Er lächelte und unter seinem Oberlippenbärtchen kamen makellose, schneeweiße Zähne zum Vorschein. In seinem Mundwinkel wurde ein Grübchen sichtbar, das Lilli noch nie aufgefallen war. Als sie ihn so vor sich sah, blieb ihr fast das Herz stehen. Er sah atemberaubend und unheimlich sexy aus. „Guten Abend, Lilli.†œ Er stöhnte leise auf: „Du bist wunderschön.†œ Lilli wurde ganz verlegen und ein leichter grüner Schimmer umgab sie: „Guten Abend Fernando. Auch du siehst wunderschön aus†œ, hauchte sie. Fernando ging lächelnd auf sie zu und nahm vorsichtig ihre Hand. „Bist du dir sicher, dass du eine Waldelfe bist und nicht vielleicht ein Glühwürmchen?†œ Lilli musste lachen und ihre Befangenheit fiel von ihr ab. „Ja, mein Leuchten habe ich in letzter Zeit nicht so im Griff. Aber ich arbeite daran.†œ Fernando führte sie zum Tisch und rückte ihr galant den Stuhl zurecht. „Nein, laß es bitte so. Ich liebe es, wenn du leuchtest†œ, sagte er mit zärtliche Stimme. Lilli ließ ihren Blick durch den Pavillon streifen. Überall brannten rote Kerzen und verbreiteten ein behagliches Licht. Die Luft war von dem betörenden Duft der Rosen erfüllt. Lilli dachte, dass sie träumen würde. Da war dieser tolle Mann, atemberaubend schön, und er wollte nur sie. Fernando reichte Lilli einen Prosecco: „ Auf einen schönen Abend zu zweit.†œ Lilli schreckte aus ihren Gedanken hoch: „ Oh, ja natürlich, auf einen schönen Abend†œ, stammelte sie. Sie konnte ihre Augen nicht von Fernando lassen. „Wollen wir jetzt essen?†œ Lilli schreckte schon wieder zusammen: „ Ach ja, Essen gibt es ja auch noch.†œ Fernando lächelte vor sich hin, er fühlte sich geschmeichelt, Lilli so nervös zu machen. Er nahm den Deckel von der dampfenden Schüssel, die in der Mitte des Tisches stand und fing an, Lillis Teller zu füllen. „Vielleicht hast du ein Dreigänge-Menue erwartet, aber das übersteigt meine Kochkünste†œ, sagte Fernando etwas verlegen. Lilli bemerkte jetzt erst, was er da auf ihren Teller löffelte. „Spaghetti Bolognese? Und du hast die selbst gekocht? Woher weißt du, dass das mein Lieblingsessen ist?†œ fragte sie verwundert und begeistert zugleich. „Ist es das? Na, dann passt es ja.†œ Fernando atmete erleichtert auf. Auch er füllte sich seinen Teller mit Spaghetti und setzte sich Lilli gegenüber. Um Fernando nicht wieder so anzustarren, konzentrierte sich Lilli ganz auf ihren Teller und ihr Essen. „Schieß los, Lilli. Was möchtest du von mir wissen?†œ Sie schreckte schon wieder zusammen und mit halbvollem Mund nuschelte sie: „Wo kommst du eigentlich her?†œ Oh Gott, das war jetzt nicht sehr damenhaft! Aber sie war froh, dass nicht sie die Unterhaltung bestreiten musste. Während sie nun aßen, fing Fernando an zu erzählen: „ Ich wurde mitten in der argentinischen Pampa, auf einer riesigen Rinderfarm geboren. Ich wurde als Vampir geboren und gehöre bereits zur 3. Generation. Meine Mutter ist eine erfolgreiche Rinderzüchterin und mein Vater ein angesehener Arzt.†œ Argentinien„Du bist also Argentiener? Argentinien ist ein wunderschönes Land. Und, wie bist du dann zu der Bruderschaft gekommen?†œ Lilli hatte sich jetzt wieder etwas entspannt. „Ich war ein sehr aufmüpfiger junger Vampir. Ich hatte nur Flausen im Kopf und war immer damit beschäftigt mich und meine Grenzen auszutesten. Ich steckte ständig in irgendwelchen Schwierigkeiten. Als sich meine Eltern keinen Rat mehr wussten, wurde ich natürlich in die Schweiz, in ein sehr exklusives Internat, geschickt. Dort traf ich auf Duncan. Wir waren von Anfang an die besten Freunde und unzertrennlich. Wir waren laufend in Gefahr, vom Internat zu fliegen. Wir waren sozusagen das „Duo Infernale†œ. Die waren dort sehr glücklich, als wir unseren Abschluss gemacht hatten. Ich ging dann nach Harvard und Duncan nach Cambridge. Aber wir blieben immer in Verbindung.  Als ich dann meinen Doktor in der Tasche hatte und wieder zurück nach Argentinien wollte, kam eine Einladung von Duncan. So landete ich dann in der Bruderschaft.†œ Lilli war sichtlich beeindruckt: „ Du warst in Harvard, Respekt.†œ Ja, ich bin dann doch noch ein braver, strebsamer Vampir geworden. Bis ich zur Bruderschaft kam. Jetzt kann ich es wieder krachen lassen†œ, antwortete Fernando lachend.

