Fankfurter Buchmesse 2010: edition fünf stellt sich vor

Fankfurter Buchmesse 2010: edition fünf stellt sich vor

Am 08.10.2010 luden die Gründerinnen der „edition fünf“ zu einem Sektempfang auf die Frankfurter Buchmesse ein. Am Gemeinschaftsstand mit der Edition Nautilus wurde im Kreis von Freundinnen und Freunden der erfolgreiche Start der ersten fünf Bücher der neuen Edition begossen.  Die schönen Bücher von klugen Autorinnen zum Wiederentdecken, Verschenken und Selberlesen präsentierten sich in den Regalen auf dem Messestand. Die Herausgeberinnen Karen Nölle und Christine Gräbe sowie die Verlegerin Silke Weniger (Foto vorne rechts) können zurecht Stolz auf das Ergebnis sein.

Im ersten Programm sind die Autorinnen Kate Chopin, Irmtraud Morgner, Malin Schwerdtfeger, Joyce Johnson sowie eine Anthologie mit Erzählungen vertreten.

Die Herausgeberinnen haben literarische Schätze aufgespürt, teilweise neu bearbeitet und mit Nachworten anderer Expertinnen (und eines Experten) versehen. Künftig werden sie jeden Herbst ein Paket aus fünf lesenswerten Titeln schnüren. Die eigensinnigen und klugen Texte erscheinen im hochwertigen Gewand und sollen die Leserinnen glücklich und die Literaturwelt reicher machen.

„Vielleicht braucht ein konventionell erzogener weiblicher Mensch die Chance, sich gegen die Strömung der Sitten irgendwann freizuschwimmen†œ, schrieb Irmtraud Morgner. Und so ist es eine Schwimmerin, die das Cover der neuen Ausgabe von „Hochzeit in Konstantinopel†œ ziert. Der frech fantastische Roman über eine realsozialistische Hochzeitsreise, die keine ist, ist nun nach vielen Jahren wieder lieferbar. Im zwanzigsten Todesjahr der Autorin erscheint er in der neu gegründeten edition fünf.

Das Freischwimmen in all seinen Facetten bildet den Mittelpunkt des ersten Programms. In drei Romanen, einem Selbstzeugnis und einer Anthologie loten Autorinnen aus, wie Frauen sich die Welt erobern. Der Aufbruch ist die literarische Klammer der Texte, die ein ganzes Jahrhundert weiblicher Lebensentwürfe umspannen.

Das Erwachen von Kate Chopin

Kurzbeschreibung
Kate Chopin (1859 – 1904) hatte zunächst scheinbar alles, was ein Frauenherz begehren kann: einen in jeder Hinsicht großzügigen Ehemann, sechs gesunde Kinder und ein hübsches Haus in einem der vornehmen Viertel von New Orleans. Doch dann starb ihr Mann, und die junge Witwe fing an zu schreiben.
Als ihr Roman ‚Das Erwachen‘ 1899 erschien, erregte er ebenso großes Interesse wie breiteste Ablehnung. Gerühmt wurde ihre makellose stilistische Kunst, verurteilt aber wurde die ‚traurige Geschichte einer Dame aus den Südstaaten, die tun wollte, wonach ihr der Sinn stand. Sie wollte es nicht nur, sie tat es auch, mit verheerenden Folgen.‘ Zeitgenössische Kritiken verurteilten die detaillierte Schilderung der mannigfaltigen und gleichzeitigen Liebesaffären einer Ehefrau und Mutter. Tatsächlich aber geht es Kate Chopin um die Darstellung eines weiblichen Bewußtwerdungsprozesses.Eine Frau wagt den Versuch, ihre Pflichten als Gattin und Mutter gegen individuelle Freiheit und Selbstbestimmung einzutauschen.

