Black Dagger Ladies Online †“ Letzte Vorbereitungen [Kapitel 12]

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Letzte Vorbereitungen
Kapitel 12

Eine Weile sagte er nichts mehr, sondern hörte nur zu, was sein Gesprächspartner zu berichten hatte. Seine Miene verfinsterte sich dabei zusehends. „ Mit mir?†œ, rief er ungläubig, „okay, triff dich mit ihr und nimm Lucy mit, aber sie soll nur als Katze auftreten, das ist sicherer für euch beide. Ach ja, und dein Handy natürlich, damit ich mit dem sauberen Früchtchen… ja, genau! Aber erst muss ich noch… Ja, mach ich… also bis dann.†œ Er warf das ausgeschaltete Handy ungehalten auf den Schreibtisch und fluchte laut: „Kreuzdonnerwetter noch mal! Muss das jetzt sein? Das Timing ist sowas von daneben man, sowas können wir jetzt absolut nicht gebrauchen!†œ Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar und schüttelte den Kopf. Ich setzte mich im Bett auf und verstand überhaupt nichts mehr: „Duncan, was ist denn? Was ist passiert? Stimmt etwas nicht mit Lucy und Gavin?†œ Er starrte nachdenklich aus dem Fenster, nahm dann das Handy wieder in die Hand, tippte eine Nummer ein und sagte mit leiser Stimme zu mir gewandt: „ Nein, nein, es ist alles in Ordnung mit ihnen. Ich muss nur eben noch… Ja, Tiago, ich bin`s. Trommel die anderen vom Orden zusammen, wir treffen uns in 15 Minuten im Konferenzraum. Ja… nein, das erklär ich dann, danke… ja, bis gleich.†œ Wieder warf er das Handy weg, stürmte mit einem unterdrückten Fluch ins Bad und kurz darauf hörte ich die Dusche rauschen. Ich blieb ganz ruhig sitzen, zog meine Knie an, stützte mein Kinn auf und wartete einfach ab, was noch so passierte. Hm, ich verstand die ganze Aufregung einfach nicht, was mochte nur vorgefallen sein? In Rekordzeit war er im Bad fertig und kam, nur mit einem Handtuch um die Hüften, wieder zurück, um schnell in seine Sachen zu schlüpfen. Immer noch vor sich hin brummelnd schnappte er sich sein Handy, band seine Armbanduhr um und stürmte zur Tür raus. Oh oh. Mit hochgezogenen Brauen blickte ich wartend zur Tür. Drei… zwei… eins… Da flog sie wieder auf und er stand mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck im Rahmen: „Tut mir leid, tut mir leid! Ich bringe dich in deine Kabine, mein Herz. Gleich treffe ich mich mit den Jungs. Es ist etwas Unvorhergesehenes passiert, aber sobald ich etwas Genaues weiß, gebe ich dir Bescheid, versprochen.†œ Er nahm mich mit samt der Decke in seine Arme, küsste mich auf die Stirn und wollte so mit mir auf den Gang. „Ähm, Duncan? Ich glaube Bambi möchte auch gerne mit†œ, sagte ich zu ihm und zeigte mit einem Lächeln auf mein Shirt, das immer noch auf der Erde lag. „Oh, natürlich, so kannst du nicht…†œ „Jetzt mal ganz ruhig†œ, unterbrach ich ihn und legte einen Finger auf seine Lippen. „Ich finde den Weg schon in meine Kabine, geh du mal zu deinen Jungs. Es wird für mich sowieso höchste Zeit für eine Dusche und einen Kaffee mit meinen Schwestern.†œ Er stellte mich vorsichtig hin, nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mich plötzlich so ernst an, dass ich es ein bisschen mit der Angst bekam. „Angie, bitte sei mit deinen Schwestern in genau zwei Stunden im kleinen Konferenzraum, ja? Dann weiß ich mehr und… mach dir keine Sorgen.†œ Mit einem liebevollen Lächeln drückte er mir einen Kuss auf die Lippen, und schon war er durch die Tür verschwunden. Kopfschüttelnd sah ich ihm nach, zog mein Shirt an und machte mich auf den Weg in meine Kabine.
Nach der Dusche stand ich grübelnd vor dem Schrank. Dieser merkwürdige Anruf von Gavin ging mir nicht mehr aus dem Sinn. „Man, und draußen war es so schön†œ, dachte ich, „die Sonne und die Wärme luden zum Sonnenbaden ein, oder zum Schwimmen, und es wehte kaum Wind. Ob ich mir wohl etwas Zeit stehlen konnte, um mit den Schwestern am Pool ein bisschen abzuhängen? Wer wusste schon, wann wir das wieder konnten.†œ Das ungute Gefühl, das mich auf einmal beschlich, verdrängte ich aber ganz schnell wieder. Also zog ich mir meinen Bikini schon mal vorsichtshalber an und ein schlichtes weißes Strandkleidchen mit Spagettiträgern darüber. Gerade als ich mir meine Haare zu einem lockeren Knoten in meinem Nacken zusammen gebunden hatte, erschienen auch schon Doc mit Lilli, gefolgt von einer leicht außer Atem wirkenden Kerstin. Als ich meine Schwestern so vor mir stehen sah, konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen: „Wow, ihr drei leuchtet ja geradezu, haha, Lilli… deine Ohren sind ja dunkelgrün, zu mindestens die Spitzen.†œ Und mit einem Zwinkern fügte ich noch hinzu: „ Na? Alle eine schöne Nacht gehabt, stimmt`s?†œ Doch sie sahen mich

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nur mit hochgezogen Brauen an, zeigten stumm auf mich und fingen an zu kichern. „Was denn? Wächst mir da was Merkwürdiges aus der Stirn?†œ, fragte ich misstrauisch in die Runde und fuhr prüfend mit dem Zeigefinger über die besagte Stelle. „Nein, nein†œ, sagte Doc beruhigend, „aber deine Augen! So wie jetzt haben sie noch nie geleuchtet, und sie waren noch nie so grün wie jetzt… Hehe, und strahlen tust du auch.†œ Das war das Stichwort, und sofort erzählten und lachten wir, wie immer, alle durcheinander. Nur Kerstin wurde immer ruhiger, je aufgekratzter wir wurden. „Seid doch mal eben ruhig bitte, ich muss euch eine merkwürdige Geschichte erzählen†œ, rief sie laut und klatschte in die Hände, um sich Gehör zu verschaffen. Nachdem endlich alle mit Kaffee versorgt waren, legte sie los und erzählte uns von ihrem beunruhigenden Traum. Als sie fertig war, sahen wir sie besorgt an und Lilli fragte sie: „Und, wie geht es dir jetzt? Konnte Drago dich beruhigen? Man, dann müssen wir aber doppelt aufpassen!†œ „ Ja, das kannst du aber laut sagen. Drago war sehr lieb, jetzt geht†™s mir ja auch wieder gut, Gott sei Dank, aber ich kann euch sagen, das war schon eine merkwürdige Erfahrung†œ, sagte sie und konnte schon wieder lachen.
Plötzlich klopfte es an der Tür. „ Mädels? Seid ihr angezogen? Kann ich reinkommen?†œ Es war die Stimme von Tiago. „Nein, sind wir nicht!†œ, rief Doc sofort lauthals, „aber du kannst trotzdem reinkommen!†œ Sie wollte sich ausschütten vor Lachen und wir anderen auch. Draußen war es totenstill und nach einer Weile hörten wir ihn mit zögerlicher Stimme fragen: „Das war jetzt ein Witz, oder?†œ Da ich neben der Tür stand, erlöste ich ihn, indem ich die Tür öffnete und ihm lachend antwortete: „Na klar! Komm rein, wir beißen nicht. Was gibt es denn?†œ Kopfschüttelnd sah er uns der Reihe nach an und musste dann doch grinsen: „Man, ihr seid ja drauf. Aber Spaß bei Seite, ich soll euch von Duncan ausrichten, das die Teambesprechung jetzt stattfindet.†œ „ Okay, dann kommen wir am besten gleich mit†œ, sagte Lilli, und wir machten uns sofort auf den Weg.
Im Konferenzraum waren schon alle Brüder des Ordens versammelt und diskutierten lautstark miteinander. Als wir eintraten, verstummten sie schlagartig und sahen uns stumm und ein bisschen unsicher an. Komisch… doch dann sprachen alle wieder gleichzeitig, und wir Mädels suchte uns einen Platz bei unseren Partnern. Da Duncan vorne an einem Pult stand, setze ich mich in die Nähe. Als er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, trat augenblicklich Ruhe ein und alle sahen ihn erwartungsvoll an. Nachdem er mich kurz angelächelt hatte, blickte er wieder ernst nach vorne und legte mit seiner tiefen klaren Stimme los: „Ich werde euch nun den Ablauf für morgen bekanntgeben. Da der Hafen in Pisco sich als zu klein für unser Schiff erwiesen hat, werden wir also schon morgen um ca. 10 Uhr in Lima einlaufen und mit der Seraphim zwischen den anderen Kreuzfahrtschiffen vor Anker gehen. Das ist für uns die beste Tarnung, denn wir wissen nicht, inwieweit die Dragons von unserer Ankunft informiert sind. Unsere Verbindungsleute in Peru haben alles Weitere für uns organisiert. Am Pier steht ein landesüblicher Touristenbus bereit, der uns zum Hangar 51 bringen wird, wo die gesamte Ausrüstung schon fertig gepackt auf uns im NH 90 wartet. Und mit gesamter Ausrüstung meine ich natürlich inklusiv der dementsprechenden Kleidung, besonders für unsere Ladies, die wir für die Kletterpartie brauchen. Bones hat damals noch den Heli mit ein paar Extras ausgestattet. Unser Airwolf wird uns mit samt der Ausrüstung bis zum Basislager etwas außerhalb von Cachora bringen, wo Eric schon einen guten Landeplatz ausfindig gemacht hat. Von da ab geht†™s dann zu Fuß weiter. Und in etwa 2 Tagen treffen wir dann in Choqequirao ein. Ich werde mich in dem Hangar in Lima wahrscheinlich noch mit jemandem treffen, der vielleicht wichtig für uns sein könnte. Gavin und Lucy werden dort wieder zu uns stoßen, und diese… ähm, Person mitbringen. Alle stehen bitte mit ihrem persönlichen Gepäck gehen 11 Uhr bereit, um von Bord zu gehen. Lilli wird euch nun an Hand der ausgewerteten Satellitenbilder erklären, was uns in Choqequirao erwartet. Noch Fragen?†œ, sagte er und sah uns prüfend an. „Okay, dann ist ja soweit alles klar, ach noch eines… an Bord bleiben Jean, Tim, und Eric. Eric hält wie immer ständig Verbindung zwischen uns und Sweetlife

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und… Angie bleibt auf ausdrücklichen Wunsch von Sweetlife auch an Bord.†œ Ungläubig starrte ich ihn an, hatte ich mich gerade verhört? Was sollte das denn?! Empörte Stimmen wurden laut, doch er hob nur eine Hand und machte zu Lilli eine einladende Handbewegung, damit sie fortfahren konnte. Als er sich neben mich setzte, ergriff er meine Hand, drückte sie fest… zu fest und raunte mir ins Ohr: „ Nicht jetzt, lass uns später darüber reden.†œ „ Oh nein, mein Lieber, jetzt, sofort und draußen!†œ, zischte ich ihm wütend an. Ich sprang auf und versuchte ihn mit mir zu ziehen, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Wütend funkelte ich ihn an. Seufzend gab er nach und folgte mir widerstandslos nach draußen. Auf Deck suchte ich eine ruhige Stelle im Schatten bei den Sonnenliegen, weit weg von den anderen und baute mich empört mit etwas Abstand vor ihm auf. „So! Und jetzt erklär mir mal bitte was das gerade sollte. Und komm mir nicht damit, dass es Sweetlife war, die mich hier an Bord lassen will, das glaube ich dir nämlich nicht, so etwas würde sie niemals tun. Also? Warum willst du mich nicht dabeihaben? Du weiß genau, dass ich eine gute Kämpferin bin und mit meinen Waffen auch umgehen kann. Das habe ich dir ja wohl in New Orleans bewiesen, oder etwa nicht? Und über genügend magisches Potential verfüge ich auch, ich dachte, wir wären mittlerweile ein Team? Oder täusche ich mich da? Was ist, warum siehst du mich so komisch an?†œ „Weiß du eigentlich, dass du wunderschön aussiehst, wenn du wütend bist†œ, sagte er leise und seine Augen begannen wieder zu funkeln. „Duncan! Das ist jetzt nicht das Thema!†œ, rief ich empört und plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck in tieftraurig. „Was…? Oh nein†œ, flüsterte ich und sah ihn ungläubig an und meine Wut löste sich mit einem Schlag in Rauch auf. Endlich dämmerte es mir, warum er mich hier lassen wollte. Kopfschüttelnd stellte ich mich vor ihn hin, sah ihm in die Augen und legte eine Hand auf seine Wange: „Oh mein Gott,… du hast Angst um mich. Aber warum? Ich bin doch ein Profi und keine blutige Anfängerin mehr! Na gut, du darfst um mich besorgt sein, von mir aus, aber niemals Angst um mich haben, denn Angst ist ein sehr schlechter Begleiter, gerade jetzt auf dieser Mission. Was glaubst du denn, wie ich mich hier ohne euch, ohne dich, fühlen würde? Nicht zu wissen, wenn etwas passieren sollte, ob ich nicht hätte helfen oder eingreifen können. Willst du mir das wirklich antun?†œ Da nahm er meine Hand von seiner Wange, küsste die Innenfläche und legte sie sich an seine Brust, dann umarmte er mich fest und sagte leise: „Natürlich nicht. Du hast ja recht, aber ich habe dich doch gerade erst gefunden, und wenn ich dich jetzt wieder verlieren sollte…†œ „Das wirst du nicht, das verspreche ich dir! Und ein bisschen vertrauen kannst du mir ruhig.†œ Mit einem Lächeln setzte ich noch hinzu: „So schnell wirst du mich nicht wieder los.†œ Und da war es wieder, das Funkeln in seinen Augen, und als seine Hände langsam meinen Knoten in meinem Nacken lösten und er meine Haare durch seine Finger gleiten ließ, konnte ich das tiefe Knurren in seine Brust hören. Er zog meinen Kopf nach hinten und fuhr mit seiner Zungenspitze über meine Kehle, hauchte einen Kuss auf mein Kinn, und streifte mit seinen Lippen über meine.  Deine Haut und dein Duft machen mich verrückt!†œ Er rieb seine Nase zwischen meinem Ohr und meiner Schulter hin und her und atmete immer wieder tief ein.

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Als ich langsam wieder auftauchte und die Augen öffnete, sah ich sein schönes Gesicht über meinem schweben. Er lächelte mich glücklich an, dann küsste er mich sanft auf die Wange und flüsterte heiser: „Du hast mich gebissen! Das war sehr… mmh, sehr erotisch.†œ „Oh†œ, sagte ich leise, noch ziemlich außer Atem und sah den schon verblassenden Abdruck meiner Zähne auf seiner Schulter. Ich wurde prompt wieder rot und schnell strich ich mit meinen Lippen über die Stelle. Plötzlich hörte ich eine laute Stimme rufen: „Tapp, tapp, tapp… ich bin`s, und ich sehe euch nicht.†œÂ  „ Ich verschwinde auch sofort wieder, konnte ja nicht ahnen, dass hier… also, soll ich euch ein paar Eiswürfel bringen? Okay, dann nicht!†œ, rief er, als Duncan ihm mit der Faust drohte und laut brüllte: „Verschwinde endlich, dämlicher Drache!†œ „Haha, bevor hier noch Sachen durch die Luft fliegen… ich bin dann mal weg.†œ

Nachdem Angie und Duncan die Besprechung so fluchtartig verlassen hatten und nicht wiederkamen, löste sich das Zusammentreffen immer weiter auf. Bowen musste noch etwas erledigen und Doc wollte sich umziehen, um noch etwas im Fitnessraum zu trainieren. Die medizinische Ausrüstung war zusammengestellt und sie konnte nichts weiter tun, als die Zeit totzuschlagen. Was Kerstins Traum anging, ging ihr dieser nicht mehr aus dem Kopf. Auf dem Weg zu ihrer Kabine war sie tief in ihre Grübeleien versunken und versuchte eine Erklärung dafür zu finden. Als sie sich gerade in Höhe von Bowens Tür befand, ging diese plötzlich auf und zwei starke Arme zogen sie in seine Kabine. Von innen drückte Bowen sie gegen die Türe und fing an sie stürmisch zu küssen. Doc schnappte nach Luft. „Hey, ich dachte du bist in der Waffenkammer, wichtige Dinge erledigen und wir sehen uns erst später?†œ, fragte sie ihn atemlos. Er zog eine Spur heißer Küsse von ihrer Schläfe abwärts bis zu der empfindlichen Stelle hinter ihrem Ohr. Ein wohliges Kribbeln breitete sich in ihr aus. „Ich habe schon längst alles für die Tour vorbereitet, und mit wichtigen Dingen, meinte ich was anderes†œ, hauchte er in ihr Ohr. Er trat zur Seite und gab den Blick auf seine Kabine frei. Die Fensterfront war komplett verdunkelt und der Raum wurde nur von Kerzen, die auf dem Boden um das Bett herum angeordnet waren, erhellt. „Ähm, also eigentlich wollte ich gerade meine Sportsachen holen und dann trainieren.†œ Er überging Docs Einwurf einfach und zog sie mit sich.

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„Bowen?†œ Ganz nah legte er sich neben sie. Den Ton kannte er bei Frauen. „Ja?†œ Doc lächelte. „Ich würde gerne etwas wissen.†œ Sie hatte ihn die ganze Zeit schon fragen wollen. Meistens jedoch machte ihr Verstand in seiner Gegenwart ein Nickerchen, während ihr Herz und ihr Körper Bowen zujubelten. „Okay, frag, du kannst mich immer alles fragen, und ich werde dir antworten.†œ Er blickte sie ernst an und brachte ein klein wenig mehr Abstand zwischen ihre Körper. Das erleichterte ihr ein wenig das Denken. „Wenn du mich nicht als Gefährtin erkannt hättest, also hättest du, hätten wir auch so, ach du weißt schon.†œ Seufzend stieß er die Luft aus und drehte sich auf den Rücken, einen Arm fest um Docs Taille. „Das ist schwer zu beantworten. Ich weiß nur mit absoluter Gewissheit, dass ich dich liebe. Als ich dich zum ersten Mal gesehen hatte, war ich bereits absolut angezogen von dir, mir war allerdings die Tragweite noch nicht bewusst. Deshalb bin ich mir sicher, dass ich mich trotzdem für dich interessiert hätte, selbst wenn uns das Schicksal nicht füreinander bestimmt hätte. Ich glaube, es ist ein Fehler, wenn man dem Gefühl nachgibt, man hätte keine Kontrolle mehr über sein Leben. Vielmehr ist es ein seltenes Geschenk, das Beste, was das Leben einem zu bieten hat. Das Schicksal hat doch in allem seine Finger im Spiel. Du bist witzig, intelligent und du kannst mit Waffen umgehen, wie könnte ich dir nicht verfallen?†œ Doc kniff ihn in die Schulter. „Ach so, und ich dachte schon, ich wirke unwiderstehlich auf dich und mein Sex-Appeal treibt dich in den Wahnsinn.†œ Er blickte sie ernst an. „Jane, was denkst du denn, was mich so dermaßen um den Verstand gebracht hat, dass ich mich habe hinreißen lassen von dir zu trinken, ohne dir vorher zu erklären, welche Folgen das in unserem speziellen Fall hat. Übrigens könnte ich die gleiche Frage stellen, hättest du dich auch so auf mich eingelassen?†œ „Ich? Auf einen athletisch gebauten Kriegervampir? Mit dem besten Hintern auf der ganzen Südhalbkugel? Niemals!†œ Sie kicherte und schlang die Arme um seinen Hals. „Du hast Recht, das ist wirklich schwer zu beantworten, und es ist auch egal. Du hast Glück gehabt, ich habe mich ja wieder eingekriegt, außerdem bist du ebenso mein Gefährte, es war also nur eine Frage der Zeit.†œÂ  „Du raubst mir den Verstand, ich werde niemals genug von dir bekommen. Du bist Mein. Die zwei Tage, die du mich hast zappeln lassen, waren die schlimmsten in meinem Leben.†œ Einen kurzen Moment blitzte ihr schlechtes Gewissen auf, dann spürte sie ein Gefühl der Gewissheit, und etwas klopfte an ihre Gedanken, dass sie nicht in Worte fassen konnte. Er rollte sich plötzlich von ihr runter, und sah sie prüfend an. „Was hast du?†œ Er strich mit dem Zeigefinger langsame Kreise auf ihren Bauch. „Jane, ich will nicht, dass dir was passiert in Peru, versprichst du mir, das du nichts Unüberlegtes tust und immer an meiner Seite bleibst?†œÂ  „Ich verspreche es. Außerdem muss ich bei dir bleiben, damit ich auch auf dich aufpassen kann. Bo ich hab alles andere als hellsichtige Fähigkeiten, aber ich habe ein ungutes Gefühl wegen Peru. Vor allem nachdem, was mit Kerstin passiert ist.†œ Sie erzählte ihm in knappen Worten, was sie am morgen von Kerstin erfahren hatte. „Wow. Das klingt ja nicht wirklich positiv. Das wird eine große Nummer, trotzdem, um mich musst du dir wirklich keine Sorgen machen, so schnell lasse ich mich nicht enthaupten. Für alles andere, kenne ich eine bezaubernde Heilerin.†œ Nach einem tiefen Blick in seine saphirblauen Augen, merkte sie es wieder. Dieses Gefühl. Ein Erkennen. Wie konnte sie nur daran zweifeln, nicht für immer mit ihm zusammen zu sein? Wovor hatte sie nur solche Angst gehabt. Rückblickend, erschien ihr alles so idiotisch. Sie hatte immer gespürt, dass Etwas auf sie wartete. Jetzt wurde ihr schlagartig klar, dass sie Beziehungen nicht aus Bindungsangst aus dem Weg gegangen war, sondern weil ihr Weg sie zu Bowen führen sollte.

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Sie wollte ihn nie wieder loslassen. „Bowen, können wir heute einfach den restlichen Tag im Bett bleiben? Ich brauche deine Nähe.†œÂ  „Natürlich, alles was du willst. Außerdem war das auch genau mein Plan.†œ „Bekommst du keinen Ärger, musst du nicht irgendwelche superwichtigen Waffenmeisterjobs erledigen?†œ Sie schnüffelte an seinem Hals, sie war jetzt schon süchtig nach seinem Geruch. Bowen griff zu seinem Handy und erklärte Duncan, dass er und Doc bis auf Weiteres einer dringenden Angelegenheit nachgehen würden.

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Aus Rücksicht auf Tim blieb Drago ein wenig auf Abstand, immer dann, wenn sie sich begegneten. Dennoch warf Tim ihnen Blicke zu, die sie augenblicklich in Asche hätte verwandeln können. Cyrus kam zu Drago und fragte ihn, ob er mit in die Waffenkammer käme. Das ganze Equipment sollte nochmals überprüft werden. Drago sagte zu, obwohl er sich beim Blick auf Kerstin nicht ganz sicher war, ob er sie alleine lassen konnte. Kerstin machte sich unterdessen auf den Weg in Richtung Bibliothek. Doch plötzlich stand Tim direkt vor ihr. Ob er auf sie gewartet hatte, wusste sie nicht, aber sie glaubte auch nicht an einen Zufall. „Entschuldigung, ich hab nicht aufgepasst“, sagte Tim und war im Begriff weiterzugehen. „Hey, Tim, bitte, wollen wir uns jetzt jedes Mal aus dem Weg gehen, wenn wir uns zufällig treffen? Das ist ein wenig schwer auf einem Schiff. Können wir nicht einmal in Ruhe miteinander reden?“ Tim lachte hart auf. „Was willst du eigentlich? Ich dachte, du bist glücklich mit deinem Drachen? Wieso quatschst du mich dann noch an. Außerdem seid ihr bald verschwunden. Und wer weiß, was danach noch geschieht.“
Das saß, und Kerstin wich ein Stück vor ihm zurück. Tränen schossen in ihre Augen, aber sie versuchte sie zu unterdrücken. Was natürlich nicht klappte. Sie drehte sich um und wollte gehen, als Tim sie fest am Arm hielt. Als sie in seine Augen schaute, sah sie eine Mischung aus Trauer und Wut. „Es, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anblaffen. Es tut mir nur weh, wenn ich euch zwei sehe, und mir dann wieder bewusst wird, was ich verloren habe.“ Kerstin musste schlucken. Ohne ein weiteres Wort nahm Tim sie in die Arme. Und sie ließ ihn machen ohne die Umarmung zu erwidern. Als Tim sie wieder losgelassen hatte, schaute er sie durchdringend an. „Ich werde euch keine Schwierigkeiten machen. Ich weiß, wann ich mich zurückziehen muss.“ Er gab ihr einen letzten Kuss auf den Mund und ging. Kerstin wurde schwindelig, und sie musste sich an der Wand abstützen. Sie versuchte tief durchzuatmen, aber ihr ganzer Brustkorb war wie zugeschnürt. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was war hier gerade passiert“, fragte sie sich. Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, ging sie in Richtung Bibliothek. Auf dem Weg dahin musste sie wieder an die Stimme und die Warnung denken. Sie musste einfach irgendetwas über diese Art von Träumen herausfinden. Wo konnte man das besser als in einer Bibliothek. Sie hatte es auch im Internet versucht, war dort aber nicht fündig geworden. Auf einem Wegweiser hatte sie gelesen, dass sich eine Bibliothek auf dem zweiten Deck befand. Also wollte sie dort ihr Glück versuchen. Es dauerte nicht lange, und sie hatte sie gefunden. Sie öffnete die imposante Holztür, die sich mit einem leisen Knarren öffnete. Wow, was für ein Anblick. Sie sah Regale, die bis zur Decke reichten, in langen Gängen gefüllt mit den verschiedensten Büchern, alle säuberlich geordnet nach Größen und allen erdenklichen Kategorien. Es gab Fachbücher über Medizin, Bücher über Städte, Länder, Kontinente mit den dazu gehörigen Karten.

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Über Architektur, Sprachen, Maschinenbau, Autos und sogar Krimis. Und es gab ein riesiges Regal voll mit Büchern über alles Mystische. Dieses Regal war aufgeteilt in Bereiche über Dämonen, Hexen, Zauberer, Schamanen, Elfen und andere Fabelwesen. Es gab Bücher mit alten Überlieferungen von Zaubersprüchen und Beschwörungsformeln. „Ich frage mich, woher die Bruderschaft diese einzigartige Sammlung hat und wer mag unter ihnen der Sammler sein? Das muss ich unbedingt Doc erzählen“, dachte Kerstin. Der riesige Raum war abgedunkelt, indirektes Licht schimmerte durch getöntes Glas, um die wertvollen alten Bücher vor schädlichem UV-Licht zu schützen. In der Luft lag der typische, leicht staubige, trockene Geruch nach Büchern. „Na klasse, wo fange ich nun an mit Suche“, überlegte Kerstin und zog ein mystisches Buch nach dem anderen aus dem Regal. Sie brauchte Informationen über Traumdeutung, Stimmen oder unerklärlichen Warnungen. Aber alles was sie fand, half ihr nicht wirklich weiter. Der größte Teil der Bücher war sogar in lateinischer Sprache verfasst. Resigniert ließ Kerstin sich in einen Sessel fallen. Sie rieb sich die Augen, ließ ihren Blick über die Bücher schweifen und blieb an einem alten, sehr dicken Buch hängen. Sie stand auf und zog es aus dem Regal. Fast hätte sie es fallen gelassen, weil es so schwer war – und kalt. Kerstin runzelte die Stirn. Ihre Neugierde war geweckt, vorsichtig legte sie das Buch auf den alten Eichentisch und rückte die kleine Lampe zurecht. Schon der Einband war faszinierend. Er war aus altem, dickem Leder. Auf dem Buchdeckel war ein Baum mit weitverzweigten Ästen eingestanzt. In goldenen Lettern stand „Stammbaum der 1000 Fragen†œ darüber. Völlig in seinen Bann gezogen, öffnete Kerstin die erste Seite des Buches. Dort fand sie eine Anleitung für die Handhabung und eine Erklärung über die Bedeutungen der Zeichen und Runen. Ohne groß zu Überlegen vertiefte Kerstin sich in dieses Buch. Sie bemerkte nicht einmal, dass die Tür zu der Bibliothek sich geöffnet hatte. Es war Drago, der seit mehr als drei Stunden nach ihr gesucht hatte. Leise schloss er die Tür und blieb stehen. Mehrmals rief er ihren Namen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Kerstin seine Stimme wahr genommen hatte. Erschrocken fuhr sie herum und ging sofort in Kampfposition. Drago hob seine Hände um ihr zu zeigen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Als sie ihn erkannt hatte, entspannte sie sich und lächelte ihn entschuldigend an. Langsam kam er auf sie zu und nahm sie dann erleichtert in seine Arme. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sie in Ordnung war, wurde er wütend. „Sag mal, bist du noch ganz dicht? Ich suche dich seit Stunden und habe schon befürchtet, dass Tim dich über die Reling geworfen hat.“
Verdutzt sah Kerstin Drago an. Er tippte sich an die Stirn. „Schon vergessen? Ich kann hören, was du denkst. Besonders, wenn du aufgeregt bist. Und ich habe Bruchstücke deiner Unterhaltung mit Tim gehört. Leider konnte ich seine Gedanken nicht hören. Es tut mir Leid, dass es so gelaufen ist.“ Kerstin senkte ihren Kopf, diese Erinnerung tat weh. Drago legte seine Hand unter ihr Kinn und zwang sie ihn anzusehen. „Hey, es wird alles wieder gut.“ Mit einem schiefen Lächeln erwiderte sie seine Worte. Drago blickte sich um. „Wow, ich wusste gar nicht, dass wir so etwas“, er machte eine ausladende Handbewegung durch den Raum, „hier an Bord haben. Das ist ja richtig eindrucksvoll.†œ „Ja, das stimmt“, sagte Kerstin. So etwas Tolles habe ich auch noch nicht gesehen. Aber das Schlimmste für mich ist daran, dass die Bücher, die mir hätten helfen können, auf Latein sind. Also bin ich jetzt fast genauso schlau wie vorher.“ Drago grinste sie an. Da war es wieder, dieses selbstgefällige Lächeln. Kerstin runzelte die Stirn.“Na ja, vielleicht sind meine Sprachkenntnisse etwas eingerostet, aber Latein ist eine unserer Grundsprachen. Ich könnte also versuchen dir zu helfen, wenn du es möchtest.†œ Überglücklich schmiegte Kerstin sich in Dragos Arme und drückte ihm zum Dank einen dicken Kuss auf die Wange. „Ich werte das mal als ein JA. Okay, dann lass uns mal gucken, ob wir etwas herausfinden.“Aufgeregt zeigte sie ihm das alte Buch mit dem Ledereinband, das Kerstin so fasziniert hatte.

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Sie hatte das Kapitel mit den Traumdeutungen schon entdeckt, konnte die Erklärungen aufgrund der lateinischen Sprache aber nicht restlos entschlüsseln. Für Drago war das kein Problem und so gewannen sie relativ schnell Aufschluss darüber, was in jener Nacht passiert war. Vor vielen Jahrhunderten gab es ein Wesen, einen Schutzgeist, dessen Name zwar nicht überliefert ist, das den Göttern aber einen wichtigen Dienst erwies. Es bildete ein Schild und warnte sie rechtzeitig vor Leid und Gefahr oder vor unangenehmen Zeitgenossen. Dieser Schutzgeist bewahrte die Götter aber auch vor eigener Überheblichkeit und Machtmissbrauch. Er half ihnen dabei gerecht und gütig zu sein und weise Entscheidungen zu treffen. Eines Tages wehrte sich der Gott Kronos gegen die Beeinflussung, denn er wollte alleine unbegrenzt herrschen und seinen ungezügelten Leidenschaften frönen. Kronos spann Intrigen gegen dieses Wesen und hatte schließlich erreicht, dass man dem Wesen nicht mehr glaubte und es aus dem Reich verbannte. Seine weitere Tätigkeit zum Schutz der Götter wurde ihm auf immer verwehrt. Bevor es aber in seine Verbannung ging, legte es einen letzten Schutzschild über Hades und Poseidon, um sie gegen die bösen Machenschaften des Kronos immun zu machen. Letztendlich half der Schutzschild Kronos stürzen und ihn zu vernichten. Hades und Poseidon zerstückelten ihn und brachten ihn auf eine einsame Insel. Danach wollten die Götter natürlich, dass das Wesen zu ihnen zurückkehrte, aber es verweigerte seinen Dienst. Von da an lebte es sehr zurückgezogen in den Weiten des Olymps und sprach nur noch in ganz seltenen Fällen eine Warnung aus. Kerstin, die dem Geschlecht der Götter abstammte, hatte also scheinbar eine ernstzunehmende Warnung von dem Schutzgeist erhalten. Einerseits war sie sehr erleichtert, es zeigte zumindest, dass sie nicht verrückt geworden war. Andererseits tat ihr das Wesen unheimlich Leid und sie fragte sich, wo es jetzt lebte und wie sie ihm danken konnte. Aber diese Fragen würden wohl auf immer unbeantwortet bleiben. Genauso unbeantwortet blieben auch die Fragen nach den Auswirkungen ihres Traumes. Was würde in Peru passieren und vor wem oder was wurde sie gewarnt? Kerstin rieb sich den schmerzenden Nacken. Die vielen Stunden über den Büchern zeigten ihre Wirkung. Drago stellte sich hinter sie und fing ganz vorsichtig an ihren Nacken zu massieren. Kerstin ließ den Kopf nach vorne fallen und genoss die Berührung. Dann fing er an sie zu küssen. Erst am Haaransatz, dann den Hals entlang hinunter zu ihren Schultern. Kerstin bekam eine Gänsehaut. Gerade als seine Hände auf Wanderschaft gehen wollten, bremste sie ihn. „Sei mir nicht böse, aber ich bin jetzt zu aufgedreht. Und wenn wir beide uns vergnügen, dann möchte ich dir all meine Aufmerksamkeit schenken. Aber ich muss über das, was wir herausgefunden haben, nachdenken und auch mit Doc darüber reden. Sie hat als Schamanin vielleicht die meiste Erfahrung.“ Etwas enttäuscht zog Drago sich von ihr zurück, nahm sie aber sofort wieder in seine Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihr schwindelig wurde. Als sie seinen Kuss erwiderte und sich an ihn drückte, schob er sie sanft von sich weg. Mit einem Lächeln sagte er: „So, den Rest gibt es dann später.“ Okay, das war dann wohl die Retourkutsche und sie hatte sie verdient. Beide lachten auf und gingen zusammen aus der Bibliothek. Drago ging zurück zu den Jungs und Kerstin machte sich auf die Suche nach Doc. Sie wollte ihr die Buchseite zeigen, die aus einem der Bücher über Beschwörungsformeln gefallen war. Es sah aus wie ein Rezept, aber Kerstin konnte damit überhaupt nichts anfangen. Sie hatte die Seite schnell aufgehoben und eingesteckt ohne das Drago es bemerkt hatte.

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Die Besprechung war dank Duncan und Angie geplatzt. Lilli räumte etwas ratlos ihre Unterlagen zusammen, alle waren verschwunden. Das ging so nicht! Duncan musste eine neue Zusammenkunft anordnen. Alle mussten doch über die Gefahren, die da auf sie zukamen, informiert werden. Während Lilli darüber nachgrübelte, was sie jetzt als nächstes tun sollte, hörte sie ein gefährliches Knurren und sah auf. Am Tisch stand Fernando, die Hände zu Fäusten geballt, bebend vor Zorn. Das war nicht mehr der freundliche, liebevolle Mann, den sie kannte und liebte. Da stand ein wütender, gefährlicher Vampir kurz vor der Explosion. Lilli war entsetzt: „Nando?†œ, rief sie vorsichtig. Er schoss herum und fixierte sie. Schlagartig veränderte sich sein Gesichtsausdruck. „Oh, Lilli. Ich habe dich erschreckt. Das wollte ich nicht, aber dieses Verhalten kann ich Duncan nicht durchgehen lassen. Den muss ich mir jetzt mal gehörig zur Brust nehmen.†œ Fernando drehte sich um und wollte gerade zur Tür raus, als Lilli ihn aufhielt. „Nando, warte! Wir müssen alle zusammenrufen. Da kommt ein riesiges Ding auf uns zu und keiner weiß es. Ich gehe in den Computerraum und checke alles noch einmal.†œ Lilli schaute ihn eindringlich an. „Ich kümmere mich darum. Bis später†œ, sagte Fernando kurz angebunden und war verschwunden.