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„Aber jetzt bist du an der Reihe. Wo kommt unser Elfchen denn her?†œ Lilli nahm noch einen großen Schluck Prosecco und holte tief Luft. „ Also, ich wurde im „Ewigen Wald†œ geboren. Die Menschen nennen ihn allerdings „Teutoburger Wald†œ, also komme ich eigentlich aus Deutschland. Ich habe noch einen älteren Bruder, der in Kanada lebt. Mein Clan wurde während der Inquisition fast vollkommen ausgelöscht. Als mein Bruder und ich noch ganz klein waren, entschieden sich dann meine Eltern dazu, mit uns und meiner Tante nach Frankreich zu gehen. Wir lebten dort bei den Hugenotten, die uns ohne Fragen zu stellen, herzlich aufgenommen hatten. Doch als die Hugenotten-Verfolgung ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurden wir getrennt. Meine Eltern wurden getötet, meine Tante und mein Bruder konnten nach Kanada fliehen, ich wurde gefangen genommen und saß einige Jahre im Kerker. Als ich dann endlich freigelassen wurde, streifte ich heimatlos durch Europa. Irgendwann traf ich dann auf Lucy, sie war genauso heimat- und ziellos wie ich. Wir merkten sofort, dass wir Seelenverwandte waren. Wir überstanden zusammen auch so einige Abenteuer, wir waren also auch ein „Duo Infernale†œ. Wir blieben dann vor ein paar Jahren in München hängen, die Stadt und die Leute dort gefielen uns so gut. Eines Abends gerieten wir aber in eine ziemlich zwielichtige Gegend. In einer dunklen Ecke wurden wir von fünf Aufreißertypen bedrängt. Plötzlich kamen uns dann zwei junge Frauen zu Hilfe, das waren Angie und Kerstin. Ich kann dir sagen, die fünf Kerle haben wir ganz schön aufgemischt. †œLilli lachte herzlich, sie leuchtete wieder und ihre Augen fingen an zu glänzen. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen†œ, auch Fernando musste laut lachen. „Lucy ist also deine älteste und beste Freundin?†œ „Ja, das ist sie, und mit den Mädels zusammen ist sie ein Teil meiner neuen Familie†œ,  antwortete Lilli mit einem glücklichen Lächeln. Ja, ein glückliches Lächeln, das hatte Fernando bis jetzt noch nicht bei Lilli gesehen und er hoffte, dass sie irgendwann einmal, wegen ihm so lächeln würde. Lilli erschauerte und zog ihren Schal enger um ihre Schultern. „Du frierst. Soll ich dich zu deiner Kabine begleiten?†œ Fernando war schon bei Lilli, legte ihr seine Jacke über die Schultern und reichte ihr seinen Arm. „Ja, gern†œ, sagte Lilli und zog Fernandos Jacke enger um sich. Sein Geruch stieg ihr in die Nase, köstlich, er duftete wie grüner Wald nach einem Regenschauer. „Ich habe noch eine Flasche Wein geöffnet. Möchtest du noch auf ein Glas mit reinkommen?†œ, fragte Lilli vor ihrer Tür. Fernando strahlte über das ganze Gesicht: „Es wäre mir ein Vergnügen.†œ
Lilli hatte vor der großen Fensterfront ihrer Kabine eine sehr gemütliche Ottomane stehen. Fernando ließ sich in die Kissen sinken: „Komm zu mir, wir machen es uns ein wenig gemütlich.†œ Lilli ging zu ihm und kuschelte sich in seine Arme. Eine zeitlang schauten sie schweigend auf das Meer hinaus. Fernando legte seine Wange an Lillis und streichelte gedankenverloren ihren Arm. Lilli fühlte sich unheimlich wohl und geborgen, in seiner Umarmung. Sie wurde mutig und flüsterte: „Fernando, begehrst du mich?†œ „Ja, Lilli, vom ersten Moment an. Aber jetzt, begehre ich dich nicht nur. Ich liebe dich und zwar mit jeder Faser meines Herzens†œ Lilli drehte sich zu ihm um und schaute ihm in die wunderschönen, blauen Augen. †œIch habe auch sehr starke Gefühle für dich, aber ich weiß nicht, ob es Liebe ist. Ich habe meine Gefühle so tief in mir vergraben, dass ich gar nicht mehr weiß, wie sich Liebe anfühlt. Ich möchte dich nicht verletzen.†œ Jetzt liefen ihr dicke Tränen über die Wangen. „Nein, Lilli, bitte nicht weinen.†œ Fernando küsste ihr die Tränen vom Gesicht. „Ich habe mein ganzes bisheriges Leben nach dir gesucht und endlich habe ich dich gefunden. Ich möchte immer bei dir sein, ich möchte dich halten und beschützen, ich möchte dich überall küssen und dich überall spüren, aber ich werde warten, bis auch du dir sicher bist. Wenn wir wieder eine Nacht miteinander verbringen, soll es aus Liebe sein und nicht weil wir uns begehren.†œ Lilli konnte ihr Glück gar nicht fassen und wieder fing sie an zu leuchten. „So etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt.†œ Sie näherte sich langsam seinem Gesicht. „Darf ich dich küssen?†œ Fernando lächelte. „Ich bitte darum, mein Glühwürmchen.†œ Sie wollte, dass dieser Kuss niemals enden würde, so hatte sie sich noch nie gefühlt.