Café Saratoga von Malin Schwerdtfeger

Kurzbeschreibung
Malin Schwerdtfegers erster Roman erzählt vom Erwachsenwerden, von Liebe und Freundschaft, in einem neuen, wildpoetischen, unverwechselbaren Ton. Für die beiden Schwestern Sonja und Majka, zwei Mädchen in der Pubertät, ist die polnische Halbinsel Hel in ihren Sommerurlauben ein Ort der Abenteuer und Erweckungen, besonders das Café Saratoga, das ihr Vater von der steinalten Tante Apolonia übernimmt. Das Meer, die eigenen Körper, die Männer, die Landschaft werden entdeckt, mit Sorge, Lust und Schrecken beobachtet, die Komik und das Verhängnis der Liebe frühzeitig registriert. Aber was für die Mädchen Hel ist, ist für den Vater, der mit seiner kindischen, vitalen Verrücktheit alle, auch die von ihm geschiedene Frau, an sich kettet, Westdeutschland. Eines Tages, die Familie hat deutsche Vorfahren, kann Tata ausreisen. Die ganze Familie, auch die schimpfend-kränkelnde Mutter Lilka, folgt. Sonja, die Ich-Erzählerin, wird in diesen Jahren, angefeuert von ihrem Vater, den sie abgöttisch liebt, zögerlich zur Frau, und wieder verändert sich die Welt. Nur der verrückte Tata, den man auch als Leser einfach lieben muss, bleibt sich ewig gleich. Malin Schwerdtfegers erster Roman erzählt mit poetischer Rasanz, mit kluger Komik und feiner Beobachtungsgabe vom Erwachsenwerden, von polnischen und deutschen Mentalitäten, von scheiternden Ehen und bedingungsloser Liebe, von Freundschaft und Aufbruch.

Zaunköniginnen: Erinnerungen von Joyce Johnson

Kurzbeschreibung
New York in den 50er-Jahren. Joyce Johnson kehrt ihrem bürgerlichen Elternhaus den Rücken und bricht auf, um eine abenteuerliche Existenz als Dichterin zu führen. Doch in der Bohème der jungen Beatpoeten werden den Frauen allenfalls kleine Nebenrollen zugedacht. Joyce Johnson erinnert sich an ihre frühe Rebellion gegen den Muff und die Spießigkeit der fünfziger Jahre. Zu Unrecht wurde sie vor allem als Geliebte des Beatpoeten Jack Kerouac wahrgenommen †“ dabei waren die beiden nur zwei Jahre ein Paar. Ihre Erinnerungen, auf Deutsch schon einmal unter dem Titel „Warten auf Kerouac†œ erschienen, erhalten in der edition fünf den Namen „Zaunköniginnen†œ.

Hochzeit in Konstantinopel von Irmtraud Morgener

Kurzbeschreibung
Nichts ist, was es scheint, auf dieser Reise, die nicht nach Konstantinopel geht, sondern an die Adria. In die Flitterwochen, obwohl das Paar aus Ostberlin noch gar nicht verheiratet ist. Am Ende landet Bele, die ihrem Verlobten Abend für Abend Geschichten erzählt, vor allem bei sich selbst.
Irmtraud Morgener (1933 bis 1990), geboren in Chemnitz, Schriftstellerin und Germanistin, lebte in Ostberlin. Anfangs begeisterte Sozialistin, verwarf sie später ihre frühen Bücher. Mit „Hochzeit in Konstantinopel“ fand sie 1968 ihre eigene Stimme: sinnlich, frech, stilistisch brillant.

Heldinnen des Glücks: Sieben Geschichten vom Aufbruch von Alice Munro, Felicitas Hoppe, Margriet de Moor, Charlotte Perkins Gilman, Anna Banti, Sarah Kirsch und Jane Bowles

Kurzbeschreibung

Aufbruch heißt in jeder dieser Erzählungen etwas anderes: Da bietet sich ein Nachbar als Heiratskandidat an, bei einer Sommerreise tun sich Abgründe auf, im Kino werden Lebenswege resümiert und ein ganzes Dorf von Dienstmädchen macht sich auf, das Glück zu finden.

Die Autorinnen erzählen eigenwillige Geschichten vom Weg durchs Leben †“ und davon, wie unterschiedlich das Glück aussehen kann.

