Erst kürzlich noch meinte Marcel Reich-Ranicki:
„Elke Heidenreich macht eine sehr gute Sendung. Sie tut sehr viel für die Literatur. Es stimmt, dass sie keine richtige Literaturkritikerin ist. Aber das muss sie auch nicht sein.“
Mehr oder weniger wollte sie ja auch nie sein. Umso unverständlicher sind die Aussagen von Reich-Ranicki in einem Interview mit dem Magazin „Cicero“. Hier attakiert er Elke Heidenreichs Sendung und findet „Lesen!“ sei ihm „zu billig“ und „halt eine Sendung für Frauen“.
„Ich mag keine billige Bücherreklame!“ – Auszüge aus dem Interview:
[…]Sind Sie inzwischen von öffentlich-rechtlichen Intendanten um Rat gebeten worden?
In den Zeitungen stand zwar, das Fernsehen würde mich bitten, als Berater zu wirken, doch das ist nicht wahr. Kein Sender hat sich nach meiner kurzen Rede, die so viel Aufsehen hervorgerufen hat, gemeldet.
Es gab einen Brandbrief der deutschen Verleger, die das ZDF anflehten, Elke Heidenreich zurückzuholen †“ mit dem heiklen Argument, dass ihr Weihnachtsgeschäft bedroht sei, wenn die nächsten Sendungen ausfallen. Man brauche Frau Heidenreich als Lokomotive für den Verkauf. Ist es ein Armutszeugnis für die Verleger, dass sie gewissermaßen ein Marketinginstrument einklagen?
Ja, natürlich, das gefällt mir nicht, aber so machen sie es. Man sollte Bücher auch jenseits der Verkäuflichkeit wahrnehmen. Deshalb hat mir die Wahl des diesjährigen Literatur-Nobelpreisträgers gefallen. Sehen Sie, in der Regel bin ich mit dem Literatur-Nobelpreis überhaupt nicht einverstanden. Es ist lächerlich, dass die beiden großen Amerikaner Philip Roth und John Updike diesen Preis bisher nicht bekommen haben. Aber den Preis einem französischen Schriftsteller zu geben, der am Rande steht und gar nicht populär ist, war eine mutige und keineswegs törichte Entscheidung.
Elke Heidenreich hat soeben verkündet, dass sie ihr abgesetztes Format bei einem anderen Sender weiterführe. Glauben Sie, dass man Literatur im Fernsehen verhandeln sollte wie sie: Buch hoch halten, „tolles Buch, das müssen Sie lesen …†œ
… nein, nein, nein! …
… oder sollte man sich lieber diskursiv damit auseinandersetzen?
Diskursiv! Die Methode der Elke Heidenreich gefällt zwar vielen Zuschauern, aber ich kann es nicht ertragen, wenn jemand sagt: „Kauft dieses Buch! Nicht morgen, besser heute noch!†œ Na, na, na, diese Reklame für Bücher erscheint mir etwas billig. Dennoch ist es eine Tatsache, dass die Sendungen der Elke ein großes Publikum erreichten, vor allem Frauen, so sagte man mir. Es war halt eine Sendung für Frauen. Und es ist ja tatsächlich so, dass mehr Frauen als Männer Bücher lesen.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Natürlich. Die Männer arbeiten mehr und haben keine Zeit. Und wenn sie mal Zeit haben, müssen sie Zeitungen lesen, vielleicht auch Zeitschriften. Frauen haben viel mehr Muße für Literatur.
Welche Schriftsteller der vergangenen dreißig Jahre waren für Sie die wichtigsten? Was wird bleiben?
Zu den wichtigsten gehört Nabokov. Was ich am meisten schätze, sind „Lolita†œ und „Pnin†œ †“ „Pnin†œ ist ein sehr guter Roman. Erstaunlich ist, was Nabokov über andere große Schriftsteller geschrieben hat. Über Thomas Mann etwa hat er sich sehr abfällig geäußert. Aber man soll sich nicht so darum kümmern, was Schriftsteller über andere Schriftsteller sagen. Sie selber sollen gute Bücher schreiben, wenn sie das tun, reicht das vollkommen.[…]
Reich-Ranicki nennt die Sendung „Lesen“ nur „billig“, eben eine Sendung für Frauen. Meint er, dass Frauen nur leichte Lektüre verstehen und von den großen Literaten besser die Finger lassen sollten? Passt in unsere Gehirne nur leichte Kost à la Rosamunde Pilcher? Elke Heidenreich hat sicher ihre Bücher wie ein Marktschreier angepriesen, natürlich nur die ihr gefielen. Gäste mit einem anderen Geschmack hatten es da immer etwas schwerer. Übrigens, Herr Reich-Ranicki, auch die Frauen sind heute berufstätig, sogar ganztags. Wir haben also nicht mehr Zeit zum Lesen wie die Männer. Auch wer mit kleinen Kindern zu Hause ist, hat in der Regel weniger Zeit. Was für Nabokov und andere Schriftsteller gilt, sollte auch für Herrn Reich-Ranicki gelten. Elke Heidenreich hat ihn mit ihrer Kritik an der Preisverleihung verteidigt, zum Dank zieht er jetzt über sie her! Ein großes Vorbild!
Besser hätte man die Aussage von MRR im Titel dieses Berichts nicht verfälschen können.
Fällt das denn keinem auf?
Er hat auf die zitierte Äußerung von EH „Kauft dieses Buch! Nicht morgen, besser heute noch!“ mit dem Satz „Na, na, na, diese Reklame für Bücher erscheint mir etwas billig“ geantwortet.
Wie kommt mann dann auf die Aussage, MRR hätte gesagt, die Sendung „Lesen!“ sei „billig“?
Das ist ja schlimmer als bei der BILD-Zeitung!
Man man man…
Welcome back, liebe Christel Walther!
Schön, dass Sie sich hier mal wieder blicken lassen. 😉
Ihren Ausführungen kann ich mich voll und ganz anschließen.
@ Christian Müller – Mann, Mann! Und warum auch nicht schlimmer als die „Bild-Zeitung“, übrigens ein Blatt, das zum größten Teil von Männern „gelesen“ wird, schließlich ist das ganze hier unter „Klatsch und Tratsch“ abgelegt und ich bekenne mich absoult dazu. Mir ist völlig klar, dass die Journalistin MRR schon durch ihre Fragestellung aufs Glatteis geführt hat. Mein Beitrag dazu ist ebenfalls völlig subjektiv, weil ich mich zur Zeit wirklich sehr über ihn ärgere. Ich habe seine selbstgefälligen, arroganten Äußerungen einfach satt. So geschmacklos wie MRR hat Elke Heidenreich noch nie Bücher kritisiert und auch nicht angepriesen.
Trotzdem liebe Grüße! 😉
C. Müller: Finde ich auch! Habe beim Lesen exakt dasselbe gedacht. Reich-Ranickis Aussage wurde zu Unrecht auf eine nette kleine flasche Schlagzeile reduziert. Erbärmlich!
An Chirstel Walther: Gerade ein Literaturkritiker ist nicht dazu verpflichtet, seine „Kollegen“ zu lieben und zu ehren- kritisieren Sie nicht auch Menschen, obwohl diese sie schon einmal in Schutz genommen haben? Wieso kann MRR nicht trotz Frau Heidenreichs Aktion Kritik an ihr ausüben? Und dass sie sich töricht benommen hat, ist wohl kaum zu bestreiten.