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Bones war schnell mit dem Packen fertig. Viel musste er nicht mitnehmen. Er hoffte, noch ein paar schöne Tage mit seiner Kate in Miami verbringen zu können, bevor sie an Bord des U-Bootes mussten. Kates spontane Zusage, mit ihm zu gehen, hatte ihn zwar ein wenig überrascht, aber er hatte sich diese Antwort so erhofft. Zu lange war er schon allein und hatte den Mond angeheult. An Gelegenheiten hatte es ihn sicher nicht gemangelt, aber er war an oberflächlichen und meistens rein körperlichen Beziehungen nicht mehr interessiert. Ihm fehlte eine echte Partnerin, mit der er über seine Arbeit reden, aber auch über die banalsten Dinge lachen konnte. Er hatte sie gefunden †“ seine Kate.
Jetzt musste er nur noch kurz auf die Brücke, um das Kommando offiziell an Jean zu übergeben. Noch vor ein paar Wochen, hätte er sich nicht vorstellen können, die Brüder zu verlassen, das Gefühl sie im Stich zu lassen schlummerte immer noch in ihm. Aber die Situation hatte sich mit dem Bündnis mit den VASH-Schwestern grundlegend geändert. Außerdem musste es ja nicht ein Abschied für immer sein. Er konnte sie immer noch vom U-Boot aus unterstützen und mit Informationen versorgen. Allerdings fragte er sich, wie Kate mit der Trennung von ihren Freundinnen klar kommen würde. Um das herauszufinden, machte er sich auf den Weg zu Kates Kabine.
Auch Kate machte nicht viel Aufheben ums Packen. Die ganzen tollen, aufreizenden Outfits, an denen sie so hing, würde sie nun eine zeitlang nicht mehr brauchen. In einem U-Boot herrscht absoluter Frauenmangel, und sie wollte Bones keine Schwierigkeiten an Bord machen. Diese Art von Kleidung gehörte nun nicht mehr zu ihrer Ausrüstung. Aber auf ihren Schmuck, der nur aus ein paar edlen Erbstücken bestand, wollte sie nicht verzichten. Sie legte ihn behutsam in das Beauty-Case zu ihren Schminksachen. Sie war gerade fertig und warf noch einen letzen Blick in ihre Kabine, als es an der Tür klopfte. „Bones†œ, dachte sie und schon war ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie erkannte ihn schon an seinem Klopfen. Selbst wenn sie das Klopfen nicht gehört hätte, sie spürte seine Nähe, fand seinen Duft unter tausend anderen heraus. Strahlend öffnete sie die Tür und noch bevor sie etwas sagen konnte, zog Bones sie in die Arme. Sein Kuss benebelte für ein paar Sekunden ihre Sinne, und sie fragte ihn: „Wird das jetzt immer so sein?†œ Bones zwinkerte ihr zu. „Aber ich hoffe doch. Alles klar bei dir? Ich sehe, du bist schon fertig, komm ich nehme deine Sachen, die anderen warten schon.†œ Auf dem Bett lag ein einzelner kleiner Koffer und ein fast genauso großes Beauty-Case stand daneben. „Ist das etwa alles, was du mit nimmst?†œ Kate seufzte. „Ich brauche nicht mehr, ich habe ja dich.†œ Doch Bones konnte ihren wehmütigen Blick sehen, der an ihrem prall gefüllten begehbaren Kleiderschrank hängen blieb. „Komm, liebste Kate, für mich brauchst du das nicht, weißt du. Nicht immer machen Kleider Leute.†œ „Ja, du hast ja Recht. Lass uns gehen, der Hubschrauber müsste ja schon bald kommen, und ich möchte mich noch verabschieden.†œ
Arm in Arm gingen sie nach oben in Richtung Hubschrauberlandeplatz. Obwohl die Nacht bereits hereingebrochen war, wurden sie schon erwartet. Der Landeplatz wurde von großen Scheinwerfern hell erleuchtet. Rote Lichter blinkten, um dem Piloten die Richtung zu weisen. Dort standen die Brüder, mit denen Bones so lange Seite an Seite gelebt und gekämpft hatte.

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Ein Handschlag, ein stummer Gruß, ein anerkennendes Nicken von seinen Brüdern, das war alles. Manchmal bedarf es einfach keiner Worte, es war schon alles gesagt. Kate fiel der Abschied schon ein bisschen schwerer. Tränen glitzerten in ihren Augen, sie drängte sie aber zurück, denn sie wollte nicht als Heulsuse bei ihren Schwestern in Erinnerung bleiben. Sie umarmte eine nach der anderen. Kerstin, Angie, Jane, Lilli und Lucy, sie mussten jetzt ohne sie klar kommen. Kate holte Luft und wollte gerade etwas sagen, da plapperten alle auf einmal los: „Klar, wir bleiben in Verbindung.†œ „Mach bloß keine Dummheiten und pass auf dich auf.†œ „Wenn Bones dir Ärger macht, kommen wir und blasen ihm den Marsch, du weißt, wir können das.†œ „Wir kommen schon klar, mach die keine Gedanken.†œ Das Stimmengewirr wurde durch das aufkommende Geräusch eines näher kommenden Hubschraubers übertönt. Sie hielten sich an der Reling fest, bis der Hubschrauber gelandet war. Die Schwestern verfolgten schweigend, wie Bones und Kate in den Hubschrauber kletterten. Ihr Gepäck wurde verstaut, und schon hob der Hubschrauber wieder ab. Kate winkte ihren Schwestern ein letztes Mal, doch nun konnte sie ihre Tränen nicht zurückhalten. Hemmungslos schluchzte sie auf und ließ sich von Bones tröstend in den Arm nehmen.
