Am 15. Juli 2010 erscheint, fast 30 Jahre nach der Kinopremiere, von Volker Schlöndorffs „Die Brechtrommel“ der Director´s Cut in Blu-ray auf DVD – eine um gut 20 Minuten verlängerte Fassung mit zahlreichen Kommentaren, Interviews und Making-of. Extras: Einführung zum Director’s Cut von Volker Schlöndorff, „Die Blechtrommel – Erinnerungen von Volker Schlöndorff“, Interviews, Kommentare zu geschnittenen Szenen, Fotogalerie, Originaldokumente von den Dreharbeiten, Biografie Volker Schlöndorff und Trailer. Dazu gibt es Interviews mit dem Produzenten Eberhard Junkersdorf, dem Production Designer Nikos Perakis und mit Schlöndorff selbst.
Die Geyer Kopierwerke in Berlin wollten von Volker Schlöndorff wissen, ob sie die 60 000 Meter Negativmaterial der Blechtrommel entsorgen könnten. 30 Jahre lagerten die 200 Büchsen dort.
Als Schlöndorff die alten Aufnahmen sah, war da erst mal dieses emotionale Moment. „Die Schauspieler, die ich so gut kenne, so jung wiederzusehen,“ das gab den Ausschlag für die Idee zum „Director†™s Cut“, zusammen mit all den Szenen, auf die sie damals verzichteten. United Artists hatte auf einer Maximallänge von 135 Minuten bestanden, mit der Goldenen Palme 1979 und dem Oscar 1980 wurde Die Blechtrommel ein Riesenerfolg. Also bloß nicht dran rühren. „Nichts ist so gut“, sagt der Regisseur, „dass man es nicht noch besser machen könnte.“
Die Langfassung verankert Oskars Geschichte in der Zeitgeschichte, über Wochenschau-Einschübe vom Kriegsbeginn, der Landung in der Normandie oder der Flucht aus Ostpreußen. Was den „Director†™s Cut“ lohnt, ist die politische Zuspitzung und der größere surrealistische Touch. Mehr Irritation, mehr Momente, die den kaschubischen Ton konterkarieren. Etwa bei der russischen Orgie (mit Drehbuchautor Jean-Claude Carrière als Rasputin!) und vor allem bei der zauberhaften Himmelfahrt der Nonnen von Lisieux, nachdem sie beim Muschelsammeln am Westwall von den Nazis erschossen werden.
Vor allem gegen Ende gewinnt die neue alte Blechtrommel an Dramatik, an Unversöhnlichkeit, auch wenn der Erzählrhythmus dabei etwas aus dem Takt gerät. Oskars Vater legt plötzlich Courage an den Tag, als die Lederjacken-Nazis seinen kleinwüchsigen Sohn ins Euthanasie-Programm stecken wollen. „Ich hab alles mitjemacht,“ tobt Mario Adorf, „aber das kommt nicht infrage.“
Seine neue junge Frau würde den Jungen lieber weggeben. Bislang war Katharina Thalbach als Maria eine Überlebenskünstlerin, die vor lauter Unglück früh verhärmt. Jetzt ist sie, im deutlichen Kontrast zu Alfred Matzerath, opportunistischer, ein fast mieser Charakter, eine Verräterin ihres Brausepulver-Liebhabers Oskar. Und dass der Blechtrommler beim Einmarsch der Roten Armee am Tod seines Vaters nicht unschuldig ist, erscheint nach dessen unerschrockenem Eintreten für den Sohn nun umso tragischer.
Zu den geopferten Bildern gehörte auch eine Sequenz, in der David Bennent einen langen Monolog spricht, über Rasputin und Goethe. Er schaut direkt in die Kamera, ohne mit der Wimper zu zuckern, ohne sich zu verheddern. Der unverwandte Blick des Blechtrommlers habe ihnen damals wohl Angst gemacht, vermutet Schlöndorff heute: „Das war der Schritt zu weit.“ Der Blick hat ihn angerührt, auch wenn das Kasperletheater mit halb nackten Tänzerinnen im Bildhintergrund †“ so stellt sich der kleine Oskar Rasputins russische Orgie vor †“ etwas plump geraten ist.
Die Entscheidung, resümiert der Regisseur, traf das Material.
Kurzbeschreibung
Danzig 1927. Der äußerst frühreife und hellwache Oskar ist gerade erst drei Jahre alt geworden. Und doch ist ihm bereits klar: Das kleinbürgerliche Leben der Erwachsenen kann und will er so nicht akzeptieren. Er hört einfach auf zu wachsen.
Leidenschaftlich protestiert der anarchische Zwerg fortan auf seiner Blechtrommel gegen fanatische Nazis und deren feige Mitläufer. Immer wieder erhebt er seine Stimme gegen die muffigen Spießer der Weimarer Republik und deren derbe Erotik. So schrill, bis Glas zerspringt. Erst als nach dem Krieg eine menschliche Zeit beginnt, beschließt Oskar, wieder am Leben teilzunehmen, und wächst weiter.
Quelle: Zeit Online – „Blechtrommel“ auf DVD – Das Geheimnis der Aale