Quelle: editionfuenf.de

Marie NDiaye u. Claudia Kalscheuer erhalten Internationalen Literaturpreis

Marie NDiaye und Claudia Kalscheuer erhalten den Internationalen Literaturpreis 2010

Die französische Schriftstellerin Marie NDiaye und die Übersetzerin Claudia Kalscheuer erhalten in diesem Jahr den Internationalen Literaturpreis. Der Internationale Literaturpreis †“ Haus der Kulturen der Welt ist ein Literaturpreis für zeitgenössische Erzählliteratur in deutscher Übersetzung.

Er wird seit 2009 vom Haus der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen jährlich vergeben und ist mit insgesamt 35.000 Euro dotiert, 25.000 Euro davon erhält der Autor und 10.000 Euro der Übersetzer. Ziel des Preises ist, die Aufmerksamkeit für aktuelle literarische Stimmen aus aller Welt zu erhöhen und die Vermittlungsleistung von literarischen Übersetzern zu würdigen. Der Preis soll in der Fülle an Neuerscheinungen auf dem deutschen Buchmarkt auf qualitativ hervorragende und außergewöhnliche Werke der internationalen Literaturen aufmerksam machen.

Marie NDiaye, 1967 in Pithiviers bei Orléans geboren, nahm den Preis für ihren Roman „Drei starke Frauen“ am 28.09.2010 im Berliner Haus der Kulturen der Welt entgegen. Claudia Kalscheuer, die den Roman aus dem Französischen übersetzte, erhielt 10.000 Euro.

Die Jury lobte den Roman als „ein subtiles, dicht geschriebenes, ins seiner sprachlichen Ausgestaltung einen starken Sog entfaltendes Buch über gestörte Beziehungen, emotionale Abhängigkeiten, unerhörte Abgründe innerhalb familiärer Beziehungen†œ.

In ihrer kurzen, auf Deutsch formulierten Dankesrede betonte NDiaye, die seit 2007 mit ihrer Familie in Berlin lebt, wie wichtig es sei, dass die Auszeichnung auch die Arbeit des Übersetzers würdige. Die Bücher von NDiaye verlangten ihr alles ab, formulierte im Anschluss Claudia Kalscheuer, es seien „die schönsten und zugleich schwierigsten Werke„, die sie bislang habe übersetzen dürfen.

Kurzbeschreibung
Den neuen Roman der »ungewöhnlichsten Schriftstellerin Frankreichs« beschrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in den knappen und präzisen Worten: Er handle »von drei vollkommen unterschiedlichen Frauen, die sich von den Schwierigkeiten des Lebens nicht unterkriegen und von ihren Mitmenschen nicht demütigen lassen«. Die vierzigjährige Norah gibt dem Drängen ihres Vaters nach und besucht ihn in Dakar: Die Juristin soll ihren Bruder aus dem Gefängnis holen. Das schwierige Treffen mit dem Vater führt die Frau an den Rand des Wahnsinns. Fanta hat im Unterschied zu Norah Dakar verlassen, um ihrem Ehemann Rudy in die französische Provinz zu folgen. Sie gibt sich dort vor Langeweile auf, so meint Rudy, durch dessen Perspektive wir von Fanta erfahren †“ doch ihm entgeht Entscheidendes. Von Afrika aus betrachtet erscheint ihre Existenz geradezu luxuriös und begehrenswert, weshalb Khady, die junge Afrikanerin, illegal nach Frankreich einzuwandern sich bemüht †“ doch sie endet, tot, an Grenzen. Drei Lebensläufe, drei starke Frauen, die ihre Würde verteidigen, indem sie sich im entscheidenden Moment weigern, so zu handeln, wie es die Umgebung verlangt: drei Frauen, die selbst in extremster Situation ihre Würde verteidigen.

„Das ganz Besondere an diesem Roman“, so die Literaturkritikerin Iris Radisch, „ist der unvergleichbare literarische Stil.“ Sie sieht in der deutschen Gegenwartsliteratur nichts, was sie diesem Stil an die Seite stellen könnte; in seiner Raffinesse, in seiner Leichtigkeit, aber auch in seiner Akkuratesse. Mehr Informationen zu Marie NDiayes Roman „Drei starke Frauen“ finden sich hier.

Christa Wolf mit Uwe-Johnson-Preis ausgezeichnet

Wie Spiegel Online berichtet, ist die deutsche Schriftstellerin Christa Wolf mit den Uwe-Johnson-Preis ausgezeichnet worden. Die 81-Jährige erhielt die Ehrung für ihren neuen Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud„.