Die ganze Prozedur hatte nur ein paar Minuten gedauert bis der Hubschrauber vom nächtlichen Himmel verschluckt wurde. „Ich brauch eine Drink†œ, brach Lucy das Schweigen. „Keine schlechte Idee†œ, entgegnete ihr Angie. „Den haben wir jetzt alle nötig. Mal sehen, was Tiago uns zaubern kann.†œ

…Ich hatte meinen Kopf auf meinen Ellbogen gestützt und betrachtete in aller Ruhe sein Gesicht. Er lag auch auf der Seite, und durch seinen leicht geöffneten Mund konnte ich nichts mehr von seinen Fängen sehen. Seine Zähne sahen wieder normal aus und nirgendwo blitzen spitze Ecken. Er lächelte leicht in seinem Tiefschlaf. Ein paar Strähnen seiner Haare verdeckten seine Augen. Unwillkürlich streckte ich meine freie Hand aus, um mit meinen Fingern über sein markantes Kinn zu streichen, da runzelte er die Stirn und murmelte etwas Unverständliches. Ich bewegte mich nicht. „Lindsay†œ, sagte er kaum hörbar. „Tu es nicht!†œ Dann seufzte er noch einmal tief, drehte sich auf den Rücken und schlief weiter. Hoppla, dachte ich etwas verwirrt und ließ langsam meine Hand wieder sinken. Was war das denn jetzt? Vorsichtig verließ ich das Bett. Ohne ihn zu wecken griff mir meinen Morgenmantel, der noch immer auf dem Boden lag, und zog ihn geräuschlos an. Mir wurde etwas schwindelig, und ich geriet ins Wanken. Schnell stützte ich mich auf seinem Schreibtisch ab. Da fiel mein Blick auf die kleine Uhr die dort stand. Oh, etwas konnte aber mit der Zeit nicht stimmen! Mh, merkwürdig… doch darüber würde ich später noch nachdenken müssen.
Gerade als ich auf den Gang treten wollte, hörte ich leise Stimmen, die sich Lillis Kabine näherten. Oh, das waren ja Fernando und Lilli. Sehr schön! Ich musste grinsen und zog die Tür wieder soweit zu, dass sie mich nicht sehen konnten. Als nichts mehr zu hören war, schlich ich mich barfuss und geräuschlos zum Sonnendeck, das Gott sei Dank gleich um die Ecke war. So musste ich nicht durch das ganze Labyrinth von Gängen irren. Draußen legte ich mich auf eine Sonnenliege, atmete die würzige Seeluft tief ein und betrachtete den Sternenhimmel. Ich lag einfach nur da, verschränke meine Arme hinter meinem Kopf und dachte kurz an den Abschied von Kate und Bones. Schön, sie hatten ihre Bestimmung gefunden, und werden wohl zusammen bleiben. Ich verbot mir jeden Gedanken über Norbert und diese Lindsay, deren Namen ich zuvor noch nie gehört hatte. Hah, als hätte ich schon jemals auf mich gehört. Okay, wir hatten bis jetzt noch nie die Gelegenheit über uns, über unsere Vergangenheit und unsere Zukunft zu sprechen, aber… hatten wir denn eine Zukunft? Ich schloss meine Augen. Liebte ich ihn?
Plötzlich näherten sich Schritte. Erschreckt fuhr ich auf und erkannte in dem Moment Drago.

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„Hallo Cousinchen†œ, sagte er leise und hob abwehrend seine Hände. „Nicht erschrecken, ich bin`s nur. Darf ich?†œ, und zeigte auf die Liege neben mir. Auffordernd klopfte ich auf das Polster: „ Na klar, setzt dich.†œ Eine Weile lagen wir schweigend nebeneinander und betrachteten den wunderschönen Sternenhimmel. „Sag mal, was läuft da eigentlich zwischen dir und dem Orden? Die Brüder haben dich ja nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Du scheinst die ja schon länger zu kennen, oder?†œ Stille. Dann seufzte er und sagte: „Ja, ich kenne die Brüder schon sehr lange, schon viele Jahre, und…ich bin auch ein Mitglied, zumindest war ich eines.†œ Dann schwieg er. Erstaunt setzte ich mich auf und sah ihn an: „Und? Was ist passiert? Bleibt man nicht ein Leben lang an die Bruderschaft gebunden?†œ „Doch, natürlich. Aber…†œ. Erneutes Schweigen. Ich wollte ihn nicht bedrängen, aber wenn…oh, wenn er die Brüder schon so lange kannte, dann … Nervös machte ich einen Knoten in den Gürtel meines Morgenmantels und sah auf einen imaginären Punkt am Himmel. „Wer ist Lindsay?†œ, fragte ich ihn leise. Da zuckte er neben mir zusammen. Er sah in dem Moment so traurig aus, dass es mir fast das Herz zerriss. Ich nahm seine Hand und drückte sie: „ Nicht doch, wenn du nicht darüber…†œ „Vielleicht ist es ganz gut, wenn du die ganze Geschichte kennst†œ, unterbrach er mich, erwiderte den Druck und lächelte mich traurig an. „Aber ich muss dich warnen, diese Story hat kein Happy End†œ. „Ach, ich bin Kummer gewohnt, erzähl schon†œ, forderte ich ihn auf.