Angie und Duncan standen noch bei den Sonnenliegen, als Fernando auf sie zukam. „Oh, oh†œ, dachte Angie und da erschütterte sie auch schon Fernandos donnernde Stimme. „Duncan! Sofort!†œ Duncan schaute Angie zerknirscht an. „Sorry, Liebling†œ, sagte er zu ihr, „das habe ich jetzt wohl verdient.†œ Angie lächelte ihn aufmunternd an und küsste ihn. „Ja, hast du und glaub ja nicht, dass ich Mitleid mit dir habe.†œ Duncan folgte Fernando umgehend in den leeren Besprechungsraum. Duncan war noch nicht richtig durch die Tür, da legte Fernando schon los. „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen! Was bildest du dir denn eigentlich ein! Die Nummer mit Sweetlife haben dir vielleicht die anderen abgekauft, aber ich nicht und Angie offensichtlich auch nicht. Nicht genug, dass du über Angies Kopf hinweg entscheidest, du erlaubst dir auch noch sie hier an Bord zu lassen und alle anderen willst du in den Kampf schicken. Bist du noch zu retten? Du bist unser Anführer, willst du so deine Macht missbrauchen?†œ Fernando zitterte am ganzen Körper und seine Augen waren kohlrabenschwarz. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre Duncan an die Kehle gesprungen. Duncan hob beschwichtigend die Hände. „Fernando, du hast ja recht. Angie hat mir auch schon den Kopf zurecht gerückt. Ich habe mich da zu etwas hinreißen lassen, ohne nachzudenken. Ich entschuldige mich.†œ Fernando hatte sich jetzt wieder etwas beruhigt. „Dann kannst du dich ja gleich bei allen zusammen entschuldigen. Du musst so schnell wie möglich noch einmal alle zusammenrufen. Lilli hat sehr beunruhigende Sachen entdeckt. Und, Duncan, sieh zu, dass du deine Gefühle ganz schnell in den Griff bekommst. Wir haben alle Angst unsere Liebe zu verlieren, aber das darf nicht unser Denken und Handeln beherrschen.†œ „Ich weiß, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren. besonders jetzt. Gut, dass ich dich habe, alter Freund.†œ „Immer wieder gerne.†œ Sie grinsten breit und klatschten sich ab. „Neuer Besprechungstermin in zwei Stunden?†œ, fragte Fernando. „Ja geht klar. Oh, Bowen wird das wohl nicht passen. Er hat sich und Jane für den Rest des Tages abgemeldet.†œ „So, so, hat er. Das tut mir jetzt aber leid. Na er hat ja noch zwei Stunden.†œ Fernando und Duncan grinsten um die Wette, in Gedanken bei Bowen und Doc. „So, ich muss noch zu Lilli. Die habe ich etwas erschreckt, und du gehst besser zu Angie, damit sie sieht, dass ich dir nicht den Kopf abgerissen habe.†œ „Ja, Alter. Du hast ganz schön den Vampir raushängen lassen†œ, lachte Duncan. „Das war auch bitter nötig!†œ „Schon gut…†œ, gab Duncan kleinlaut zurück und machte sich auf die Suche nach Angie. Fernando eilte zum Computerraum. Lilli war vollkommen in ihre Auswertungen vertieft. Sie machte ein sorgenvolles Gesicht und bemerkte Fernando gar nicht. Er näherte sich vorsichtig: „Lilli?†œ Sie zuckte furchtbar zusammen. „Wieso bist du denn so nervös? Habe ich dich vorhin so erschreckt?†œ, fragte Fernando besorgt. „Nein, nein. Ich fand dich eigentlich sehr imponierend und unheimlich sexy. So ein wilder Vampir hat schon was†œ, sagte Lilli lächelnd. Sie schmiegte sich an seine Brust und schaute ihn mit leuchtenden Augen an.

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„Den könntest du mal wieder hervorholen, wenn wir alleine sind.†œ Er beugte sich zu ihr runter und strich ihr sanft mit seinen Fängen über den Hals. „Du stehst also auf böse Jungs?†œ Lilli erschauerte. „Ab und zu.†œ Fernando küsste ihre Nasenspitze. „Das wäre also geklärt. So und jetzt raus mit der Sprache, warum bist du denn dann so nervös?†œ Sofort war ihr Lächeln verschwunden und eine dicke Sorgenfalte erschien auf ihrer Stirn. „Wir sind da auf was ganz Großes gestoßen. Mit so etwas hätte ich nie gerechnet. Ruft Duncan alle zusammen?†œ „Ja er informiert alle, dass wir uns in zwei Stunden noch einmal treffen.†œ „Gut. Dann stelle ich noch alles zusammen.†œ Lilli lief hektisch zu ihrem Laptop und tippte mit fahrigen Händen über die Tastatur. Fernando setzte sich in einen der bequemen Bürosessel und beobachtete sie nachdenklich. Nach einer Weile stand er auf, ging zu ihr und klappte den Laptop zu. Er nahm sie auf die Arme, setzte sich in ihren Sessel und platzierte sie auf seinem Schoß. Lilli schaute in verwundert an, was hatte das jetzt zu bedeuten? „Was macht dir solche Angst?†œ, fragte Fernando sie mit leiser Stimme. Lilli schaute ihm direkt in die Augen. „Das was vor uns liegt und der Gedanke, dass ich dich oder eine meiner Freundinnen verlieren könnte. Und diese Angst kannst du mir nicht nehmen. Wir bewegen uns in einem gefährlichen Business. Ich muss einfach lernen damit umzugehen. Aber im Moment fällt mir das sehr schwer. Halt mich einfach nur fest, dann geht es mir wieder besser.†œ Fernando schlang seine starken Arme um sie und legte sein Kinn auf ihr Strubbelhaar. „Ich verstehe dich. Mir geht es genauso.†œ Ohne ein weiteres Wort saßen die beiden engumschlungen im Computerraum, vergaßen kurz die Welt um sich herum und genossen die Nähe des anderen, die Ruhe vor dem Sturm. Doch dann klingelte Fernandos Handy und holte sie in die Wirklichkeit zurück. „Ja, Duncan, alles klar, wir sind schon unterwegs. Ja, du kannst ruhig schon anfangen, wir sind gleich bei euch.†œ Lilli schaute ihn an. „Ups, sind wir zu spät?†œ „Nicht wirklich. Duncan will sich erst noch bei allen für seinen Auftritt vorhin entschuldigen. Aber komm, wir müssen uns beeilen, schließlich bist du ja jetzt die Hauptperson.†œ Lilli schnappte sich ihr Laptop und schon eilten sie zur Besprechung. Als die beiden eintrafen, war Duncan gerade mit seiner Entschuldigung fertig. „Genau aufs Stichwort! Lilli, leg los, was erwartet uns in Choqequirao?†œ Alle waren gespannt endlich zu erfahren, was jetzt auf sie zukam, und Lillis Gesicht sprach Bände. Sie machte sich kurz an ihrem Laptop zu schaffen und schon erschien auf dem großen Bildschirm im Besprechungsraum eine Aufnahme von Choqequirao. Im Hintergrund sah man oberhalb der Stadt die Berge. Das Bild war mit roten Punkten versehen, durch Quadrate geteilt und von Linien durchzogen. Lilli sah jeden Einzelnen an, bevor sie anfing zu sprechen. „Leute…, wir haben da etwas ganz Großes aufgespürt. Die roten Punkte auf der Aufnahme markieren Hohlräume in Bergen. Ich habe mehrere kleine und sechs große Kammern ausgemacht, die alle über größere Gänge miteinander verbunden sind.†œ Es erschienen Großaufnahmen dieser Kammern auf dem Bildschirm. Die Kammern hatten eine rosane Farbe und in der Mitte wurden dunkelrote Rechtecke sichtbar. Lilli holte tief Luft. „So, wie es aussieht haben wir eine Zuchtstation für die Klone entdeckt. Ich habe die Rechtecke vermessen und sie haben genau die Maße wie die Klonbehälter, die wir hier an Bord haben. Ich habe in jeder Kammer zehn Stück gezählt. Die dunkelrote Farbe lässt darauf schließen, dass sie alle in Betrieb sind. Ich habe noch ein spezielles Programm mitlaufen lassen, das Bewegungen aufzeichnet und analysiert. Das Ergebnis ist, dass sich im Moment ca. 100 Personen in dem Berg aufhalten. Wie viele davon Kämpfer sind und wie viele Wissenschaftler, kann ich natürlich jetzt nicht sagen. Außerdem befinden sich 60 aktive Klone in dem Areal.†œ
Alle waren geschockt. Mit solchen Ausmaßen hatte keiner von ihnen gerechnet. Sogar Drago, der ja bei den Dragons heimlich spioniert hatte, war vollkommen überrascht. Kerstin, der Sonnenschein der Truppe, war die erste, die das bedrückende Schweigen brach. „Wow, das wird aber mal ein geiler Kampf!†œ Drago musste unweigerlich grinsen. „Na, da hat ja wenigstens eine von uns Spaß.†œ Lilli machte sich wieder an ihrem Laptop zu schaffen, und neue Bilder erschienen. „Ich weiß jetzt nicht, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, aber ich habe bis jetzt nur einen Zugang zu dem unterirdischen Labyrinth ausmachen können.

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Er liegt an der Zeremonienplattform oberhalb von Choqequirao. Das ist einleuchtet, da man die Plattform prima als Hubschrauber Landeplatz nutzen kann. Wir müssen uns also nicht aufteilen, um mehrere Zugänge abzudecken, allerdings ist nur ein Zugang auch wesentlich leichter zu verteidigen.†œ
Lilli klappte ihren Laptop zu: „So, dass war es von mir.†œ Duncan erhob sich und stellte sich neben sie. „Danke, Lilli. Das war wirklich sehr aufschlussreich. Ich würde sagen, dass wir diese unerfreulichen Neuigkeiten erst einmal sacken lassen. Wir machen mit unseren Vorbereitungen weiter wie gehabt. An unserer Route nach Choqequirao ändert sich deswegen vorerst nichts. Jeder sollte sich Gedanken darüber machen, wie wir gegen dieses Bollwerk vorgehen. Für mich steht allerdings fest, dass wir diese Klone um jeden Preis vernichten müssen. Nicht auszudenken, welche Macht die Dragons erlangen, wenn sie diese Klone zum Einsatz bringen.†œ Duncan machte eine kurze Pause und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. „Dann ist die Besprechung hiermit beendet. Jeder weiß was er zu tun hat.†œ Alle nickten Duncan schweigend zu und verließen mit nachdenklichen Gesichtern den Raum.

Gavin starrte noch einige Sekunden auf sein Handy, nachdem Duncan das Gespräch so barsch beendet hatte. Zwar hatte er klare Anweisungen erhalten, aber er machte sich Sorgen über die nicht ausgesprochenen Dinge. So aufgebracht und gereizt hatte er seinen Anführer noch nie erlebt. Die ganze Situation ließ alle an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit gehen. Die Idee, Lindsay nach Peru zu bringen, um sich dort mit Duncan zu treffen, gefiel Gavin überhaupt nicht. Das Risiko, das sie damit eingingen, erschien ihm zu groß. Sie würden dadurch womöglich Lindsays derzeitigen Standort verraten und unter Umständen ihre eigene Deckung verlieren. So lange sie nicht mit Sicherheit wussten, ob Lindsay vertrauenswürdig war, sollte er sich auf ein Treffen mit ihr nicht einlassen. Jahrelang hatte Lindsay sie in dem Glauben gelassen, dass sie tot sei. Sie hatte nichts, nichts gegen den Schmerz und die Trauer, die die Bruderschaft über den Verlust empfunden hatte, unternommen. Er mochte sich gar nicht ausmalen, wie es um Dragos Gefühlswelt zur Zeit bestellt war. Allerdings musste er sich zugestehen, dass er neugierig auf Lindsays Geschichte war. Was hatte sie dazu getrieben, was waren ihre Beweggründe dafür einfach so zu verschwinden? Warum hatte sie Drago derart verletzt? Hatte sie ihm nur etwas vorgespielt und ihre wahren Gefühle vor ihnen verborgen? Drago hatte nicht nur seine Partnerin verloren, durch den erlittenen Verlust kam es zu Spannungen, und er hatte sich von der Bruderschaft abgewandt. Und letztendlich blieb die Frage, wer ihr geholfen hatte. Es musste einen Mitwisser in der Bruderschaft geben, denn wie hätte sie es bewerkstelligen können, ihren Selbstmord derartig überzeugend zu inszenieren. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr kam er zu der Erkenntnis, dass es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für ein Treffen war. Gavin beschloss, das Treffen hinauszuzögern, bis ihre Mission in Peru abgeschlossen war. Sie hatten so lange nichts von Lindsays Existenz gewusst, da kam es auf etwas mehr Zeit auch nicht. Er hatte seine Entscheidung getroffen, sie würden noch heute in Richtung Peru aufbrechen. Den Auftrag nicht zu gefährden, war wichtiger und schließlich wollte er Lucy der Gefahr eines Treffens nicht aussetzten, auch als Katze war sie nicht unverwundbar.
Sie sollten sich noch ein paar Stunden Ruhe gönnen und versuchen nach dem anstrengenden Tag und der langen Nacht noch ein wenig Schlaf zu finden. Lucy hatte sich in einem Sessel zusammengerollt und war vor Erschöpfung eingenickt. Sanft schob er seine Arme unter ihren Körper, hob sie hoch und trug sie zum Bett. Sie murmelte verschlafen etwas, das wie „ich komm ja gleich†œ klang und öffnete dabei die Augen. Er legte sich neben sie und zog sie ein seine Arme. „Mo cridhe, mi gradhaich a thu, schlaf weiter, wir haben noch Zeit†œ, raunte er ihr ins Ohr. „Was es auch bedeutet, es klingt wunderschön. Was hast du zu mir gesagt?†œ „Das ist Gälisch und bedeutet, mein Herz, all meine Liebe für dich†œ, erklärte er ihr. „Aber jetzt lass uns noch ein wenig schlafen.†œ
Anfangs lag Lucy in vollkommener Erschöpfung starr auf dem Grund eines dunklen Sees. Langsam tauchte sie an die Oberfläche und vernahm gedämpfte Geräusche und sah undeutliche Gestalten in einem Krankenzimmer. In einem Bett lag ein bleiches, kleines Mädchen. Maria. Eine der verschwommenen Gestalten stellte sich an die Seite des Bettes. Sie gehörte zu der Gruppe der grausamen Mädchen, die Maria misshandelt und geschlagen hatte. Die Gestalt streckte einen Arm aus und legte eine Hand auf den Mund des Mädchens. Die Kleine riss vor Schmerz und Furcht die Augen auf. Unfähig sich zu rühren, Maria zu schützen oder zu verteidigen, musste Lucy das in ihrer Starre mit ansehen. Sie starrte in Marias Augen, die glasig wurden, als sie starb.
Mit einem erstickten Keuchen fuhr sie aus dem Schlaf. Gavin hielt sie bereits in seinen Armen und wiegte sie tröstend hin und her. „Pst. Du hast geträumt.†œ Er küsste sie zärtlich auf die Schläfe. „Ich bin bei dir. Halt dich an mir fest. Es war nur ein Traum.†œ „Ich bin schon wieder okay.†œ Dennoch vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter und atmete tief ein. Gavin selbst fühlte sich schrecklich hilflos, wenn sie so einen Alptraum durchlitt. Er konnte spüren wie ihr Pulsschlag sich beruhigte und der hässliche Fleck verblasste, den das erlebte Grauen in ihren Gedanken hinterlassen hatte. Sie konnte ihn riechen †“ er duftete nach Aftershave und sich selbst †“ und spürte, dass sein seidig weiches Haar sanft über ihre Wange strich.

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Ihre Welt geriet wieder ins Gleichgewicht. „Möchtest du, dass ich es dir erzähle?†œ „Nur, wenn du es willst. Ich möchte dich nicht noch einmal so gequält sehen.†œ
„Oh†œ, erwiderte Lucy, „wo fange ich an? Das ist wahrlich keine schöne Geschichte, aber ich möchte sie dir erzählen. Ich bin ein Findelkind, man hat mich vor der Tür eines Waisenhauses abgelegt. Ich weiß nicht, wo ich herkomme, noch wer meine Eltern sind. Es gab mal eine Zeit, da wollte ich unbedingt meine Eltern ausfindig machen, aber das, was ich über sie herausgefunden habe, hat mir nicht gefallen. Also hab ich aufgehört zu suchen. Ich bin in einem Waisenhaus in Rom aufgewachsen. Das waren harte Zeiten, niemand hat mir etwas geschenkt. Als Kind war ich relativ klein und von zarter Statur, also Freiwild für die Stärkeren im Heim. Die machten sich einen Spaß daraus mich zu quälen, mir mein Essen zu stehlen oder meine Kleider zu zerreißen. Das zog dann immer Ärger mit den Nonnen nach sich, die mich noch zusätzlich bestraften. Aber, das machte mir alles nichts aus, denn ich kannte es ja nicht anders. Es gab viele Kinder, die noch nicht mal ein Dach über dem Kopf hatten und auf der Straße leben mussten.†œ Lucy machte eine Pause, atmete ein paar Mal tief ein und erzählte dann weiter:
„Eines Tages kam ein kleines, verstörtes Mädchen zu uns. Ich war inzwischen 15 und schloss sie sofort in mein Herz; meine süße Maria. Sie war so klein und unschuldig. Ich versuchte sie so gut es ging vor den anderen Mädchen zu schützen. Es war an einem Sommertag, die Luft war heiß und drückend. Ich war mal wieder zur Strafarbeit verdonnert worden und musste bei sengender Sonne den Hof kehren. Nach getaner Arbeit lief ich in Richtung Waschraum, um mir den Staub abzuwaschen und meiner trockenen Kehle ein paar Schluck Wasser zu gönnen. Man konnte sie schon auf dem Gang hören. Wie eine aufgehetzte Meute Hunde, blutrünstig und grausam. Maria lag zusammengekauert auf den Fliesen vor den Duschen und wimmerte leise. Sie haben sie geschlagen und getreten, und auch nicht aufgehört, als sie schon am Boden lag. Da ist es zum ersten Mal passiert. Ich habe mich verwandelt. Ich habe um sie gekämpft wie eine Löwin um ihr Junges und ein ganz schön blutiges Chaos in den Duschräumen angerichtet. Trotzdem konnte ich sie nicht retten. Sie starb im Krankenhaus an ihren Verletzungen. Das war es dann für mich. Danach bin ich von dort abgehauen und nie wieder zurückgekehrt. Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich gelernt hatte meine Verwandlungen zu kontrollieren. Deshalb konnte ich nie lange an einem Ort bleiben. So habe ich fast ganz Europa kennengelernt. Na ja, und eines Tage traf ich Lilli. Den Rest kennst du ja.†œ Mit von Tränen erstickter Stimme schluchzte sie: „Ich konnte sie nicht retten, ich konnte sie nicht retten.†œ
Gavin konnte Lucys stummes Flehen hören und begann sie zu streicheln. Zärtlich, sanft, tröstlich. Was auch immer er dabei flüsterte, beruhigte ihre aufgewühlte Seele, bis sie sich entspannte und ihm die Führung überließ. Seine Lippen waren warm und weich, als er sie innig und zugleich vorsichtig küsste. Ganz langsam, Stück für Stück, ergab sie sich, und Gavin erlebte wie seine starke, tapfere Soldatin unter seinen Händen weich wie Wachs wurde. Abermals umfing ein Nebel ihr Gehirn. Doch dieses Mal waren in dem Nebel keine Alpträume verborgen, lauerten keine düsteren Gestalten in irgendwelchen Ecken. Es gab nur noch sie und Gavin und die beinahe lässigen Liebkosungen, die sanften, träumerischen Küsse, mit denen er sie langsam, aber sicher in einem Meer der Ruhe und des Friedens untergehen ließ. Herrliche Gefühle überdeckten die Erschöpfung und Verzweiflung, die sich ihrer bemächtigt hatte.
Er hoffte, dass sie jetzt vielleicht noch etwas schlafen konnten †“ friedlicher und ruhiger als zuvor -, doch der Morgen dämmerte bereits herauf. Sie hob eine Hand und vergrub die Finger in seinem dichten Haar. „Du weißt, du bist nicht Schuld an ihrem Tod. Du konntest nicht mehr tun.†œ „Ja, ich weiß, aber es quält mich trotzdem. Wir sollten etwas essen und währenddessen kannst du mir erzählen, was wir heute noch wegen Lindsay unternehmen. Aber erst will ich duschen. Ich brauche noch ein bisschen Zeit für mich.†œ „Also gut†œ, gestand er ihr zu, „während du unter der Dusche stehst, organisiere ich uns ein Frühstück.†œ „Aber vorher muss ich noch mal mit Duncan reden†œ, fügte er in Gedanken an, „und das Treffen mit Lindsay verschieben.†œ

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Peru [Kapitel 13]

Black Dagger Ladies Online †“ Beunruhigende Träume [Kapitel 11]

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Beunruhigende Träume
Kapitel 11

Kerstin und Drago verabschiedeten sich auch. Zusammen schlenderten sie den Gang entlang, da begegnete ihnen Tim. Seim Gesicht sprach Bände, als er die beiden ansah. Alle drei blieben stehen. Kerstin schaute kurz zu Drago, woraufhin dieser kurz nickte und weiterging. „Oh, wie rücksichtsvoll von ihm“, stichelte Tim. „Jetzt, wo er hat was er wollte, kann er ja den Großzügigen raushängen lassen.†œ „Ach, Tim, das stimmt nicht und du weißt es auch. Dazu gehören immer Zwei. Es sollte mit uns beiden einfach nicht klappen.†œ Tim verdrehte verächtlich die Augen. „So, und du meinst, damit ist es getan? Tschö und das war es? Du machst es dir verdammt einfach“. Man sah ihm den verletzten Stolz an. Kerstin wollte sich umdrehen und gehen, jedes weitere Wort hätte nichts gebracht. Aber Tim stoppte sie. Er versperrte ihr den Weg. Kerstin sah ihm erschrocken in die Augen. „So, und nun? Bist du jetzt mit dem Drachen zusammen? Ist er so gut wie man immer hört?“ Kerstin schaute nach unten und versuchte sich nicht reizen zu lassen. „Tim, es hat keinen Sinn. Wenn du so gereizt bist, kann und will ich nicht mit dir reden. Lass uns morgen in Ruhe darüber sprechen, aber nicht jetzt.“ Da Tim nicht die Anstalten machte ihr den Weg freizugeben, versuchte Kerstin den Arm von Tim zur Seite schieben. Er schnaubte verächtlich, und packte sie grob an den Schultern. Jetzt wurde Kerstin sauer. Sie schrie ihn an: „Verdammt noch mal Tim, lass mich los und versuch das nie wieder. Ich werde jetzt gehen, und du wirst mich gehen lassen. Solltest du noch einmal so etwas versuchen, wird es dir leid und weh tun. Verstanden?“ Mit zusammengekniffenen Augen sah Tim sie an. Er versuchte irgendwas in ihren Augen zu lesen, aber alles was er sah war Kälte. In diesem Moment verstand er, dass er gerade seine letzte Chance verspielt hatte. Mit einem kurzem Nicken und einer genuschelten Entschuldigung verschwand er. Kerstin zitterten die Knie. „Na klasse, wird das jetzt zu einer neuen Angewohnheit“, dachte Kerstin und ging schleunigst zu Dragos Kabine. Drago wartete in der offenen Tür und nahm Kerstin ohne ein Wort zu sagen in die Arme. Kerstin war so müde und erschöpft, dass sie einfach nur noch ins Bett wollte. Sie wollte noch nicht einmal mehr duschen. Halb ausgezogen legte sie sich aufs Bett und fiel auch sofort in einen tiefen Schlaf.
Kerstin wachte mitten in der Nacht auf. Sie lag in Dragos Armen. Es fühlte sich gut an, aber ihr war so furchtbar heiß. Sie versuchte sich vorsichtig aus der Decke zu schälen, was Drago nicht entging. „Hey, meine Süße. Was ist los?“, flüsterte er. Im gleichen Moment bemerkte auch er, dass Kerstin sich zu warm anfühlte. „Was ist los? Du glühst ja. Du hast Fieber.“ Kerstin richtete sich auf. „Blödsinn, vielleicht war die Decke nur zu viel. Oder deine, nicht gerade geringe, Körperwärme war zu viel. Lass mir ein paar Minuten Zeit, bevor du in Panik ausbrichst, okay?“, sagte Kerstin mit einem Lächeln. Drago stand auf, um ein Glas Wasser zu holen. Als er zurück kam, war Kerstin schon wieder eingeschlafen. Vorsichtig legte auch er sich wieder ins Bett, um festzustellen, dass sich Kerstins Körpertemperatur wieder normalisiert hatte. Er vermied es, sich an sie zu kuscheln, was ihm äußerst schwer fiel. Aber er wollte ihr den Schlaf nicht rauben, wer wusste schon, was in Peru noch alles auf sie zu kam.
Kurz vor Sonnenaufgang wurde Drago von einem Tritt ans Bein geweckt. Kerstin träumte und schlug dabei um sich. Sie war schon wieder Schweiß gebadet, was Drago aber auf ihren Traum zurückführte. Sie nuschelte irgendetwas vor sich hin. Tim konnte zwar nicht verstehen, was sie sagte, er nahm aber eine Besorgnis in ihrer Stimme wahr. Da er nicht wusste, ob er sie wecken sollte, stand er auf und beobachtete wie Kerstin sich im Schlaf hin und her warf. Es musste ein furchtbarer Traum sein, denn ihr liefen Tränen über die Wangen.
Mit einem Schrei wachte Kerstin auf und versuchte sich zu orientieren. Als sie Hände an ihrem Körper spürte, schlug sie um sich. „Hey, hey, es ist alles okay. Du hattest einen bösen Traum“, sagte Drago. Doch im ersten Moment erkannte sie ihn gar nicht. Es dauerte einen kurzen Augenblick bis sie wieder wusste wo sie war.
Sie ließ sich in seine Arme sinken und fing an zu weinen. Drago hielt sie einfach nur fest und streichelte ihr über die Haare oder den Rücken.
Es dauerte eine ganze Weile bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte.

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Sie schaute ihn mit schmerzverzehrtem Gesicht an und atmete einmal tief ein. Dann fing sie wieder an zu weinen. Drago wurde immer unsicherer, plötzlich sah sie wieder zu ihm auf, aber ihr Gesicht hatte sich irgendwie verändert. Ihre Augen, ihre Augen hatten die Farbe gewechselt. Sie waren jetzt blau. Es war ein merkwürdiges Blau. Sie starrte ihn unentwegt an. Plötzlich begann sie zu sprechen, aber es war nicht ihre Stimme.
„Ihr müsst in Peru besondere Vorsicht walten lassen. Ihr müsst genau abwägen, wem ihr vertraut. Ein vertrauter Mensch kann plötzlich zu eurem Feind werden.“ Dann wurde Kerstin ohnmächtig. „Okay, das war´s“, dachte Drago, „jetzt brauche ich dringend Hilfe.“ Panisch überlegte er, an wen sich wenden konnte. Doc war die Schamanin unter den Schwestern und Angie ihre beste Freundin. Während er in seine Jeans stieg, ließ er Kerstin nicht aus den Augen und in diesem Moment kam sie wieder zu sich. Sie schaute sich etwas verstört um. „Was, was ist passiert? Warum ist mein Top so nass?“ Drago zog sie sanft in seine Arme und gab ihr einen leichten Kuss aufs Haar. „Du hattest einen Albtraum und hast dabei um dich geschlagen.“ „Oh, das tut mir leid. Hab ich dich verletzt?“ fragte Kerstin etwas zerknirscht. Drago lächelte. „Nein, nur etwas unsanft geweckt. Kannst du dich denn nicht mehr erinnern? Du warst doch zwischenzeitlich wach. Kerstin runzelte die Stirn. „Nein, nein ich kann mich an gar nichts mehr erinnern. Ich fühle mich nur total erledigt. Hab ich noch was getan, außer um mich zu schlagen?“ Drago sah sie an. „Hm, ja, um ehrlich zu sein, du hast geweint und dann bist du kurz wach geworden und hast mit mir geredet.†œ Kerstin war verblüfft. „Ich habe was? Was hab ich denn gesagt?“ „Nun ja, du hast mich gewarnt, dass wir in Peru sehr vorsichtig sein müssen und dass wir niemandem vertrauen dürfen. Aber das ist noch nicht alles“ .Kerstin war jetzt total verwirrt. „Was? Was hab ich noch getan?“ Drago musste sich räuspern. „Tja, ähm, du hast nicht mit deiner Stimme gesprochen, und deine Augen waren plötzlich blau. Und nachdem du mich gewarnt hattest, wurdest du ohnmächtig“. Kerstin sprang aus dem Bett und lief unruhig durch das Zimmer. „Das kann doch nicht wahr sein“, dachte sie laut, „das gibt es doch nicht. Was ist zum Teufel mit mir los? Erst verliebe ich mich in einen Drachen, obwohl ich doch eigentlich schon in jemand anderen verliebt war. Und jetzt fang ich an zu spinnen?“ In ihrer Stimme schwang etwas Hysterie. Drago trat zu ihr und stellte sich ihr in den Weg. „Hey, wir wissen nicht was es war. Und bevor wir irgendwelche Spekulationen anstellen, sollten wir vielleicht erst mal mit Angie oder deiner Mutter reden. Vielleicht gibt es dafür eine ganz normale Erklärung.†œ Kerstin sah ihn ungläubig an. „Normal? Das nennst du normal? Ich dreh gleich durch.†œ Drago nahm sie in seine Arme und sie schmiegte sich an ihn. „Weißt du was ich an dieser ganzen merkwürdigen Sache am besten finde?“, fragte er sie. „Nein†œ, antwortete Kerstin. „Das du gesagt hast, dass du mich liebst“, sagte Drago lächelnd. Jetzt musste auch Kerstin ein wenig schmunzeln.
Aber sie war so erschöpft, dass ihr sogar davon schwindelig wurde. Drago führte sie zum Bett und deckte sie sorgfältig zu. Fragend sah Kerstin Drago an, „Was ist los? Kommst du nicht ins Bett?“ Drago schaute sie nachdenklich an und sagte: „Nein, jetzt noch nicht. Ich möchte ein wenig nachdenken und geh nach oben an Deck .Aber mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht lange weg.†œ Kerstin stiegen Tränen in die Augen, da sie aber nicht wollte, dass er das sah, legte sie sich rasch hin und schloss die Augen. Drago gab ihr einen Kuss auf die Schläfe und ging zur Tür. Als er sie gerade schließen wollte, hörte er ein leises Schluchzen. Er zögerte einen winzigen Moment, ging dann aber doch nach oben. So weh es ihm auch tat Kerstin alleine zu lassen, er brauchte jetzt einfach ein wenig Zeit für sich.

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Während Doc, Kerstin und ich, uns in der Waffenkammer aufhielten, saß Lilli im Computerzentrum, besser gesagt sie lag dort. Sie hatte ihre Stuhllehne ganz nach hinten gestellt, die Füße lagen auf dem riesigen Glastisch, die Hände ruhten auf ihrem Bauch und umklammerten einen Kaffeebecher. Nachdem Lucy und Gavin nach Havanna aufgebrochen waren, hatte Lilli sich auf die Arbeit gestürzt. Sie hatte sich in ihren Lieblingssatelliten gehackt und ihn auf Choqequirao in Peru ausgerichtet. Die Bilder und Informationen, die schon eingetroffen waren, hatte sie gesichtet und sortiert. Sie hatte noch zusätzlich Aufnahmen einer Wärmebildkamera angefordert. Während sie auf diese Bilder wartete, hatte sie es sich gemütlich gemacht und war eingeschlafen. Sie wurde auch nicht wach, als Fernando hereinkam und fragend ihren Namen rief. Er musste sich anstrengen, nicht laut loszulachen. Sie gab mal wieder ein sehr damenhaftes Bild ab. Er schlich schmunzelnd zu ihr, nahm den halbvollen Becher aus ihren Händen und küsste ihr zärtlich auf Augen, Nase und Mund. „Mmhh. Nicht aufhören oder träume ich noch?†œ „Hast du denn von mir geträumt?†œ Lilli öffnete die Augen und Fernando schaute sie lächelnd an. „Ja, habe ich.†œ „War es ein schöner Traum?†œ „Wunderschön. Aber mehr verrate ich nicht. Oder hast du mich wieder beobachtet?†œ „Nein. Ich bin leider erst jetzt gekommen.†œ Fernando beugte sich wieder zu Lilli und küsste sie auf eine Art und Weise, die ihr die Sinne schwinden ließen. „Willst du es mir wirklich nicht verraten†œ, säuselte er an ihren Lippen. Lilli lachte und schob ihn von sich weg. „Nein, will ich nicht. Außerdem muss ich jetzt wieder was arbeiten. Duncan kommt sicher auch gleich vorbei. Er wollte sich anschauen, was ich schon für Infos habe.†œ Fernando ließ sich auf Lillis Stuhl fallen. „Schade. Da kann man wohl nichts machen.†œ Da kam auch schon Duncan durch die Tür. „Hallo ihr Beiden. Fernando, du hältst Lilli ja nicht von der Arbeit ab, oder?†œ Fernando schaute mit einer Unschuldsmiene zu Duncan. „Ich doch nicht.†œ Lilli ließ ihre Finger schon über einen der Touchscreens fliegen, und auf dem großen Bildschirm erschienen die Bilder von Choqequirao. Duncan zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Fernando. „Dann leg mal los. Ich bin gespannt.†œ
„Also, Choqequirao liegt in den Anden auf 3000 m Höhe und erstreckt sich über 2000 Hektar. Bisher sind aber nur 30 Prozent davon freigelegt worden. Wie andere Inka-Städte auch, ist Choqequirao in die Oberstadt „Hanan†œ und die Unterstadt „Urin†œ aufgeteilt. Die Oberstadt besteht aus Tempeln, Lagerhäusern und Terrassen, die um einen freien Platz angeordnet sind. In der Unterstadt wohnte die Elite in großzügigen Gebäuden, die sich auch um einen großen Platz gruppieren. In der Unterstadt befinden sich ein Tempel und zwei Hallen für Feste und rituelle Tänze.†œ Lilli schob den Mauszeiger kreuz und quer über die Satellitenbilder und fuhr mit ihren Erklärungen fort. „Hier oberhalb der Unterstadt befindet sich eine abgeflachte Kuppe. Das war wahrscheinlich eine Zeremonieplattform, auf der die Opfer dargebracht wurden. Was aber besonders interessant ist, sind diese riesigen Terrassen, die mit Mosaiken eingefaßt sind. Hauptsächlich sind Lamas dargestellt, die waren den Inkas heilig. Oberhalb dieser Terrassen führen Treppen zu den Gipfeln „Sorani†œ und „Quitay.†œ „Sehr gut recherchiert, Lilli†œ, sagte Duncan anerkennend. „Konntest du irgendetwas entdecken, dass auf die Dragons hinweisen könnte?†œ „In Choqequirao selbst nicht. Damit habe ich auch nicht gerechnet, da sind oft Touristen und Archäologen unterwegs. Da kann man nicht verdeckt operieren. Aber ich habe Wärmebilder machen lassen, die sind gerade eingetroffen. Warte, ich lade sie hoch.†œ Die Bilder erschienen, und alle drei hielten den Atem an. Oberhalb der Lama-Terrassen wurde ein Labyrinth von Gängen und Kammern, die weit in den Berg hineinragten, sichtbar. Duncan fand als erster wieder seine Sprache: „Donnerwetter, was haben wir denn da aufgestöbert? Das sieht nach einer Menge Arbeit aus. Lilli, kannst du uns noch genauere Aufnahmen beschaffen? Wir müssen unbedingt wissen, mit was wir es da genau zu tun haben.†œ „Ja, kein Problem! Jetzt weiß ich ja, nach was wir suchen müssen. Oh mein Gott, das sieht absolut beängstigend aus, mit so vielen Objekten habe ich jetzt nicht gerechnet.†œ Duncan schaute Lilli selbstsicher an: „Das ist nichts, mit dem wir nicht fertig werden könnten. Mach dir mal keine Sorgen, das kriegen wir gemeinsam schon auf die Reihe.

