Wem gehört die mediale Wahrheit über die erste Münchner Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehman?
Im Abstand von zwei Tagen sind die Bücher:
„Dr.Hope – Eine Frau gibt nicht auf: Deutschlands erste Ärztin“ von Torsten Dewi (Autor) und Katrin Tempel (Autorin) und
„Hope: Dr. Hope Bridges Adams Lehmann – Ärztin und Visionärin. Die Biografie“ von Marita Krauss (Autor) erschienen.
Der Piper Verlag hat am 26.09.2009 den Roman von Torsten Dewi und Katrin Tempel veröffentlicht, die Biografie von Marita Krauss erschien am 28.09.2009 im Münchner Volk Verlag.
Schon am 18.09.2009 berichtete die Süddeutsche Zeitung ausführlich über einen Plagiatsvorwurf von Marita Krauss gegen die Autoren Dewi und Tempel.
Prof. Dr. Marita Krauss, die Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte an der Universität Augsburg lehrt und durch viele Publikationen, Ausstellungen und Rundfunksendungen als hervorragende Kennerin der Münchner und bayerischen Geschichte bekannt ist, hat in 15-jähriger kriminalistischer Kleinarbeit die Puzzleteile um die längst vergessene erste Münchner Ärztin Dr. Hope Bridges Adams Lehmann zusammengefügt.
Der Nachlass von Dr. Hope war im Krieg verloren gegangen und so führten die Recherchen Frau Krauss nach Hamburg, Dresden, Leipzig, Karlsruhe, Bonn, Offenburg, Frankfurt, Berlin, Amsterdam, London, Dublin, Montevideo und Australien. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie 2002 in dem Buch „Die Frau der Zukunft – Dr. Hope Bridges Adams Lehman 1855 – 1915. Ärztin und Reformerin“, in Rundfunk-Features und in einer Ausstellung im Münchner Gasteig.
Nach Angaben der SZ wurde Katrin Tempel (damals Katrin Kaiser) in der Ausstellung über Dr. Hope im Gasteig auf die ungewöhnlich moderne Frau aus dem 19. Jahrhundert aufmerksam.
„Meine Ko-Autorin Katrin hat mich vor über drei Jahren auf diesen Stoff hingewiesen, und ich war sofort Feuer und Flamme, über so ein begeisternswertes Leben zu schreiben“, schreibt Torsten Dewi am 13. Juni 2007 auf seinem Blog Wortvogel. Am 24. September 2008 geht Torsten Dewi genauer auf die Entstehungsgeschichte zu seinem Roman und dem Drehbuch über „Hope“ zu dem ZDF-Zweiteiler, der in der Zwischenzeit nach seiner Vorlage entstanden war, ein.
„Gerade wenn man Stoffe und Biographien behandeln will, an denen noch Rechte hängen, kommt man schnell in Teufels Küche. Passiert mir durchschnittlich zweimal pro Jahr…“, schreibt Dewi in einem Kommentar zu seinem Artikel am 24.09.08.
Der historische Zweiteiler „Dr. Hope †“ Eine Frau gibt nicht auf“ wird zunächst am 19. März auf Arte ausgestrahlt. Das ZDF zeigt die je 90-minütigen Folgen am 22. und 24. März. Darin spielt Heike Makatsch die Rolle der Hope Bridges Adams, eine Pionierin der Frauenbewegung und erste Frau, die in Deutschland ein medizinisches Staatsexamen ablegt.
Marita Krauss wirft Torsten Dewi und seiner Co-Autorin Katrin Tempel vor, sich ordentlich an ihrer Biografie über Hope Bridges Adams Lehmann bedient zu haben, wie sie dem „Münchner Merkur“ (Ausgabe vom 18.02.2010) sagte.
Ihre grundlegende Forschungsarbeit über die erste Ärztin in Deutschland und Vorreiterin der Frauenemanzipation habe sie auf Basis einer schwierigen Quellenlage geschrieben. Vor allem ihre Schlussfolgerungen seien kopiert worden.Â
„Die beiden Autoren haben sogar meine Tippfehler abgeschrieben“, sagte sie der Zeitung. „Es wurde alles ungeprüft übernommen.“ Vieles im Film sei zudem „extrem verfälschend“ dargestellt, so Krauss über die fünf Millionen Euro teure, gebührenfinanzierte Produktion.
In dem im September 2009 in der Süddeutschen Zeitung erschienen Artikel wurde berichtet, dass die Produktionsfirma Hofmann und Voges, die den Zweiteiler im ZDF-Auftrag vorbereitete, zunächst mit Frau Krauss über die Nutzung der Forschungsergebnisse und Printrechte verhandelt hatte. Die Verhandlungen wurden aber Anfang 2009 eingestellt, weil man sich nicht einigen konnte. Es entstünden keine Rechte, weil die Autoren Dewi und Tempel alles selbst erfunden und nachrecherchiert hätten, teilte man ihr mit.
Dies sieht Frau Krauss anders, sie will auf die Nennung: „Nach einer Vorlage von Marita Krauss“ und Entschädigung klagen.
Dewi reagierte gereizt auf das Thema und wollte sich nicht weiter dazu äußern, schreibt der Münchner Merkur. In einem Kommentar äußerte sich der Autor zu dem Plagaiatsvorwurf von Frau Krauss auf dem Blog Tiniaden folgendermaßen:
Torsten Dewi – 14. Februar 2010
Der Autor spricht:
Von einem neuen Remix-Fall kann bei „Dr. Hope“ nicht die Rede sein – vergleichbar ist die Situation (wenn überhaupt) mit dem Streit um „Tannöd“. Romane und Sachbücher sind (auch rechtlich) zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Historische Fakten, Personen und Ereignisse sind nicht geschützt – ein Historiker kann tatsächliche Geschehnisse nicht als sein Eigentum betrachten, das es zu lizensieren gilt. Das gilt besonders dann, wenn die Quelle an keiner Stelle verheimlicht wurde. Die histoische Figur Dr. Hope Lehmann gehört niemandem – nicht den Erben, nicht dem Museum, nicht einem Historiker. Im Fall von KREATIVER Eigenleistung bin ich ein Gegner der These, dass alles erlaubt ist – abschreiben ist tabu.
Torsten Dewi – 14. Februar 2010
Nochmal der Autor
Der Tannöd-Fall ist in der Tat ein Präzedenzfall, weil er lediglich die gültige Rechtsprechung bestätigt. Und der SZ-Artikel zitiert ausschließlich die Historikerin selbst, ohne Sender, Produktionsfirma, oder Autoren zu Wort kommen zu lassen. Man beachte auch, dass zwar der Eindruck erweckt werden soll, es läge ein justiziabler Fall vor, der Autor des Artikels aber selbst im vorletzten Absatz zugeben muss, dass dem wohl nicht so ist („Grundsätzlich ist wohl wenig dagegen zu mache…“). Und ich wiederhole mich gerne: Historische Fakten sind nicht Eigentum von Historikern. Man sollte da nicht Äpfel („Axolotl“) mit Birnen („Dr. Hope“) vergleichen.
Vielleicht kann Frau Krauss Trost in Theodor Fontanes im Moment wieder sehr aktuellen Ausspruch finden: „Über Plagiate sollte man sich nicht ärgern. Sie sind wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente.“
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