Nach Angaben des Suhrkamp Verlages, der Wolfs Werke betreut, ist es der erste Preis, den die Autorin für das im Juni erschienene Buch erhalten hat. Die Laudatio im Schauspielhaus hielt auf Wunsch der Preisträgerin der Schriftsteller Christoph Hein. Wolf zeigte sich „tief gerührt“ von der Ehrung.

Wolf entwerfe „ein faszinierendes Netzwerk, in dem die Ich-Erzählerin alltägliche Begebenheiten, Assoziationen, Erlebnisse, Gefühle und Erinnerungen verwebt“, urteilte die Jury. Der Roman enthalte Bezüge zu der Poetik Uwe Johnsons, derzufolge es keine einfache Wahrheit gebe.

Laudator Hein würdigte die Autorin als trotz aller Anfeindungen „stolze Frau„. Wolf habe mit ihrer Lebensgeschichte großen Anteil daran, anderen Menschen 1989 Mut zu machen, sagte Hein und nannte als Beispiel Wolfs Widersprechen in der Biermann-Affäre.

Auch Festrednerin Sigrid Keler, ehemalige Finanzministerin in Mecklenburg-Vorpommern, erinnerte an die Wiedervereinigung. 20 Jahre danach sei die Vergabe des Johnson-Literaturpreises an Wolf ein „glücklicher Brückenschlag“, da sowohl Johnson als auch Wolf das Thema Teilung in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellten, so unterschiedlich die Autoren auch seien.

Der Roman spielt in Los Angeles, wo sich die Erzählerin auf Einladung des Getty Center für einige Monate zum Arbeiten aufhält. Ihr Forschungsobjekt sind die Briefe einer Frau, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA emigrierte. Die Erzählerin begibt sich auf deren Spuren und muss sich bei ihrer Reise sowohl mit der amerikanischen Lebensweise als auch mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen.

Viele der in dem Buch geschilderten Ereignisse verweisen auf Wolfs Biografie, wie jene Reise nach Los Angeles Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als in Deutschland Stasi-Vorwürfe gegen die Autorin erhoben wurden. So beschreibt die Ich-Erzählerin an einer Stelle ihre Gefühle beim Ansehen jener Stasi-Akte, in der sie als „IM“ geführt wurde.

Der Uwe-Johnson-Preis wird von der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft und dem „Nordkurier“ alle zwei Jahre an deutschsprachige Autoren vergeben. Bisherige Preisträger der mit 12.500 Euro dotierten Auszeichnung waren unter anderem Walter Kempowski, Joochen Laabs und Uwe Tellkamp.