„Also gut. Lindsay ist, oder vielmehr war, wie eine kleine Schwester für uns.†œ Er seufzte tief und sprach weiter: „Doch ich muss weiter ausholen.
Der eigentliche Stammsitz des Ordens befindet sich in Schottland in den Highlands, und das schon seit vielen hundert Jahren. Der Gründer ist ein sehr weiser Mann, der von allen respektiert und hoch geachtet wird. Er lebt dort immer noch und hält alle Fäden der sogenannten „ Magischen Welt†œ in der Hand. Niemand kennt ihn genau, oder hat ihn je zu Gesicht bekommen. Er bestimmt, wer den Orden leitet und führt, seine Stimme ist Gesetz und wird von niemandem in Frage gestellt. Er wird auch von allen nur „The Founder†œ genannt.
Die Mitglieder des Ordens werden nach ihren Fähigkeiten ausgesucht, eingehend geprüft und dann mit dem Tattoo für immer an die Gemeinschaft gebunden. Jeder weiß, worauf er sich in dem Moment einlässt und schwört einen Eid, der nie gebrochen werden darf. Doch bevor dies alles geschieht, folgen wir dem „RUF †œ. Wir werden auf das riesige Anwesen in Schottland gerufen und dann geprüft, ausgebildet und dementsprechend eingesetzt. „Was sind das für Fähigkeiten?†œ, fragte ich ihn neugierig. „Na, Fernando z.B. ist nicht nur ein ausgezeichneter Mediziner, sondern er ist auch ein Heiler. Wie Doc bei euch. Oder Duncan, er hat enorme Führungsqualitäten, Jean ist ein sagenhafter „Spürhund†œ, wie Tim, Tiago Cyrus und Eric, eben wie alle Werwölfe. Gavin, Lucys Feuerelfchen… da fragst du sie lieber selbst, und dein Norbert ist ein Zahlengenie. Bowen kann mindestens 16 Sprachen und kennt sich mit allen Waffen aus. Bones ist ein sagenhafter Konstrukteur. Naja, und ich kann Gedanken lesen†œ, dabei sah er mich schelmisch an, „aber keine Angst, die von Familienangehörigen nicht, hat wohl was mit den Genen zu tun, und ich brauche Augenkontakt. Wie du ja auch bemerkt hast, kann ich meine Gestalt ändern. Und wir hören zwischen dem 30. und 35 Lebensjahr auf zu altern, wie alle männlichen magischen Geschöpfe. Die Jungs hier auf dem Schiff sind eigentlich die Elite des Ordens und seit ca. zwei Jahren mit dem Kahn unterwegs.
Lindsay wuchs auf dem Anwesen auf, und alle liebten sie wie eine Schwester. Natürlich wurde sie auch von allen verwöhnt, und sie konnte jeden von uns um den kleinen Finger wickeln. Mit 18 war sie eine Schönheit und verliebte sich in mich.†œ Er stockte kurz und sprach dann weiter. „Und ich verliebte mich in sie. Nur meine Gefühle gingen nicht so tief. Und als die Red Dragon eine immer größer werdende Gefahr wurden, wurde ich bei ihnen eingeschleust als Undercoveragent. Niemand durfte davon erfahren, auch die Jungs hier nicht. Ich konnte mich noch nicht mal von ihr verabschieden. Ich war einfach verschwunden für alle.†œ Er sah mich direkt an und sprach mit leiser Stimme: „Sie hat es nicht verkraftet und hat sich das Leben genommen.†œ

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Oh mein Gott, wie furchtbar! „Die Brüder haben es mir nie verziehen†œ, sagte er und sah wieder zu den Sternen. „Aber das ist doch schon viele Jahre her, und es ist doch nicht deine Schuld!†œ, rief ich und sprang auf. „Ich danke dir, aber die Jungs denken leider anders darüber†œ. „Und, was ist das zwischen Kerstin und dir? Ich hab doch eure Blicke gesehen, da ist doch etwas zwischen euch†œ, fragte ich ihn leise. Er sah mich nur an und schüttelte langsam den Kopf: „Ich weiß es auch nicht. Ich habe mich noch nie zu jemand so hingezogen gefühlt wie zu Kerstin. Es ist so, als wenn uns etwas Starkes verbindet, gegen das man sich nicht wehren kann.†œ Ich fröstelte und rieb meine Arme. Er umarmte mich und sagte: „Na komm, dir ist kalt und ich bin müde. Das waren erst mal genug Infos. Wir werden in den nächsten Tagen noch genug Zeit haben zu reden.†œ
„Hab ich mich eigentlich schon bei dir bedankt, dass du mich gerettet hast?†œ fragte ich leise und küsste ihn auf die Wange. Er lachte nur, drückte mich kurz an sich und wir gingen rein.