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Bis wann hast du die genauen Analysen?†œ „Also bei diesem Umfang und den hochauflösenden Bildern, die wir benötigen, dürften die Rechner schon die halbe Nacht brauchen. Dann muss ja auch alles noch sortiert und analysiert werden. Bis morgen Früh, werde ich schon brauchen, um alles zusammen zu haben.†œ „Gut Lilli, dann morgen früh 8 Uhr. Ist das machbar?†œ Lilli nickte Duncan zu: „Ja, 8 Uhr ist gebongt!†œ
Da ging die Tür auf, und Kerstin stürmte herein. „Ups! Ich hoffe, ich störe nicht. Lilli, ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass wir Mädels uns heute Abend um 19 Uhr bei Angie treffen. Kannst du kommen oder musst du arbeiten?†œ Lilli strahlte über das ganze Gesicht. „Oh, super, da freue ich mich tierisch drauf! Ich muss nur noch ein paar Eingaben machen, und dann laufen die Rechner von alleine. Bis 19 Uhr schaffe ich das locker.†œ „Toll! Ich freue mich, dass du auch kommen kannst. Bis später. Tschüss Jungs†œ, und schon war Kerstin wieder zur Tür draußen. Duncan stieß Fernando in die Rippen: „Komm, wir machen uns auch vom Acker, damit Lilli in Ruhe arbeiten kann. Wir wollten doch sowieso noch ein Gespräch unter vier Augen führen.†œ Fernando lächelte Duncan verschmitzt an: „Ja klar, habe ich nicht vergessen.†œ Er ging zu Lilli und küsste sie sanft auf die Stirn. „Viel Spaß mit deinen Mädels. Sehen wir uns später noch?†œ Lilli fuhr mit dem Zeigefinger über seine Lippen und küsste ihn dann. „Wenn du möchtest. Nach dem Mädelsabend, wirst du mich hier wieder finden. Aber du musst mir dann einen großen, starken Kaffee mitbringen. Den werde ich sicher gebrauchen können.†œ „Ich denke, das lässt sich einrichten.†œ Fernando gab ihr noch einen Kuss und ging dann mit Duncan zur Tür. „Tschüss Lilli und viel Spaß mit deinen Mädels. Aber nicht die Arbeit vergessen!†œ, sagte Duncan noch, aber Lilli hatte sich schon wieder über ihre Tastatur hergemacht und war voll darauf konzentriert.

Fernado und Duncan machten es sich mit einem guten alten Scotch in Duncans Kabine gemütlich. Fernando lächelte Duncan an: „ So, mein Alter, hast du es jetzt endlich kapiert, dass du dich gegen das Gefährtinnending nicht wehren kannst?†œ Duncan lächelte ebenfalls: „Ja, ich habe es wohl endlich eingesehen. Aber es war ja auch nicht einfach. Schließlich hatte sich Norbert Angie angelacht und einem Bruder reinfunken, das kommt für mich nicht in Frage. Das weißt du ja. Keiner kennt mich so gut wie du, alter Freund.†œ „Da hast du wohl recht. Spätestens nach deinem Auftritt im Fitnessraum wusste ich, in welchem Konflikt du steckst. Und was hat sich jetzt geändert?†œ Duncan schaute Fernando mit leuchtenden Augen an. „Angie ist zu mir gekommen, hat mit mir geredet und alles gerade gerückt. Sie und Norbert haben sich getrennt. Sie haben erkannt, dass sie sich nicht wirklich lieben.†œ „Du bist jetzt aber nicht wie Bowen mit der Tür ins Haus gefallen, oder?†œ „Nein Fernando. Ich habe zwar schon mal etwas durchblicken lassen, aber ich habe ihr noch nicht alles erzählt. Ich möchte es eigentlich so ruhig angehen wie du. Ich möchte, dass sich Angie wohl und sicher bei mir fühlt, bevor ich ihr alles offenbare. Aber es ist nicht so einfach, sich im Zaum zu halten. Wie kannst du nur so entspannt und gelassen mit diesen überwältigenden Gefühlen umgehen?†œ Fernando betrachtete die dunkelbraune Flüssigkeit in seinem Glas und ließ sich mit seiner Antwort etwas Zeit. „Das war nicht von Anfang an so. Zuerst haben mich diese Gefühle auch total umgehauen, und ich habe mich geradezu auf Lilli gestürzt. Aber sie hat mich abgewiesen, für sie war alles nur rein körperlich. Sie hatte die Trauer um ihren toten Geliebten noch nicht überwunden und sich einen dicken Schutzpanzer zugelegt. Ich musste mich zwangsläufig zurückziehen und mit kleinen Schritten wieder auf sie zugehen. Ich habe ihr gesagt wie sehr ich sie liebe, und dass ich warte, bis sie sich mit ihren Gefühlen ganz sicher ist. Ich habe mich ganz in ihre Hände begeben, und damit ist der Druck von mir abgefallen. Ich habe zwar noch Zweifel, ob sie sich wirklich für mich entscheidet, aber ich genieße jeden Augenblick mit ihr und jede Zärtlichkeit, die sie mir schenkt. Es ist wunderschön, sich nur zu streicheln, zu küssen und einfach nur beieinander zu liegen. Es ist ein behagliches Gefühl, es ist, als ob ich endlich in einem sicheren Hafen angekommen bin.

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Gestern habe ich ihr in etwa erklärt, was die Gefährtin für uns bedeutet und wie die Verbindung endgültig wird. Jetzt lasse ich ihr die Zeit darüber nachzudenken, und wenn sie soweit ist, sprechen wir darüber.†œ Fernando lächelte, in den Gedanken war er bei Lilli. Duncan nickte zustimmend. „Danke, mein Freund. Jetzt kann ich auch etwas gelassener an die Sache herangehen. Ich denke, dass du den richtigen Weg gefunden hast, und dass ich diesen Weg auch einschlagen werde.†œ Sie tranken mit Genuß ihren Scotch und verfielen in ein kurzes Schweigen. Fernando hatte ja noch was auf dem Herzen †“ nämlich Drago. „Hör mal, Duncan, ich wollte noch über etwas anderes mit dir reden. Es geht um Drago. Ich habe mich mit ihm ausgesprochen. Er hatte gar keine Ahnung, dass wir über den Grund seines Verschwindens nicht informiert wurden, und er ist auch nicht Schuld an Lindsays Tod. Ich für meinen Teil habe ihm verziehen und für mich gehört er auch wieder zur Bruderschaft. Wir hätten ihm helfen und zu ihm stehen müssen.†œ Fernando schaute erwartungsvoll zu Duncan. „Ich hatte noch nicht die Gelegenheit mit ihm über alles zu sprechen, aber du weißt, dass ich deinem Urteil hundertprozentig vertraue. Wenn du sagst, dass Drago wieder zu uns gehören soll, dann ist er auch für mich wieder ein Bruder. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass mir der Drache ganz schön gefehlt hat.†œ Fernando lächelte erleichtert: „Es wird Drago sehr freuen, dass zu hören.†œ
Es klopfte. „Hey, Duncan. Bist du da?†œ, rief Bowen aufgeregt vor der Tür. Duncan schaute verwundert zu Fernando, zuckte mit den Schultern und öffnete die Tür. „Was hast du denn auf dem Herzen?†œ „Oh Fernando, du bist ja auch da! Das passt ja perfekt. Hört mal, die Ladies machen einen Frauenabend …†œ „Das wissen wir schon, und?†œ, sagte Duncan ungeduldig. „Die haben gerade Pizza bei mir bestellt. Ich dachte mir, dass ihr mir dabei helfen könntet, und dann stürmen wir die Party. Was meint ihr?†œ Fernando und Duncan schauten sich lachend an. „Da sind wir doch dabei!†œ „Geht ihr mal schon vor, ich hole noch Drago dazu†œ, sagte Fernando und war schon verschwunden. Auf dem Weg zur Kombüse schaute Bowen Duncan fragend an. „Drago? Habe ich da was nicht mitbekommen?†œ „Ja hast du. Fernando hat mit ihm gesprochen und wir haben ihm Unrecht getan. Ich denke, dass er beim Pizzabacken mit uns darüber spricht.†œ Die Beiden waren gerade damit fertig die Zutaten bereitzulegen, als Fernando und Drago in die Kombüse kamen. Drago lächelte etwas unsicher in die Runde. „Hallo Drago, na, dann schieß mal los†œ, sagte Duncan, während er den Pizzateig bearbeitete. Drago erzählte Duncan und Bowen das, was er auch schon Fernando erzählt hatte. Er betonte nochmals, wie leid ihm die ganze Geschichte tat, und dass er alles ungeschehen machen würde, wenn er es nur könnte. Er stand vor ihnen mit hängenden Schultern und seinem Gesicht konnte man die Qualen, die er durchlitten hatte, ansehen. Duncan ging auf ihn zu und legte im die Hände auf die Schultern. „Fernando hat vollkommen recht, wir haben dir großes Unrecht angetan. Dich wieder in unsere Bruderschaft aufzunehmen, ist das mindeste was wir tun können.†œ Dann riss er Drago in seine Arme. „Mensch, Drache, wie habe ich dich vermisst!†œ Alle vier lachten erleichtert auf und freuten sich darüber, dass sie jetzt wieder komplett waren. „Du hast jetzt nur noch ein Problem zu bewältigen†œ, sagte Duncan nachdenklich. Drago nickte: „Ja ich weiß, die Sache mit Kerstin und Tim. Es wird nicht einfach werden, mit Tim ins Reine zu kommen.†œ „So, jetzt haben wir genug gequatscht, jetzt werden die Ladies aufgemischt! Die Pizzen sind fertig!†œ, rief Bowen und holte schon die erste aus dem Ofen. Blitzschnell hatten die vier alles verpackt und machten sich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen auf zu meiner Kabine. Diese Überraschung sollte ihnen gelingen.

Hattori und Lucy hatten es sich in den weichen Ledersesseln gemütlich gemacht, während Gavin das Boot steuerte. Sie flogen mit riesiger Geschwindigkeit über die Wellen. Gischt spritzte ihnen in die Gesichter, die der Fahrtwind aber sofort wieder trocknete. Eine Unterhaltung ließ das Dröhnen des Motors nicht zu. Aber dem Blick von Hattori nach zu urteilen, war ihm an einer Unterhaltung auch nicht gelegen.

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Er schien gar nicht anwesend zu sein, hing seinen trüben Gedanken nach. Lucy ergriff spontan seine Hand, nur um ihm das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein. Hattori hob den Kopf und schaute ihr direkt in die Augen. Sie hatten nie einen engen Kontakt miteinander, doch Lucy wusste, wie sehr er ihren Schwestern am Herzen lag. Er lächelte ihr zu, zog aber seine Hand zurück.
Die Fahrt dauerte nicht lange, sie erreichten den Hafen von Havanna noch in den frühen Mittagsstunden. Die Sonne brannte heiß und mörderisch vom Himmel, so dass sie schon nach kurzer Zeit mit einem leichten Schweißfilm überzogen waren. Gavin machte das Boot an dem angemieteten Liegeplatz fest, während Hattori und Lucy ihr Gepäck an Land brachten. Sie ließ ihren Blick über den Hafen schweifen und musste feststellen, dass sie noch nie so viele Luxus-Yachten auf einem Fleck gesehen hatte. „Hier hat sich wohl die Creme de la Creme versammelt†œ, murmelte sie vor sich hin. Gavin, der sich inzwischen zu ihnen gesellt, hatte schlang von hinten seine Arme um Lucy und flüsterte ihr ins Ohr: „Die können dir alle nicht das Wasser reichen.†œ Als nächstes mussten sie dafür sorgen, dass Hattori nicht seinen Flug in die Schweiz verpasste. Sie winkten ein Taxi herbei, sprachen mit Hattori noch ein paar aufmunternde Worte und weg war er.
Seit ihrer Ankunft, bis zum Zeitpunkt als Hattori mit dem Taxi wegfuhr, waren nur ein paar Minuten vergangen.
„Komm, Lucy, ich zeig dir unser Hotel. Dort können wir uns ein wenig frisch machen. Wir sind übrigens Lord und Lady of Kerry, ein frisch verheiratetes Ehepaar, dem Peerage of Ireland angehörend.†œ „Ja, die Rolle der Frischverliebten auf Hochzeitsreise könnte uns liegen†œ, fügte Lucy schmunzelnd hinzu. „Präge dir deinen Namen ein, du heißt Catherine, kurz Cat. Das passt wenigstens zu dir. Duncan hat sich wohl einen kleinen Scherz mit mir erlaubt – darf ich mich vorstellen, Lord Conchobhar of Kerry. Zu Ihren Diensten, Eurer Gnaden.†œ Gavin machte dabei eine tiefe Verbeugung vor Lucy. Glucksend brachte sie hervor: „Conchobhar, wie zum Teufel ist er darauf gekommen?†œ Er fiel in Lucys Lachen ein und antwortete: „Conchobhar oder kurz Conor bedeutet in Irland Hunde- und Wolfsliebhaber.†œ Arm in Arm schlenderten sie kichernd zu ihrem Hotel.
Statt wie gewohnt in Bluse und Lederhosen, war ihr langer schlanker Körper in ein weich schimmerndes, eisblaues, im Rücken geradezu dramatisch tief ausgeschnittenes Abendkleid gehüllt. Kleine Diamanten glitzerten an ihrem Hals. Ihr rotbraunes Haar hatte sie zu einer üppigen Lockenmähne frisiert, die nur von zwei winzigen Diamanthaarspangen im Zaum gehalten wurde. Ein riesiger Brillant sprühte regelrecht Funken. Die Diamanten hatte sie von Gavin bekommen, eine kleine Leihgabe, die ihren Auftritt als irisches Adelspaar glaubwürdiger machen sollte. Den Brillant hatte er eigens für sie gemacht.
Nach ihren Einkäufen am Nachmittag hatten sie noch ein paar Minuten Zeit, einen Strandspaziergang zu machen. Hinter einer hohen Düne, die sie vor neugierigen Blicken abschirmte, kniete Gavin sich hin, nahm eine Hand voll Sand und begann diesen in seinen Händen zusammenzudrücken. Seine Hände verschwanden im Rauch, doch begannen sie kurz darauf zu glühen. Gavin drückte und presste, rieb seine Hände kreisend gegeneinander. Schweißperlen rannen von seiner Stirn. Lucy konnte nur fasziniert dem Schauspiel zusehen. Nach ein paar Minuten war es soweit, er hielt seiner Cat den großen Brillanten unter die Nase, den sie jetzt stolz an ihrem Finger trug. „Gut, dass ich das nicht früher wusste, sonst könntest du mir niedere Beweggründe vorwerfen, ich würde dich nur wegen dieser funkelnden Steinchen lieben†œ, plapperte sie los. Er beendete ihren nachmittäglichen Redefluss mit einem innigen, tiefen Kuss, der ihr schon wieder Pudding in den Knien bescherte.
Gavin sah in seinem schwarzen Anzug einfach umwerfend aus, geheimnisvoll und ein klein wenig gefährlich. Mit seinem hoch gewachsenen, straffen, muskulösen Körper bot er in dem eleganten Anzug einen Anblick, der nicht nur ihr, sondern ebenfalls einer Großzahl der weiblichen Gäste regelrecht den Atem nahm.

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Das Bankett fand im Gouverneurspalast statt und wurde anlässlich des 16. Geburtstags der Tochter des Gouverneurs von Havanna gegeben. Die Straße vor dem Palast war mit Holzplatten ausgelegt, damit die Gouverneure nicht vom lauten Rattern der Kutschen gestört wurden, so erzählte es ihr Gavin, nein, Conchobhar. Es wurde Zeit, dass sie sich an den Namen gewöhnte. Um Einlass zu dem prachtvollen Gebäude zu bekommen, mussten sie sich einer strengen Sicherheitskontrolle unterziehen. Lucy mochte sich nicht vorstellen, welche Anstrengungen und Organisation es Sweetlife gekostet hatte, sie hier auf die Gästeliste zu bekommen. Gelassen ließen sie das Prozedere über sich ergehen, denn die Waffen, die sie bei sich trugen, konnte niemand entdecken. Sie kamen durch das große Tor in den Innenhof, der ganz mit Kerzen beleuchtet war. Für einen kurzen Moment vergaß Lucy, dass dies hier ein Arbeitseinsatz war und ließ sich von der romantischen Stimmung wegtragen. Gavin bemerkte ihren seligen Gesichtsausdruck, zog sie ein wenig fester an sich und flüsterte ihr einen kleinen Weckruf ins Ohr: „Oh, wie peinlich, sehr professionell von dir, Lucy†œ, schollt sie sich selbst. Mit einem bezaubernden Lächeln an Gavin gerichtet. „Aber mein Liebster, das gehört doch zur Rolle, nicht war Conchobhar?†œ „Argh, Duncan kann was erleben, wenn wir zurück sind. Der Name wird mich in meinen Träumen verfolgen.†œ „Du kannst ihn ja danach verbrennen†œ, erwiderte Lucy, konnte aber ein Grinsen nicht unterdrücken. Auch Gavin musste jetzt lachen und immer noch lachend betraten sie den Ballsaal.
Sie sahen sich in dem eleganten Saal um und ließen einen ersten Blick über die Gäste wandern. Überall standen riesige Eisskulpturen, die im Scheinwerferlicht wie Kristalle funkelten. Schwarz befrackte Kellner schoben sich mit Tabletts voller Getränke durch die Menge. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm. Lucy bemerkte in den kunstvoll vergipsten Decken eingelassene Überwachungskameras, die einen vollständigen Überblick über den gesamten Saal boten. Scanner sollten unauffällig prüfen, ob ein Gast irgendwelche Waffen trug, die er unbemerkt in den Saal geschmuggelt haben konnte.
Sie konnten nur kurz einen Blick auf die Gästeliste werfen, aber der genügte ihnen auch. Der Großteil der Gäste waren Gouverneure, Botschafter, Großindustrielle und Banker und jede Menge Adel. Der ganze Saal roch nach Geld und Macht und Habgier. Gar nicht die Gäste, die man auf einer Geburtstagsparty eines Teenagers erwarten würde. Lucy empfand ein wenig Mitleid mit dem Mädchen, das herausgeputzt wie ein Pfau, neben ihren Eltern stand und einige der Gäste begrüßte.
„Also, was machen wir hier jetzt?†œ, wollte Gavin wissen. „Nur beobachten, nur beobachten. Duncan zieht mir buchstäblich das Fell über die Ohren, wenn wir hier auffliegen. Ich geh mir mal die Nase pudern, die Gespräche in den Toiletten sind immer sehr aufschlussreich. Du kannst uns ja mal etwas zu trinken holen, wir wollen doch nicht durch Abstinenz auffallen†œ, fügte sie lachend an und bahnte sich ihren Weg. Das stille Örtchen für Damen war gar nicht still. Schon bevor Lucy den Raum betrat, hörte sie ein Gackern, Lachen und Geschnatter, das die Frauen von Stand überhaupt nicht damenhaft wirken ließ. Sie erwischte einen freien Platz am Spiegel, lächelte der Dame neben ihr zu und begann ihre Schminkutensilien aus dem winzigen eisblauen Abendtäschen zu pellen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Lucy, wie sie von ihrer Nachbarin einer kompletten Musterung unterzogen wurde, deren Blick nun auf ihrem Ring hängen blieb. „Okay, lass uns spielen†œ, dachte Lucy bei sich. Mit dem unschuldigsten Blick, den man sich nur vorstellen kann, drehte sich Lucy zu ihr und zeigte ihr den Ring voller Stolz. „Ist er nicht hinreißend? Genauso hinreißend wie der Mann, der ihn mir schenkte†œ, trällerte sie los. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie beide mir gehören.†œ Nun lächelte auch die Frau „Darf ich?†œ, und nahm ihre Hand in die ihre, um den Brillanten genauer zu begutachten. „Wirklich außergewöhnlich, und ich muss es ja wissen, ich bin schließlich die Frau einen Juweliers. Darf ich mich vorstellen, Audrey Tiffany.†œ 😎 Lucy zog eine Augenbraue hoch. „Ah, aus Ihrer Reaktion sehe ich, Sie haben von uns gehört. Einer meiner Vorfahren war Charles Lewis Tiffany, unser Geschäft ist immer noch in Familienbesitz.†œ „Ja, welches Mädchen hat noch nicht von Tiffany gehört und geträumt.

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Mein Name ist Lu- äh †“ Catherine, Lady of Kerry. Wir sind hier in den Flitterwochen, mein Mann und ich†œ, fügte sie träumerisch hinzu. „Oh, wie schön, dann darf ich noch gratulieren? Möchten sie und Ihr Mann sich nicht zu uns an den Tisch setzen? Dann können Sie mir noch mehr erzählen. Es wäre schön, ein wenig frisches Blut am Tisch zu haben†œ, schlug sie ihr zwinkernd vor. „Das ist reizend von Ihnen, gerne kommen wir an Ihren Tisch.†œ Lucy wurde allmählich etwas mutiger und fragte mit unschuldiger Miene: „Wie sieht heute eigentlich das Programm aus? Ich dachte, das hier ist eine Geburtstagsparty und alles wirkt so †“ wie soll ich sagen, ohne jemanden kränken zu wollen †“ so steif?†œ „Ja, nicht wahr? Aber ich fürchte, liebe Catherine, so darf ich Sie doch nennen? Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen. Nach dem Essen ziehen sich die Herren zu einer guten Zigarre zurück, wir sind ja schließlich auf Kuba, und die Damen dürfen den Klängen des Kammerorchesters lauschen.†œ Mit diesen Worten verabschiedete sich Audrey und verließ die Toilette, gefolgt von einer sichtlich zufriedenen Lucy.
Gavin zu finden, war nicht schwer. Sie musste nur dem kichernden Mädchen folgen, das ihn so schwärmerisch beschrieb. Er lehnte lässig an einer der riesigen Säulen des Saales und plauderte mit ein paar für ihn eindeutig zu jungen Damen. Als er Lucy auf sich zu kommen sah, beendete er das Gespräch charmant und ging ihr entgegen. Lucy sah die schmachtenden Mädchen, und auch ihre sehnsüchtigen Blicke entgingen ihr nicht. „Wie gut, dass ich nicht eifersüchtig bin†œ, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Bist du nicht? Dann mache ich etwas falsch†œ, sagte er und versuchte enttäuscht auszusehen. „Und? Konntest du den Hühnern irgendwelche Neuigkeiten von Belang entlocken?†œ Gavin musste schmunzeln. „Ah, so ein bisschen Eifersucht steht dir doch gut. Nein, leider. Ich bin froh, dass du mich von ihnen befreit hast. Ich dachte, Rauch kommt schon aus meinen Ohren.†œ „Aber ich hab Neuigkeiten. Deinem Brillanten haben wir es zu verdanken, dass wir am Tisch von Audrey Tiffany und ihrem Mann sitzen. Schau dort drüben, die Dame, die uns so aufgeregt winkt. Komm, lächeln und winken, lächeln und winken.†œ Ganz galant bot Gavin Lucy seinen Arm und so schritten sie zu ihrem Tisch.
Das Dinner verlief ohne besondere Vorkommnisse, belangloses Geplauder, Tratsch und Klatsch über anwesende und nicht anwesende Prominenz. Nach dem Essen zogen die Herren sich wie angekündigt in die riesige Bibliothek zurück. Lucy war etwas niedergeschlagen, weil sie bisher nicht viel in Erfahrung gebracht hatten, aber der Abend war ja noch nicht zu Ende.
Gavin schloss sich den Herren an, um dort sein Glück zu versuchen. Eigentlich rauchte er ja nicht, aber so eine gute Havanna ließ er sich dann doch nicht entgehen. Die Gespräche drehten sich um Aktienkurse, Börsenberichte und diverse andere Geschäfte, mit denen sich Geld verdienen ließ.
Ein Herr allerdings, der sich ihm als Muhammed bin Raschin al Daktoum, Botschafter des Emirates Dubai, vorstellte, wollte wissen, ob er auch zu der in der Nacht angesetzten Geschäftsbesprechung gehen würde. „Natürlich, aber ich bin mir noch nicht ganz sicher, zu welchem Zweck dieses Treffen vereinbart wurde?†œ, erwiderte Gavin. „Na, Geld. Nicht mehr, nicht weniger, die wollen unser Geld. Sie sollten auch zahlen für den Schutz, den sie uns anbieten†œ, flüsterte er ihm geheimnisvoll zu. Und auf einmal verstand Gavin.
Währenddessen quälte Lucy sich durch das Kammerkonzert. Sie konnte keine Gespräche mehr führen und musste zur Untätigkeit verdammt den Klängen des Orchesters lauschen. Das einzig Gute daran war, dass sie sich nicht an diesem sinnlosen Geplänkel von Unterhaltung beteiligen musste. Na ja, wenigstens konnte sie Duncan ein paar Namen bringen.
Nach dem Konzert erwartete sie schon Gavin mit einem Glas Champagner in der Hand. Ihm war anzusehen, dass er Neuigkeiten hatte. „Du siehst aus, als ob du gleich platzen würdest. Na, was hast du herausgefunden?†œ Er zog sie etwas beiseite, legte seinen Arm um sie und hauchte ihr nur ein Wort ins Ohr: „Schutzgelder!†œ Lucy musste nicht nachfragen, das Puzzelteilchen fiel direkt an seinen Platz. Das klang logisch, wenn man wusste, was die Dragons vorhatten.

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Entweder du zahlst, oder du spürst die bald grenzenlose Macht der Dragons. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, in solch einer Welt zu leben. Erfreut, nicht mit leeren Händen zu ihren Schwestern und den Brüdern zurückzukommen, schlang sie ihre Arme um Gavin und küsste ihn zärtlich.
Auf einmal zuckte Gavin vor Schreck zusammen und sein Körper versteifte sich. Lucy bemerkte sofort, dass etwas passiert sein musste. Sein Blick richtete sich starr vor Entsetzen auf die Treppe an der gegenüberliegenden Seite des Saales. Eine Frau wurde von Lucius Malfoy, ihnen wohl bekannt als die rechte Hand von Dragon, die Treppe herunter geführt. Eine Frau, so schön und feengleich, wie sie es nur selten gesehen hatte. Mit erschreckend kalter Stimme entfuhr es Gavin: „Lindsay!†œ.
Lucy hätte vielleicht gesagt, dass die Glut seines Zorns mit Händen greifbar war, ehe sie sich ins Gegenteil verkehrte und den gesamten Saal mit Eiseskälte zu erfüllen schien.
„Wir müssen hier weg. Sofort.†œ War alles, was er sagte bevor er sie in Richtung Ausgang zog.

Als die anderen gegangen waren, stand er mit dem Rücken zur Tür und musterte mich von oben bis unten mit einem amüsierten Blick. Plötzlich wurde ich mir meines riesigen ausgewaschenen Sleep-Shirts mit dem Bambi Aufdruck bewusst. Auch musste ich an das weiße Zeugs von Doc auf meinem Gesicht denken, und dass er mich damit gesehen hatte. Prompt lief ich rot an, und schnell verschränkte ich meine Arme über der Brust und drehte mich in Richtung Bett. „Öhm, ich glaube, ich sollte mal langsam anfangen und ein bisschen aufräumen, hier sieht es ja aus wie nach der Schlacht im Teutoburger Wald, und ich möchte endlich ins Bett†œ, sagte ich mit verunsicherter Stimme und kaum ausgesprochen, dachte ich: „Geht†™s noch? Das hört sich ja an wie eine Einladung!†œ „Ich könnte mir auch schnell noch ein Mauseloch suchen, in das ich verschwinden kann, bevor das hier noch peinlicher wird†œ, murmelte ich leise und schloss meine Augen. Da spürte ich, wie er seine Arme von hinten um mich schlang und mich sanft an sich drückte. „Nicht doch, das muss dir nicht peinlich sein, meine kleine Hexe†œ, sagte er leise und küsste mich auf den Kopf. Vampire und ihr verdammtes Supergehör! „Selten habe ich mich so amüsiert wie heute, es hat mir wirklich unheimlich viel Spaß hier mit euch gemacht.†œ Ich legte meine Hände auf seine Arme und lehnte meinen Kopf an seine Brust. „Ich hab dich auch noch nie so lachen gehört, so unbeschwert und so losgelöst, solange ich dich kenne†œ, erwiderte ich und betrachtete das Chaos, das wir alle hier angerichtet hatten. Mein Bett war unter leeren Pizzakartons begraben und fast leere Chips-Tüten lagen überall verstreut auf dem Boden. Die Möbel waren an die Wände gerückt, auf den Kissen klebte das restliche Popcorn neben dem übriggebliebenen Gummizeug, und leere und halbvolle Flaschen nebst Gläsern standen und lagen überall herum. Plötzlich verlor ich den Boden unter den Füssen und fand mich sicher in seinen Armen wieder. Er hatte mich so schnell hochgehoben, dass mir ein bisschen schwindelig wurde. Vampire und ihre verdammte Schnelligkeit! „Oh.†œ Brachte ich nur hervor und verschränkte meine Finger in seinem Nacken. So konnte ich sein Gesicht in aller Ruhe betrachten. Seine Augenfarbe hatte zu einem Mitternachtsblau gewechselt und seine vollen und sinnlichen Lippen steiften über mein Gesicht. „Mmh, da war noch etwas Schokolade… Also hier, in diesem Durcheinander, kannst du nicht bleiben, außerdem liegen hier überall Scherben rum und ich weiß mittlerweile, dass du gerne barfuß läufst. Ich werde Tiago bitten, dass er deine Kabine wieder auf Vordermann bringt. Solange nehme ich dich mit zu mir, aber natürlich nur, wenn du das auch wirklich möchtest, ja?†œ „ Du kannst Fragen stellen†œ, flüsterte ich und rieb meine Nase an seinem Hals. Sein Duft war einfach nur berauschend. Das war ihm wohl Antwort genug, denn er trug mich in null Komma nichts in seine Kabine.

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Dort angekommen, stellte er mich sanft ab, ging zu seinem Schreibtisch und holte sein Handy hervor. Ich beobachtete ihn während er mit Tiago sprach. Sein Blick strich mit einer solch unglaublichen Zärtlichkeit über meinen gesamten Körper, sodass mir die Knie weich wurden. Als er das Gespräch beendet hatte, warf er das Handy auf den Schreibtisch, nahm mich wieder in seine Arme und küsste mich sanft. „Wir wollten es doch langsam angehen†œ, flüsterte er heiser und knabberte an meinem Ohrläppchen. „Ja, das wollten wir†œ, erwiderte ich leise und knöpfte dabei sein Hemd auf, um an seine Haut zu gelangen. Endlich!

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Nach einer Weile kamen wir langsam wieder zu Atem. Während er zärtlich mit seinen Fingern über meine Arme und meinen Rücken strich, drückte er seine Lippen in mein Haar und raunte: „Mein Herz, das war einfach wunderbar… und ich bin froh, dass wir nicht gewartet haben, aber du solltest dich jetzt ausruhen und ein bisschen schlafen.†œ „Mh-mmh†œ, murmelte ich, und als er uns mit seiner Decke zudeckte, kuschelte ich mich in seine Arme. Meine letzten Gedanken waren: „Mein Vampir und seine wunderbar liebevolle Art…†œ
Als ich am nächsten Morgen aufgewacht war, lag er nicht mehr neben mir, sondern stand nackt mit dem Rücken zu mir an seinem Schreibtisch. Mit dem Handy in der Hand redete er mit gedämpfter Stimme auf jemanden ein. Ich hatte noch nicht mal gehört, dass es geklingelt hatte. Doch plötzlich drehte er sich zu mir um und sah mich entsetzt an: „Was sagst du da, Gavin? Wen hast du gesehen?†œ

Nachdem Drago gegangen war, fiel Kerstin in einen tiefen traumlosen Schlaf. Sie wusste nicht wie lange sie geschlafen hatte, aber es ging ihr nach dem Aufwachen besser. Drago war noch nicht wieder zurück und sie überlegte, was der Auslöser für sein Verhalten gewesen sein konnte. War es die Tatsache, dass irgendein Wesen durch sie zu ihm gesprochen hatte? Oder lag es daran, dass sie ihm ihre Liebe gestanden hat? Kerstin wusste ja um die Gefühle, die Drago für Lindsay empfunden hatte. Vielleicht war er einfach noch nicht so weit und wollte es nicht zugeben, um sie nicht zu verletzten? Tja, das war jedenfalls nicht der richtige Weg gewesen. Kerstin versuchte sich zusammen zu reißen, um nicht wieder zu weinen. Sie beschloss erst mal heiß zu duschen, das half ihr eigentlich immer. Als sie unter den heißen Wasserstrahl stieg, und nach seinem Duschgel griff, es öffnete und ihr der intensive Duft in die Nase stieg, war es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei und sie ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie bemerkte nicht einmal, dass Drago in der Zwischenzeit wieder in seine Kabine zurückgekehrt war. Er hörte durch die nur angelehnte Tür ihr Schluchzen, und er hörte auch ihre Gedanken. „Was habe ich nur gesagt, dass ihn so verschreckt hat? Oder war es doch noch wegen Lindsay?“, grübelte sie und stellte das Wasser ab. Das versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. Er hatte sich eigentlich nur Sorgen gemacht wegen dem, was vorher passiert war. Das mit Lindsay lag doch so lange hinter ihm. Er konnte nicht ändern was damals passiert war, und seine Gefühle waren auch nie so intensiv für Lindsay gewesen, wie Kerstin jetzt annahm. Es wurde dringend Zeit für ein offenes Gespräch. In Gedanken sagte er zu ihr: „Ich bin wieder da. Darf ich zu dir rein kommen?“ Augenblicklich verstummte Kerstin. Es entstand ein langes Schweigen bevor sie laut antwortete: „Ja, es ist ja schließlich dein Bad.†œ Als Drago ins Badezimmer trat, stand Kerstin noch immer unter der ausgestellten Dusche. Und er sah, dass sie fror. Sofort nahm er das große Badetuch, wickelte sie liebevoll darin ein und rubbelte sie sanft trocken. Als er sie in die Arme nahm, zitterte sie. Zusammen gingen sie in das andere Zimmer. „Es ist vielleicht besser, wenn du dir erst mal etwas anziehst. Du bist etwas ausgekühlt. Und dann möchte ich mit dir reden. Soll ich solange vor die Tür gehen?†œ „Sei nicht albern, als wenn du mich noch nie nackt gesehen hättest†œ, sagte Kerstin leicht gereizt. Drago musste über diese Antwort schmunzeln. Während Kerstin ihre Sachen zusammen suchte, stand er vor dem riesigen Fenster und tat so, als wenn er hinaus schauen würde.

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In Wirklichkeit beobachtete er aber das Geschehen im Zimmer, ihren biegsamen wunderschönen Körper, wie sie mit den ihr eigenen geschmeidigen Bewegungen sich langsam anzog. Ihr Gesicht, ihre Beine, ihre Brüste, und er musste daran denken, wie sie sich anfühlte, wie sie schmeckte… Woraufhin er einen Schuh an den Kopf bekam mit der Bemerkung: „Da habe ich jetzt gerade überhaupt keine Lust drauf!†œ Etwas zerknirscht drehte Drago sich um. „Okay, du wolltest mit mir reden†œ, versuchte Kerstin so gleichgültig wie möglich zu sagen. Was aber nicht klappte, da sie ein deutliches Zittern in ihrer Stimme hatte. Drago deutete auf die kleine Sitzecke und beide nahmen Platz. Er musste sich räuspern und blickte ihr fest in ihre Augen: „Okay, reden wir nicht lange um den heißen Brei herum. Ich habe gehört, was du unter der Dusche gedacht hast, und ich kann dir dazu nur sagen, dass du nichts falsch gemacht hast. Es hat auch nichts mit meinen früheren Gefühlen für Lindsay zu tun. Ja, ich habe sie damals geliebt, aber nicht so sehr, wie ich dich jetzt liebe. Es war nie so intensiv wie es bei uns beiden ist, glaubst du mir das?“ Kerstin schaute ihm die ganze Zeit in die Augen und legte dann den Kopf leicht schief. „Ja, ich denke, ich glaube dir. Es hätte ja eh keinen Sinn mir was Falsches zu erzählen, oder?“, sagte sie mit einem leichten Lächeln. Drago sprang auf und ließ sich vor ihr auf die Knie fallen. Der erste Gedanke, der Kerstin in diesem Moment durch den Kopf schoss: „Oh, nein, bitte nicht!†œ Drago fing laut an zu lachen: „Hey, meinst du wirklich, ich wollte dir jetzt einen Antrag machen?“ Kerstin wurde rot. „ Nee mein Schatz, ich wollte dich nur vor Erleichterung küssen.“ Und in Gedanken fügte er noch hinzu: „Und vielleicht machen wir da weiter, wo wir vorhin aufgehört haben?“ Sie stand auf und knuffte ihn liebevoll in die Seite: „Später mein Schatz. Jetzt muss ich erst mal ein paar Nachforschungen über Peru anstellen und ein wenig trainieren. Auch möchte ich mich mit meinen Schwestern treffen und reden.“ Drago versuchte es mit seinem Drachenblick, aber Kerstin ließ sich nicht erweichen und ging Richtung Tür. Völlig verwirrt stand Drago noch an der gleichen Stelle.  Kerstin drehte sich zu ihm um und sagte mit einem Kichern: „Das, mein Schatz, war für dein Spannen vorhin. Und jetzt hast du ja was, worauf du dich nachher freuen kannst.“ Und schon war sie schnell durch die Tür verschwunden, bevor Drago sie erreichen konnte. Das einzige, was er noch hören konnte, war ihr schelmisches Lachen im Flur.