Kurzbeschreibung „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“
Los Angeles, die Stadt der Engel: Dort verbringt die Erzählerin Anfang der Neunziger einige Monate auf Einladung des Getty Center. Ihr Forschungsobjekt sind die Briefe einer gewissen L. aus dem Nachlaß einer verstorbenen Freundin, deren Schicksal sie nachspürt †“ eine Frau, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA emigrierte. Sie beobachtet die amerikanische Lebensweise, taucht ein in die Vergangenheit des „New Weimar unter Palmen†œ, wie Los Angeles als deutschsprachige Emigrantenkolonie während des Zweiten Weltkriegs genannt wurde. Ein ums andere Mal wird sie über die Lage im wiedervereinigten Deutschland verhört: Wird der „Virus der Menschenverachtung†œ in den neuen, ungewissen deutschen Zuständen wiederbelebt? In der täglichen Lektüre, in Gesprächen, in Träumen stellt sich die Erzählerin einem Ereignis aus ihrer Vergangenheit, das sie in eine existentielle Krise bringt und zu einem Ringen um die Wahrhaftigkeit der eigenen Erinnerung führt. Das neue Buch von Christa Wolf ist auch autobiographische Prosa: Sie erzählt von einem Menschenleben, das drei deutschen Staats- und Gesellschaftsformen standhält, von einer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, von der Kunst, sich zu erinnern. »Und herausgekommen ist dabei eine gigantische, facettenreiche Lebensbeichte, eingebettet in jenes Jahrhundert, das das ihre war (…) kunstvoll verwoben, kontrastreich gegliedert, unter wechselnder Beleuchtung angestrahlt bietet sich das Mosaik dar, das jetzt vor uns liegt. Ein Zeugnis von Triumph des ordnenden Geistes über das Chaos der Gefühle.« Tilman Krause, Die Welt; »Es ist das radikale Bekenntnisbuch einer Schriftstellerin, die einst die bedeutendste Autorin der DDR gewesen ist, ein Buch der Suche und des Abschiedsnehmens, ein kämpferisches Buch, ein Buch über die Kämpfe des letzten Jahrhunderts, ein Buch der Verzweiflung (…) Sie hat nicht aufgehört nach ihrer Variante der Wahrheit zu suchen. Dieses Buch ist das kalifornische Monument dieser Suche.« Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung; »So erfrischend selbstironisch wie in „Stadt der Engel“ war Christa Wolf wohl noch nie. „Stadt der Engel“, der lang erwartete neue Roman der 81-jährigen Ost-Berliner Autorin, ist vieles: ein Buch der Erinnerung und des Abschieds. Eine waghalsige, in zehnjähriger Schreibarbeit entstandene, atemberaubende Selbstbefragung, ja Lebensbeichte. So ungeschützt präsentierte sich Christa Wolf noch nie. †ºJede Zeile, die ich jetzt noch schreibe, wird gegen mich verwendet werden.†¹« Oliver Pfohlmann, Der Tagessiegel; „Du bist dabei gewesen. Du hast es überlebt. Du kannst davon berichten.†œ Der neue große Roman von Christa Wolf: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud spiegelt das Leben der Autorin, wie in Kindheitsmuster immer wieder verbunden mit entscheidenden Momenten deutscher Geschichte.

Quelle: Spiegel Online Kultur

Kein Schweigen, das nicht endet von Ingrid Betancourt

Kein Schweigen, das nicht endet von Ingrid Betancourt

Im Juli 2008 wurde Ingird Betancourt, ehemalige Präsidentschaftskandidatin von Kolumbien, in einer geheimnisvollen Militäraktion, aus den Händen der kolumbianischen Farc-Guerilla befreit. 2321 Tage währte ihre Geiselnahme. Nun hat sie ihre Memoiren aus der Zeit als Gefangene der Farc geschrieben. „Même le silence a une fin“ lautet der Originaltitel. Kein Schweigen, das nicht endet stammt von Chiles Dichter Pablo Neruda.

Präsidentin von Kolumbien wollte sie werden, ihr zerrissenes Land versöhnen, der Korruption hatte sie den Kampf angesagt: Ingrid Betancourt wurde zur Hoffnungsträgerin in ihrer Heimat und auch im Ausland, bis sie am 23. Februar 2002 von der linksgerichteten Rebellen-Armee FARC entführt und in den Dschungel verschleppt wurde. In diesem „Gefängnis ohne Mauern“ musste sie ausharren, unvorstellbare sechseinhalb Jahre lang der Willkür der Geiselnehmer ausgeliefert. Nun legt sie Zeugnis ab über das, was ihr angetan wurde, wie sie mehrfach versuchte zu fliehen und wie sie unter immer weiter verschärften Bedingungen überlebte. Sie bricht ihr Schweigen und setzt sich der Erinnerung an die Horrorjahre aus, die sie an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit und Widerstandskraft brachten auf dass die Welt endlich ihr Schweigen breche über die Zustände in Kolumbien. Am Ende findet sie wieder zu sich selbst und schreibt ein aufrüttelndes Buch von großer literarischer Kraft.

Kein Schweigen, das nicht endet“ ist am 21.09.2010 im Verlag Droemer/Knaur erschienen, umfasst 736 Seiten und ist für 22,99 Euro im Buchhandel erhältlich.