Norbert schlief immer noch tief und fest. Vorsichtig zog ich meinen Morgenmantel wieder aus und musste über die vielen Knoten in dem Gürtel lächeln. Dann schlüpfte ich vorsichtig wieder zu ihm ins Bett und kuschelte mich an ihn. Er war so schön warm und roch so gut. „Mmh, du bist kalt†œ, brummte er mit geschlossenen Augen. Etwas wollte ich ihn noch fragen… ach ja, jetzt fiel es mir wieder ein. Ich stütze mich auf und sah ihn an. „Ähm, Norbert?†œ „Mmh?†œ „Geht die Uhr auf deinem Schreibtisch richtig? Weil irgendwie fehlen mir einige Minuten.†œÂ  „Doch, die Uhr geht richtig†œ, und fing an zu grinsen. Oh, oh so langsam verstand ich und wurde rot. „Öhm, sind die Kabinen eigentlich schalldicht?†œ, flüsterte ich und küsste ihn auf seine Brust. „Ja, zum Glück†œ.  „Und wie viel Zeit fehlt mir?†œ „Etwa 20 Minuten†œ, antwortet er immer noch mit geschlossenen Augen. Sein Grinsen wurde breiter. Ups!

Doc wachte auf und fand sich in Bowens Bett wieder. Sie überlegte, wie sie dorthin gekommen war und ließ den vorigen Abend Revue passieren. Nach den ersten beiden Filmen im Kino des Schiffs, hatten sie und Bowen zusammen mit den anderen Schwestern Kate verabschiedet. Doc würde sie wirklich vermissen, und sie wünschte ihr von Herzen, dass sie mit Bones glücklich werden würde.
Nach der Verabschiedung war sie mit Bowen wieder zurück ins Kino gegangen, um noch zwei weitere Filme anzusehen. Jetzt machte sie sich lang und reckte sich, dabei fiel ihr auf, dass sie allein im Bett lag. Sie strich mit der Hand über das Laken. Wo Bowen zuvor gelegen haben musste, war die Stelle noch warm. Da ging die Badezimmertür auf und Bowen trat, nur mit einem Handtuch um den Hüften, in den Raum. Er bot einen fantastischen Anblick. Die kleinen Wassertropfen, die von seinem nassen Haar auf seinen Oberkörper herabperlten, glitzerten in dem Licht der ersten Sonnenstrahlen. Der Tag fing doch gut an.
Er kam auf sie zu und setzte sich zu ihr auf den Rand des Bettes. „Guten Morgen, Süße, du hast geschlafen wie ein Stein, ich dachte schon du wachst gar nicht mehr auf. Wie konntest du nur bei Godzilla und den Urraupen einschlafen? Du bist nicht mal aufgewacht, als ich dich hierher getragen habe“, sagte er und machte ein gespielt entrüstetes Gesicht. Dann küsste er Doc auf die Stirn. „Oh, tut mir leid, aber du hast mich auch mit Wodka abgefüllt.“ „Hey, ist doch halb so wild, ich schätze, wir haben noch jede Menge Zeit, um die vergangene Nacht nachzuholen. Soll ich dir ein Frühstück aufs Zimmer bestellen? Ich muss kurz zu Jean, die nötige Ausrüstung für unsere kleine Klettertour besprechen, und dann wollte ich im Anschluss die Waffenkammer überprüfen. Wartest du hier, oder möchtest du mitkommen?“

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Docs Blick verfolgte einen Tropfen, der über die Orchidee auf seiner Brust, in Richtung Bauchnabel hinunterlief. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders. „Jane?“ „Oh, ähm was? Ach so, ja, also nein, ich glaube, ich werde eine Runde joggen, und dann werde ich vielleicht oben an der Poolbar frühstücken. Es sieht so schön aus draußen, und ich vermisse meine Schwestern ein wenig. Vielleicht laufe ich ja einer über den Weg.“ „Hm, ok, ich komme dann in ungefähr einer Stunde an die Poolbar, vielleicht können wir ja dann zusammen Frühstücken?“ Er wirkte ein wenig verärgert, versuchte das aber zu verbergen, sie bemerkte es aber trotzdem.