Nach unserem Pärchenabend, der ja eigentlich als Mädelsabend geplant war, machte sich Lilli gleich auf den Weg zu ihren Computern. Fernando begleitete sie. Sie gingen schweigend nebeneinander her. Fernando spürte, dass irgendetwas Lilli bedrückte. Er überlegte, sie darauf anzusprechen, entschloss sich dann aber zu warten, bis sie mit der Sprache herausrückte. Im Computerraum angekommen, überprüfte Lilli die Bildschirme und schaute kurz über die Daten, die schon eingetroffen waren. „Gut, alles läuft so wie ich mir das vorstelle. In zwei bis drei Stunden habe ich alles zusammen.†œ Sie drehte sich zu Fernando um. „Genügend Zeit für ein wichtiges Gespräch.†œ Bevor er reagieren konnte, hatte Lilli seine Hand genommen und zog ihn hinter sich her. „Ich würde sagen, wir gehen in meine Kabine. Das ist näher.†œ Fernando war so verblüfft und auch etwas verunsichert, dass er Lilli ohne weiteres folgte. In Ihrer Kabine, drehte sie sich zu ihm um und schaute ihm fest in die Augen. Sie drückte seine Hand so fest zusammen, dass es ihm Schmerzen bereitete. Sie kämpfte sichtlich mit sich und den Worten, die sie sagen wollte. „Fernando……Ich bin noch nie mit so einem Mann wie dir zusammen gewesen. Ich bin es nicht gewohnt, mich auf einen Mann zu verlassen. Immer war ich der stärkere Part, ich hatte immer die Kontrolle. Und jetzt……. alles was ich wusste und konnte, alles was mir half zu leben, zu überleben, verlässt mich, wenn ich bei dir bin. Durch meine Liebe zu dir verliere ich die Kontrolle über mich, ich falle ins Bodenlose.†œ Lilli schluckte schwer, aber sie musste es aussprechen. „Ich habe angst!†œ
Fernando befreite seine Hand und streichelte zärtlich ihre Wange, dann nahm er sie in seine Arme. „Du musst keine Angst haben, ich fange dich auf†œ, sagte er liebevoll an ihrem Ohr. „Ich werde immer bei dir sein, dich lieben, halten und beschützen. Das schwöre ich dir, bei allem was mir heilig ist.†œ Er strich mit seinen Lippen über ihre Wange und küsste sie sanft. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich nach diesen Armen, nach diesen Lippen, nach diesem Mann gesehnt hatte. Noch vor kurzem kannte sie ihn gar nicht, dieser Mann war ein Fremder für sie. Doch nun spürte sie, dass sie immer auf der Suche nach im gewesen war. Nun hatte sie ihn gefunden. Sie ließ sich fallen und küsste ihn voller Hingabe. Bei ihm fühlte sie sich endlich geborgen, geliebt und sicher. Ihr beider Kuss wurde leidenschaftlicher, er trug sie auf seinen Armen zu der großen Liege an der Fensterfront. Er ließ sie auf die Liege gleiten und schaute sie glücklich lächelnd an. „Jetzt bin ich mir sicher, dass du mich liebst.†œ „Wieso?†œ, hauchte Lilli. „Du leuchtest, aber in einem ganz besonderen, dunklen Grün.†œ „Ich habe es dir ja gesagt, totaler Kontrollverlust†œ, flüsterte Lilli. Sie zog Fernando zu sich.

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Fernando beugte sich zu Lilli und gab ihr einen zärtlichen Kuss.

Gavin zog Lucy ohne ein weiteres Wort zu sagen aus dem Saal. Inzwischen war die Nacht sternenklar hereingebrochen. Die Luft war angenehm kühl und roch nach Salz und Meer.
Er knurrte sie nur kurz an „nicht hier, nicht jetzt†œ und eilte ziellos durch die Straßen. Er stand immer noch unter Schock und konnte die Tragweite der Ereignisse noch nicht fassen. Erst als sie am Hafen angekommen waren, verlangsamte er seine Schritte, ließ sich erschöpft auf einer Bank nieder, den Kopf in seinen wunderschönen Händen vergraben. Lucy, die immer noch nicht genau wusste, was soeben passiert war, kniete sich vor ihn hin, zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn voller Zärtlichkeit und Mitgefühl. Ihre Stirn an die seine gelehnt flehte sie ihn an: „Bitte rede mit mir, Gavin. Was war da drinnen eben los?†œ Gavin, immer noch starr vor Entsetzen, sah ihr lang in die Augen, bevor er ihr antwortete.
„Ich habe jemanden gesehen, der eigentlich tot sein müsste. Du hast doch von Lindsay gehört. Sie tauchte in letzter Zeit häufiger in meinen Träumen auf. Ich bin immer davon ausgegangen, dass mein Unterbewusstsein so versucht die Trauer und den Verlust zu verarbeiten. Aber Lindsay lebt und ich habe sie in meinen Visionen gesehen, weil sie lebt. Eigentlich müsste mir das Herz vor Freude zerspringen, aber ich kann es irgendwie noch nicht glauben. Was macht sie da? Es kann doch nicht sein, dass sie jetzt zu den Dragons gehört? Sie würde uns niemals so verraten.†œ Natürlich hatte Lucy die Geschichte von Lindsay gehört und Anteil an dem großen Verlust der Brüder genommen. „Wir gehen ins Hotel zurück, dort reden wir weiter. Vielleicht finden wir ja etwas heraus, jetzt wo wir wissen, wonach wir suchen müssen.†œ Schweigend gingen sie zurück zum Hotel. Lucy spürte die Anspannung, unter der er stand. Er wollte dieses Rätsel lösen. Nicht nur für die Brüder, sondern vor allen für sich selbst. Zu lange litt er schon unter den Träumen.

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Bei jedem Brand, den er ungewollt entfachte, war es für ihn schwieriger eine Erklärung oder Entschuldigung hervorzubringen. Er wollte nicht, dass sich seine Ordensbrüder oder jetzt die Vash-Schwestern, insbesondere Lucy, Sorgen um ihn machten. Er fühlte sich so schwach und verletzlich. Sein Leben glitt ihm allmählich aus den Händen. Lucy hatte einen guten Instinkt, wenn es darum ging Stimmungen und Gefühle einzuschätzen. Deshalb ließ sie ihn in Ruhe, zumindest fürs Erste.
Gavin ging in ihrer Suite direkt zu seinem Laptop und schaltete ihn ein. „Fahr meinen bitte auch hoch. Ich spring nur schnell unter die Dusche und zieh mir etwas Bequemeres an. Die Schuhe sind echt die Hölle, wer so etwas erfunden hat, muss irgendwie krank gewesen sein†œ, scherzte Lucy. Sie versuchte sein Schweigen mit Belanglosigkeiten zu durchdringen, allerdings ohne Erfolg.
Sie zog sich in Windeseile sich und schlüpfte in die riesige verglaste Dusche. Das Wasser kam eiskalt aus dem Duschkopf und im ersten Moment, als sie der kalte Wasserstrahl Lucy traf, rutschte ihr ein kleiner Schreckensschrei über die Lippen. Sie stellte die Temperatur etwas höher, nicht zu kalt, nicht zu heiß. Das Wasser spülte die Hitze und ihre Sorgen ab, ihre Gedanken wurden wieder klar und gaben ihr neue Energie. Gavin, der nebenan am Computer saß und ihren Aufschrei gehört hatte, stand lässig an den Türrahmen gelehnt und beobachte das Duschszenario. „Was für eine Frau†œ, dachte er. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, so dass sie ihn nicht bemerkt hatte. Ihr schlanker Körper war über und über mit duftendem Schaum bedeckt, der wie kleine Wolken auf ihrer Haut tanzte. Ihr Haar, das ihr fast bis zu den Hüften reichte, schlang sie zu einem dicken Zopf, den sie mit Conditioner einrieb. Ihre Hände kneteten und massierten den dicken Strang, damit sich die Lotion gleichmäßig verteilte und in ihr Haar einzog. Etwas Erotischeres hatte Gavin noch nie gesehen. Obwohl er am liebsten zu ihr in die Kabine geschlüpft wäre, blieb er dort im Türrahmen stehen. Um nichts in der Welt, wollte er diesen Moment zerstören. Er schaute zu und genoss ihren Anblick. Leise schlich er an seinen Computer zurück, konnte aber ein Grinsen nicht länger unterdrücken und begann mit seinen Nachforschungen. Lucy hatte sich inzwischen abgetrocknet und kam mit einem weißen und flauschigen Ungetüm von Bademantel bekleidet aus dem Bad. Sie trat hinter ihn, schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn auf den Scheitel. „Warum hast du die Vorstellung so früh verlassen?†œ, fragte sie ihn neckend. „Du hast mich bemerkt? Ich wollte nicht…, äh, ich konnte nicht…, ach, vergiss es!†œ, stammelte er. „Natürlich hab ich dich bemerkt, im ersten Moment schon. Weißt du, ich spüre deine Nähe, so wie eine elektrische Schwingung, die mal schwächer, mal stärker ist. Schade, ich wollte noch den Seifentrick anwenden, dem hättest du nicht widerstehen können†œ, sagte sie und zwinkerte ihm zu. „Was ist der Seifentrick?†œ, wollte er wissen. „Den kennst du noch nicht, he? Na, ungeschickt wie ich nun mal bin, wäre mir die Seife heruntergefallen. Und ich hätte mich ganz langsam nach ihr gebückt, um sie wieder aufzuheben. Aber dieses glitschige Ding kann man ja nicht beim ersten Mal greifen. So ein Pech aber auch, aber ich bin mir sicher, sie fällt für dich noch einmal und wir …†œ Mit einem Ruck zog er sie auf sich und küsste sie heiß und fordernd. „Still, du kleines Plappermaul. Du brauchst doch keine Tricks bei mir. Ich will dich, ich wollte dich schon immer, und ich werde dich immer wollen. Ohne Tricks. Liebe mit dir ist wie ein Hurrikan, ich möchte mich voll auf dich konzentrieren. Und das kann ich zur Zeit nicht. Und du verdienst nichts anderes, ich möchte keine halben Sachen machen, auch nicht im Bett, verstehst du das? Aber du musst mir noch ein wenig Zeit geben. Ich muss das hier auf die Reihe kriegen, das ist wichtig für mich, ok?†œ „Ja, Gavin, ist doch in Ordnung, ich werde dir helfen.†œ Mit einem Nicken besiegelte er ihr Abkommen. Sie wirkte ein wenig geknickt darüber, dass sie ihn nicht verführen konnte, aber innerlich jubilierte sie. Sie hatte ihn genau da, wo sie ihn haben wollte. Ihr war schon lange klar, dass sie ihr persönliches Glück erst richtig genießen konnten, wenn er diese Sache mit Lindsay und seinen Träumen geklärt hatte. Und dass sie ihm dabei helfen durfte, was er bisher immer abgelehnt hatte. „Na dann mal los. Was haben wir bis jetzt?†œ Sie waren ein Team und ergänzten sich. Ihre Nachforschungen gingen zurück bis zu dem Tag, an dem Lindsay sich von der Klippe gestürzt hatte. Gavin konnte immer noch nicht fassen, dass sie das überlebt hatte. Es gab Augenzeugen, die Lindsay sahen, wie sie sprang. Auch wenn ihr Leichnam nie gefunden wurde, hatten sie nie an ihrem Tod gezweifelt. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er seine Träume falsch gedeutet hatte. Wenn er doch nur auf seine Mutter gehört hätte, wenn er von ihr gelernt hätte, und wenn er sich mit seinen Fähigkeiten des Sehens beschäftigt hätte, ja sie angenommen hätte. Tja, alle „Wenns†œ nützten ihm jetzt nichts. Sobald dieser Alptraum vorüber wäre, würde er sich helfen lassen. Vielleicht wussten ja die Schwestern einen Rat oder konnten ihm einen guten Lehrmeister oder Lehrmeisterin empfehlen. Ja, das würde er tun. Sie arbeiten konzentriert, effektiv und durchaus erfolgreich. Sie suchten in Zeitungsausschnitten und durchforsteten fast jede Datenbank nach Lindsay. Für sie war es eine Kleinigkeit sich die Informationen zu beschaffen. Wenn man wusste, wonach man suchte, war der Rest nicht mehr schwer. Und so fanden sie relativ schnell heraus, dass sie sich jetzt Lin Sayer nannte. In einem Artikel der New York Times über die Eröffnungsfeier des neuen Wolkenkratzers in Dubai entdeckten sie Lindsay auf einem Pressefoto. Sie stand direkt neben dem Anführer der Dragons und lächelte vorteilhaft in die Kamera. Die Schlagzeile lautete: Glanzvolle Eröffnungsfeier von Burj Tower in Dubai. Ihr Name stand unter dem Foto. „Nicht sehr einfallsreich†œ, dachte Lucy bei sich, „wenn ich nicht gefunden werden möchte, würde ich mich doch komplett anders nennen. Und ich würde auch mein Äußeres verändern.†œ Sie wurden nicht schlau daraus.

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Gavin hatte ihr erzählt, sie hätte sich kaum verändert. Sie sah ein bisschen älter, reifer, weiblicher aus als die Lindsay, die er noch gekannt hatte. Aber sie sei sie selbst geblieben. Fieberhaft durchsuchten sie fast die ganze Nacht das Internet nach weiteren Informationen. Wie war Lindsay nur an die Dragons geraten? Scheinbar hatte die Verbrecherorganisation auch ihre Finger bei diesem höchsten Wolkenkratzer der Welt im Spiel. Nachdem sie völlig erschöpft waren, zog Gavin Lucy von ihrem Stuhl und trug sie aufs Bett. Sobald sie die Matratze berührt hatte, schlief sie auch schon. Gavin strampelte sich noch die Schuhe von den Füßen und legte sich mit allen Kleidern neben sie. Auch bei ihm dauerte es nicht lange, und er fiel in einen traumlosen Schlaf. Mitten in der Nacht wurde Lucy von einem Geräusch geweckt und schreckte hoch. Sie wusste nicht wie lange sie geschlafen hatte, aber da war es wieder, ein leises Klopfen an ihrer Tür. „Gavin†œ, flüsterte sie, „da ist jemand an der Tür.†œ Gavin war sofort hellwach. Wer würde sie zu dieser Zeit in ihren Alibi-Flitterwochen stören? Er ging an die Tür, zog den Riegel zurück und öffnete sie nur einen Spalt. „Was willst du hier, Lindsay?†œ, hörte Lucy ihn knurren. „Gavin, lass mich rein. Ich darf hier nicht gesehen werden, aber ich muss dringend mit dir reden. Bitte!†œ, flehte sie ihn an. Er trat einen Schritt zurück, sodass Lindsay an ihm vorbei ins Zimmer schlüpfen konnte. Sie ließ ihren Blick schweifen, als würde sie nach etwas suchen. Doch das Zimmer war leer, nur eine kleine Katze lag zusammengerollt auf dem Bett. „Was willst du hier?†œ „Oh, ich dachte, ich könnte mit dir und dieser Frau, die dich heute Abend begleitet hat, reden. Ist sie nicht hier?†œ wunderte sich Lindsay. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst und abgesehen davon geht dich meine Leben nichts mehr an. Ich muss schon sagen, du hast ganz schön Mut hier aufzutauchen.†œ Gavin ging zum Bett, setzte sich darauf und nahm die Katze in den Arm. „Die ist aber sü߆œ, sagte sie und streckte ihre Hand aus, um die Katze zu streicheln. Ein wildes Fauchen ließ sie innehalten. „Sie mag nicht jeden, und Fremde schon gar nicht†œ, erklärte ihr Gavin, konnte aber ein Grinsen nicht unterdrücken. „Tja, also nun, es ist schön, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen†œ, plapperte Lindsay los. „Es ist viel passiert seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Vielleicht sollte ich ein paar Dinge erklären.†œ „Ja, das solltest du. Aber nicht hier und jetzt. Wenn du reden willst, dann mit Duncan. Ich kann ein Treffen arrangieren.†œ Auf einmal ließ Lindsay ihre Fassade fallen und das harmlos und naiv wirkende Frauchen wurde ganz geschäftsmäßig. „Okay, aber ich darf nicht gesehen werden. Das würde meinen Tod bedeuten. Und euren auch.†œ „Darüber mach dir mal keine Sorgen, ich werde Duncan sofort informieren. Wie kann ich dich erreichen?†œ Sie zog eine kleine Karte aus ihrer Tasche. „Das hier ist eine Bar. Dahinter ist ein kleiner Laden mit Werkstatt, in dem Zigarren gerollt werden. Gib dich als Käufer aus und frag nach Lin Sayer.†œ Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging. Als die Tür ins Schloss gefallen war, sprang Lucy von Gavins Schoß und verwandelte sich vor seinen Augen zurück in ihre menschliche Gestalt.
Lächelnd zog sie ihren Bademantel wieder an und reichte Gavin sein Handy. „Du musst telefonieren, Schatz†œ. Er glaubte, sie noch schnurren zu hören, als er das Telefon nahm.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online †“ Letzte Vorbereitungen [Kapitel 12]

Black Dagger Ladies Online †“ Zwischenstopp in Havanna [Kapitel 10]

Black Dagger Ladies Online

Zwischenstopp in Havanna
Kapitel 10

Doc räusperte sich „Hi.†œ Bowen schwieg, sie schritt auf ihn zu. Das Bett zwischen sich, stand sie ihm direkt gegenüber. Nach einer gefühlten Ewigkeit unbehaglichen Schweigens gingen sie beide langsam um das Bett herum aufeinander zu und blieben voreinander stehen. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar, seine Augen blickten verlegen hin und her, als wüsste er überhaupt nicht, was er sagen oder tun sollte. Er wirkte schwer verunsichert. Endlich erfasste Jane als erste das Wort „Bo, ich…†œ, schon wieder kamen ihr die Tränen, dieses Geständnis kostete sie ihren ganzen Mut. „Bowen, ich halte es nicht mehr länger aus. Ich liebe Dich.†œ Er tat den letzten Schritt, der sie voneinander trennte und nahm ihre Hand „Oh Doc, ich dachte schon, ich hätte alles ruiniert, es tut mir so unendlich leid wie das gelaufen ist.†œ Sie strich ihm mit der freien Hand über die Wange „Nein, das hast du nicht. Ich hätte auch anders reagieren sollen. Trotz allem, zu dieser Verbindung bin ich noch nicht bereit.†œ „Du hast alle Zeit der Welt! Ich werde auch versuchen mich nicht allzu besitzergreifend aufzuführen, Cyrus hat mir gesagt, dass auch er ein Auge auf mich haben wird und aufpasst, dass ich es nicht übertreibe.†œ Doc blickte auf das Bett und lächelte anzüglich „Ach, also in manchen Bereichen kannst du das ruhig gerne so beibehalten.†œ „Na, dann komm her, meine Erdbeere.†œ

Wie aus weiter Ferne hörte Kerstin immer wieder ein und dieselbe Stimme. Aber irgendwas in ihrem Inneren sträubte sich, auf diese Stimme zu hören. Sie fühlte sich gut. Erleichtert und frei, aber trotzdem stimmte was nicht. „Warum fühle ich mich so gut?“, fragte Kerstin sich. „Da, wieder diese Stimme, die mir sagt, dass ich irgendwo hingehen soll. Warum, es ist doch schön hier. So tolle Farben, es ist warm und weich. Und, oh, da ist etwas auf meiner Stirn, jetzt auf meinen Lippen. Es fühlt sich vertraut an†œ, dachte sie und wusste nicht, woran sie das erinnerte. Doch plötzlich wurde es ihr schlagartig klar. Mit einem Ruck wachte sie auf. Kerstin befand sich noch immer in dem merkwürdigen Raum, der so toll aussah und der so merkwürdig roch. Und da war er, Drago. Sie lag in seinen Armen, auf dem Fußboden? Ach ja, sie hatte sich eine kleine Auszeit genommen und war eingeschlafen. „Hallo“, sagte Drago ganz leise und hatte dabei ein Lächeln auf den Lippen. „Hallo“, gab Kerstin mit belegter Stimme zurück. „Was ist los? Wieso liegen wir zwei auf dem Boden und ich in deinem Arm?†œ, fragte sie vorsichtig. „Tja“, sagte Drago, „du hattest dir wohl gedacht, du würdest gern ein bis drei Stündchen schlafen und hast dich mir in die Arme geworfen.“ Sofort wollte sie aufstehen, aber er hielt sie sanft zurück. „Wo willst du denn hin? Trink erstmal was, damit du wieder in Schwung kommst.†œ „Okay“, sagte Kerstin und in Gedanken fügte sie hinzu, „warum auch nicht, liegt sich gut hier. Wer weiß, wann ich noch mal so eine Gelegenheit habe.“ Drago fing an zu lachen und Kerstin wusste auch sofort warum und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie hatte vergessen, dass er nun ihre Gedanken hören konnte, auch ohne ihr in die Augen zu schauen. „Oh man, ist das peinlich.“ „Nein, warum denn. Es ist nur etwas ungewohnt für uns beide“, gab er zurück. Kerstin wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie schauten sich an, und diesmal konnte Kerstin hören was er dachte. „Ich würde gern mit dir all die Sachen machen, an die du vorhin gedacht hast.†œ Kerstin wurde sofort rot wie ein Hochofen. „Ich würde dir am liebsten hier und jetzt die Klamotten vom Leib reißen und dich so verwöhnen wie du es dir nie erträumt hast, dich küssen und streicheln. Aber das geht ja leider nicht, du hast eine Beziehung. Und er liebt dich.“ Unglücklich schaute er sie an. „Ich werde mich nicht zwischen dich und Tim stellen. Ich habe schon genug Ärger mit den Jungs. Und ich tauge nichts für eine feste Bindung“, sagte er und rückte etwas von Kerstin ab. Kerstin zog die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß nicht, was zwischen den Jungs und dir vorgefallen ist. Ich habe vorhin die Beziehung mit Tim gelöst. Ich habe eine Seite an ihm entdeckt, die mir überhaupt nicht gefällt. Das wäre also nicht das Problem, und wenn du mir nicht sagen möchtest, was vorgefallen ist, ist das für mich auch in Ordnung. Aber wir müssen beide herausfinden, was das zwischen uns ist.“ Ein trauriges Lächeln erschien auf Dragos Gesicht. „Ich habe Angie erzählt, was damals geschehen ist, du kannst sie fragen. Und für unser kleines Problem finden wir auch noch eine Lösung.“

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Er zog Kerstin wieder an sich und gab ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. Da, das war es, was sie vorhin gespürt hatte. Er hatte sie also geküsst. Siedendheiß fiel ihr noch etwas ein. „Sag mal, als ich vorhin diese Auszeit genommen habe“, Drago musste schmunzeln, „wieso hast du dir nicht die Lippen verbrannt, als du mich geküsst hast?“ Jetzt war es Drago, der etwas verwirrt war. „Na ja ich meine, das letzte Mal, als ich dir diesen Kuss auf dein Ohr gegeben hatte, habe ich dich doch verbrannt?“ Daran konnte er sich noch gut erinnern. „Weil du jetzt nicht wütend warst, würde ich sagen. Aber wir können es gern noch mal ausprobieren“, sagte er und diesmal war wieder das Grinsen da. Ihr blieb keine Zeit mehr zu überlegen, schon hatte Drago sie fest an sich herangezogen und leidenschaftlich geküsst. Ihr blieb fast die Luft weg. Dann seufzte sie und erwiderte den Kuss. Drago löste sich von ihren Lippen und schaute sie an. „Alles okay?“, fragte er. „Bei mir schon“, antwortete Kerstin und im nächsten Moment verschloss sein Mund erneut ihre Lippen. Mit ihren Fingern fuhr sie durch seine Haare und zog in fester an sich heran. Drago verstand diese Geste und begann sie zu streicheln. Mit seinen Fingern zog er eine Linie von ihrer Stirn der Nase entlang zu ihren Lippen. Dann wanderten seine Finger über ihre Wangenknochen und strichen eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Kerstin bekam eine Gänsehaut. Sie knabberte an seiner Unterlippe und biss ganz kurz zu. Drago stöhnte leise auf. Kerstin legte den Kopf in Nacken und genoss die Berührungen.

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„Mmh, das war jetzt nicht das Gespräch, das ich mir erhofft hatte, aber es hat mich trotzdem zu einer Erkenntnis gebracht.“ „Ach ja, inwiefern denn?“, fragte Drago. „Ja“, sagte Kerstin, „also erstens †“ wow…, das war ein Erlebnis, wovon ich später bestimmt nicht meinen Enkeln erzählen werde.“ Drago musste lachen. „Und zweitens – ich bin mir noch nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich habe jetzt keine Angst mehr davor herauszufinden, was es mit uns beiden auf sich hat.“ Sie lächelte und schaute ihn an. Aber er machte ein so ernstes Gesicht, dass Kerstin sich aufrichten musste, um ihn richtig anzusehen.
Dabei rutschte die Decke von ihrem Körper, und in Dragos Mundwinkeln war ein kleines Zucken zu erkennen. „Das kannste jetzt vergessen“, dachte Kerstin und Drago sagte: „Warum denn? War es eine so schlechte Art zu den Erkenntnissen zu kommen?“ „Nein“, erwiderte sie, „aber ich möchte jetzt in meine Kabine, ich muss duschen und mich umziehen. Wir müssen noch so einige Vorbereitungen für Peru treffen und ich muss noch mal mit Angie und auch mit Tim sprechen. Das bin ich Tim schuldig.“ Drago hatte wieder dieses selbstsichere Grinsen im Gesicht und nahm Kerstin in seine Arme. „Verstehe ich das richtig? Du und ich? Ich meine…“, aber Kerstin unterbrach ihn. „Vielleicht!? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich möchte es gerne versuchen, auch wenn du mir vorhin gesagt hast, dass du nicht für eine feste Beziehung taugst. Und natürlich möchte ich genau wissen, was das alles mit uns zwei auf sich hat.“ Mit einem lauten Seufzer der Erleichterung zog Drago Kerstin an sich und küsste sie zärtlich.

Fernando war schon seit einer Stunde wach, er war von der aufgehenden Sonne geweckt worden. Ein unheimliches Glückgefühl durchdrang ihn, als er Lilli so in seinen Armen liegen sah. Er beobachtete sie und lächelte über ihre Grimassen, die sie im Schlaf machte. Er liebte dieses Gesicht, diese Wuschelhaare und diese spitzen Öhrchen, die sich auch ab und zu bewegten. :Am liebsten hätte er dieses Gesicht mit Küssen übersät, aber er wollte sie nicht wecken, also begnügte er sich damit, sie zu beobachten. Er war sich auch immer noch nicht sicher, ob Lilli ihn wirklich liebte. Sie hatte ihm zwar ihre Liebe gestanden und erzählt, dass sie sich von ihrem toten Geliebten André verabschiedet hatte, aber er wusste wie tief die Wunde in Lillis Herz war. Konnte er diese Wunde wirklich heilen, und würde Lilli irgendwann wirklich seine Gefährten sein? Er wusste es nicht, er konnte nur darauf hoffen, und er hatte Angst davor, dass seine Hoffnung vergebens war.
Lilli kam langsam zu sich. Sie fühlte sich unheimlich wohl und geborgen. Sie spürte, dass sie immer noch in Fernandos Arme gekuschelt war, und dass er sanft über ihre Haare strich. Sie öffnete die Augen und sah in ein lächelndes, wunderschönes Gesicht. „Guten Morgen, meine Schöne. Hattest du angenehme Träume?†œ Lilli rieb sich den Schlaf aus den Augen und lächelte ebenfalls. „Ja, hatte ich, vielen Dank. Ich habe gerade mit Lucy und Kerstin ein paar Dragons verhauen, das war klasse.†œ Fernando setzte ein breites Grinsen auf: „Habe ich gesehen. Dein Gesicht spricht Bände, wenn du schläfst.†œ

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„So? Wie lange bist du denn schon wach, du kleiner Spanner?†œ „Schon eine Weile und ich konnte es gar nicht abwarten, dieses zu tun,†œ sagte Fernando und küsste Lilli liebevoll und zärtlich. Sie erwiderte seinen Kuss und schmiegte sich an seinen Körper. Ihr Kuss wurde intensiver und Lillis Hände fuhren unter Fernandos T-Shirt. Er stand sofort unter Strom, damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Sollte es jetzt wirklich dazu kommen, dass sich Lilli ihm aus Liebe hingab? Anscheinend, denn ihre Hände waren überall auf seinem Körper und ihr Kuss wurde immer leidenschaftlicher und drängender. Fernando konnte sein Glück nicht fassen. Er wollte gerade Lillis Zärtlichkeiten erwidern, als sein Handy klingelte. Genervt stöhnte er auf und löste sich widerwillig von Lilli. „Wer immer das auch ist, ich bringe ihn um!†œ, zischte er. „Wer stört?†œ, blaffte er ins Handy. Er hörte einen kurzen Moment zu und sagte dann: „Hattori, beruhige dich, ich bin gleich bei dir. Ja sicher! Sofort!†œ Er steckte sein Handy weg und schaute in Lillis besorgtes Gesicht. „Hattori hatte einen sehr beunruhigenden Traum. Ich muss sofort zu ihm.†œ „Ja, klar. Geh und hilf ihm, er braucht dich. Ich mache mich fertig und schau mal nach den anderen. Mal hören, ob es was Neues an den Beziehungsfronten gibt.†œ Fernando lächelte Lilli entschuldigend an. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich hoffe, dass wir bald da weitermachen können, wo wir eben aufgehört haben.†œ Lilli schlang ihre Arme um Fernandos Hals und gab ihm einen verheißungsvollen Kuss. „Da kannst du Gift drauf nehmen, dass wir das fortsetzen. Und jetzt geh zu Hattori.†œÂ  „Ich kann es kaum erwarten†œ, raunte er ihr ins Ohr und ging zur Tür. Er drehte sich noch einmal um und sah, dass Lilli ein leichtes grünes Leuchten ausstrahlte. „Ich auch nicht†œ, sagte sie lächelnd „Ach, und denk daran, du wolltest auch noch bei Drago vorbeischauen.†œ „Sicher doch. Hab ich nicht vergessen. Bis später, meine Schöne.†œ
Nachdem Lilli sich geduscht und angezogen hatte, lief sie rauf zum Oberdeck. Aber von ihren Schwestern war keine zu sehen, und auch von den Jungs lief ihr keiner über den Weg. Komisch, es war schon später Vormittag, die konnten doch nicht alle noch schlafen. Sie schlenderte zur Bar und traf dort auf den ziemlich zerknirscht wirkenden Cyrus. „Hallo Cyrus, was ist denn dir passiert?†œ „Oh, hallo Lilli. Das ist eine nicht sehr schöne Geschichte und ich möchte sie eigentlich auch nicht erzählen.†œ Lilli setzte sich auf einen Barhocker und schaute ihn verständnisvoll an. „Mir geht es immer besser, wenn ich über meine Probleme reden kann, und ich kann schweigen wie ein Grab. Also, wenn du es mir erzählen möchtest, ich habe Zeit. Wenn nicht, ist es auch gut, und ich leiste dir nur etwas Gesellschaft.†œ Cyrus schaute sie nachdenklich an. „Ja, ich glaube du hast recht. Vielleicht geht es mir ein wenig besser, wenn ich mit jemandem darüber spreche. Lilli, ich habe voll Mist gebaut!†œ Cyrus erzählte Lilli die ganze Geschichte, die sich zwischen mit Jane und ihm und Bowen abgespielt hatte. Lilli hörte sehr aufmerksam zu, und als Cyrus sich alles von der Seele geredet hatte, blies sie ihre Backen auf und ließ die Luft hörbar wieder austreten. „Oh Cyrus, da hast du ja wirklich ganz schön was angestellt. Hast du schon mit einem der beiden geredet?†œ „Ja klar, mit Bowen. Er ist mir nicht böse. Er weiß wie der Mond auf mich wirkt, und er hat mir schon öfters aus der Patsche geholfen. Aber, dass mir das jetzt ausgerechnet bei Jane passiert ist, ist mir unheimlich peinlich. Meinst du, ich kann mit Jane reden. Ich habe schon ganz schön angst davor, mit ihr zu sprechen.†œ Lilli lächelte Cyrus an: „Das kann ich mir vorstellen, aber du brauchst keine Angst vor Jane zu haben. Sie ist sehr verständnisvoll und nicht nachtragend. Geh zu ihr, und entschuldige dich bei ihr, dann wird alles wieder gut. Ganz einfach, Cyrus, Augen zu und durch.†œ „Ja, Lilli du hast recht. Danke fürs Zuhören und bitte, erzähle es niemand. Ich mache mich gleich auf den Weg und rede mit Jane.†œ Lilli rutschte vom Barhocker: „Ich habe dir ja gesagt, dass ich schweigen kann wie ein Grab. Warte, ich begleite dich ein Stück. Ich will runter in den Computerraum, vielleicht finde ich Lucy dort.†œ Unten angekommen, bemerkten sie, dass die Tür zur Krankenstation offen stand. Lilli klopfte Cyrus auf die Schulter: „Geh rein. Das ist bestimmt Jane, Fernando ist nämlich bei Hattori oder Drago.†œ

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Cyrus schaute sie fragend an. „Kann ich dir jetzt nicht näher erklären. Du musst zu Jane und dich mit ihr aussprechen. Viel Glück!†œ Lilli lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu und ging weiter zum Computerraum.
In der Zwischenzeit war Fernando bei der Kabine von Hattori angekommen. Er musste sich schwer zusammenreißen, um nicht dauernd an das kurze Zwischenspiel mit Lilli zu denken. Das war jetzt nicht sehr hilfreich, er musste wieder einen klaren Kopf bekommen. Er hatte kaum an Hattoris Tür geklopft, da wurde diese schon aufgerissen und ein völlig aufgeregter Hattori zog ihn in die Kabine. „Mann, Nando, bin ich froh, dass du da bist. Wie lange brauchen wir noch bis nach Peru?†œ „Übermorgen sind wir da. Sag mal, Hattori, was für Geister gehen dir denn nach?†œ „Ich habe schon nach Jean geschickt, ihr müsst mich bis Peru in eine Zelle sperren!†œ Fernando schaute ihn total entgeistert an. „Wie in eine Zelle sperren? Jetzt mal ganz langsam, was ist denn los?†œ Hattori setzte sich atemlos aufs Bett und strich sich mit fahrigen Händen übers Gesicht. „Nando, ich weiß jetzt, was die Dragons mit mir vorgehabt haben. Sie wollten einen Schläfer aus mir machen und ich weiß nicht, wie gut ihnen das gelungen ist.†œ „Wie kommst du denn darauf?†œ „Ich habe im Traum gesehen wie ich Duncan, Bowen und dich umgebracht habe. Ich habe euch mit meinen eigenen Händen die Köpfe abgerissen. Es war so furchtbar. Ich hätte es ja noch als schlimmen Alptraum abgetan, wenn da nicht dauernd diese Stimme gewesen wäre.†œ „Welche Stimme?†œ, fragte Fernando, der seinen Freund entsetzt anschaute. „Die Stimme in meinem Kopf. Sie sagte immer wieder: das musst du tun, das musst du tun. Ich bin wach geworden, als ich aus der Kabine gehen wollte und habe dich dann sofort angerufen. Ich weiß nicht, ob und wie lange ich dem standhalten kann. Ich wollte mich ja schon auf den Weg machen, um es in die Tat umzusetzen. Ich muss zu meinem Meister. Nur er kann mir helfen meinen Geist und meinen Körper davon zu befreien.†œ „Gut, wenn du es so möchtest. Nur du allein kannst einschätzen wie groß die Gefahr ist.†œ Es klopfte an der Tür und Jean kam herein. „Hey, wo brennt es denn?†œ Fernando schaute besorgt zu Jean: „Wir müssen Hattori bis Peru in eine Zelle sperren. Er ist für uns eine Gefahr. Er kann es dir auf dem Weg dorthin selbst erzählen, ich muss sofort zu Duncan und es ihm berichten.†œ Er drehte sich zu Hattori, der schon seine Sachen in die Hand nahm und zu Jean ging. „Beruhige dich, Kumpel. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Jean bringt dich und uns jetzt erst einmal in Sicherheit und dann sehen wir weiter. Ich denke, Duncan hat schon alles in die Wege geleitet, damit du in Peru gleich weiterreisen kannst.†œ Hattori nickte nur kurz: „Danke, Leute. Jetzt bin ich erleichtert.†œ Während Hattori und Jean sich auf den Weg zu den Zellen machten, eilte Fernando zu Duncans Kabine. Armer Hattori, welchen Kampf musste er wohl mit sich austragen, diese verdammten Dragons. Fernando wollte gerade an Duncans Tür klopfen, als diese aufging und ich ihm in die Arme lief. Natürlich hatte ich sofort einen hochroten Kopf. „Ups, Fernando. Äh, wo ist denn Lilli?†œ, konnte ich nur noch stammeln. Fernando lächelte mich an und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er nicht überrascht war, mich zu sehen. „Die wollte nach euch Mädels suchen und Neuigkeiten austauschen. Wo sie jetzt aber genau ist, weiß ich nicht. Ich war bei Hattori und muss jetzt dringend mit Duncan reden. Ciao Angie.†œ „Äh, ja, ciao†œ, sagte ich zu der geschlossenen Tür und verkrümelte mich. Ich musste erst mal meine Gedanken und Gefühle sammeln.
Duncan hatte mir mit leidenschaftlichem Blick nachgesehen und war jetzt doch sehr verlegen, als Fernando zur Tür hereinkommen war. „Oh, hallo Fernando, was gibt†™s?†œ Fernando grinste über das ganze Gesicht. „Das muss dir nicht peinlich sein, Duncan. Ich bin†™s Fernando, dein bester Freund. Ich habe das schon kommen sehen. Ich habe es wahrscheinlich schon früher gewusst als du. Aber darüber können wir später noch reden. Ich habe dir jetzt wichtigere Sachen zu berichten.†œ Fernando berichtete Duncan was mit Hattori los war, und dass er sich jetzt in einer Zelle befand. Duncan war zuerst sprachlos, doch dann funkelten seine Augen vor Zorn. „Diese Ausgeburten der Hölle, die machen vor gar nichts Halt. Wenn wir die nur mal in die Finger bekämen†œ, polterte er los. †œVielleicht können wir Hattori aber noch früher von Bord bringen. Lucy hat etwas über ein Treffen der Dragons herausbekommen, das in Havanna stattfinden soll.