Ingrid Betancourt, geb. 1961 in Bogotá, studierte Politik in Paris. 1989 kehrte sie mit ihren Kindern nach Kolumbien zurück, wo sie von 1994 bis 1998 Abgeordnete im Repräsentantenhaus war. Sie erhielt Morddrohungen und brachte 1996 ihre Kinder ins Ausland, eine Erfahrung, die sie in ihrem ersten Buch „Die Wut in meinem Herzen“ beschrieb. Als Präsidentschaftskandidatin auf Wahlkampftour, wurde sie am 23. Februar 2002 entführt und erst am 2. Juli 2008 aus der Hand der FARC-Guerilla befreit. Heute lebt sie in den USA und Frankreich.

Ingrid Betancourt ist am 08.10. und 09.10.2010 bei verschiedenen Veranstaltungen auf der Frankfurter Buchmesse anwesend und spricht über ihre Memoiren.

Berühmte Autorinnen über berühmte Frauen beim Münchner LiteraturBrunch

Berühmte Autorinnen über berühmte Frauen beim Münchner LiteraturBrunch 2010

Am 12.09.2010 fand der diesjährige LiteraturBrunch der Münchner Bücherfrauen im Giesinger Kult(ur)café statt. Die Organisatorinnen haben wohl nicht mit einem derartigen Ansturm gerechnet, denn bereits vor Veranstaltungsbeginn waren alle Plätze vergeben. Das mag zum einen daran gelegen haben, dass sich der LiteraturBrunch, den die Bücherfrauen mittlerweile zum 10. Mal organisiert haben, in München etabliert hat und zum anderen an den großartigen Autorinnen, die für die Veranstaltung zugesagt hatten.

Aus dem Leben von Elisabeth I., Hildegard von Bingen und Lena Christ lasen und berichten die Autorinnen Asta Scheib, Brigitte Riebe und Tanja Kinkel (v.l.n.r. im Bild unten) am 12.09.2010 im Giesinger Kultur-Café.

Brigitte Riebe eröffnete die Leserunde mit einer Passage aus ihrem aktuellen Roman über Hildegard von Bingen, der in diesem Jahr unter dem Titel „Die Prophetin vom Rhein“ im Diana Verlag erschienen ist. Wie schon beim letztjährigen LiteraturBrunch beeindruckte die Autorin durch ihr fundiertes Wissen über die Äbtissin und Visionärin und deren Leben und Wirken im 12. Jahrhundert. Gewürzt hat Brigitte Riebe die Handlung in ihrem historischen Roman mit der jungen, leidenschaftlichen Hebamme Theresa, die vom rechten Pfad abzukommen droht.

Es war mucksmäuschenstill als Tanja Kinkel im Anschluss ihren Textabschnitt  mit einem Dialog aus ihrem neuen Roman „Im Schatten der Königin“ begann. Man stellte sich zwangsläufig die Frage, ob Tanja Kinkel persönlich die Hörbuchfassung für diesen Roman besprochen hat. Authentisch und überzeugend hauchte sie Königin Elisabeth I. und ihrer Gouvernante Kat Ashley so viel Leben ein, dass man glauben mochte, die beiden in einer Septemberwoche im Jahr 1560 belauscht zu haben.

Asta Scheib berührte ihr Publikum danach mit dem tragischen, kurzen Leben der deutschen Schriftstellerin Lena Christ. Für die Romanbiografie über Lena Christ (1881 – 1920), die 2006 unter dem Titel „In den Gärten des Herzens. Die Leidenschaft der Lena Christ“ erschienen ist, hat Asta Scheib akribisch mit Hilfe von Zeitzeugen, Nachlässen und Büchern recherchiert. Entstanden ist das Sozialporträt einer hochbegabten Unterprivilegierten, das mit der Neubewertung der zwiespältigen Rolle des zweiten Ehemanns, Peter Jerusalem, ein neues Licht auf das Leben und Sterben der Lena Christ geworfen hat. Lena Christ nahm sich 1920 im Alter von 38 Jahren das Leben.

Gewohnt souverän übernahm Meike Frese (rechts im Bild)  im Anschluss an die Lesung die Moderation für eine interessante und ausführliche Diskussion über das Leben der „Berühmten Frauen“ aus den Romanen der Autorinnen.

Gegen 14 Uhr endete die Veranstaltung, und Asta Scheib verabschiedete sich mit den Worten: „Ich habe mich sehr wohl gefühlt.“