Er stand auf, ging rüber zu seinem Kleiderschrank und zog sich an. Doc stand auch auf und sprang in ihre Sportklamotten. Dann schnappte sie sich ihren MP3-Player, stöpselte die Hörer in die Ohren und gab Bowen einen flüchtigen Kuss zum Abschied. Er murmelte noch etwas, aber in ihren Ohren dröhnte schon die Musik. Dann lief sie los. Draußen angekommen drehte sie eine Runde übers Deck und sah dann Kerstin an der Poolbar sitzen und mit Cyrus reden. Sie joggte zu den beiden rüber, nahm die Hörer ab, umarmte Kerstin und setzte sich neben sie auf einen Hocker. „Guten Morgen, ihr Beiden.“ „Hey, Jane, wow, schon so fit am frühen Morgen, oder läufst du vor etwas davon?“ Kerstin grinste sie an, es war eher ein seltenes Bild Doc beim Joggen zu sehen. „Guten Morgen, Doc, wie wäre es mit einem Jogger-Fruchtcocktail?“ fragte Cyrus „Ja, bitte! Ach Kerstin, na ja, fit nicht wirklich, aber ich wollte mal raus und den Kopf frei bekommen. Ich habe euch vermisst, cool, dass du auch schon wach bist. Was machst du denn hier so alleine?“ Kerstin schlürfte an ihrem Getränk und antwortete: „Ich warte auf Tim, wir wollten hier draußen zusammen frühstücken und danach ein bisschen im Fitnessraum trainieren.“
„Geht Bowen dir schon auf den Keks? Also ich hätte heute Abend noch nichts vor“, sagte Cyrus zwinkernd zu Doc und stellte das Glas vor ihr ab. „Danke für das Angebot, und nein.“ Kerstin fiel der nachdenkliche Unterton in Docs Stimme auf, wollte aber in Gegenwart von Cyrus nichts sagen. „Ja, das ist auch besser so†œ, plapperte Cyrus drauflos, „Bowen würde mich sonst wohl über Bord gehen lassen, ich hänge eigentlich auch an meinem Leben.“ Er grinste die beiden an. „Na ja, übertreib mal nicht, außerdem, ich bin ja nicht sein Eigentum. Ich kann tun und lassen was ich will, trotzdem, ich verbringe meine Zeit gern mit ihm und wenn nicht mit ihm, dann am liebsten mit meinen Schwestern.“ „Tja, ich befürchte, das sieht Bowen anders, aber das sollte er dir besser selbst erklären.“
Fragend sah Doc zu Kerstin rüber, doch die zuckte nur mit den Schultern. „Ach, komm schon Cyrus, so als Barkeeper und guter Freund von Bowen, da weiß man doch eine Menge und berät gerne†œ, sagte Kerstin und bedachte Cyrus mit ihrem charmanten Lächeln. „Also, was weißt du, was wir nicht wissen?“ Kerstin war eine Meisterin darin Informationen aus Leuten herauszukitzeln. Er wollte gerade etwas erwidern, da tauchte Tim an der Poolbar auf, „Na, Cyrus, bist du schon wieder am Tratschen, du altes Waschweib?“ Dann küsste er Kerstin und zog sie mit sich an einen Tisch auf dem schon ein fabelhaftes Frühstück stand. Doc blickte den beiden nach, und als sie sich wieder umdrehte, war Cyrus verschwunden. Was er damit wohl sagen wollte? Sie würde es schon noch herausfinden und entschied sich, nicht lange zu fackeln. Sie wollte Bowen suchen und ihn zur Rede zur stellen.
Sein Eigentum? Sie hatte immer noch Schwierigkeiten ihre ungewöhnlich starken Gefühle für Bowen einzuordnen. Innerhalb so kurzer Zeit, hatte sie noch nie so intensiv für jemanden empfunden. Es machte ihr auch ein klein wenig Angst, sie fühlte sich ausgeliefert, und das passte ihr ganz und gar nicht. Für gewöhnlich hatte sie lieber die Kontrolle. Die Vermutung, er hätte ihr etwas verschwiegen, schlummerte seit ihrem plötzlichen Einzug bei ihm, in ihren Gedanken. Und auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, die Vorstellung allein verbreitete ein flaues Gefühl in ihrem Magen. Dass er sehr dominant war, das war ihr natürlich direkt aufgefallen, aber gegen einen starken Mann, der weiß was er will, hatte sie auch nichts. Aber wenn er vor hatte, ihr Grenzen zu setzen, oder sie zu bevormunden, dann könnte es wirklich schwierig werden. Sie musste die Notbremse ziehen!

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Sie war in ihrem bisherigen Leben keine Frau für feste Beziehungen gewesen und ist den damit einhergehenden Verpflichtungen akribisch aus dem Weg gegangen.
Sie ging direkt zur Waffenkammer auf Deck 4, klopfte gar nicht erst an, sondern platze einfach in den Raum. Bowen stand gerade vor einem Metallschrank und überprüfte die Munition. Er drehte sich um, und blickte sie überrascht an. Er spürte sofort, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. „Jane, schön dich zu sehen, ich dachte du wolltest lieber etwas mit deinen Freundinnen machen?“ „Hm, das hatte ich so nicht gesagt, aber das ist jetzt auch unwichtig. Ich muss dich etwas fragen, mir ist es schon selbst aufgefallen, und Cy… also, jemand hat da eine Andeutung gemacht und ich würde es aber lieber von dir erfahren.“ Sie holte nochmals tief Luft und wich einen Schritt zurück, als Bowen auf sie zukam.
Jetzt wirkte er besorgt, er schien ihre Unsicherheit zu spüren.
„Also, Bowen, siehst du mich als dein Eigentum an?“
„Was? Wie kommst du denn darauf?“
„Das ist doch egal, also, ist das so? Weil, dann haben wir beide ein wirkliches Problem!“
„Jane, nein, das tue ich nicht, aber ich, also verdammt, ich könnte Cyrus den Hals umdrehen. Jane, hör zu.“ Er ging wieder auf sie zu, legte die Hände auf ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen
„Du hast mich doch mal gefragt, ob ich eine Vampirnummer mit dir abziehe, wegen der starken Anziehung zwischen uns? Das tue ich selbstverständlich nicht! Eine Sache habe ich allerdings verschwiegen, denn ich wollte dich nicht unter Druck setzten.“
Er holte tief Luft, und es dauerte einen Moment bis er sie wieder ausstieß.