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Ich überlege, sie und Gavin dorthin zurückzuschicken. Bei dieser Gelegenheit könnten wir Hattori vom Schiff bringen, dann müsste der arme Kerl nicht bis Peru eingesperrt bleiben. Ich kümmere mich mal darum.†œ „Gut, bis später. Ich muss noch eine Tür weiter. Es scheint ein anstrengender Tag zu werden†œ, sagte Fernando und schickte sich an die Kabine zu verlassen. „Fernando! Warte mal!†œ, rief Duncan. Fernando drehte sich mit einem breiten Lächeln um: „Ja, Alter, alles klar. Ich komme heute noch mal auf einen Drink vorbei, dann können wir ausführlich darüber reden.†œ „Danke, Fernando.†œ Fernando verließ Duncan und machte sich auf den Weg zu Drago, er hatte es Lilli ja praktisch versprochen. Als er in den Gang von Dragos Quartier einbog, sah er wie Kerstin gerade Dragos Kabine verließ. Er hatte heute aber auch ein miserables Timing, erst Angie und jetzt auch noch Kerstin. „Hallo, Fernando, was machst du denn hier?†œ „Ich muss mich mit Drago besprechen. Und du?†œ „Ich hatte auch was mit ihm zu besprechen.†œ Jetzt lief auch Kerstin hochrot an. „Äh, wo ist denn die Lilli?†œ Fernando grinste frech. †œBei Drago sicher nicht. Ich denke, ihr solltet mal wieder einen Mädelsabend veranstalten, es besteht wohl Redebedarf.†œ Kerstin hatte es eilig zu verschwinden: „Ja, da kannst du Recht haben. Ich werde sie mal suchen.†œ Fernando drehte sich, immer noch grinsend, zu Dragos Tür und klopfte an. Drago öffnete sofort: „Du brauchst doch nicht anzuklopfen, hast du was…, Fernando? Was verschafft mir denn diese Ehre?†œ, fragte er etwas barsch als er sah, dass nicht Kerstin, sondern Fernando vor ihm stand. „Hallo Drago, ich wollte mit dir sprechen. Darf ich eintreten?†œ Drago war perplex. „Ja, sicher. Komm doch rein.†œ Fernando blieb mitten im Raum stehen und drehte sich dann zu Drago, der immer noch ungläubig an der Tür stand. „Also, Drago, ich wollte mit dir sprechen, weil mir Lilli die Augen geöffnet hat. Sie hat mich dazu gebracht, die Sache mit deinem plötzlichen Verschwinden und Lindsay nochmals zu überdenken. Drago schaute in ungläubig an und stammelte: „Oh…, Fernando, ja…, wenn ich gewusst hätte, dass der Gründer, als er mir den Befehl zu dem Auftrag gegeben und verlangt hatte, ohne Erklärung zu gehen, Lindsay und euch nicht darüber aufklärt, hätte ich mich nicht daran gehalten. Wirklich, ich verstehe bis heute nicht, warum Lindsay das getan hat!†œ Verzweiflung spiegelte sich in seinen Augen. Lindsays Freitod und der Verlust der Bruderschaft lastete noch immer schwer auf ihm. Nachdem er fortgegangen war, hatte sich Lindsay von einer Klippe gestürzt. Ihre Leiche wurde niemals gefunden, nur das Halstuch, das sie an dem Tag ihres Verschwindens getragen hatte, war am Rand der Klippe gefunden worden. Die Brüder liebten Lindsay wie eine Schwester und so machten sie Drago für ihre Tat verantwortlich. Bislang hatte es keine Gelegenheit für eine Erklärung gegeben. Drago hatte bis zu dem unerwarteten Treffen in New Orleans den Kontakt zur Bruderschaft völlig verloren. „Es tut mir aufrichtig leid, dass wir dich verstoßen haben. Es tut mir auch leid, dass wir dich in deinem Schmerz und Kummer alleine gelassen haben. Wir waren in unserer eigenen Trauer so gefangen, wir dachten, ihr hättet euch gestritten, und dass du deswegen einfach abgehauen bist†œ, murmelte Fernando, dem so langsam die Bedeutung von Dragos Worten bewusst wurde. Sie hatten ihm Unrecht getan, das stand fest. „ Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.†œ Drago war vollkommen sprachlos, darauf war er jetzt nicht gefasst gewesen. Seine Gefühle fuhren Achterbahn mit ihm. Er konnte es nicht fassen, ungläubig und misstrauisch starrte er Fernando an. Dieser hielt Dragos Blick stand und öffnete nun sein Arme. „ Bruder?†œ Jetzt gab es für Drago kein Halten mehr. Er ging auf Fernando zu und fiel regelrecht in seine Arme. Er hatte seine Brüder unheimlich vermisst und war sich so verloren vorgekommen. „Für mich bist du wieder ein Bruder und ich werde auch mit den anderen reden. Ich werde dir treu und helfend zur Seite stehen, so wie es hätte immer sein sollen.†œ Drago löste sich von Fernando und schaute ihn mit wässrigen Augen an. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet. Wenigstens einer, der mich wieder in sein Herz lässt. Ich muss mich wohl recht herzlich bei dem Waldelfchen bedanken.†œ „Ja, Lilli hat mich auf den richtigen Weg gebracht. Sie hat eine ganz besondere Sicht auf manche Dinge. Ich will heute noch einmal zu Duncan und wenn es sich ergibt, werde ich mit ihm auch mal über deine Situation reden. Aber zwischen uns beiden ist jetzt alles wieder klar.†œ

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Drago sah Fernando ehrfürchtig an, nahm seine rechte Hand und legte sie auf sein Herz. „Bruder. Für immer und ewig!†œ Fernando lächelte: „Ja, Drago für immer und ewig.†œ Dann drehte sich Fernando um und ließ einen dankbaren und glücklichen Drago in seiner Kabine zurück. „Grüß mir das Elfchen, und gib ihr einen Schmatzer†œ, rief er ihm noch hinterher.

Nachdem Lucy in ihre Kabine zurückgekehrt war, versuchte sie zu schlafen. Aber sie war zu sehr aufgedreht, soviel Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Erst in den frühen Morgenstunden kam der ersehnte Schlaf, der ihr etwas Ruhe brachte. Und so stand die Sonne schon hoch am Himmel, als sie am nächsten Tag aufwachte. Mit einem Satz war sie aus dem Bett, und ging, ohne Zeit zu verlieren, direkt in die Dusche. Der kalte Wasserstrahl brachte ihren Kreislauf schnell wieder auf Trapp. Für ihr tägliches Fitnesstraining war jetzt zwar keine Zeit mehr, deshalb machte sie sich direkt auf den Weg zu Duncan in die Kommandozentrale. Unterwegs begegnete sie Fernando, der sie nur strahlend anlächelte und ihr einen wunderschönen Tag wünschte. Den Grund konnte sie sich schon denken, nahm sich aber vor, direkt nach dem Gespräch mit Duncan, Lilli aufzusuchen und eine Zusammenfassung der letzten Stunden aus erster Hand zu verlangen.
Duncan, der gerade telefonierte, bemerkte sie erst gar nicht, als sie die Brücke betreten hatte. Aus den Gesprächsfetzen, die sie hörte, schloss sie, dass Sweetlife am anderen Ende sprach. An seiner finsteren Miene konnte sie seine Stimmung ablesen. Sie beschloss schon im Vorfeld heute besser keine Diskussion mit ihm anzufangen und seine Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn sie persönlich anderer Meinung war. „Ah, Lucy, auch schon wach? Während du im Land der Träume warst, haben wir recherchiert und Vorbereitungen getroffen und …†œ „Was für Vorbereitungen?†œ, unterbrach sie ihn aufgeregt. „Himmel, dass ihr aber einem nie ausreden lasst, lernt ihr das auf der Schwesternschule?†œ „†™tschuldigung†œ, murmelte sie verlegen. „Also, deine E-Mail, die du gefunden hast, ist eigentlich eine Einladung zu einem Bankett, den Namen der Person, für die die Einladung ist, konnten wir leider nicht finden. Das Bankett, wie du ja weißt, findet heute Abend statt. Ich möchte, dass Gavin dich dahin begleitet. Außerdem nehmt ihr Hattori mit von Bord, er wird weiter in die Schweiz in ein Sanatorium reisen, um sich dort mit seinem Meister zu treffen. Die Einzelheiten kann er dir selbst erklären. Ihr benutzt das Schnellboot, Gavin ist schon dabei, das Boot startklar zu machen.†œ Duncan machte eine Pause, um zu Lucy aufzublicken und konnte sich bei ihrem Anblick ein Grinsen nicht verkneifen. Lucy strahlte über das ganze Gesicht und hatte sich aus Versehen ein paar Schnurrhaare wachsen lassen. „Äh, du musst dich aber noch bevor ihr aufbrecht, rasieren, so kannst du da nicht auftauchen†œ, sagte er und prustete vor Lachen los. „Huch, ja, das sollte kein Problem sein†œ, und schon war Lucys Bart wieder verschwunden. „Noch eins zum Schluss, ich möchte keine Alleingänge. Ihr werdet nur beobachten, eigenmächtiges Handeln ist ausdrücklich verboten. Wir bleiben ständig in Verbindung, und ich werde über jedes auch noch so kleines Detail informiert. Ich will wissen, wer dort ist, wer mit wem spricht, über was gesprochen wird. Vielleicht gelingt es uns den Zweck dieses Treffens herauszufinden. Geht das klar?†œ, schnauzte er sie an. „Ja, geht klar, aber noch eine Frage. Wie kommen wir hinein. Wir haben ja keine Einladung.†œ „Falsch, wir hatten keine, jetzt haben wir eine. Sweetlife und ihr unendliches diplomatisches Geschick hat es möglich gemacht, dass wir euch einschmuggeln können. Auch das ist schon alles geklärt, frag Gavin für wen ihr euch ausgebt.†œ Duncan wand sich seinem Computer zu, das Gespräch war offensichtlich beendet. „Danke, dir auch alles Gute†œ, nuschelte Lucy vor sich hin und verließ die Brücke. Sie musste jetzt sofort zu Gavin und fragen, was noch zu tun sei. Schließlich sollten sie nicht ohne genauen Plan und Absprachen in Havanna auftauchen. Es gab noch so viel zu besprechen. Wie erwartet fand sie ihn in dem Bootsraum am Heck des Schiffes. Er war gerade damit beschäftigt, das Boot zu betanken. „Hältst du das für eine gute Idee, du und Benzin?†œ, rief sie ihm zu.

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Gavin ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, eigentlich hatte er sie schon früher hier erwartet. „Das ist kein Benzin, das ist Diesel, das brennt nicht so leicht. Aber ablenken solltest du mich trotzdem nicht.†œ Lucy übte sich in Geduld und wartete, bis er den Vorgang abgeschlossen hatte. Sie war sich immer noch unsicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Gavin wischte sich die Hände an einem Tuch sauber, dabei sah er ihr direkt in die Augen. Waren da nicht schon wieder kleine Funken zu sehen? Oder hatte sie sich getäuscht. Langsam kam er auf sie zu, Lucy hielt die Luft an. Bekleidet nur mit einer alten abgeschnittenen Jeans und alten Turnschuhen gab er ein umwerfendes Bild ab. Er roch nach Öl, Schweiß und Mann. Ihr Herz raste, aber noch immer schwiegen sie. Sie durfte die Perfektion seines Körpers schon öfter bewundern, und doch rang sie immer wieder nach Atem. Mit einem Ruck zog er sie in seine Arme und küsste sie wild und leidenschaftlich. Lucy schnappte nach Luft und wollte etwas sagen, aber es kam nur ein leises „Hi†œ aus ihrem Mund. „Hey. Bevor du etwas sagst, hör mich an. Ich war nicht fair zu dir, ich hätte mit dir reden sollen, aber das ist alles nicht so einfach für mich. Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich dich verletzt habe, ich wollte das nicht. Vielleicht hätte ich dich auch warnen sollen, aber ich hatte Angst, dich wieder zu verlieren. Von meinen „Träumen†œ, meinen Visionen rede ich nicht gern. Das ist eine Seite in mir, die ich weder verstehe, noch beherrsche oder kontrollieren kann. Ich hab von meiner irischen Mutter, die eine Seherin war, die Veranlagung geerbt. Sie war eine großartige Frau und hat nie ihre Fähigkeit zu ihrem eigenen Vorteil benutzt. Sie wusste immer die richtigen Schlüsse zu ziehen, hat nie eine Vision falsch gedeutet. Leider starb sie, bevor sie mich unterweisen konnte. Aber das ist lange her und seitdem war ich nie wieder in Irland.†œ Lucy, sichtlich ergriffen von Gavins Geständnis, legte eine Hand an seine Wange und küsste ihn ganz zärtlich auf die Lippen. „Du musst mir nichts erklären, nicht jetzt, sag, dass du mich liebst und alles andere kann warten, ich kann warten.†œ „Das musste ich von dir hören, jetzt kann ich mich jedem Problem stellen, gemeinsam mit dir.†œ In inniger Umarmung verharrten sie so für einige Minuten. „Lucy? Scha-atz? Wir müssen langsam los. Geh und hol deine Sachen, ich hab schon alles an Bord, was ich brauche.†œ Mit einem Seufzer löste Lucy die Arme von ihm. „Ja, du hast ja recht. Ich hol meine Tasche und verabschiede mich noch von den Mädels.†œ „In Ordnung, und ich spring noch schnell unter die Dusche und komm mit Hattori zur Heckklappe.
Die Tasche hatte Lucy schon in der Nacht gepackt, als sie nicht schlafen konnte. Ein Bankett, das bedeutete sie musste in Havanna noch einkaufen gehen, denn ein angemessenes Kleid hatte sie nicht dabei. Mit der Tasche in der Hand ging sie zum Computer-Raum, wohl wissend, dass sie hier sicher Lilli, ihre allerbeste und älteste Freundin, treffen würde. Sie traf Lilli tuschelnd mit Kerstin an. Was hatten die sich wohl zu erzählen? Na, man konnte es fast an ihren Gesichtern ablesen. „Hi, ihr beiden. Wie ich sehe, gibt†™s was Neues? Ach Kerstin, gesunde Gesichtsfarbe. Und Lilli, du leuchtest wieder. Alles klar bei euch?†œ Lilli und Kerstin tauschten nur einen Blick, um dann beide wild durcheinander los zu plappern. Lachend fiel Lucy ihnen in die Arme „Ihr müsst mir gar nichts erklären, ich möchte nur hören, dass es euch gut geht und ihr glücklich seid. Mehr muss ich nicht wissen. Ich wollte nur kurz Tschüss sagen, Gavin und ich fahren jetzt gleich. Hattori kommt übrigens auch mit. Bitte passt ganz doll auf euch auf, macht keine dummen Sachen†œ, redete Lucy auf sie ein. „Und grüßt bitte auch Doc und Angie von mir.†œ Mit Tränen in den Augen umarmte Lucy nochmals ihre Freundinnen. „Klar passen wir auf, aber das gilt auch für dich und Gavin. Ich bleib hier am Computer, sodass du mich jederzeit erreichen kannst. Mein Handy bleibt auch immer an, falls du mich brauchst†œ, versprach Lilli. „Und keine Kampfhandlungen, sonst werd ich sauer, dass ich nicht mit durfte†œ, forderte Kerstin mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich muss los, Gavin und Hattori warten bestimmt schon auf mich.†œ Lucy schnappte sich ihre Tasche und rannte zum Heck des Schiffes. Gavin und Hattori warteten bereits mit laufendem Motor an Bord des Schnellbootes. Behände kletterte sie über die Reling an Bord und verstaute ihr Gepäck. „Kann los gehen†œ, rief sie enthusiastisch. Die Heckklappe des Schiffes öffnete sich langsam und helles Sonnenlicht blendete sie. Gavin gab Vollgas und sie schossen hinaus auf das offene Meer mit Kurs Havanna.

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Ich stand hochkonzentriert mit geschlossenen Augen in der Waffenkammer mit dem Rücken zum Übungstand und visierte mit meinem geistigen Auge mein Ziel an. In meinen Händen hielt ich jeweils eines der wunderbar leichten Messer aus dem Bestand der Brüder. Mit einer schnellen Drehung meiner Hände schleuderte ich die Messer hinter mich, genau dorthin, wo sie hin sollten. Ich selbst hatte mich keinen Zentimeter bewegt und hielt meine Augen immer noch geschlossen, doch ich wusste genau, dass das eine Messer exakt zwischen den Augen steckte und das andere genau im Herzen der mannsgroßen Figur aus Holz. Eigentlich wollte ich noch eine der neuen Mini-Disks ausprobieren, mit denen man dem Gegner den Kopf vom Rumpf trennen konnte, aber mit meiner Konzentration war es mit einem Schlag vorbei. Ich setzte mich auf die Bank, die neben dem Waffenschrank mit den Messern stand und lehnte meinen Kopf an die Wand. Duncan…
Immer noch verwirrten mich meine Gefühle für ihn ein kleines bisschen, denn er hat mir wenigstens schon mal die Angst davor genommen. „Wir haben in seiner Kabine eine ganze Stunde mit einander gesprochen, na ja, viel gesprochen haben eigentlich nicht†œ, dachte ich und musste grinsen. Er hat mich immer wieder geküsst und mir über das Gesicht und mein Haar gestrichen, oder mich einfach nur an sich gedrückt und umarmt, so, als wollte er mich nie wieder loslassen. Er hat mir erzählt, wie es ihn gequält habe, mich in New Orleans zurück zu lassen, oder das Wiedersehen, wo er mich nicht so begrüßen konnte, wie er gerne gewollt hätte, und dass es ihm unendlich leid tat, wie er mich angefahren hatte. Jetzt weiß ich, dass er es aus reinem Selbstschutz getan hat. Dann endlich sprach er über das, was in seiner Kabine geschehen war, und das ich da schon etwas gespürt haben muss, weil ich mich da so merkwürdig verhalten habe. Und natürlich wurde ich wieder rot. Oh mein Gott, wie peinlich! Es hätte ihn all seine Selbstbeherrschung gekostet, mich nur auf sein Bett zu legen und schlafen zu lassen, oder später, als ich aufgewacht war und da so halbnackt gelegen habe, mich wieder gehen zu lassen. Über alles andere wollten wir später reden, da er noch den außerplanmäßigen Einsatz von Lucy und Gavin in Havanna koordinieren musste. Aber wir haben ja noch etwas Zeit bis Peru, und bis dahin… könnte ja noch so einiges… Plötzlich stand Kerstin vor mir und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesicht: „Huhu, Erde an Angie. Na, du warst aber gerade weit weg. Ich nehme mal stark an, dass dein entrückter und schmachtender Gesichtsausdruck etwas mit dem leckeren Highlander namens Duncan zu tun hat, stimmt`s?†œ Sie zog eine Augenbraue hoch und lächelte mich wissend an. „ Das sagt diejenige, die ihr T-Shirt auf links anhat?†œ Ich musste über ihren verlegenen Gesichtsausdruck lachen und klopfte auf den Platz neben mir. „Setz dich, und erzähl. Drago? Ach, du brauchst mir nichts erzählen, dein Gesicht spricht Bände. Ja, mit den Jungs hier hat es schon etwas ganz Besonderes auf sich.†œ „Und genau darüber wollte ich mit dir reden. Also, das mit Tim, das war so eine Sache… klar, es war sehr schön, auch der Sex mit ihm, und er liebt mich, aber ob ich ihn liebe? Ich habe keine Ahnung! Aber das müsste ich doch eigentlich, oder? Und mit Drago, das ist so total anders… ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Bei ihm habe ich mich irgendwie… angekommen gefühlt. Die ganze Sache ist nur noch merkwürdig, da wir immer die Gedanken des anderen hören können. Was soll ich denn jetzt bloß machen? Wie soll ich mich entscheiden? Alles ist so wahnsinnig kompliziert! Und Drago, er hält sich für beziehungsunfähig, aber das glaube ich ihm nicht! Frag mich bloß nicht warum, ich weiß es einfach, und das sagt mir nicht nur mein Gefühl! Dann geistert mir dauernd das Wort „Gefährte†œ durch den Kopf. Weiß du was darüber? Ich würde ja meine Ma fragen, aber die hat ja im Moment ganz andere Sorgen, ach vielleicht weiß ja deine Großmutter was, oder hat dir mal was davon erzählt oder deine Eltern und ja, ich weiß, ich rede zu viel… †œ „ Kerstin, Stopp! Langsam, atme erst mal richtig durch†œ, riet ich ihr, nachdem sie sich so in Rage geredet hatte und mich verlegen ansah. Da nahm ich ihre Hand und drückte sie leicht. „Also, erstens, ich weiß genau wie du dich fühlst. Dieses Chaos mit unseren Gefühlen ist schon sehr beängstigend, aber eigentlich hast du dich doch schon längst entschieden. Genau wie ich auch, oder Doc und daran kann ich auch nichts ändern, und das will ich auch nicht, †œ sagte ich ihr leise und sah ihr fest in die Augen.

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Mit einem Lächeln fuhr ich fort: „Willkommen im Club… und in meiner Familie… Haha… irgendwie. Zweitens. Ich habe auch noch nie von den sogenannten Gefährten oder Gefährtinnen gehört, auch von Großmutter Gwendolyn nicht, eigentlich habe ich auch nie gefragt, war ja auch noch nie in so einer Situation. Na ja, das stimmt nicht ganz… damals…†œ Ich stand auf, ging zum Waffenschrank und lehnte mich mit verschränkten Armen dagegen. Mein Blick schweifte durch den Raum, ohne dass ich etwas direkt ansah, und dann blieb er an dem Messer hängen, das tief in dem gemalten Herz der Holzfigur steckte. „Damals, als die Sache mit Zorro passiert war, da dachte ich einen Moment… er könnte derjenige sein, aber Gott sei Dank ist das schon lange her und vorbei. Und Drittens… Ich habe nie Eltern gehabt, die mir…†œ „Doch, das hast du!†œ, unterbrach mich plötzlich eine leise Stimme von der Tür her. Ich drehte mich um und da stand Doc, die mich traurig ansah. „Ach ja? Meinst du die Frau, die mich geboren hat und dann, als sie merkte, dass ich anders war, das ich wie Gwen war, und nichts von ihr hatte… mich zu ihr gebracht hat, weil sie damit nicht klar kam, weil sie keine Magie in sich trug, also „normal†œ war? Halt, zurück… nicht gebracht, sie hat mich ja einfach vor Gwens Tür gelegt, mit einem Zettel auf dem mein Geburtstag stand, mein Name und ihrer, dann ist sie spurlos verschwunden†œ, lachte ich bitter auf. „Keiner weiß wo ich geboren wurde, aber ich bin ihr in einer Weise auch dankbar, denn Gwen ist die gütigste und liebevollste Frau, die ich kenne und wir haben eine sehr enge Verbindung. Sie lebt immer noch in Salem in den USA und steht dem größten Hexenzirkel vor. Sie hat mir alles beigebracht, was ich wissen musste, und mich gelehrt, mit meiner Magie umzugehen. Sweetlife ist eine gute Freundin von ihr. Tja, und so bin ich bei den Schwestern gelandet. Aber das weißt du ja alles Doc.†œ „ Stimmt, ich kann mich noch genau daran erinnern. Ich war schon einige Jahrzehnte bei Sweetlife. Sie hat mich damals zu sich gerufen, als Avalon im Nebel verschwand und ich nicht wusste, wohin ich nach dem Kloster, in dem ich meine Ausbildung zur Schamanin und Medizinerin abgeschlossen hatte, gehen sollte. So konnte ich noch in München Chemie studieren, an einer Universität, die extra nur für Geschöpfe wie uns gebaut wurde. Sie kannte wohl auch meinen Vater, und sie weiß genau, wie sehr ich ihn vermisse. Ihr gehört ja auch die Insel, wo wir zusammen wohnen, trainieren und relaxen.†œ „ Dann ist sie wohl das weibliche Gegenstück zu dem „Gründer†œ der Ordensbrüder? So muss es sein! Ha, eins haben wir jedenfalls den Brüdern voraus, wir hören viel früher auf zu altern als sie.†œ Ich konnte schon wieder ein bisschen entspannter lachen als noch vor ein paar Minuten. „ Ach Kerstin, nun zu meinem Vater! Keine Ahnung wer das sein könnte. Gwen weiß es auch nicht mit Bestimmtheit, aber sie hat so ihre Vermutungen. Damals, als Doc und ich, Lilli und Lucy in München geholfen haben und sie so zu Sweetlife gekommen sind, hatten wir gerade eine Spur von ihm verfolgt, die sich aber als Windei herausgestellt hat. Also habe ich keine Eltern, ich habe sie aber auch nie vermisst.†œ „Wow, davon hat meine Mutter mir nie etwas erzählt. Und was hat deine Gwen für eine Vermutung, wer dein Vater sein könnte?†œ „Schau mir in die Augen, Kerstin. Und dann in Dragos. Wir müssen die gleiche Abstammung haben, denn dieses bestimmte Grün haben nur Drachen. Und als ich von seinem Blut getrunken habe, in dieser merkwürdigen Kammer, war der Geschmack gar nicht mal so übel.†œ
„So Schwestern, genug in der Vergangenheit rumgewühlt, wir haben noch viel zu erledigen, bevor wir in Peru an Land gehen†œ, sagte Doc mit ihrer beruhigenden Stimme. „Lilli wird wohl bei Fernando sein, ich habe sie auf dem Weg zu ihm getroffen, und sie hat mir Grüße von Lucy an uns ausgerichtet, die mit ihrem Gavin auf dem Weg nach Havanna ist, dann lachte sie laut auf.†œ Lilli murmelte noch was von mistiger Technik und was von „dem blöden Handy den Hals umdrehen†œ. „Ich mache mich auch wieder an die Arbeit, und stelle die restliche persönliche Ausrüstung zusammen.†œ „Vielleicht können wir ja später mal wieder alle zusammen was essen?†œ „ Keine schlechte Idee, aber ich muss auch erst noch was erledigen†œ, meinte Kerstin, als wir drei auf dem Gang standen. Wir umarmten uns kurz und, als die zwei losliefen, rief ich nur lachend hinterher: „ Hey, falsche Richtung, zu unseren Kabinen geht es da lang†œ, und deutete hinter mich. Sie lachten nur und winkten mir zu. Okay, dann werde ich auch mal in die „falsche Richtung†œ gehen. Ein wohliges Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus als ich an ihn dachte, an Duncan, denn es kann nur einen geben…

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Als wir uns in verschiedene Richtungen verstreuten rief Kerstin noch „Okay, Mädels 19 Uhr bei Angie, ich gebe Lilli noch Bescheid.†œ Und jede ging ihres Weges.
Doc packte schon mal ihre Tasche mit dem Nötigsten, alles was man so für kleinere Verletzungen brauchte, Nähmaterial, Desinfektionsmittel, Schmerzmittel, Verbandsmaterial und das fertige Gegengift gegen Skorpionbisse. Nach mehrmaligem Überprüfen befand sie die Ausstattung für vollständig und sah dann auf die Uhr. Bis sie sich mit den anderen bei mir treffen wollte, waren es noch zwei Stunden, da kam ihr eine Idee. Sie holte einige ihrer „geheimen†œ Ingredienzien aus dem feuerfesten abschließbaren Schrank und fing an etwas zu mischen. Innerhalb kürzester Zeit sah es auf dem Behandlungstisch aus, wie in einem Forensischen Labor, Bunsenbrenner, Reagenzgläser eine leuchtende blaue Flüssigkeit lief durch einen Schlauch und tropfte langsam in ein zylindrisches Gefäß. Doc füllte es in schmale Phiolen ab, legte diese in ein Schüttelgerät ein, und begann die Apparaturen wegzuräumen. Lächelnd entnahm sie die Phiole dem Gerät und ein gelartiges blaues Gemisch war darin zu sehen.
Nach einem Blick auf die Uhr machte sie sich auf den Weg zu mir und hörte schon von weitem lautes Gelächter aus meiner Kabine. Sie klopfte leise an und umgehend wurde die Tür von Kerstin aufgerissen. „Da bist du ja endlich, wir dachten schon wir verhungern beim Warten auf Dich.†œ „Ja, wo essen wir denn jetzt? Einen Snack an der Poolbar oder sollen wir ins Restaurant?†œ fragte Lilli. „Mädels was haltet ihr davon, wenn wir es uns hier richtig gemütlich machen, ich schätze ja mal, wir haben uns viel zu erzählen und wir könnten dabei ein wenig Wellness betreiben, und wenn ihr Lust habt, ich wüßte wo man Pizza bestellen könnte. Also was meint ihr?†œ „Super Idee, ich hab hier auch in einem Schrank eine Nintendo Wii entdeckt, oh oder Mädels wir trinken was Feines und spielen eine Runde Karten.†œ schlug ich vor. Kerstin und Lilli waren sofort begeistert und damit einverstanden. Einen richtigen Mädelsabend hatten wir schon lange nicht mehr, leider musste er diesmal ohne unsere Lucy stattfinden. „O.K. Da wir hier bleiben, sollten wir uns umziehen, ihr habt fünf Minuten, also, dalli, dalli.†œ Die drei flitzten los in ihre Kabinen, und standen nach exakt fünf Minuten in Sleepshirts wieder vor mir. Wir schoben die Möbel im Salon ein wenig auf die Seite, holten alle Kissen die wir finden konnten und machten es uns auf dem Boden bequem. „So, Doc, und wo ist die Pizza?†œ „Einen Moment.†œ Doc holte ihr Handy hervor, und bestellte für jede Schwester die Lieblingspizza, so etwas weiß man natürlich, wenn man schon so lange ein eingespieltes Team ist. „Gibt†™s einen Lieferservice der mit dem Heli Riesenkreuzer anliefert oder was? Pizza steht hier doch nirgends auf der Karte?†œ Kerstin war wie immer neugierig und sah Doc grinsend an. „Nein Hase, ich hab bei Bowen bestellt, er hat sein Können neulich bei mir unter Beweis gestellt, und da er sowieso auf mich wartet, kann er sich die Zeit ja ruhig mit Pizzabacken vertreiben. So und jetzt Schwestern! Ich habe vorhin ein dauerhaftes Enthaarungsgel angemischt, wer möchte es denn als Erste testen?†œ Lilli, Kerstin und ich sahen uns an, dann zu Doc und dann sahen wir alle betreten weg, mit Doc´s selbsthergestellten Beauty-Produkten war es nämlich so eine Sache. Grüne Pickel waren eine der geringeren Nebenwirkungen die wir schon erlebt hatten. „Kommt schon Leute, rasieren nervt doch, also wer will zuerst? Kerstin du?†œ Kerstin räusperte sich und nickte dann zögerlich. Doc schnappte sich umgehend ihr Bein und strich etwas von dem blauen Gel auf ihre Wade. „So das muss jetzt 10 Minuten einwirken und dann solltest du dich nie wieder rasieren müssen.†œ Um nicht auch als Versuchskaninchen zu enden, ging ich schnell ins Bad und kam mit meiner Gesichtsmaske zurück, die ich zuerst bei Lilli und sie dann bei mir auftrug. „Doc, sag mal dieses kribbeln ist aber normal oder?†œ „Kribbeln? Oh, vielleicht wirkt sie schneller, warte ich hole mal ein feuchtes Tuch und wir nehmen es ab†œ die Substanz auf Kerstins Bein bildete Blasen, als Doc mit dem Tuch das Zeug abtupfte zischte es und kleine blaue Dampfwölkchen stiegen auf, es roch auffallend nach Pommes-Frittes. „Siehst du nichts passiert und die Haare sind weg.†œ „Oh ja, echt. Aber hier riecht es ja wie in der Frittenbude. Öhm Doc ist das auch normal???†œ Langsam wuchsen auf Kerstins Bein neue Haare. Allerdings waren sie grün, erreichten eine Länge von ca. 3 cm und waren gelockt. „Mensch Doc! Was hast du denn jetzt schon wieder fabriziert?†œ Doc konnte nicht anders und fing an schallend zu lachen. Sie hielt sich den Bauch und hörte gar nicht mehr auf. „Kerstin, ist doch egal, dann musste halt doch rasieren†œ, versuchte ich sie zu beruhigen. Lilli und ich stimmten in Docs Gelächter ein. Es sah einfach zu komisch aus.

