Martin Walser spricht mit der Süddeutschen über Geld, Existenzangst und Steuerflucht

„Reden wir über Geld mit Martin Walser“ lautete die Überschrift unter der die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Freitag ein Interview mit dem Schriftsteller veröffentlichte. Das Interview fand in dem Arbeitszimmer seines Hauses am Bodensee statt, in dem er seit vier Jahrzehnten seine Romane schreibt. So auch sein neues Buch „Ein liebender Mann„, welches derzeit bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Reading Room online zu lesen ist.

Ungewöhnlich offen berichtete Martin Walser über sein Verhältnis zu Geld. Er werde nach seinem Gefühl nie genug Geld haben, vielleicht eine Folge der Not in Kindheit und Jugend. Der Vater hinterließ schöne Bücher, aber was Geld anging sei er ein absoluter Versager gewesen. Mit 14 musste er die Buchhaltung in der elterlichen Kohlenhandlung übernehmen, das war 1941, mitten im Krieg. Mit gedichteten Unterhaltungs-Couplets für die „Klingende Wochenpost“ des Süddeutschen Rundfunks und die „Nörgelecke für die Haufrau“ habe er sich anfangs als Schriftsteller ernährt. 1957 erhielt er den mit 10 000 Mark dotierten Hesse-Preis. Den Scheck gab er seiner Mutter, die nie geglaubt hatte, dass er mit dem Schreiben Geld verdienen konnte.

Als „schrecklich“ empfand es Walser, als er in den sechziger Jahren das Drehbuch für einen Industriefilm über Bayer in Leverkusen schreiben musste. Beim Kauf des Hauses am Bodensee erließ ihm der Makler die 5000 Mark Kaution, sonst hätte er es sich nicht leisten können. Jahrelang musste er an Feriengäste vermieten. Erst mit Erscheinen des „Fliehenden Pferds“ 1978 wurde er finanziell unabhängig.

Das „Einhorn“ stand 1965/66 von September bis März ganz oben auf der Bestsellerliste, am Ende hatte er trotzdem nur 25 000 Exemplare verkauft. „Das ist nichts“, so Walser, und deshalb werde er die Existenzangst nie verlieren. Er werde nie das Gefühl haben, dass sein Geld reiche.

Abhängigkeit war für Walser immer das Schlimmste, das habe er nie ertragen, weil dann jemand Macht über ihn hat. So musste er sich gegen die eher hemmungslose Machtausübung gegen Marcel Reich-Ranicki durch den umstrittenen Roman „Tod eines Kritikers“ wehren. In „Seelenarbeit“ setzt er der Person des Chauffeurs Xaver Zürn ein Denkmal, der leidet wie ein Hund, dass er nachts an seinen Chef denkt und weiß, dass der nicht an ihn denkt. Dieses sei für Arbeitnehmer das Unausgleichbare. Abhängigkeit sei eine Form der Ungerechtigkeit, die auf Dauer zermürbe. Jede Gesellschaftsform sei geronnene Ungerechtigkeit, Veränderungen in der modernen Arbeitswelt durch Gewerkschaften und Betriebsräte hätte sie aber gerechter gemacht. Unabhängigkeit sei eine Utopie, man nähere sich ihr nur an, antwortete Walser auf die Frage, ob die Globalisierung die Arbeitnehmer wieder abhängiger mache.

Um seine Altersvorsorge hat Walser sich niemals gekümmert. Er lege erst Geld an, seit er 2005 den Suhrkamp Verlag nach 50 Jahren verlassen habe. Etwa eine halbe Million Euro ließ Walser im Verlag „stehen“, weil sein Verleger Siegfried Unseld sagte, er brauche das Geld unter anderem zur Förderung junger Autoren. Danach griff der Staat voll zu. „Ich musste die Hälfte abgeben. Ich gestehe: Ich fühlte mich beraubt. Jahrelang lässt man da ein Konto wachsen, dann kriegt man, was sich gesammelt hat, dann kassiert der Staat die Hälfte.“ Dann fragt sich Walser, ob nicht der Staat durch zu hohe Abgaben einen Teil der Steuerflucht provoziert.

Quelle: Süddeutsche Zeitung