„Die Sache ist die, Vampire binden sich in ihrem Leben nur einmal an eine Frau, ihre Gefährtin auf Lebenszeit. Es ist etwas ganz Besonderes und manche finden diese eine Frau nie, aber wenn, dann schlägt es ein wie ein Blitz, man hat keine Wahl. Für mich ist das alles ebenso neu wie für dich. Ich komme gegen meine Eifersucht und das Bedürfnis dich vor allem auf der Welt zu beschützen nicht an. Es kostet mich einiges an Selbstbeherrschung nicht alles Männliche, was näher als einen Meter an dich herankommt, zu Brei zu schlagen. Momentan bin ich sogar eifersüchtig auf deine anderen Schwestern. Am liebsten würde ich dich einsperren. Seitdem ich von dir getrunken habe, bin ich an dich gebunden. Jane, es tut mir leid, ich versuche auch bestmöglich gegen meine Instinkte anzukämpfen. Das wird auch nicht immer so bleiben. Wenn wir eine gegenseitige Blutsverbindung eingehen, dann ist für alle mythischen Wesen erkennbar, dass wir zusammengehören. Ich wusste vom ersten Moment, dass du meine Gefährtin fürs Leben bist. Du bist meine Seelenverwandte, mein Gegenstück, die Frau, nach der ich mein Leben lang gesucht habe! Ich gehöre dir, wenn du mich willst. Jane, ich, ich liebe Dich.“
Er fixierte sie weiterhin mit seinem Blick, doch Doc machte sich von ihm los und Schritt durch den Raum. „Bowen, mir ist das zu eng, du hättest mir vorher davon erzählen müssen. Mir geht das zu schnell, ich bin ein Mitglied von Sixpack, eine Kriegerin, ich brauche meinen Freiraum und meine Schwestern. Du machst mir Angst! Es tut mir auch leid, aber ich glaube, dass es das Beste ist, wenn ich wieder zurück in meine Kabine ziehe, und wir versuchen es etwas lockerer angehen zu lassen. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken. Mir war nicht klar, wie viel unsere Affäre dir bedeutet. Hätte ich das gewusst, wäre es nicht soweit gekommen.“ Sie wollte gerade zur Tür hinausgehen, da hielt er sie am Arm fest. „Jane, Teufel noch mal, jetzt lauf doch nicht weg! Das ist doch kein Grund alles in Frage zu stellen. Ich bemühe mich doch, dich nicht einzuengen. Mit der Verbindung hast du soviel Zeit wie du brauchst. Mir ist völlig klar wie das auf dich wirken muss, ich wollte nur ehrlich sein… bitte, geh jetzt nicht.“
Doc blickt auf seine Hand, die ihren Oberarm umklammerte. „Lass. Mich. Sofort. Los!“ Er sah ihren eiskalten Blick.

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Im Moment hatte es wohl keinen Sinn sie von irgendwas abzuhalten, geschweige denn, sie zu überzeugen. Widerwillig ließ er sie los. Sie rannte auf der Stelle davon. Bowen stand für einen Moment wie paralysiert im Waffenraum und konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Schmerz durchzog seinen Brustkorb, wütend boxte er gegen die Metalltür des Waffenschranks, die daraufhin krachend durch den Raum flog. Seit dem Tod seiner Eltern hatte er sich in seinem Leben nicht mehr so verloren gefühlt.
Tränen brannten unter Docs Lidern. Sie lief zu Bowens Kabine und stopfte im Eilverfahren ihre Sachen in ihren Koffer. Nur gut, dass sie nicht so einen Klamottenfimmel hatte. Sie nahm ihre Sachen und ging zurück zu der Suite, die sie die ersten Nächte bewohnt hatte. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, warf sie sich aufs Bett und fing hemmungslos an zu schluchzen. Wie er sie angesehen hatte, es kam ihr so vor, als hätte sie fühlen können wie sich sein Herz zusammengezogen hatte. Oder war es ihr eigenes Herz gewesen? Vor ihrem inneren Auge erschien sein trauriges Gesicht, er hatte so verzweifelt ausgesehen. Sie wollte ihn ja, es hatte ihr fast das Herz zerrissen so kalt zu ihm zu sein, aber sie hatte Angst. Eine Blutsverbindung und für den Rest ihres unsterblichen Daseins an ihn gebunden sein? Woher sollte sie wissen, ob ihre Gefühle wirklich stark genug dafür waren?
Als Bowen die Tür seiner Kabine geschlossen hatte, bemerkte er sofort, dass sie wirklich ihre Sachen geholt hatte. Auch wenn sie nur kurz bei ihm gewohnt hatte, spürte er eine Leere in seinem Zuhause. Auch wenn ihn nur zwei Türen von ihr trennten, es fühlte sich an, als wäre eine unüberwindbare Kluft zwischen ihnen entstanden. Er setzte sich aufs Bett und sah, dass sie ihren roten Seidenschal vergessen hatte. Er hob ihn auf und ließ ihn gedankenverloren durch die Hände gleiten. Hoffentlich war noch nicht alles verloren. Eine einzelne Träne lief über seine Wange, er würde nicht aufgeben.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Drago [Kapitel 8]