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„Toll Doc, vielen Dank, ich habe jetzt ein grünes Pommesbudenbein, ich hoffe, dass die Pizza von deinem Vampir wenigstens schmeckt! Du solltest lieber beim Medizinbrauen bleiben, da passieren dir ja nicht so seltsame Fehler.†œ Das stimmte. Ehe Doc etwas erwidern konnte, klopfte es an der Türe, ich sprang hin denn mein Magen knurrte mittlerweile ganz ordentlich. Ich riss die Türe auf und wäre im gleichen Moment am liebsten im Erdboden versunken, es stand nicht nur Bowen mit einen riesen Stapel Pizzakartons vor mir, sondern auch Duncan, Drago und Fernando. Über den Spaß mit Kerstins Bein hatte ich vergessen, dass ich weiße Paste im Gesicht hatte, was mir schlagartig einfiel als Drago kicherte und die anderen drei ebenfalls grinsten. Ich machte ein quietschendes Geräusch und knallte Ihnen reflexartig die Türe vor der Nase zu. „Oh nein oh nein, die sind zu viert hier aufmarschiert, Lilli komm schnell!†œ Ich flitzte ins Bad und zog Lilli mit mir, schnell wuschen wir uns das Zeug runter. Ich hörte wie Doc den Drachen und die Vampire herein ließ. Wir versuchten so cool wie möglich zu wirken, als wir aus dem Bad kamen. „Kein Wort! Nicht ein Wort möchte ich hören!†œ, sagte ich und sah mit stechendem Blick in die Runde. Doc saß schon mit Bowen zusammen auf dem Boden und kuschelte. Drago machte Anstalten sich neben Kerstin zu setzen, die wiederum versuchte sich so auf ihr frisiertes Bein zu setzen, dass es keinem der Männer auffiel. Krampfhaft hielt sie ein Kissen vor ihre Knie und gestikulierte wild in Richtung Doc, dass sie beide doch auch mal ins Bad müssten. Fernando kam auf Lilli zu, küsste sie und setzte sich neben sie. Nur Duncan lehnte an der Tür, irgendwie unschlüssig. Er wirkte ein klein wenig verlegen, er ließ den Blick über mich wandern und strich sich mit der Hand durchs Haar. Ich straffte meine Schultern und ging so sexy, wie es mir in meinem Riesensleepshirt möglich war, auf ihn zu und zog ihn an der Hand mit rüber zu den anderen. Wir setzten uns auf das Sofa. Endlich bemerkte Doc, Kerstins stumme Hilfeschreie, nahm eine Decke, ging damit zu ihr rüber und wickelte sie geschickt darin ein „Nicht das du dir eine Erkältung holst, mhm?†œ Beide tapsten ins Bad. „Mensch, wie peinlich. Stell dir vor, Drago hätte das gesehen. Also was machen wir jetzt damit?†œ Kerstin blickte unglücklich auf ihr Bein. Doc wühlte im Schrank herum, fand einen Nassrasierer von mir und fing an die Haare zu entfernen. „Wehe, der Mist wächst nach!†œ „Bleib ruhig, das glaub ich nicht.†œ Kerstin wurde etwas nervös „Glaubst du das nicht, oder weißt du es?†œ Die beiden warteten einen Moment und Doc seufzte. „So, ich weiß, es wächst nichts mehr nach, zumindest nicht mehr in grün.†œ Nach einer weiteren Minute trauten sie sich wieder zurück zu uns, erleichtert ließ sich Kerstin neben Drago fallen und das große Essen begann. Doc hatte nicht zuviel versprochen, die Pizza war wirklich köstlich. „So die Damen, was würdet ihr von einer Runde Poker halten? Wer verliert muss einen Wodka trinken!†œ Drago tippte auf eine Flasche neben sich. „Ich glaube für die Damen ein Sektchen und wir nehmen den guten Absolut!†œ Den Vorschlag von Fernando nahmen wir gerne an und los gings. Ich glaube Drago hatte noch nichts von Docs und Kerstins unschlagbaren Pokertalent gehört. Der Abend nahm seinen Verlauf. Wir hatten alle das ein oder andere Gläschen trinken müssen. Bei uns Ladies hielt es sich aber glücklicherweise in Grenzen. Drago und Bo wollten nach einigen Gläschen unbedingt Poker spielen. Wir ließen uns darauf ein und am Ende saßen dann auch nur die beiden in ihren schwarzen Seidenboxershorts da. Denn Doc linste immer in Bowens Blatt und Kerstin konnte problemlos Dragos Gedanken lesen. Durch ihr ständiges Kichern flogen sie dann aber auf und eigentlich wollte auch keiner Drago und Bowen ganz ohne Bekleidung da sitzen haben.
„Wie wäre es denn, sollen wir uns einen Godzilla ansehen?†œ Bowen hatte so einige Wodkas gehoben und sah mit glänzenden Augen in die Runde. Doc die zwischen seinen Beinen saß, verdrehte die Augen. „Wie wäre es mit Ice Age?†œ „Dr. House.†œ „Nein, Sissi wird heute Nacht wiederholt.†œ Da es ja schließlich unser Abend war, entschieden wir Ladies uns einstimmig für „Twilight†œ. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, erklärten wir, dass es sich dabei um einen Actionthriller, den Blockbuster schlechthin, handelte. Der nichts für schwache Nerven sei und der im Kino direkt auf Platz Eins gelandet war. Da die Jungs noch nie etwas von dem Film gehört hatten, konnten sie auch keine Argumente dagegen anbringen. Fernando und Bowen zauberten noch Popcorn, Chips, Schokolade und andere Leckereien aus einem Tarn-Pizzakarton, wir dämpften die Beleuchtung und machten es uns bequem.

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Wie nicht anders zu erwarten, kam nach den ersten fünf Minuten schon die erste nicht nette Bemerkung über Edward. Vor allem die Ähnlichkeit mit Norbert fanden die vier besonders amüsant. Wir Mädels schmachteten den riesigen Flachbildschirm an und die Jungs lachten sich halb zu Tode. Als die Szene kam in der Edward sein Hemd aufriß und sein Körper in der Sonne glitzerte, war alles vorbei, die Jungs konnten sich nicht mehr beruhigen. Das Sofa vibrierte und bebte. Ich blickte in die Dunkelheit neben mich und sah, dass selbst Duncan nicht mehr konnte. „Wow! Vampire als Discokugel!†œ „Action? Eher Comedy, oder?†œ Fernando blickte Lilli lachend an und schüttelte ungläubig den Kopf „Oh mein Gott, ich wette es gibt Menschen, die sich Vampire genau so vorstellen. Ihr müsst ja ganz schön überrascht von uns gewesen sein.†œ Trotz unserer strafenden Blicke konnten sie sich nicht zusammenreißen. Den absoluten Höhepunkt erreichte das Gelächter dann, in der für uns so romantischen Schlussszene, als Bella klarstellte, dass sie verwandelt werden wollte. „Doc, auch schon erste vampirische Veränderungen an dir festgestellt?†œ Bowen knuddelte sie fest und beide lachten. Dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr, und Doc wurde rot. „Niemand hat behauptet, dass es ein realistischer Vampirfilm ist. Also gut, wie wäre es, wenn wir direkt im Anschluss die Fortsetzung „New Moon†œ ansehen?†œ Die Jungs winkten lachend ab. „Das war ausreichendes Bauch- und Lachmuskeltraining. Also wir sollten schauen, dass wir etwas Schlaf bekommen. Es ist schon spät und wir müssen Morgen noch einiges vorbereiten und unserer Taktik durchgehen.†œ Bo stand auf, zog Doc hoch und schob sie vor sich in Richtung Ausgang. „Gute Nacht und schlaft gut!†œ, konnte Doc noch gerade so loswerden und die beiden waren weg. Die anderen standen nach und nach auf. Langsam leerte sich meine Kabine wieder, alle waren weg bis auf Duncan.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Beunruhigende Träume [Kapitel 11]

Black Dagger Ladies Online †“ Liebe [Kapitel 9]

Black Dagger Ladies Online

Liebe
Kapitel 9

„Na, fügst du dich jetzt?“ Cyrus hatte bemerkt, dass sie überlegte. „Nein!“, sie wand sich weiter, er kam für einen kurzen Augenblick ins Wanken. Sie schaffte es ein Knie anzuziehen und rammte es ihm mit voller Wucht in die Familenplanung. Er heulte auf und ließ ihre Hände los. Doc rappelte sich auf alle Viere hoch. Cyrus hatte sich schon wieder gefangen, packte sie im Nacken und ließ sie abrupt wieder los. Torkelnd kam sie zum Stehen und sah, dass Bowen hinter Cyrus stand und ihn von hinten umklammerte. „Lass die Finger von ihr!“, brüllte er ihn an. Cyrus schien jede Menschlichkeit verloren zu haben und wehrte sich nach Kräften. „Sie hat dich sitzen lassen, Alter. Sie hat keinen Bock auf dich, gönn mir doch auch etwas Spaß, du hast mir so von ihr vorgeschwärmt.“ Er schaffte es sich loszureißen und schlug Bowen mit voller Wucht ins Gesicht. Ein krachendes Geräusch ertönte, und Blut schoss aus Bowens Nase hervor. Aber das schien ihn nicht zu stören, er schlug zurück und zielte auf Cyrus Magen. Dann hagelte es eine Abfolge von gezielten Schlägen auf Arme und Beine, die Cyrus allerdings mit dem Kopf abwehrte. Ein letzter Schlag in den Magen und Cyrus sank in die Knie und krümmte sich auf dem Boden zusammen.
Doc stand wie angewurzelt da. Irritiert von dem gerade Geschehenen, versuchte sie mit ihrem zerfetzten Top ihre Blöße zu bedecken. Bowen kam auf sie zu, sie wich vor ihm zurück. Er streckte seine Hand nach ihr aus, zog sie aber wieder zurück, als er in ihr Gesicht blickte „Alles okay bei dir? Hat er dich verletzt?“ „Mit mir alles in Ordnung. Mit dir aber nicht. Bowen, dein Gesicht, lass uns reingehen, ich sollte mir das genauer ansehen, es sieht echt übel aus.“ „Ach, nicht so schlimm, ich kann Einiges ab. Cyrus und ich kloppen uns ganz gern mal.“ Besorgt schaute er Doc an, zog sein T-Shirt aus und reichte es ihr. „Danke.“ Beim Anziehen atmete sie tief seinen würzigen zimtigen Duft ein. „So, Bowen, ich weiß, eure körperliche Heilung ist beeindruckend schnell, aber falls deine Nase gebrochen ist, sollte ich es mir wirklich ansehen, oder möchtest du lieber, dass ich Fernando hole?“ „Nein, wir sollten da nicht noch mehr Leute mit reinziehen. Komm lass uns auf die Krankenstation gehen, aber nur, wenn es dir nichts ausmacht.“ Sie sah Bowen streng an. „So ein Blödsinn, du hast mir vermutlich gerade das Leben gerettet und wir sind doch keine Kinder. Was machen wir mit Cyrus?“„Der kommt schon klar. Er ist vielleicht ein bisschen angeschlagen, aber ich habe ihn nicht verletzt.†œ
Das Licht im Krankenflügel schmerzte zuerst in Docs Augen. Den Kopf hatte sie sich bei dem Sturz auch ziemlich gestoßen, und er brummte stetig. Sie klopfte auf den Behandlungstisch in der Mitte des Raumes. „Hopp!“ Bowen setzte sich darauf und sah Doc an, auf dem Weg zur Station hatten sie kein einziges Wort gewechselt. Er hatte Sorge etwas Falsches zu sagen, oder sie zu vertreiben.
„Dann wollen wir mal sehen. Sie richtete die OP-Lampe auf sein Gesicht und er blinzelte. „Hm, am besten du schließt die Augen und versuchst dich zu entspannen. Ich werde jetzt erstmal das Blut entfernen, und dann schauen wir weiter.“ Er tat wie ihm geheißen, und Doc tupfte vorsichtig das Blut aus seinem Gesicht. Auch wenn seine Nase höllisch schmerzte, er genoss ihre Hand an seiner Wange, mit der sie seinen Kopf festhielt. Ein paar Tropfen waren auch seinen Hals hinab gelaufen, es war unglaublich, was dieser Mann für eine Wirkung auf sie hatte – sie hätte es am liebsten abgeleckt. Aber sie ermahnte sich an ihre Arbeit zu denken. „Deine Nase ist gebrochen, sie fängt schon an zu verheilen. Ich muss sie richten, damit sie gerade zusammenwachsen kann, es sei denn, du hättest gerne einen neuen Look?“ Sie sah ihn an und wartete auf eine Antwort, aber Bowen brachte kein Wort heraus. Er sah ihr in die Augen und verlor sich darin – der Spiegel der Seele. Er hatte das Gefühl sie ewig zu kennen. „Bowen, ich richte jetzt deine Nase, okay? Leg dich mal hin und beiß die Zähne zusammen, das könnte jetzt ein bisschen weh tun, aber du darfst dir danach auch nen Lolli aussuchen.“ Sie packte mit beiden Daumen und Zeigefingern seine Nase und drückte äußerst kraftvoll daran herum.

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Ein lautes knirschendes Geräusch war zu vernehmen, nach einem letzten Knacken war sie mit ihrer Arbeit zufrieden, tupfte noch das letzte bisschen Blut weg und klebte einen Streifen Tapeverband auf die Nase. „Also, in den nächsten vier Stunden solltest du besser keine mehr auf die Zwölf bekommen. Sie war schon leicht zusammengewachsen, deshalb hat es etwas geknackt, aber keine Sorge, in den Rocky-Filmen haben sie es auch so gemacht. Jedenfalls dürfte man davon morgen absolut nichts sehen können. Knochen kann ich mit meinen Kräften leider nicht zusammenwachsen lassen.“
Bowen setzte sich auf. „Sag mal, redest du jetzt nicht mehr mit mir?“ Sie stellte sich vor ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Doch.“ Er kratze sich am Kopf und wirkte irgendwie verlegen. Sie sah so umwerfend aus wie sie in seinem, für sie viel zu großen T-Shirt dastand. Sie war für ihn einfach „SEIN“, es war so klar, so greifbar in diesem Moment. „Okay, dann solltest du dich vielleicht jetzt auch mal schlafen legen.“ Sie schaltete die Lampe aus, blieb an der Türe stehen und wartete bis er mit ihr den Raum verließ. Er wandte sich zu ihr um. „Jane, das eben da draußen mit Cyrus, das war sehr knapp, pass bitte besser auf. Hier an Bord ist einfach zu viel Testosteron und zu wenige Frauen. Ich werde dafür sorgen, dass nachts ein Vampir draußen Wache hält. Cyrus ist mein Freund, aber solange du dich nicht entschieden hast, wird er auch versuchen bei dir zu landen. Er gehört zu den jüngeren Wölfen, er hat seine Bestie noch nicht im Griff. Der Mond beeinflusst ihn sehr stark, nicht auszudenken, was bei Vollmond passiert wäre. Er war nicht er selbst. Ich hoffe, du kannst ihm das verzeihen, er wird sich morgen sicherlich Vorwürfe wegen des Vorfalls machen. Und, Jane? Du fehlst mir.“ Sie schluckte, am liebsten hätte sie sich ihm an den Hals geworfen. „Bowen, danke, dass du da warst. Es wird nicht wieder vorkommen, und du kannst mich kaum vermissen, wir haben uns heute Morgen doch noch gesehen.“ Sie ließ ihn stehen und eilte zurück, weg von ihm… ins Bett, sie musste alleine sein.
Sie behielt sein Shirt an, der Geruch gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie ihn auch vermisste. Auch wenn es ihr unlogisch erschien, er hatte sie doch gar nicht eingeengt. Er war vielleicht etwas besitzergreifend, aber eigentlich gefiel es ihr. Und würde sie umgekehrt nicht genauso handeln, wenn noch mehr Frauen hier wären? Sie musste zugeben, dass, angesichts dessen was eben passiert war, seine Eifersucht und sein Beschützerinstinkt ja auch nicht gerade unbegründet gewesen waren. Bowen war perfekt, er passte wunderbar zu ihr, das ist ihr in der kurzen Zeit schon aufgefallen. Sie hatte einen Rückzieher gemacht, weil sie niemandem einen Teil von sich geben wollte, der dann vielleicht irgendwann einfach verschwand. Ganz tief im Inneren war ihr klar, das Bo Recht hatte mit allem was er gesagt hatte. Sie gehörten zusammen, sie empfand so stark für ihn, es raubte ihr fast den Verstand. Ihr fiel dafür kein anderer Begriff als Liebe ein. Liebe? Eins hatte sie in ihrem Leben gelernt, und auch bei vielen anderen gesehen, die es getroffen hatte, wer liebt, hat auch verdammt viel zu verlieren. Lilli hatte auch ihre Liebe verloren. Damals hatten sie alle große Sorge sie würde nicht damit fertig werden. Sie wollte Bo schon jetzt nicht mehr verlieren. Tränen liefen über ihr Gesicht als ihr klar wurde, wie blöd sie sich verhalten hatte. Die Gefühle waren da, und sie würde verdammt viel verpassen, wenn sie darauf verzichtete. Davor weglaufen kann man auch nicht.

„Was war das für ein verrückter Tag heute†œ, dachte Kerstin. Sie saß auf ihrem Bett und versuchte alles noch mal Revue passieren zu lassen. Zunächst war da morgens das tolle Frühstück mit Tim. Da war alles noch entspannt. Dann kam das Unausweichliche, sie musste Tim von dem Gespräch mit Angie erzählen, und er hatte nicht sehr begeistert reagiert. Als dann noch Drago um die Ecke gebogen war, war es aus mit der Ruhe. Aber das Schlimmste war die Prügelei im Fitnessraum zwischen den beiden gewesen, und dass Angie dabei versehentlich verletzt wurde. Das Bild spulte sich immer wieder vor ihrem geistigen Auge ab.

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Kerstin schüttelte den Kopf, so, als wolle sie die Erinnerungen los werden, aber das klappte natürlich nicht. Im Zimmer auf und ab laufend spürte sie eine innere Unruhe, so konnte es nicht weitergehen, sie musste dringend etwas unternehmen. Ob es den beiden Männern gut ging? Sie brauchte Gewissheit, also machte sie sich auf den Weg zu Tims Kabine. Als sie vor seiner Tür stand, überlegte sie, ob das jetzt eine so gute Idee war. Aber sie musste einfach wissen, ob es ihm gut geht. Sie nahm allen Mut zusammen und klopfte. Sofort wurde die Tür aufgerissen. Tim stand vor ihr, und sein
Gesichtsausdruck war alles andere als freundlich. „Was willst du den hier?“, fuhr er sie an. „Ich, ich wollte fragen, ob es dir gut geht“, stammelte Kerstin. Tim lachte böse auf, „ja, sicher. Warum sollte es mir nicht gut gehen? Du machst mich zum Gespött der Mannschaft, hintergehst mich, und wegen dir hab ich einen Abriss von Duncan bekommen.“ Er drehte sich um und ging Richtung Fenster. Kerstin stand noch immer in der Tür und wusste nicht, ob sie eintreten sollte oder nicht. „Ist sonst noch was? Möchtest du von mir eine Erlaubnis für irgendwas?“ Das ging zu weit. Jetzt wurde Kerstin sauer. „Was bildest du dir eigentlich ein? Ich habe versucht dir zu erklären was los ist. Aber offensichtlich hast du mir nicht zugehört, sonst würdest du dich hier nicht zum Affen machen. „Völlig in Rage stürmte Tim auf Kerstin zu, in seinen Augen blitzte der blanke Zorn. Kerstin blieb jedoch unberührt stehen. Sie schaute ihm direkt in die Augen. Alles was er sehen konnte, war Kälte. Das bremste ihn ein wenig. „Was ist? Möchtest du mir jetzt auch eine verpassen?“, fragte sie schnippisch. Tim sank in sich zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. „Nein, natürlich nicht. Und das mit Angie war ein Unfall, das hast du doch gesehen?“ „Ja, hab ich das? Hast du dich so wenig unter Kontrolle, dass du Feind von Freund nicht unterscheiden kannst? Ist das nicht das Erste was wir in unserer Ausbildung gelernt haben?“ Die Kälte in Kerstins Stimme ließ ihn verstummen. „Weißt du was, Tim, ich bin hier hergekommen, weil ich mir ernsthafte Sorgen um dich gemacht habe, aber so wie es aussieht, war das unnötig. Und ich habe keine Lust auf so eine Beziehung. Ich brauche keinen Partner, der nicht zuhören kann, wenn es mir einmal schlecht geht. Und der sich dann wie ein Neandertaler benimmt, nur weil er mit einer bestimmten Situation nicht klar kommt. Ich möchte, dass wir beide erstmal auf Abstand gehen. Ich muss mir über so Einiges erst klar werden. Und du solltest dein Benehmen auch überdenken.“ Mit diesen Worten drehte Kerstin sich um und ging. Sie ließ Tim mit offenem Mund im Türrahmen stehen. Blindlings lief sie den Flur entlang und wusste nicht wohin. Die Tränen brannten in ihren Augen. „Das darf doch alles nicht wahr sein†œ, dachte sie. Plötzlich hatte sie die Orientierung verloren und wusste nicht, wo sie gelandet war. Der Flur, in dem sie stand, war schwach beleuchtet, verschiedene Holztüren verwiesen auf unbekanntes Terrain. Hier war sie noch nie gewesen. Das Schiff war doch immer wieder für eine Überraschung gut. Neugierde flammte in ihr auf, und sie begann an verschiedenen Türen anzuklopfen. Überall Stille. Nach und nach öffnete sie einige der Türen und erspähte dahinter völlig leere Kabinen. „Waren das alte Kabinen und wer hatte darin gewohnt?†œ, fragte sie sich. Als sie den Flur gerade wieder verlassen wollte, hörte sie Musik. Es kam aus einem der hinteren Zimmer. Sie ging dem Klang der Musik nach. Ja, eindeutig, das war Linkin Park und zwar auf voller Lautstärke. Da hat aber jemand einen guten Geschmack, freute Kerstin sich und stand unschlüssig vor der Tür, aus der die Musik kam. Wer mochte hier wohnen? Ihre Neugierde war stärker, und nachdem auf ihr Klopfen niemand reagiert hatte, öffnete sie einfach die Tür. Eine angenehme Wärme und ein merkwürdiger Geruch nahmen sie in Empfang. Was sie zu sehen bekam, verschlug ihr glatt den Atem. Das Zimmer war im mittelalterlichen Tudorstil eingerichtet. Steinimitate an den Wänden und eine indirekte Beleuchtung sorgten für ein natürliches Ambiente. Links sah sie einen großen massiven Tisch aus Holz mit passenden Stühlen. Ein riesiges, prunkvolles Bett, welches mit handgeschnitzten Ornamenten verziert war, stand auf der rechten Seite. Und mitten im Zimmer saß Drago auf dem Fußboden. Er schien zu meditieren und merkte nicht, dass Kerstin die Tür geöffnet hatte. Vorsichtig betrat sie das Zimmer, sie wollte ihn auf keinen Fall erschrecken und zog leise die Tür hinter sich zu.

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In dem Moment drehte Drago den Kopf und sah sie mit leuchtend grünen Augen an. Ein leises Grummeln war aus seiner Richtung zu hören. „Hallo, schöne Frau. Was für eine nette Überraschung“, begrüßte er sie freundlich. Automatisch fühlte Kerstin sich besser, und da war es wieder, dieses Kribbeln. Aber diesmal nicht nur in ihrer Magengegend. Ein angenehmer Schauer überkam sie. Wie paralysiert starrte sie ihn an. Plötzlich wurde ihr bewusst, was sie tat und schaute weg, aber da war es schon zu spät. Drago hatte ihre Gedanken schon längst gelesen. Mist, schoss es ihr durch den Kopf. Woran hatte sie gerade gedacht? Ah ja, was für einen tollen Oberkörper und was für tolle muskulöse Oberarme er doch hat. Wie gern sie ihn nochmals küssen würde. „Man, bist du blöd†œ, schalt sie sich. Ganz damit beschäftigt ihre Gedanken zu ordnen, bemerkte sie nicht, dass Drago aufgestanden war und jetzt direkt vor ihr stand. Sie zuckte zusammen. Aber er lächelte nur, dieses Mal weder schelmisch noch arrogant. Sein Lächeln strahlte Wärme und Zärtlichkeit aus. „Hallo“, sagte er. „Hallo“, flüsterte Kerstin zurück.
Sie räusperte sich. „Darf ich dir etwas anbieten, oder kann ich dir bei irgendwas behilflich sein?“, fragte Drago, um die peinliche Situation zu entschärfen. Kerstin blickte nach unten und durch ihren Kopf schossen tausende von Antworten. Klar, du könntest mich küssen, überall. Du könntest mich auf dein Bett und danach würde ich gerne deinen Körper erkunden. Wir würden uns stundenlang lieben und hätten noch immer nicht genug. Kerstin musste über ihre Gedanken lächeln und bei einem Blick in Dragos Augen lief sie rot an. Wissend sah er sie an. „Und, warum tun wir es nicht“, fragte er und grinste
Erschrocken fuhr Kerstin zusammen. „Aber, aber du kannst…du hast mir nicht in…wieso weißt du was…“, stammelte sie vor sich hin. Na, Klasse, nie ist ein Loch da, wenn man sich in einem verstecken möchte. Ihr wurde schwindelig, Drago fasste sie zärtlich an den Schultern. „Ich weiß nicht warum, aber ich habe jedes Wort gehört, das du gedacht hast seitdem du hier bist. Bislang bin ich auch davon ausgegangen, dass es nur bei Blickkontakt funktioniert. Aber bei dir scheint es ganz offensichtlich anders zu sein.†œ Das war zu viel für heute. Mit einem leicht verwirrten Blick schaute sie Drago an, dann wurde es dunkel um sie herum und ohnmächtig sank sie in Dragos Arme.

Nachdem Kerstin mit mir den Trainingsraum verlassen hatte, platzte Lilli der Kragen. Sie stand immer noch am Rand der Matten und war mal wieder giftgrün. Ein Zustand, den sie persönlich hasste. Sie hatte ihre Leuchterei im Moment gar nicht mehr im Griff und das war gefährlich. Es verriet sie sofort als magisches Wesen, was bei den Normalsterblichen meistens nicht gut ankam. Jahrelang hatte sie trainiert, um es zu kontrollieren, und es gelang ihr mittlerweile perfekt. Doch seit wir an Bord der Seraphim bei der Bruderschaft waren, hatte sie irgendwie die Kontrolle verloren, und sie wusste nicht warum. Das machte ihr schwer zu schaffen und brachte sie mächtig aus dem Gleichgewicht.
Auch die Jungs standen immer noch um den Schauplatz der Schlägerei herum. Tim und Drago machten betroffene Gesichter, Tiago und Fernando schienen eher belustigt zu sein. Lilli hatte sich kerzengerade aufgerichtet, die Arme links und rechts an die Seite gepresst und die Hände zu Fäusten geballt. Sie stand kurz vor der Explosion, doch sie machte sich umgehend Luft und fing an zu schreien. „Was für total bescheuerte Idioten seid ihr eigentlich? Seid ihr so blöd, oder tut ihr nur so, grrrr? †œSie zitterte vor Zorn am ganzen Körper. „Ich muss jetzt was kaputt schlagen†œ, sagte sie mehr zu sich selbst, drehte sich um und verließ die Halle. Die verdutzten Blicke der Jungs folgten ihr. Sie ging eine Tür weiter in die Kampfsporthalle und dort direkt zu dem riesigen Schrank mit ihren Lieblingswaffen, den Samurai-Schwertern.

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Sie nahm sich zwei wunderschöne Exemplare heraus. Ohne auf ihre makellose Schönheit zu achten, wirbelte sie sofort wie ein Derwisch durch den Raum. Sie drehte sich, sie duckte sich, sie sprang nach vorne, rollte sich geschickt über Schulter und Rücken ab und ließ dabei die beiden Schwerter kreisen. In der Mitte des Raumes stand eine große Trainingsfigur aus speziellem Hartholz mit bunt aufgemalten Trefferflächen. Diese hatte Lilli nun erreicht. Sie schlug mit ihren Schwertern wild auf die Figur ein und verarbeitete sie langsam aber sicher zu Kleinholz. Sie verausgabte sich vollkommen. Sie atmete schwer, ihre Arme und ihre Lunge brannten wie Feuer, doch sie achtete nicht darauf. Wie im Rausch ließ sie weiter die Schwerter fliegen, sie fühlte nur noch Wut und Zorn. Sie drehte sich um, um erneut auszuholen, da trafen ihre Klingen auf klirrenden Widerstand. Fernando stand vor ihr, ebenfalls mit zwei Schwertern in den Händen. Mit gekreuzten Klingen hatte er ihre abgefangen. Lillis Augen weiteten sich vor Schreck und die Schwerter fielen ihr aus den zitternden Händen. „Oh Gott, Fernando!†œ, keuchte sie atemlos. Fernando lächelte sie verständnisvoll an. „Geht es dir jetzt besser?†œ Lilli ließ sich vollkommen ausgepumpt auf den Boden sinken. „Unwesentlich†œ, japste sie. Fernando räumte die Schwerter weg, ließ Lilli zu Atem kommen und setzte sich ihr gegenüber. „Möchtest du mit mir darüber reden? Was macht dich so wütend?†œ „Ach Fernando, da gibt es so vieles. Hast du Zeit?†œ „Soviel du willst und brauchst.†œ „Okay, wo fange ich am besten an? Also, du weißt ja inzwischen, dass die Mädels wie meine Familie sind. Und wie eine Familie haben wir auch friedlich auf unserer Insel gelebt. Wir haben zusammen trainiert, wir haben zusammen gearbeitet und wir haben zusammen unheimlich viel Spaß gehabt. Natürlich haben wir alle sechs in unserem Leben größere und kleinere Wunden davongetragen, aber wir haben uns gegenseitig getröstet, geholfen und gestützt. Wir waren einfach glücklich. Dann sind wir hier zu euch auf das Schiff gekommen, um mit euch gegen die Dragons zu kämpfen. Und was ist jetzt? Alles ist auf einmal so kompliziert und chaotisch. Ich meine jetzt nicht uns beide. Ich bin unheimlich glücklich darüber, dich gefunden zu haben. Ich weiß, dass du mich liebst und du lässt mich meine Wunden vergessen. Aber was mit meinen Schwestern gerade passiert, macht mich wütend, und es macht mir auch Angst. Zum Beispiel die Sache mit Doc und Bowen. Da entwickelt sich langsam eine Liebe, und bevor Jane weiß wie ihr geschieht, fängt Bowen an sie einzuengen und sie als sein Besitz auf Ewigkeit anzusehen. Dass Jane dann schreiend davon rennt und in ein absolutes Gefühlschaos stürzt, ist ja wohl klar. Was hat er sich nur dabei gedacht? Dann Tim, Drago und Kerstin. Kerstin zerbricht sich den Kopf, redet sich den Mund fusselig, weiß überhaupt nicht was da los ist, ist zwischen den beiden hin und her gerissen. Und anstatt ihr mit Verständnis und Hilfe beizustehen, gehen die beiden hin, verprügeln sich wie auf dem Schulhof und verletzen Angie noch dabei. Was ist eigentlich mit Drago und euch? Warum seid ihr so wütend auf ihn? Ja, und dann auch noch Angie. Erst gerät sie zwischen Norbert und Jean und jetzt noch dieser Auftritt von Duncan. Der war ja wohl voll daneben. Und schließlich Lucy und Gavin. Wieso steht Gavin auf einmal in Flammen? Und mir geht´s auch nicht gut, ständig laufe ich grün an. Ich habe total die Kontrolle verloren und das macht mich fast wahnsinnig. Ich fasse es nicht, was ist denn hier los?†œ Lilli war vollkommen fertig, aber jetzt hatte sie einmal alles rausgelassen, was ihr im Moment so auf der Seele lag. Fernando sah sie nachdenklich, aber auch liebevoll an. Er nahm vorsichtig ihre zitternden Hände und fing an sie sanft zu streicheln. „Ich glaube, hier muss ich wohl für ein wenig Aufklärung sorgen. Also, meine Schöne, dann pass auf. Zuerst einmal zu deinem Leuchten. Ich habe dir schon gesagt, dass ich es liebe. Du musst da ein bisschen lockerer werden. Hier auf dem Schiff ist es doch gar kein Problem, jeder weiß, dass du eine Elfe bist. Und als wir in New Orleans waren, hast du ja nur geleuchtet, als du Duncan fertig gemacht hast. Also nimm mal den Gang raus. Ich denke, wenn es wirklich absolut sein muss, hast du es wieder unter Kontrolle.
Dann zu Doc, Bowen, Angie und Duncan. Da muss ich dir über uns Vampire etwas erklären. In einigen Fällen kommt es vor, dass wir auf unsere absolute Gefährtin treffen.

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Sie ist praktisch wie für uns geschaffen. Wie durch ein unsichtbares Band sind wir auf ewig mit ihr verbunden. Wenn wir Glück haben, beruht es auf Gegenseitigkeit und wir können mit unserer Gefährtin eine Blutverbindung, die dann untrennbar ist, eingehen. Bowen hat in Jane seine Gefährtin gefunden, so wie ich in dir und ich habe den Verdacht, dass es Duncan mit Angie auch so geht. Dieser Auftritt vorhin, hat diesen Verdacht bei mir geweckt. Ich bin mir aber nicht sicher. Bei Bowen weiß ich es sicher, er hat schon mit mir darüber geredet. Bowen hat das Problem, dass er schon von Jane getrunken hat. Damit wurde die Verbindung für ihn untrennbar. Aber um diese Verbindung endgültig zu machen, muss Jane auch von ihm trinken. Er hat alles ein wenig überstürzt und hat es leider versäumt, Jane alles genau zu erklären. Er weiß, was für ein Fehler er gemacht hat und glaube mir, er wird sich bemühen, das alles wieder in Ordnung zu bringen. Lass die beiden nur mal machen, das wird schon. Mit Gavin…….†œ, „ Halt, mal!†œ, unterbrach Lilli ihn, „wie, du hast in mir deine Gefährtin gefunden?†œ „Ja, Lilli. Du bist meine Gefährtin. Du bist für mich bestimmt. Ich hatte gleich, als ihr an Bord gekommen seid, so ein komisches Gefühl. Aber als wir dann das erste Mal allein waren und ich mich ganz auf dich konzentrieren konnte, ist es mir klar geworden. Du darfst dich jetzt aber nicht unter Druck gesetzt fühlen. Wenn du für mich nicht dasselbe empfinden kannst, wird diese Verbindung nicht stattfinden.†œ Lilli sah Fernando verwundert und etwas skeptisch an: „Oh, Okay!†œ Fernando musste wieder lächeln, als er ihren Gesichtsausdruck sah. „Darüber können wir später noch ausführlich sprechen. So jetzt also zu Gavin. Er hat das Problem, dass er im Schlaf die Kontrolle über sein Feuer verliert und das hat sich in letzter Zeit gehäuft. Er ist untröstlich, dass Lucy, sich an ihm verbrannt hat. Er möchte noch genauer mit uns darüber sprechen. Ich denke, er hat eine Ahnung, was mit ihm los ist. So und jetzt noch zu Tim, Kerstin und Drago. Da kann ich dir eigentlich nicht viel dazu sagen. Ja klar, was Tim und Drago da vom Stapel gelassen haben, ist absolut nicht in Ordnung. Wenn mich nicht alles täuscht, will sich Duncan die beiden noch zur Brust nehmen. Aber ich habe noch mit keinem von ihnen darüber gesprochen. Das angespannte Verhältnis von Drago zu uns Brüdern, spielt da wahrscheinlich schon eine große Rolle.†œ Fernando bekam einen abwesenden Gesichtsausdruck. Er ließ seinen Blick an Lilli vorbei an die Rückwand der Halle schweifen, so, als würde er an etwas ganz Entferntes denken. „Was ist zwischen euch vorgefallen?†œ, fragte Lilli. Fernando atmete tief durch und schaute sie wieder aufmerksam an. „Also, Drago gehört ebenfalls unserer Bruderschaft an und zwar schon lange. Doch eines Tages verschwand er spurlos, ohne ein Wort. Inzwischen wissen wir, dass er bei den Dragons eingeschleust wurde um sie auszuspionieren. Wir hatten bis jetzt keine Kenntnis davon. Das Problem dabei ist, auf unserem Anwesen lebte damals ein Mädchen namens Lindsay. Sie wuchs bei uns auf und war uns wie eine kleine Schwester. Zwischen ihr und Drago hatte sich eine Romanze entwickelt und als Drago verschwand, hat sie sich das Leben genommen. Der Verlust von ihr hat uns an den Rand des Erträglichen gebracht und wir haben das Drago nie verzeihen können.†œ Fernando schaute Lilli verzweifelt an und er hatte Tränen in den Augen. Nun streichelte Lilli seine Hände, um ihm ihr Mitgefühl zu zeigen. „Fernando, das dürft ihr nicht.†œ „Was dürfen wir nicht?†œ, fragte er verständnislos. „Ihr dürft Drago nicht dafür verantwortlich machen, und ihr dürft ihn nicht verstoßen. Er musste einen noch größeren Verlust ertragen als ihr. Er hat eine Liebe verloren. Er hat seine Brüder, deren Liebe und deren Vertrauen verloren. So schlimm es sich auch anfühlt oder auch anhört, Lindsay hat für sich alleine diese Entscheidung getroffen. Auch ich habe einmal vor dieser Entscheidung gestanden. Aber ich habe mich für das Leben und für meine Schwestern entschieden. Lindsay hätte sich auch für das Leben entscheiden können aber sie hat sich anders entschieden. Das dürft ihr Drago nicht zum Vorwurf machen. Ich denke er hat genug gelitten.†œ Fernando schaute Lilli verwundert an. „Wahrscheinlich hast du recht. Aus dieser Sicht habe ich es noch gar nicht betrachtet. Ich glaube, ich werde Morgen zu Drago gehen und mal mit ihm darüber sprechen. Er hatte ja noch nie die Gelegenheit sich dazu zu äußern oder jemandem seine Gefühle anzuvertrauen.

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Vielleicht kann ich ihm helfen, wieder in unsere Bruderschaft zurück zukehren. Obwohl das mit Tim, Kerstin und ihm noch etwas problematisch werden könnte.†œ
Fernando erhob sich und zog Lilli mit nach oben. „Was meinst du? Geht es uns beiden jetzt ein bisschen besser. Konnten wir das Eine oder Andere etwas klarer machen?†œ Lilli lächelte ihn an: „Ich denke ja, zumindest für mich. Ich bin total erledigt. Machen wir es uns auf meinem bequemen Ottomanen etwas gemütlich?†œ Fernando zog Lilli schon aus der Halle. „Ich dachte schon, du fragst mich nie.†œ
Nicht lange danach lagen die beiden engumschlungen in Lillis Kuschelecke und schliefen glücklich und zufrieden ein. Was währenddessen noch alles in dieser Nacht passierte, sollten sie dann am nächsten Morgen erfahren.

Eigentlich sollten sie die Tage auf See zum Trainieren und Kräfte sammeln nutzen. Stattdessen machten sie sich hier auf dem Schiff das Leben schwer. Sie versuchten zum Teil sich aus dem Weg zu gehen, aber trotzdem kam es immer wieder zu spannungsgeladenen Aufeinandertreffen. Warum mussten sie aber mit einem so verdammt attraktiven Haufen wie der Bruderschaft so eng zusammenarbeiten? Das musste ja zu Komplikationen in ihrer Gefühlswelt führen. Das Leben könnte so einfach sein. Noch gestern war Lucy überzeugt gewesen, die große Liebe gefunden zu haben, aber heute hatte sie schon wieder Zweifel. Gavin benahm sich seltsam, aber bisher hatte sie noch keine Gelegenheit mit ihm zu sprechen. Seit dem Brand in seiner Kabine ging er ihr aus dem Weg, und sie hatte nicht die leiseste Ahnung wieso.
Das Beste, was sie in dieser Situation tun konnte, war sich abzulenken, ablenken durch Arbeit. In New Orleans konnten sie eine zerstörte Festplatte sicherstellen und Lucy machte sich ans Werk, ihr ihre Geheimnisse zu entlocken. „Das wird schwer, du siehst nicht gerade gesund aus†œ, murmelte sie vor sich hin. Das Gehäuse der Festplatte war total verschmort und eine ziemlich übel riechende Substanz tropfte heraus. Da sie nicht genau wusste, mit womit sie es tun hatte, zog sie vorsichtshalber eine Schutzbrille an und streifte sich Handschuhe über. Das Gehäuse zu knacken war gar nicht so leicht, aber es gelang ihr die ferromagnetische Scheibe, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Festplatte genannt, aus dem Gehäuse zu entfernen, ohne weiteren Schaden anzurichten. Ein Reinigungsbad sollte sie von Schmutz und Rückständen dieses stinkenden Schleims befreien. Doch vergaß sie nicht vorher noch eine Probe in ein kleines Glas abzufüllen. Den Schleim würde sie irgendwann später genauer untersuchen. „Sieht doch gar nicht schlecht aus†œ, stellte sie fest und entnahm die Platte dem Reinigungsbad. „Schauen wir doch mal, was du an Geheimnissen verbirgst†œ, sagte sie und legte die Scheibe in einen neuen Festpatten-Driver. Hoffentlich hatten sie Dragons damals nicht genügend Zeit die Daten unwiderruflich zu zerstören. Das Laufwerk summte leise und die ersten Daten erschienen auf dem Bildschirm. Allerdings waren es nur einzelne Buchstaben und Zahlen, bisher konnte sie noch nichts Brauchbares entdecken. Eigens für solche Zwecke hatte Lucy ein Programm entwickelt, das auch komplizierte Löschmodi rückgängig machen konnte. Vielleicht würde sie ja so an ein paar Informationen gelangen. Während das Programm seine Arbeit tat, stand Lucy auf, um sich einen Kaffee zu holen. Sie genoss die Stille im Raum, das leise Surren von den Computern und technischen Geräten wirkte beruhigend auf sie. Mit einem Piepton meldete ihr Programm, dass es seine Arbeit beendet hatte. „Na wer sagt†™s denn. Was haben wir denn da?†œ, fragte sich Lucy und begann die zerstümmelten Dateien zu prüfen und sortieren. Mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden, rief Lucy sofort nach Duncan. Als Duncan den Computerraum betreten hatte, fand er sie ziemlich aufgeregt und ungeduldig vor. „Mir ist es gelungen ein paar Daten von der zerstörten Festplatte zu rekonstruieren und ich habe dabei eine interessante E-Mail über ein geplantes Treffen der Dragons gefunden, das musst du dir sofort ansehen!†œ, plapperte sie los und winkte Duncan zu sich herüber.

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„Schau, das Treffen ist schon morgen in Havanna, da müssen wir doch hin. Das ist eine einmalige Chance für uns an neue Informationen zu kommen!†œ Duncan entgegnete barsch: „Wer, und ob wir dahin gehen, entscheide immer noch ich!†œ
Er sah Lucys enttäuschte Miene und bereute auch schon wieder seine schroffe Zurechtweisung. Das war nun wirklich kein Grund, seine schlechte Laune an ihr auszulassen. „In Ordnung†œ, sagte er etwas versöhnlicher, „wir schauen uns das mal in Ruhe an. Ich rufe Sweetlife an, mal sehen, ob sie über das Treffen noch etwas herausfinden kann. Gute Arbeit, Lucy, aber jetzt geh schlafen.†œ
Obwohl Lucy immer noch viel zu aufgeregt zum Schlafen war, zog sie sich in ihre Kabine zurück.

Seit Stunden zermarterte ich mir meinen Kopf. Was war gestern in seiner Kabine geschehen? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern! Plötzlich schoben sich ein paar Augen mit einem seltsamen Ausdruck in meine Gedanken. Ich hielt inne…was war jetzt das? Und auf einmal verspürte ich auch ein Ziehen in meinem Innern, das ich nicht kannte. Erschrocken starrte ich auf die leere Kaffeetasse in meiner Hand… wurde ich so langsam verrückt? Ich musste mich dringend ablenken, aber womit bloß? Norbert! Oh! An ihn hatte ich in den vergangenen Stunden überhaupt nicht gedacht. Und was hatte das jetzt zu bedeuten? Liebte ich ihn nicht mehr? Doch, irgendwie schon, aber nicht so, wie es eigentlich sein sollte, nicht so richtig tief und endgültig, so… für immer. Ich musste mit ihm reden! Jetzt sofort! Das duldet keinen Aufschub. Ich sprang auf, rannte zur Tür und gerade als ich sie aufgerissen hatte, stand Norbert mit einem verlegenen Gesichtsausdruck vor mir. „Wir müssen reden!†œ, sagten wir wie aus einem Mund und mussten lachen, „ Komm rein†œ, sagte ich mit einem Lächeln, „ich wollte gerade zu dir. Setz dich schon mal, möchtest du was trinken?†œ „Nein, danke.†œ „ Okay, dann schieß mal los†œ, forderte ich ihn auf. Er sah mich immer noch etwas verlegen an und räusperte sich: „Also,…man, das fällt mir nicht leicht jetzt, aber… okay!†œ Er atmete tief durch, und als er meinen geduldigen Blick sah, sprach er weiter: „Also, ich habe lange mit Jean gesprochen. Vielmehr er hat, also wir haben …†œ Da musste ich schmunzeln und sah ihn ruhig an: „Sprich einfach weiter, ich werde schon nicht sauer. Ich nehme an, ihr zwei habt über mich gesprochen, und Jean hat dir gesagt, was damals zwischen…†œ „Ja†œ, unterbrach er mich und sah mich liebevoll an. „Er hat mir alles erzählt. Aber dann sagte er etwas, dass mich sehr nachdenklich gemacht hat. Er liebt dich! Und bevor ich ihm eine reinhauen konnte, sagte er noch etwas sehr Entscheidendes: Dass er dich liebt, weil du ein liebenswerter Mensch bist.†œ Ach ja? Dann sag das mal Duncan! Als ich seinen Namen in meinen Gedanken aussprach, war dieses Ziehen wieder da, und seine Augen sahen mich an. Ich wurde etwas nervös, doch ich wollte das jetzt nicht! Also verdrängte ich es für den Moment und konzentrierte mich auf Norbert. „Aber eben nicht so, wie es eigentlich sein sollte, wie man seinen Gefährten lieben sollte, so tief und innig, an den man für immer gebunden sein möchte.†œ Da musste ich lachen, und er sah mich irritiert an. Schnell nahm ich seine Hand und sah ihm in die Augen. „Und du fühlst genau so, stimmt`s?†œ Er nickte nur stumm und sah mich erstaunt an. „Und du weißt nicht, wie du es mir sagen sollst? … Ach, Norbert†œ, lachte ich erleichtert, „genau das gleiche wollte ich dir auch sagen. Ich war gerade auf dem Weg zu dir. Das wir uns im Bett so gut verstanden haben, hatte wohl nicht viel mit der einen Liebe zu tun. Aber es war wirklich sehr, sehr schön.†œ Er sprang auf, nahm mich in seine Arme, drückte mich kurz an sich und sagte dann erleichtert: „Ja, das war schon etwas ganz besonderes zwischen uns. Oh Gott, bin ich froh, dass du genauso empfindest! Alles andere hätte ich mir nie verziehen. Jean und ich werden dich immer ein kleines bisschen lieben, ich vielleicht noch mehr, und wir werden immer für dich da sein. Als deine besten Freunde, auf die du dich immer und jederzeit verlassen kannst.

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Und wenn dir einer was will, dann bekommt er es mit uns zu tun!†œ „Okay, ich nehme dich beim Wort.†œ Ich wüsste da schon wen!
„Das kannst du auch†œ, sagte er und sah mich sehr ernst an. „Tut mir leid, aber Jean wartet auf mich… na ja, eigentlich auf uns beide.†œ „Ich kann nicht, ich habe noch was Wichtiges zu erledigen. Wir können uns ja später noch an der Poolbar treffen.†œ „Gute Idee, ich werde dann mit dem neuen Kapitän da sein und auf dich warten.†œ Er küsste mich auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr: „Mh, eigentlich schade, ich könnte jetzt mit dir…†œ Ich schüttelte lachend den Kopf und schob ihn aus der Tür. „Geh lieber mit dem Wölfchen spielen.†œ Ach, wenn sich doch alles so unkompliziert und ohne Streit zum Guten wenden lassen würde…
Als mein Blick auf die Wodkaflasche fiel, wurde mir siedend heiß. Ich musste wissen, was in seiner Kabine vorgefallen war. Oh mein Gott! Hatte ich mich ihm vielleicht an den Hals geschmissen? Mir wurde ganz elend bei dem Gedanken! Das hielt ich nicht länger aus, ich musste zu ihm. Er musste doch wissen, was passiert war! Ich seufzte tief. Also auf in die Höhle des Löwen!
Ich war furchtbar nervös, als ich seine Kabine erreichte. Würde er überhaupt mit mir reden wollen? Seine Tür war nur angelehnt, und als ich die Stimme von Tiago hörte, wollte ich schon wieder kehrtmachen. Doch die Sache musste einfach geklärt werden, also musste ich hier warten, bis er wieder alleine war: „So, mein Großer. Alles wieder in Ordnung. Und wenn du … äh, ich meine bei dir noch mal eine Möwe Harakiri an dem Fenster versucht, äh… von innen, sag einfach Bescheid.†œ Dann sprach er mit gesenkter Stimme weiter. „Was sollte das übrigens mit Angie im Fitnessraum? Sie wollte doch nur…†œ „ Ich weiß genau, was diese kleine Hexe wollte!†œ, unterbrach Duncan ihn mit kalter Stimme, „aber das werde ich schon regeln, auf meine Art! Ich leite den Einsatz hier, was schon schwierig genug ist, und besonders jetzt, da Lucy noch etwas auf der Festplatte gefunden hat und sie wahrscheinlich nach Kuba will. Bowen ist im Moment auch zu nichts zu gebrauchen. Glaubst du, dass ich da noch jemanden brauche, die eure Hormone durcheinander wirbelt. Bestimmt nicht! So, danke für deine Hilfe, aber ich muss jetzt arbeiten.†œ Ich stand da wie erstarrt! „ Ach, dir ist ja nicht zu helfen†œ, sagte Tiago beim Rausgehen, und als er mich an der Tür sah, flüsterte er mir zu: „Sei bloß vorsichtig, der ist immer noch geladen.†œ Ich nickte ihm zu, trat leise ein und schloss die Tür hinter mir. Als ich ihn sah, konnte ich den Blick nicht von ihm wenden. Wie er so da stand mit dem Rücken zu mir, so groß und mächtig, ein bisschen düster und geheimnisvoll, so… unbeschreiblich, da ergriff mich eine tiefe Sehnsucht nach ihm. Plötzlich hatte ich die Gewissheit, sie durchfuhr mich wie ein Blitz! Es würde ab sofort nur noch IHN für mich geben, ER war derjenige, der ab sofort mein Leben sein würde. Ihn würde ich immer lieben, so tief und endgültig wie ich noch nie jemanden vor ihm geliebt hatte, so bedingungslos und unwiderruflich. Er war der Teil von mir, den ich gesucht hatte. Er würde immer meine Seele, meine Gedanken, mein Atem, und mein Herz sein. Für immer… für mich. Aber ICH würde das nie für ihn sein. Und damit würde ich wohl leben müssen, oder es zumindest versuchen… irgendwie.
Tränen brannten in meinen Augen, und eine tiefe Verzweiflung ergriff mich, aber ich würde nicht zusammenbrechen, nicht hier und nicht jetzt, nicht vor ihm in seiner Kabine. Dazu war später immer noch Zeit genug! Also schluckte ich meine Tränen runter und riss mich, so gut ich in dem Moment konnte, zusammen. „Duncan,… ich weiß zwar immer noch nicht, was ich dir getan habe und warum du was gegen mich hast, das ist ja schließlich auch deine Sache, aber ich muss wissen, was hier gestern passiert ist, ich kann mich an nichts erinnern, bitte!†œ Meine Stimme wurde immer leiser und dann versagte sie ganz. Als ich seinen Namen sagte, zuckte er zusammen. Er hatte wohl nicht mit mir gerechnet, und als er sich nach einiger Zeit langsam zu mir umgedreht hatte, traf mich die Kälte in seinem Blick diesmal besonders hart. „Ich hab dir doch schon gesagt, dass nichts passiert ist! Du bist hier betrunken rein gestürmt, hast mich total wild beschimpft und bist dann zusammengesackt. Ich … äh, hab dich aufs Bett gelegt… und dann bist du eingeschlafen… Mehr gibt†™s nicht zu erzählen!

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Also, was willst du noch von mir?†œ Zwischendurch hatte er einen so sonderbaren Ausdruck in seinem Blick, aber nun starrte er mich nur wieder kalt und wütend an. Und ich wusste genau, dass er log! Aber ich wusste in diesem Moment auch ganz genau, dass er das nie zugeben würde. Er drehte mir wieder den Rücken zu und starrte aus dem Fenster, das Tiago gerade eben ersetzt hatte. Ich wollte zu ihm, ihn in den Arm nehmen, ihn spüren und ihn schmecken. Und es tat weh, so verdammt weh, wie er so eiskalt da stand und mich ignorierte. Schnell steckte ich meine Hände in die Taschen meiner Jeans, um nicht doch noch in Versuchung zu geraten zu ihm zu gehen und in anzufassen, oder mich ihm an den Hals zu werfen. Adrian Paul2Seine Zurückweisung könnte ich nicht ertragen. Also versuchte ich einen möglichst würdigen Abgang hinzulegen, auch wenn es mich wahrscheinlich umbringen würde. Hoffentlich bemerkte er das leichte Zittern, das mittlerweile meinen ganzen Körper ergriffen hatte, in meiner Stimme nicht. „Ich möchte mich für meinen Auftritt hier entschuldigen, und was danach passiert ist… oder auch nicht, ich weiß ja nicht was… Es tut mir leid, dass ich auf dem Friedhof so einen Wirbel veranstaltet hab, es tut mir auch leid, dass ich euch dadurch alle in Gefahr gebracht habe. Okay, für den Hurrikan kann ich nun wirklich nichts. Aber wenn ich deiner Meinung nach auch daran schuld bin, bitte.†œ Ich sah, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Bitte nicht schon wieder… Daher beeilte ich mich und sprach schnell mit leiser Stimme, den Türknopf schon in der Hand: „Da du meinen Anblick ja offensichtlich nicht ertragen kannst, werde ich dich nie wieder belästigen, und ich werde versuchen, dir hier auf dem Schiff so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Und ich möchte dich bitten, dass du mir ebenfalls aus dem Weg gehst.†œ
„Nein†œ, flüsterte er und drehte sich kopfschüttelnd zu mir um, „es ist genug!†œ „Was meinst du damit?†œ, fragte ich ihn, und als er langsam auf mich zukam, starrte ich ihn nur erschrocken an. „Bitte nicht… ich†œ, doch weiter kam ich nicht. Er zog mich einfach in seine Arme und drückte mich mit einem verzweifelten Stöhnen an sich. „Ich kann nicht mehr†œ, flüsterte er und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. „Und bei Gott, ich habe es versucht, mich von dir fernzuhalten. Die Gefährtinnen von uns Brüdern sind tabu für die anderen, das ist Gesetz. Aber es bringt mich um,… zu wissen, dass Norbert… †œ Dann sah er mich so traurig und zugleich so liebevoll an, dass mir die Tränen kamen. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und sah ihm tief in die Augen: „Duncan, ich liebe ihn nicht, und er mich auch nicht.†œ Dann zog ich seinen Kopf zu mir herunter und küsste ihn. Zum Reden war später noch Zeit…

Nach einem ziemlich anstrengenden Vormittag, den Doc damit verbracht hatte, die Legierung in ihre Einzelteile zu zerlegen, saß sie jetzt am Schreibtisch in der Krankenstation. Den Fehler in ihrem Gemisch hatte sie endlich ausfindig machen können. Als Don und Hack damals ihre Sachen durchwühlt hatten, fanden sie es wohl unheimlich einfallsreich, die Schildchen mit den Beschriftungen, die an den Phiolen hingen, auszutauschen. So hatte sie statt Gargoyle-Blut Grenadine-Essenz verwendet. Kein Wunder, dass die Ghule darauf nicht reagierten. Zufrieden, dem Fehler auf die Schliche gekommen zu sein, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Ihr Blick schweifte durch das Fenster aufs Meer hinaus. Sie hatte jetzt eine ganze Weile Nachforschungen über Peru angestellt und herausgefunden, dass es dort Skorpione gab. Sie musste also unbedingt ein Gegengift mitnehmen. Unsterblich zu sein bedeutete im besten Fall wirklich Unsterblichkeit. Trotzdem gab es für jedes mythische Wesen die eine oder andere Weise in den Äther geschickt zu werden. Wenn auch so ein Skorpionbiss nicht unbedingt tödlich sein musste, er konnte auf jeden Fall einigen Schaden anrichten. Vor allem dann, wenn der Betroffene für ein paar Stunden ausgeknockt würde. „Hey Doc, hast du vielleicht einen Moment Zeit?†œ Cyrus stand mit einem sehr zerknirschten Gesichtsausdruck, der so gar nicht zu seinem sonst so sonnigen Gemüt passte, im Türrahmen.

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„Natürlich, komm rein.†œ Misstrauisch und abwartend blickte Doc ihn an. „Doc, ich möchte mich bei dir entschuldigen, wegen… ähm.. meinem Aussetzer in der vergangenen Nacht†œ, stotterte er drauflos. „Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt verabscheust. Wenn es irgendeinen Weg gibt wie ich das wieder gutmachen kann, bitte, dann sag es mir. Ich fühle mich so mies.†œ Gequält schaute er sie an und wandte den Blick wieder ab. „Man, Cyrus, du hast mir einen verdammten Schrecken eingejagt, und wenn Bowen nicht plötzlich da gewesen wäre… Ich mag mir gar nicht vorstellen was dann passiert wäre! Du musst doch wissen wie schlecht du dich im Griff hast und damit rechnen, dass wir auch mal nachts an Deck sind.†œ „Ja, du hast Recht, ich muss mich halt daran gewöhnen, dass wir jetzt so hübsche Ladies an Bord haben. Doc, bitte, ich schwöre dir, so etwas wird niemals wieder vorkommen.†œ Sie musterte ihn abschätzend und ließ sich mit der Antwort Zeit. „Okay, Cyrus, vergessen wir die Geschichte. Dafür möchte ich aber bevorzugte Behandlung, wenn ich Drinks bestelle.†œ Er nickte langsam. „Ich hoffe, die Angelegenheit hat nicht der Freundschaft zwischen dir und Bowen geschadet.†œ Ungläubig sah er sie an. „Du verzeihst mir? Jane, du bist echt cool! Bowen hat wirklich Glück, dass du… Du hast auf jeden Fall ewig was gut bei mir. Bei ihm und mir ist alles beim Alten. Er hat mich schon des Öfteren vor Dummheiten bewahrt.†œ „Das ist gut. Ich möchte wirklich nicht, dass er wegen mir einen Freund verliert.†œ „Apropos Freund, Doc, ich bin vorhin bei ihm gewesen und ich habe ihn noch nie … es geht ihm überhaupt nicht gut.†œ Er sah ihr in die Augen und ihm entging nicht das Mitgefühl, das darin aufblitzte „Ich glaube, ich habe total überreagiert, trotzdem, er hätte mir von der ganzen Gefährtinnensache doch was sagen müssen.†œ Cyrus brauchte gar nicht weiter zu bohren, er sah es in ihren Augen, sie war genauso durch den Wind wie Bowen. Er würde seinem Freund, von seinem Eindruck berichten und hoffte, dass die beiden Königskinder bald wieder zusammen finden würden. Cy grinste Doc an und machte sich dann aus dem Staub. Doc wandte sich wieder ihren Recherchen zu, doch ihre Augen fingen bald an zu brennen. „Mist, diese modernen Computerdinger… eigentlich sind mir Bücher viel lieber, aber zur Informationsbeschaffung ist diese Technologie einfach viel effizienter†œ, dachte sie und stellte das Gerät aus. Sie entschied für heute Schluss zu machen und wollte duschen und dann irgendwo einen Happen essen. Vielleicht hätte ja eine ihrer Freundinnen Zeit, die Einsamkeit lastete zu dieser Zeit schwer auf ihr.
Als sie aus der Dusche gestiegen war und ins Schlafzimmer gegangen war um sich anzuziehen, hatte sie das Gefühl Bowens Geruch wahrzunehmen. Es löste sofort eine Welle der Sehnsucht bei ihr aus. Sie setzte sich aufs Bett, die Tränen konnte sie einfach nicht aufhalten. So etwas war ihr vorher noch nie passiert. Verschwommen sah sie etwas in ihrem Augenwinkel. Sie blinzelte die Tränen weg, und da sah sie, dass ein kleines Gänseblümchen auf ihrem Kopfkissen lag. Sie nahm es in die Hand und drehte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Bowen, er war hier gewesen. Woher wusste er bloß, dass Gänseblümchen ihre Lieblingsblumen waren?
Sie ging zum Kleiderschrank und zog sich an. Dabei fällte sie eine folgenschwere Entscheidung, sie hatte es satt alleine rumzuhängen und sich mies zu fühlen. Sie war doch auf Bowen gar nicht mehr sauer, dafür vermisste sie ihn viel zu sehr. Warum also mit diesem Theater weitermachen? Sie musste zu ihm. Vor seiner Tür hielt sie kurz inne, dann klopfte sie zaghaft an und wartete. Keine Reaktion, sie klopfte noch einmal und diesmal ein wenig lauter, doch hinter der Türe war es totenstill. Sollte sie einfach die Karte benutzen, die sie noch hatte, und in seiner Kabine auf ihn warten? Sie überlegte kurz und zog dann die Karte durch das Lesegerät. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür und sie ging hinein. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, blutete ihr Herz. Bowen saß auf dem Boden. Den Rücken zum Eingang gewandt, lehnte er an seinem Bett und blickte durch die Glasfront hinaus aufs Meer. Zwischen seinen Fingern hielt er ein Gänseblümchen. Er hörte ihre Schritte und drehte sich um, ihre Blicke trafen sich. Unglauben spiegelte sich in seinen Zügen wider. Langsam erhob er sich, blieb aber an Ort und Stelle stehen.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Zwischenstopp in Havanna

Black Dagger Ladies Online †“ Drago [Kapitel 8]

Black Dagger Ladies Online

Drago
Kapitel 8

Tim und Kerstin hatten eine kurze Nacht. Ein leichtes Schmunzeln lag auf ihren Lippen. Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie taten beide so. als wenn sie es nicht gehört hätten. Es klopfte wieder. Tim knurrte in Richtung Tür: „Wehe, wenn das nicht wichtig ist.“ Zögernd stand er auf, stieg geschwind in seinen Schlüppi  und öffnete die Tür. Dort stand Tiago und sagte: „Sorry, aber wir brauchen dich dringend im Maschinenraum.“ Tim stöhnte auf. Tiago grinste, und man merkte ihm an, dass er nicht wirklich meinte, was er sagte. „Es tut mir echt Leid, aber der Verteiler spinnt wieder.“ Kerstin richtete sich auf, wobei sie darauf achtete, dass die Decke ihren nackten Körper verhüllte. „Ist schon okay†œ, sagte Kerstin, „wir können uns ja später zum Frühstücken auf Deck treffen und danach vielleicht mal wieder ein wenig trainieren.“ Tim war nicht begeistert über die Störung, sagte dann aber zu Tiago: „Okay, ich bin in zehn Minuten da.“ Tiago nickte kurz und ging. Tim machte die Tür zu und stemmte die Hände in seine Hüfte. „Da haben wir die neusten und besten Waffen, die beste Technik an Bord, aber nur Ärger mit diesem Hochleistungsmotor.“ Er schüttelte den Kopf. Kerstin lächelte und klopfte auf die Matratze. „Wir haben noch zehn Minuten?“ Tim verzog das Gesicht und musste lachen. Er kam zum Bett und beugte sich zu ihr herunter: „Du kleiner Nimmersatt, du glaubst gar nicht wie gern ich hier noch mehr Zeit mit dir verbringen würde, aber für das, was wir dann tun würden, na ja, reichen zehn Minuten einfach nicht.“ Er hauchte einen Kuss auf Kerstins Kopf und ging ins Bad. Kerstin legte sich zurück und fing an zu grübeln. Oh man, wie soll das jetzt bloß weitergehen? Sie musste unbedingt mit Angie reden. Tim kam, nur mit einem kleinen Handtuch um die Hüften, aus der Dusche. Es war in sehr kleines Handtuch und Kerstin musste anerkennend pfeifen. Tim lachte und zog sich an. Kerstin stand auf und ließ die Decke achtlos auf den Boden fallen. Ups, na so was“, versuchte sie Tim zu necken, aber er ging nicht weiter drauf ein. Er nahm sie zärtlich in seine Arme, küsste sie kurz und sagte dann zu ihr: „Je schneller ich das Problem gelöst habe†œ, und dabei strich er sanft mit seinen Fingern über ihre Schultern, „umso eher bin ich wieder bei dir. Wir treffen uns später auf Deck, so wie du gesagt hast, okay?“ „Ja, ist gut. Ich mache mich inzwischen auf die Suche nach meinen Schwestern.†œ Tim nickte und ging zur Tür. Er drehte sich noch mal um und fragte: „Ist alles okay bei uns?“ Erschrocken sah Kerstin ihn an. Sie
wurde ganz blass. Oh mein Gott, schoss es ihr durch den Kopf, was wusste er? Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ja klar, wieso nicht?“ Tim nickte nochmals und schloss die Tür. Kerstin taumelte zum Bett, sie hatte das erste Mal in ihrem Leben weiche Knie. Jetzt wurde es höchste Zeit mit Angie zu reden, hoffentlich wusste sie Rat. Sie ging zu Angies Kabine und lauschte an der Tür. Sie kam sich irgendwie blöd vor. Zaghaft klopfte sie. Nichts. Kerstin atmete tief durch und klopfte nochmals. „Jaha, Moment“, ertönte Angies Stimme.
Etwas verschlafen öffnete sie. Nur mit einem zarten Nichts am Leib stand sie vor ihr. „Oh“, sagte Angie, „ähm, Kerstin, du? Was ist…“, aber Angie brauchte gar nicht weiter zu fragen, sie sah es in Kerstins Gesicht. „Komm rein Hase, ich glaube, wir brauchen beide erstmal einen ordentlichen Kaffee.“ Mit gesenktem Blick trat Kerstin ein und setzte sich auf einen der gemütlichen Sessel, während Angie bei Tiago anrief und Kaffee bestellte. „Ich, ähm, also, ich wollte dich nicht stören“, sagte Kerstin unsicher. „Ist schon okay, bin vor einer Stunde zurück in meine Kabine, weil Norbert zum Dienst musste. Angie setzte sich ebenfalls und sah Kerstin neugierig an. „Nun erzähl schon, es geht um Drago, stimmt´s?“
Kerstin wurde rot. „Hey, das mit dem Leuchten überlass mal der Lilli. Ich weiß nicht, was genau passiert ist. Drago hat mir nur erzählt, was er fühlt, und dass es da irgendein Band zwischen euch gibt†œ, sagte Angie. Kerstin machte große Augen, woraufhin Angie zu lachen anfing. „Find ich gar nicht witzig“, sagte Kerstin irritiert und ein bisschen beleidigt. „Sag mir lieber, was hier los ist, und was ich jetzt machen soll? Und zu deiner Information – ER hat mich geküsst und nicht andersherum.“ Angie überlegte kurz und erzählte Kerstin dann, was sie über Drago wusste. „Also, er ist ein Gestaltenwandler. In was er sich alles konkret verwandeln kann, weiß ich nicht so genau. Und er kann Gedankenlesen, aber nur bei Augenkontakt.

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Ach ja, und nun das Wichtigste, er ist ein Drache!“ Angie musste laut über Kerstins ungläubigen Gesichtsausdruck lachen. Aber sie fasste sich schnell. „Okay, gut, und was hat das jetzt mit mir zu tun?“ Angie lächelte. „Nun, ich würde sagen, ihr beiden, du und Drago, habt die seltene Gabe euch miteinander zu unterhalten, ohne dabei zu sprechen. Ich weiß noch von meiner Großmutter, dass es so etwas gibt. Aber das ist sehr selten.“ Kerstin überlegte. „Also ist Drago so was wie mein gedanklicher Zwilling?“ Sie machte wieder große Augen. „Ja, so kann man es auch erklären“, sagte Angie. Tja, das war ja mal eine coole Neuigkeit. „Verstehe, er ist mein geistiger Zwilling, oder was auch immer, aber wieso habe ich dann immer so ein Kribbeln, du weißt schon, er zieht mich rein körperlich so magisch an. Ich kann sogar spüren, wenn er irgendwo in der Nähe ist.“ „Das kann ich dir leider auch nicht genau beantworten, ich vermute aber, dass die Chemie einfach zwischen euch passt, und dass euch ebenfalls ein emotionales Band verbindet, auch auf sexueller Basis.“ Kerstin prustete die Wangen auf. Oh man, dachte sie, wie soll sie das Tim erklären?
„Kann ich irgendwas dagegen unternehmen? Ich meine, es kann doch nicht sein, dass ich jedes Mal fast eine Herzattacke kriege, wenn ich ihn treffe. Was soll ich Tim sagen?“ Angie verzog leicht das Gesicht und sagte dann in einem verschwörerischen Ton: „Du kannst gar nichts dagegen machen. Nenn es Schicksal. Nenn es Bestimmung. Ihr müsst euch damit auseinander setzen und dann sehen, wie es sich entwickelt.
Erzähl Tim von unserem Gespräch. Und wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.†œ Damit war dann wohl alles gesagt. Angie nahm Kerstin tröstend in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann verabschiedeten sie sich voneinander und Kerstin machte sich auf den Weg zum Deck. Unterwegs überlegte sie, wie sie das alles Tim erklären sollte. Wollte sie Angies Rat überhaupt annehmen und darüber sprechen? Und wie sollte sie sich Drago gegenüber verhalten. Sie würden sich zwangsläufig bald wieder über den Weg laufen. Das Beste wäre, wenn er vom Schiff wieder verschwinden würde, aber auch diese Idee machte sie nicht froh. Schließlich traf man nicht jeden Tag jemanden, dessen Gedanken man lesen konnte. Aber jetzt brauchte sie erstmal eine Stärkung, vielleicht konnte sie nach einem ausgedehnten Frühstück einen klaren Gedanken fassen. Der Tag hatte nicht so begonnen, wie sie es sich vorgestellt hatte, das Gespräch mit Angie hatte ihr zwar einige Fragen beantwortet, eine Lösung des Problems war allerdings nicht in Sicht, aber das ließ sich im Moment nicht ändern.

Lilli stand, in eine kuschelige Decke eingewickelt, an ihrer riesigen Fensterfront und schaute hinaus auf das spiegelglatte Meer. Sie dachte über den vergangenen Abend und die vergangene Nacht nach. Sie dachte an das Dinner mit Fernando und an seine anschließende Liebeserklärung, an ihr Gefühle, während sie sich küssten. Und sie dachte an den Abschied von Kate und Bones. Ja, Abschied musste sie auch nehmen und zwar von André, ihrem toten Geliebten. Um mit Fernando eine Zukunft zu haben und glücklich zu werden, musste sie dieses traumatische Erlebnis endlich überwinden. Aber durfte sie das? Durfte sie glücklich sein, während André tot war? Er war schließlich auf grausame Weise getötet worden, weil er mit ihr eine Beziehung hatte. Sie musste an sein geliebtes Gesicht, seine bedingungslose Hingabe und die Freundschaft, die ihn mit ihren Schwestern verband, denken. Und plötzlich glaubte sie seine Stimme zu hören. „Ja Lilli, du darfst wieder glücklich sein. Lass endlich los, lass mich gehen, ich werde unsere Liebe mit in die Ewigkeit nehmen. Ich wünsche mir, dass du wieder lieben kannst und glücklich wirst. Lebe wohl, Lilli.“ „Lebe wohl, André,“ flüsterte Lilli mit tränenerstickter Stimme. Da klopfte es an ihrer Tür, sie drehte sich um, und bevor sie reagieren konnte, stand Fernando schon in ihrer Kabine. „Guten Morgen, meine Schöne, wie…, Lilli was ist los, warum weinst du?“ Sofort war er bei ihr und nahm sie besorgt in seine Arme. „Beruhige dich. Es ist nicht so schlimm wie es aussieht.

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Eigentlich dürfte es für dich sehr erfreulich sein“, sie lächelte, denn jetzt machte Fernando ein etwas ratloses Gesicht. „Es ist ganz sicher nicht erfreulich für mich, wenn du weinst.“ „Ich denke in diesem Fall schon. Mir ist, nach dieser Nacht, so einiges klar geworden. Ich habe gerade mit meiner Trauerzeit abgeschlossen, damit mein Herz wieder schlagen kann und Platz darin ist, für eine neue Beziehung.“ Lilli lächelte Fernando an. „Natürlich nur, wenn du meine Liebe auch haben willst.“ „Du liebst mich?“, fragte Fernando leise und etwas unsicher. Lilli dachte an seine nächtliche Liebeserklärung: „Ja, ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens. Das ist mir vergangene Nacht klar geworden und ich möchte, dass du immer bei mir bist, dass du mich hältst und beschützt, dass du mich überall küsst und mich überall spürst, und dass ich dich überall spüre.“ Fernando war fassungslos: „ Ich kann es gar nicht glauben. Sie liebt mich. Sie liebt mich wirklich“, sagte er mehr zu sich selbst. Bevor er noch begriff, was da passierte, nahm Lilli sein Gesicht in ihre Hände und zog ihn zärtlich zu sich herunter. „Ja, sie liebt dich wirklich“, flüsterte sie und küsste ihn zärtlich und voller Hingabe. Während sie sich küssten, lachte Fernando laut auf. Er war vollkommen außer sich. Er zog Lilli in seine Arme und wirbelte mit ihr durchs Zimmer und ließ sich mit ihr aufs Bett fallen. Er schaute sie voller Liebe an: „Du machst mich zum glücklichsten Vampir auf der Welt“, hauchte er und fing wieder an, sie zu küssen. Dieser Kuss war so intensiv und gefühlvoll, dass Lilli dachte, ihr müsste das Herz aus der Brust springen. Atemlos löste sie sich von Fernando und ließ sich von ihm herunter, an seine Seite, rollen. Ein hellgrünes Leuchten umfing sie jetzt. Sie strich ihm über die Wange und lächelte ihn an: „Ich bin, dank dir, auch endlich wieder glücklich.“ Und da bekam Fernando das glückliche Lächeln von Lilli, dass er sich beim Dinner gewünscht hatte. „Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist und so erstrahlst“, sagte er fast ehrfürchtig. Eine zeitlang lagen sie so nebeneinander. Es genügte ihnen sich anzusehen und an den Händen zu halten. Sie strahlten eine Ruhe und Zufriedenheit aus, wie jemand, der nach langer Zeit endlich zu Hause angekommen ist.
Plötzlich setzte Fernando sich auf: „Oh Mist! Ich habe ja Hattori vollkommen vergessen.“ „Wie Hattori?“ „Ich wollte heute Morgen bei ihm in der Krankenstation vorbeischauen. Er wird sicher schon ungeduldig auf mich warten.“ „Warte auf mich. Ich mache mich schnell fertig und komme mit. Hattori wird sich sicher freuen mich zu sehen, wir sind bei unserer Arbeit in Japan richtige Kumpels geworden“, sagte Lilli und flitzte schon ins Bad. „Ja klar, ich warte gerne. Ich freue mich, dass du mitkommst.“ 10 Minuten später war Lilli schon fertig und zog Fernando vom Bett: „Was gammelst du hier denn herum, Hattori wartet doch auf uns.“ Sie war wie ausgewechselt, sie wirkte fröhlich und befreit, die neue Lilli gefiel Fernando noch besser. Er lächelte vor sich hin und dachte: „Da habe ich wohl einen absoluten Hauptgewinn gezogen.“
Lilli und Fernando betraten strahlend und Hand in Hand, Hattoris Krankenzimmer. Dieser lag auf seinem Bett, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und schaute gelangweilt auf den Fernseher. „Kommst du auch endlich mal, lieber Onkel Doc“, sagte er und drehte den Kopf zu Tür. Als er Lilli und Fernando ansah, breitete sich sofort ein Grinsen auf seinem Gesicht aus: „Das habe ich mir schon fast gedacht. Ihr zwei musstet euch einfach finden. Ihr seid der berühmte Topf und sein Deckel.“ „Ich habe das gleich gewusst. Aber Lilli brauchte etwas länger, um es zu begreifen“, antwortete Fernando lachend. „Ja, unsere Elfe grübelt manchmal zu viel. Ich hoffe, dass du das jetzt etwas abstellen kannst.“ „Hey, ihr Beiden! Ihr wisst schon, dass ich auch hier bin“, protestierte Lilli schmunzelnd. Hattori sprang von seinem Bett, ging lachend auf sie zu und nahm sie freundschaftlich in die Arme. „Hallo Lilli, es ist schön dich zu sehen. Ich habe unsere Neckereien und Gespräche vermisst.“ Er löste sich etwas und drückte ihr einen Schmatzer auf die Stirn. „Nicht eifersüchtig werden, mein Großer. Lilli ist mir wie eine Schwester ans Herz gewachsen. Wir sind nur gute Kumpels und gegenseitige Kummerkästen“, sagte er zu Fernando gewandt.

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Lilli lächelte liebevoll: „Ich freue mich auch dich zu sehen, Hattori. Und wie geht es dir jetzt?“ „Keine Ahnung, Herzblatt. Da musst du unseren Doktor fragen.“ Er drehte sich zu Fernando um: „So, schieß los, Nando. Wie sieht es aus? Wie geht es meinem Oberstübchen?“ Hattori setzte sich wieder auf sein Bett. Fernando schnappte sich seine Unterlagen, die neben ihm auf einem Tisch lagen. „Also, körperlich bist du wieder vollkommen in Ordnung und deine Matschbirne funktioniert auch wieder einwandfrei. Das CT und dein EEG sind wieder vollkommen normal. Die Reizungen im Gehirn sind auch wieder weg. Du kannst also dein Krankenbett verlassen und ab jetzt die Reise in einer komfortablen Kabine genießen.“ Lilli schaute etwas geschockt: „Reizungen im Gehirn? Körperlich wieder fit? Was ist mit dir denn passiert, Hattori?“ „Als ihr aus Japan abgereist wart, haben die Dragons mich erwischt, als ich ein weiteres Versteck von ihnen ausspioniert habe. Zuerst haben sie mich gefoltert. Sie wollten Informationen über euch und die Bruderschaft. Aber an mir haben sie sich die Zähne ausgebissen. Dann haben sie so eine Art Gehirnwäsche an mir ausprobiert. Aber auch dass ging schief. Mein Wille ist zu stark und zu gut trainiert, um umgedreht zu werden. Ich war dann aber so durcheinander, dass ich nur noch dumm vor mich hinbrabbeln konnte, und die Folter ist auch nicht spurlos an mir vorübergegangen. Die Dragons haben mich dann irgendwo an den Straßenrand geworfen, sie dachten wohl, dass ich es nicht mehr lange machen würde. Kurz danach haben mich die Jungs gefunden und mich mit hierher aufs Schiff genommen. Und wie du siehst, hat mich dein Nando wieder zusammen gebastelt.“ Er drehte sich zu Fernando und boxte ihm leicht auf den Arm: „Danke, Großer! Du hast was gut bei mir.“ „Keine Ursache, Turtle“, sagte Fernando lachend, „du hast uns auch immer geholfen, wenn wir dich gebraucht haben.“ Hattori setzte jetzt ein ernstes Gesicht auf: „Hör mal, Nando. Wir fahren doch jetzt nach Peru, oder?“ „Ja, und weiter?“ „Weißt du, ich bin noch ziemlich durcheinander in der Birne und habe auch noch einige Gedächtnislücken. Ich werde euch in Peru verlassen. Ich möchte zurück nach Japan. Ich werde zu meinem alten Meister gehen. Er kann mir helfen, wieder alles zu sortieren und ein paar extra Trainingseinheiten bei ihm, werden mir auch gut tun. Ich möchte euch doch wieder voll und ganz unterstützen können.“ Fernando rieb sich nachdenklich übers Kinn. „Ja, da hast du wohl recht. Ich habe meine Arbeit getan, ich kann dir nicht weiterhelfen. Hast du schon mit Duncan darüber gesprochen?“ „Nein, der Gedanke ist mir erst vorhin gekommen.“ „Okay, ich muss sowieso noch kurz bei ihm vorbei. Ich sage ihm Bescheid. Er wird sich sicher persönlich um deine sichere Heimreise kümmern wollen.“ Fernando drehte sich zu Lilli: „Ich gehe kurz bei Duncan vorbei. Seine Kabine ist gerade um die Ecke. Willst du so lange hier bei Hattori warten?“ „Ja, klar. Hattori und mir wird es an Gesprächsstoff sicher nicht mangeln.“ Fernando ging lächelnd aus dem Zimmer. Hattori lachte Lilli an: „So, meine Lieblingselfe, setz dich zu mir und erzähle.“ Lilli sprang auf Hattoris Bett und beide setzten sich im Schneidersitz gegenüber. Sie sahen aus wie zwei Indianer, die Kriegsrat hielten. Lilli erzählte Hattori was so alles passiert war, seit sie aus Japan zurück waren. Hattori war, wie immer, ein sehr dankbarer Zuhörer. Er lächelte versonnen vor sich hin und ergriff dann Lillis Hände: „Endlich bist du wieder lebendig. Ich habe ja schon immer gesagt, dass Nando der beste Arzt ist. Er tut dir richtig gut. Stimmt†™s?“ „Ja, er hat mich zurück ins Leben geholt“, hauchte Lilli. Hattori drückte ihre Hände: „Nando ist ein Supertyp und er ist über beide Ohren in dich verliebt. Ich freue mich tierisch für dich. Er wird dich auf Händen tragen. Da bin ich mir ganz sicher. So, und jetzt verschwinde und geh zu deinem Nando, meine Lieblingssoap fängt gleich an. Wir sehen uns sicher noch öfter, ich darf ja jetzt hier raus.“ Hattori lachte und schubste sie vom Bett. Lilli beugte sich lachend zu ihm und gab ihm einen Kuss: „Bis dann. Du weißt ja, dass du mein Lieblings-Turtle bist.“ „Ja, du mich auch und jetzt mach die Tür von außen zu, du Quälgeist.“ Lilli drehte sich an der Tür noch einmal um und warf Hattori noch einen Kuss zu.

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Lucy hatte schlecht geschlafen, irgendetwas stimmte nicht. Doch sie wusste nicht, woher dieses Gefühl stammte. Eigentlich lief doch alles prima. „Dummerchen, wenn man keine Probleme hat, sucht man welche†œ schalt sie sich selbst. Die Beziehung mit Gavin begann sich zu festigen, ohne dass sie sich gegenseitig Druck machten. Dass sie hoffnungslos in ihn verliebt war, wusste Lucy schon länger. Und er schien diese tiefe Liebe zu erwidern. Also, wo ist das Problem? Auch ihr Einsatz lief bisher nach Plan. Okay, den Verlust von Kate und Bones mussten sie erst einmal verarbeiten und kompensieren. Aber so ist das Leben. Lucy dachte bei sich †œich hätte mich nicht anders entschieden.†œ Liebe ist so kostbar, dass, wenn man sie erst einmal gefunden hatte, sie auch nicht aufgeben sollte. Also, weg mit den trüben Gedanken. Lucy schlüpfte in ihre liebste Jogginghose, ein altes verwaschenes und ausgebeultes Teil, das nicht unbedingt als sexy durchgehen konnte. Aber sie hing halt mal an ihr. Dazu ein knappes Tank-Top und Sportschuhe. „Ein paar Einheiten im Fitnessraum bringen dich sicher wieder auf andere Gedanken†œ sagte sie zu sich und verließ ihre Kabine. Sie begann mit einem 30 minütigen Lauf auf dem Laufband um die Muskeln ein wenig aufzuwärmen und die Müdigkeit zu vertreiben. Anschließen prügelte sie unermüdlich auf einen Boxsack ein, hörte erst auf, nachdem das dicke Leder Risse bekommen hatte und feiner Sand auf den Boden rieselte. „Ups, schon wieder einer kaputt, das muss ich bei Gavin gleich reklamieren. Die Geräte sind wirklich in einem erbärmlichen Zustand.†œ Die Müdigkeit war verflogen, Zeit noch ein paar Runden im Schwimmbecken zu drehen. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht ihre Bahnen in dem Becken mit den Feenfällen zu drehen. Hier konnte sie Raum und Zeit total vergessen und zurück zu ihrem Innersten zu kommen. Ihre Gedanken waren jetzt wieder klar, und Lucy beschloss noch schnell einen Abstecher in Gavins Kabine zu machen, um ihn zu wecken. Es war ja immer noch früh und bis zum Frühstück hatte sie noch ein bisschen Zeit. Bereits im Gang zu Gavins Kabine hörte sie Stimmen, nein, nicht Stimmen, eine Stimme, ein Schreien. Die Stimme kam aus seiner Kabine. „Was ist hier los?†œ, entfuhr es ihr laut und riss die Tür auf. Ein blendend weißes Licht schien vom Bett, so hell, dass Lucy sich schützend die Hand vor die Augen halten musste. Und dann sah sie ihn auf einmal. Nein, eigentlich hörte sie ihn zuerst. Gavin lag im Bett und schrie vor Schmerz. Das ganze Bett brannte inzwischen lichterloh, die Gardinen gingen mit einer Stichflamme in Feuer auf. „GAVIN, wach auf, was machst du da? Los, komm, deine Kabine brennt†œ rief sie ihm zu. Doch er reagierte nicht. Wie viel Feuer verträgt ein Feuerelf? Lucy hatte keine Ahnung, aber sie hatte richtig Angst um ihn. Ohne groß darüber nachzudenken wickelte sie sich ein Handtuch um die Hand und versuchte Gavin aus dem brennenden Bett zu ziehen. Die Hitze war so groß, das sie sich augenblicklich ihre Haare, Augenbrauen und Wimpern versenkte. Mit einer enormen Kraftanstrengung zog sie ihn aus den Flammen. Mit einem Rums fiel er auf den angekokelten Boden. Gavin riss die Augen auf, vollkommen orientierungslos rappelte er sich auf, und gemeinsam stolperten sie aus der Kabine. Tiago kam gerade angerannt, als sie sich keuchend und hustend auf den Boden fallen ließen. Lucy bemerkte erst jetzt, dass er einen Feuerlöscher in der Hand hielt. Mit wenigen routinierten Handgriffen löschte er das Feuer und riss die Fenster auf, damit der Rauch abziehen konnte. Nachdem auch die letzten glimmenden Matratzenteile mit einer dicken Schaumschicht bedeckt waren, drehte er sich zu Lucy um. „Alles klar bei dir? Oh, ich seh schon, nicht ganz. Ich hole Jane, die sollte sich das ansehen.†œ Erst jetzt bemerkte Lucy, dass auf ihrer Hand mehrere dicke Brandblasen zu sehen waren. „Ja, danke†œ, erwiderte sie einsilbig. „Gavin, das Chaos kannst du selbst aufräumen, ich bin es Leid, deine Brandrodungen zu beseitigen. Du solltest das schnellstens in den Griff kriegen!†œ, fuhr Tiago ihn zornig an und ließ Lucy und Gavin dort sitzen. „Was war das? Gavin, was ist mit dir los? Warum hast du geschrien? Warum hast du deine Kabine in Brand gesetzt?†œ „Du glaubst, ich mache das mit Absicht? Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?†œ, schrie er sie an. Lucy war zu geschockt um auch nur ein Wort zu sagen. So saßen sie schweigend nebeneinander im Kabinengang bis Doc Jane aufgeregt angerannt kam.

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„Oh Lucy, was ist denn passiert?†œ Sie wollte schon Gavin eine Abreibung verpassen, aber ein Blick von Lucy ließ sie verstummen. „Komm, ich versorg deine Hand, die sieht gar nicht gut aus. Aber das kann ich besser auf der Krankenstation†œ, sagte sie und half ihr aufstehen. Lucy wollte noch etwas zu Gavin sagen, aber sie wusste nicht was. Er hatte die Augen geschlossen, den Kopf an die Wand gelehnt. So saß er da, mit Ruß geschwärztem Gesicht und praktisch nackt, denn keine Kleidung konnte seiner Hitze lange standhalten. Doc zog Lucy weiter in Richtung Krankenstation, er hörte sie leise flüstern. Wie konnte er das je wieder gut machen? Am Besten, er hielt sich ab jetzt von Lucy fern. Den Gedanken, sie im Schlaf zu verletzen, konnte er nicht ertragen. Ihre Hände, sie hatte sich die Hände an ihm verbrannt. Er musste fast lachen, ja, sie hat sich die Hände an dem Feuerelf verbrannt. So lange er wach war, hatte er Kontrolle über seine Fähigkeiten, unberechenbar wurden sie erst im Schlaf. Das war auch ein Grund, warum er sein Schlafpensum auf ein Minimum reduziert hatte. Er hatte Angst davor. Denn im Schlaf passierten Dinge, die er nicht steuern und beeinflussen konnte. Seine Bude hatte er schon zig Mal abgefackelt, okay, es war bisher nie etwas wirklich Schlimmes passiert. Möbel und Kleidung konnte man ersetzen. Und ab und zu renovieren muss man ja eh. Aber das heute, hatte die Grenze überschritten, vor der er sich immer gefürchtet hatte. Nur wenige in der Bruderschaft wussten genau Bescheid über seine übersinnlichen Fähigkeiten. Er war nicht nur ein Feuerelf, sondern er war auch noch ein Medium. Er wollte das nicht, es quälte ihn jeden Tag, aber er konnte diese „Anfälle†œ, wie er es gern nannte, nicht unterdrücken. Gavin war nicht nur in der Lage in die Zukunft zu blicken, er konnte auch Kontakt mit den Toten aufnehmen. Seine Visionen kamen im Schlaf wie ein Traum. Doch daran war absolut nichts Traumhaftes. Seit einiger Zeit träumte er von Lindsay, jenes fröhliche Mädchen, dass wie eine Schwester für ihn und seine Brüder war, und dass sie auf so tragische Weise verloren hatten. Er hatte sie gesehen, im Traum. Es schien, als verfolgte sie ihn, denn er träumte immer und immer wieder von ihr. Wie konnte er seine Trauer überwinden, wenn er ständig an den Verlust erinnert wurde. Das musste aufhören. So konnte er nicht weitermachen. Er fasste einen Entschluss. Mit neuem Mut stand er auf und ging in seine Kabine, um sich den Schaden zu betrachten. Okay, er würde ein paar Stunden schwitzen müssen, um alles wieder in Ordnung zu bringen, auch bei Lucy, aber das hatte Zeit. Jetzt musste er mit seinen Brüdern reden. Es war an der Zeit die Karten auf den Tisch zu legen und sie über seine Visionen mit Lindsay zu informieren. Geduscht und in frischen Klamotten machte er sich auf den Weg seinen Brüdern beim Frühstück Gesellschaft zu leisten.

Gegen Mittag waren schon fast alle im Fitnessraum an den verschiedenen Geräten beschäftigt. Lilli und Tim waren auf dem Spinningrad, Kerstin und Drago bearbeiten jeweils einen Punchingball mit den Fäusten, da Lucy den Sandsack zerlegt hatte, und ich ging auf eines der freien Laufbänder und programmierte es nach meinen Wünschen. Nur nicht zu schnell anfangen, schön langsam und dann die Geschwindigkeit langsam steigern. Tiago und Fernando liefen neben mir. Nur von Jean, Duncan und Norbert war nichts zu sehen, auch Doc und Bowen waren nicht da. Na ja, und natürlich fehlten Lucy und Gavin. Lucy ging es dank Doc wieder gut. Und was mit Gavin ist…?
Ich stöpselte mir die winzigen Kopfhörer in die Ohren und machte meinen MP3 an. Wunderbar! Blind Guardian, und die richtig schön laut. Nun konnte ich loslegen. Ich musste unbedingt meinen Kopf frei bekommen, denn die Sache mit Lucy und Gavin hatte uns alle ganz schön mitgenommen Nachdem ich schon einige Zeit unterwegs war, riss mich plötzlich jemand am Arm und ich nahm die Kopfhörer raus. Es war Kerstin, die mich panisch ansah: „Schnell Angie, Drago und Tim prügeln sich. Ich trau mich nicht dazwischen zu gehen. Vielleicht hören sie ja auf dich! Schnell!! Ich weiß auch nicht …irgendwie gab ein Wort das andere und schon lagen sie sich in den Haare!†œ „Auch das noch, mal sehen, ob ich was machen kann!†œ

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Da sah ich auch schon die zwei Kampfhähne auf der großen Matte ineinander verschlungen. Lilli stand mit verschränkten Armen daneben und betrachtete die Szenerie mit verächtlicher Miene, die Jungs feuerten Tim lautstark an. Der holte gerade mit seiner rechten Faust aus und schlug Drago gegen das Kinn, dass es nur so krachte. Nachdem ich die beiden erreicht hatte, rief ich lauthals: „Stopp! Sofort aufhören ihr Blödmänner!†œ Genauso gut hätte ich auch gegen eine Wand brüllen können! „Ey, was soll das!†œ, rief ich und versuchte Dragos Arm zu fassen. Doch plötzlich lag ich genau auf ihm und ein 2. rechter Haken traf mein linkes Auge. Tim hatte noch versucht den Schlag etwas abzumildern, aber es tat trotzdem so weh, das ich laut aufschrie. Da hörte ich schwere Schritte und eine wutentbrannte Stimme, die von der Eingangstür herkam. „Was ist denn hier los! Habt ihr nichts Besseres zu tun als euch die Köpfe einzuschlagen?†œ Die Schritte kamen näher. Es war Duncan, der sich mit seiner großen muskulösen Statur vor der Matte aufbaute und die Szene mit finsterer Miene betrachtete. Schlagartig wurde es still und nur die hastigen Atemzüge von Tim und Drago waren zu hören. Die beiden halfen mir vorsichtig auf, nahmen mich in die Mitte und hielten mich vorsichtig an meinen Armen fest, damit ich nicht umfiel.
„Natürlich, du schon wieder!!†œ zischte mich Duncan an und betrachtete mich mit einem sehr wütenden Blick. „Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet?†œ Mein Auge pochte und mir war etwas schwindelig. Dennoch starrte ich ihn erstaunt an: „Was …?†œ Er trat dicht an mich heran: „ Norbert und Jean sind dir wohl nicht genug, was? Du musst dich auch noch an die beiden hier ran machen, du kannst deinen Hals wohl nicht voll genug kriegen! Ich hab es doch von Anfang an gewusst, du machst nur Ärger!†œ, schleuderte er mir entgegen. „ Aber ich … ich†œ, konnte ich nur stammeln. „Halt bloß deinen Mund, von dir möchte ich nichts mehr hören!†œ Verächtlich musterte er mich von oben bis unten, dann nickte er Tim und Drago zu, die mich noch immer festhielten, drehte sich um und stürmte aus dem Raum. Alle sahen ihm entsetzt hinterher, und dann sagte Lilli leise in die Stille: „Du meine Güte, was ist denn in den gefahren? Selten habe ich so einen wütenden Mann gesehen!†œ „ Keine Ahnung, was der hat, und ich werde ihn auch bestimmt nicht danach fragen, bei der Stimmung in der er ist. Tut mir so leid mit deinem Auge, ehrlich, das wollte ich nicht†œ, sagte Tim bedauernd und drückte leicht meinen Arm. „Kannst du laufen?†œ fragte mich Drago. „J..ja, ja…geht schon, alles halb so wild†œ, sagte ich immer noch leicht verwirrt und starrte auf die Tür, durch die Duncan verschwunden war. Was habe ich denn jetzt wieder getan? Ich war viel zu geschockt um wütend zu sein, und als Kerstin meine Hand nahm ließ ich mich widerstandslos Richtung Ausgang ziehen. „Komm, ich bringe dich erst mal zu Doc. Die soll sich mal dein Auge ansehen†œ, sagte sie leise und gab den anderen ein Zeichen. Aber das nahm ich alles nur wie durch einen Nebel wahr….langsam schüttelte ich meinen Kopf… was hatte ich diesem Mann nur getan? Dann sah ich Kerstin an: „Ja, lass uns zu Doc gehen†œ. „Man, Angie, du bist ja ganz blass geworden. Was denkt sich dieser Kerl eigentlich?†œ
Als wir bei Doc angekommen waren, konnte ich immer noch keinen klaren Gedanken fassen. Ich setzte mich auf die Liege und Kerstin erzählte ihr die ganze Geschichte. Doc nahm mein Gesicht in ihre Hände und sagte mit fester Stimme: „ Angie, du hast dir nichts vorzuwerfen! Ich werde wohl mal mit dem Mister Macho … reden müssen! „Oh bitte nicht, das möchte ich lieber selbst machen. Immerhin hat er … mich… was habe ich ihm den getan, dass er mich so hasst?†œ, fragte ich nur. „Ganz sicher nichts!†œ Doc strich mit ihren kühlen Fingern über mein Auge und der Schmerz ließ langsam nach. Dann verschwand er ganz und von der Schwellung war auch nicht mehr viel zu sehen. „Danke†œ, sagte ich leise zu ihr. Sie lächelte und sagte mit ruhiger Stimme: „Leg dich einfach hin. Ruh dich aus. Ich kann gerade hier nicht weg, aber ich komme vielleicht später dann noch mal zu dir.†œ Ich nickte stumm, und als Kerstin mich fragend ansah, sagte ich zu ihr: „Lass nur, geh du wieder zurück zu den anderen, ich schaff das schon. Macht euch mal keine Sorgen, ich komm schon klar.†œ „Okay, aber wenn was ist, du weißt, wir sind sofort da!†œ „Ja†œ, sagte ich mit einem kleinen Lächeln um sie zu beruhigen, „und danke noch mal.“

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In meiner Kabine setzte ich mich in den einladend kuscheligen Sessel, zog meine Beine an und stützte mein Kinn auf meine Knie. Mein Auge tat dank Doc nicht mehr weh und die Schwellung war auch verschwunden. Was hatte dieser Mann bloß gegen mich, grübelte ich. Dieser mörderische Blick in seinen vor Wut schwarzen Augen hatte mir regelrecht Angst ein gejagt. Gut, bei seiner Ankunft habe ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber so schlimm war das doch auch nicht gewesen. Ich stand auf, ging an die kleine Bar und schüttete mir einen Wodka ein. Normalerweise trank ich nicht so harte Sachen, aber das brauchte ich jetzt. Der erste Schluck ging mir noch quer runter und brannte in meiner Kehle, aber nach dem zweiten breitete sich ein wohlig warmes Gefühl in meinem Magen aus. Der Knoten, der sich nach Duncans Auftritt in meinem Magen gebildet hatte, begann sich langsam zu lösen. Ich schüttete mir noch einen ein, dann noch einen. Er hatte mich irgendwie von Anfang an abgelehnt. Lilli hatte mir erzählt, dass er mich sogar auf dem Friedhof zurück lassen wollte. Und als ich wieder an Bord war, hat er mir nur einen flüchtigen Klaps auf die Schulter gegeben, so als wollte er den anderen zeigen, dass er sich auch über meine Rückkehr freute, was aber anscheinend nicht der Fall war. So langsam verdrängte meine aufkeimende Wut meinen Schrecken und meine Angst vor ihm. Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein? Was hat er mir eigentlich vorzuwerfen? Ich kippte den letzten Wodka in einem Zug runter, stellte das leere Glas ab und sagte laut: „So, und jetzt wirst du mir mal erklären, was ich dir eigentlich getan habe!†œ Ich hatte immer noch mein Sport Outfit an, verwaschene Shorts und mein knappes Top, doch das war mir jetzt auch egal! Leicht schwankend stürmte ich, wie immer barfuss, aus meiner Kabine und lief durch die Gänge bis zu seiner Kabine. An der Tür stand nur „Thorpe†œ. Ohne anzuklopfen riss ich sie auf und stolperte in den Raum. Da saß er so selbstgefällig wie immer an seinem Schreibtisch und sah mich erstaunt an. Ich versuchte seinen wütenden Blick zu ignorieren, als er mich erkannt hatte. Mit beiden Händen stützte ich mich auf seinen Schreibtisch, beugte mich vor und legte gleich los, solange ich noch den Mut dazu hatte und der Alkohol seine Wirkung tat. „Du arrogantes Arschloch! Was hast du eigentlich gegen mich? Hab ich dir was getan? Mein Liebesleben oder mit wem ich … rummache… oder nicht… oder ach, was…oh!†œ meine Zunge wollte mir nicht mehr so richtig gehorchen, und plötzlich musste ich unkontrolliert kichern: „Du siehst aber lustig aus, wenn du so wütend bist. Kommen da gleich Qualmwölckchen aus deinen Ohren, oder können deine Augen auch mit einem Blick töten? Oh, hast du deinen Ssswillingsbruder zur Verstärkung…? Ups! Mir wird so komisch, und du bist schuld!†œ…Ich fuchtelte mit meinen Händen vor seinem Gesicht herum, dass etwas undeutlich wurde und funkelte ihn böse an… Plötzlich drehte sich alles, meine Knie verwandelten sich in Gummi, gaben nach und ich sank mit einem erstaunten „Oh?†œ langsam zu Boden und landete auf meinem Po. Mit einem unterdrückten Fluch sprang er auf, lief um den Schreibtisch und hob mich vorsichtig auf. Hatte er mich gerade an sich gedrückt? Nein, das musste ich mir eingebildet haben in meinem Rausch. Er hielt mich etwas von sich weg, und als ich in seine Augen sah, war da… etwas Merkwürdiges in seinem Blick. „Lass das!†œ, zischte er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen, „sieh mich nicht so an!†œ Ich musste wieder kichern: „Wie guck …? Oh, du hast ja zwei Nasen… Du bist aber lustig!†œ Ich schlang einen Arm um seinen Hals und versuchte mit der anderen Hand eine seiner Nasen zu fassen. Doch ich traf nur seine zusammengekniffenen festen Lippen, und er versteifte sich. Doch dann gaben seine Lippen nach, er öffnete seinen Mund ein wenig und ich berührte mit einem Finger seine Zungenspitze. Meine Hand um seinen Hals streichelt seinen festen Nacken. „Mmh, du fühlst dich aber merkwürdig an, irgendwie… ich weiß nicht, hi hi†œ, kicherte ich. Er stand noch immer mit mir auf seinen Armen vor seinem Schreibtisch und starrte an die Decke. „Oh mein Gott!†œ, flüsterte er. Ich betrachtete den Finger, über den seine Zunge eben noch gestrichen hatte und steckte ihn in meinen Mund. „Mmh, du schmeckst auch so komisch… so lecker wie… darf ich noch mal?†œ, nuschelte ich und versuchte den Finger wieder in seinen Mund zu stecken. Als ich diesmal nur sein Kinn traf, konnte ich nicht mehr aufhören zu kichern.

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„Hör auf!†œ, stieß er hervor und sah mich wieder mit diesem nicht deutbaren Blick an. „Würde ich ja, aber du … du bist so… †œ, da presste er seine Lippen auf meine und stöhnte laut in meinen Mund, als sich meine Lippen für ihn öffneten. Oh mein Gott! Ich riss meine Augen weit auf und er zuckte zurück. „Nein!†œ, flüsterte er und schüttelte leicht den Kopf. „Duncan, mir ist so komisch und mir dreht sich alles†œ, murmelte ich und drückte mein Gesicht an seine Brust. „Hihi, da knurrt ein Hund drin… hihi.†œ Langsam, mich immer noch in seinen Armen haltend, ging er auf das Bett zu, legte mich vorsichtig auf den Rücken, löste sanft meine Arme, die immer noch seinen Nacken umklammerten und trat sofort einen Schritt zurück. „Bitte!†œ, murmelte ich, drehte mich auf die Seite und streckte meinen Arm nach ihm aus, „Nicht weggehen, bitte.†œ Ich hörte ihn tief seufzen, dann setzte er sich auf die Bettkante und nahm meine Hand. Ich zog sie zu mir und legte meine Wange darauf. Das fühlte sich so unbeschreiblich gut an. Ich schloss meine Augen. Dann spürte ich wie er sich über mich beugte. Seine Lippen berührten meine Stirn und er sagte: „Du bist angeheitert.†œ „Nein, ich bin stramm wie eine Natter!†œ, kicherte ich leise vor mich hin. Seine Lippen hinterließen ein sonderbares Gefühl auf meiner Stirn, ich tastete mit meinen Fingern über die Stelle: „Was ist das? Es fühlt sich so an, wie du schmeckst… sonderbar, Ich kuschelte mich tiefer in das Kissen, das er mir unter meinen Kopf geschoben hatte: „Dein Kissen riecht auch danach, und du hast doch einen knurrenden Hund hier.†œ Ich hörte ihn leise lachen. „Du solltest viel öfter lachen, das hört sich so schön an… und aufhören mich zu hassen†œ, murmelte ich schon im Halbschlaf. „Ich wollte, ich könnte dich hassen…meine kleine, süße Hexe.†œ Ich war mir nicht sicher, ob ich das so richtig verstanden hatte, in meinem Kopf herrschte das totale Chaos. Das Letzte, was ich wahrnahm, war seine Hand, die sanft über meinen Mund strich….dann schlief ich ein.
Das Erste, was ich bemerkte, als ich so langsam wach wurde, war die Hand, die eine Strähne meines Haares durch die Finger gleiten ließ und die heisere Stimme, die die Worte flüsterte: „So wunderschön und weich wie Seide†œ. Man, das war aber mal ein merkwürdig realistischer Traum! Mit geschlossenen Augen räkelte und streckte ich mich und hatte eigentlich noch keine Lust aufzuwachen. Mmh das Kopfkissen roch ja köstlich… den Geschmack hatte ich doch schon mal auf der Zunge gehabt! Mh, wann bloß? Norbert roch anders, nicht so intensiv und unwiderstehlich…so…ach, ich konnte diesen Duft einfach nicht beschreiben. In meinem Kopf brummte es und meine Zunge war mindestens auf das Dreifache angewachsen, von dem Geschmack in meinem Mund ganz zu schweigen. Noch einmal reckte ich mich genüsslich und schlug die Augen auf. Verwirrt blickte ich mich um. Das war nicht meine Kabine! Dann bemerkte ich, dass mein Top total verrutscht war, und ich praktisch oben herum nackt war. Oh! Schnell zuppelte ich alles wieder richtig. Dann sah ich … Duncan! Er betrachtete mich mit einem solch brennenden Blick, dass ich mir schnell das Betttuch bis zum Kinn zog. Dann zuckte er zusammen, und sein Blick wurde wieder so dunkel und hasserfüllt… „ Wie bin ich hierher gekommen? Warum liege ich in deinem Bett… haben wir? Hast du…?†œ, fragte ich ihn kleinlaut, und langsam kroch Panik in mir hoch. Als er auf mich zu kam, rückte ich bis an die Wand. Er stutzte als er meinen verängstigten Blick sah, drehte sich abrupt um und ging ans Fenster.
„Nein, es ist nichts… passiert†œ, sagte er brüsk und drehte mir den Rücken zu. Mit seiner Faust schlug er leicht gegen den Rahmen. „Mach, dass du raus kommst!†œ, sagte er eiskalt. „Los, raus hier!†œ So schnell ich konnte stand ich auf. Oh, und wankte leicht, ich war immer noch ganz schön angeheitert! Hastig wickelte ich mir das Tuch, so gut es ging um, und als ich seine Kabinentür aufriss, hörte ich ihn einen so verzweifelten Schrei ausstoßen, dass ein kalter Schauer über meinen Rücken ran. Kurz bevor ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich noch einen Schlag und das Splittern von Glas. Dann rannte ich auf dem schnellsten Weg zu meiner Kabine.

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Doc hatte auf der Krankenstation Lucys Brandwunden geheilt, von denen nur noch wenige kleine, rosafarbene Hautpartien zu sehen waren. In den letzten Stunden hatte sie einiges zu tun gehabt, nach der Behandlung von Lucys Brandwunden, musste sie auch noch Angies Boxhieb, den sie in dem Gerangel im Fitness-Studio kassiert hatte, kurieren und sie so vor einem schönen Veilchen bewahren. Doc beschloss noch ein wenig auf der Krankenstation zu bleiben um herauszufinden, warum ihre Legierung beim Kampf gegen den Guhl versagt hatte. Leider fand sie keine Erklärung für die Ursache und so lag sie Stunden später schlaflos in ihrem Bett und wälzte sich von einer Seite auf die andere. „Jane, ich… ich liebe dich!“ Bowens Stimme tauchte in einer Endlosschleife in ihrem Kopf auf. Bisher hatte sie es immer geschafft das Weite zu suchen, bevor man sie mit den berühmten drei Worten konfrontiert hatte. Diesmal war es anders. Grundlegend anders. Die paar Tage mit Bowen hatten etwas in ihr verändert.
„Du bist meine Seelenverwandte†œ, hatte er gesagt. Konnte das sein? Gab es solch schicksalhafte Verbindungen wirklich? Ihr Vater hatte daran geglaubt, das Einzige was er ihr über ihre Mutter gesagt hatte war, dass seine Frau Nimue seine Seelenverwandte war. „Mit ihrem Tod hat sie einen Teil von mir mitgenommen. Du bist ihr so ähnlich†œ, hörte sie ihn noch sagen. Er hatte ihr nie lange in die Augen sehen können. Die Fragen über ihre Mutter, mit denen sie ihn konfrontiert hatte, blieben unbeantwortet. Irgendwann, als sie älter geworden war, hatte sie es dann aufgegeben. Sie hatte Tag für Tag in seinen Augen gesehen, dass sie ihn an sie erinnerte und es ihn schmerzte. Er war gut zu ihr gewesen, aber ein liebevoller Vater war er dennoch nicht. Er hielt sie auf Distanz. Als sie vier Jahre alt war, begann er mit ihrer Ausbildung. Er brachte ihr alles bei, was er wusste. Ihre Heilkräfte hatte sie von ihm geerbt. Sie kam mit anderen Kindern in das Druidenkloster und verlebte dort eine sehr asketische Kindheit. Aber Doc liebte ihren Vater und ihre Heimat, beides hatte sie für immer verloren.
Seufzend stand sie auf um sich einen Drink einzuschenken. Anscheinend hatte Tiago nach ihrem Umzug in Bowens Räumlichkeiten auch direkt die Bar ausgeräumt. So beschloss sie, nach oben an die Bar zu gehen. Ihre Schwestern waren wahrscheinlich längst mit ihren männlichen Pendants in den Kabinen verschwunden, und die anderen Jungs schliefen sicherlich längst. Es ging auf Mitternacht zu. Nur mit ihren Boxershorts und einem Top bekleidet, machte sie sich auf den Weg. Leise schloss sie ihre Kabinentür und schlich barfuss den Korridor entlang. Bowens Türe lag schräg gegenüber. Als sie daran vorbeikam, blieb sie stehen und legte eine Hand auf das Holz. Dahinter war es ganz still, wahrscheinlich schlief er schon. Normalerweise fiel es Doc immer leicht, Körbe wie Flyer zu verteilen, aber das heute war verdammt schwer gewesen und falsch, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Sie schlich schnell weiter durch den Korridor, das fehlte ja noch, dass er sie hier entdeckte.
Es zog sie nach draußen aufs Achterdeck. Die Luft hatte sich auf eine angenehme Temperatur abgekühlt. Hinter der Poolbar, die nur vom Mondschein beleuchtet war,  bediente sie sich am Kühlschrank selbst und nahm eine Flasche O-Saft. Sie fühlte sich wie eine Einbrecherin, es war ja Cyrus Terrain. Um nicht entdeckt zu werden, setzte sie sich, bewaffnet mit der Flasche, hinter die Theke auf den Boden, lehnte sich an den Kühlschrank. trank in großen Zügen aus der Flasche und hing ihren Gedanken nach. Langsam schoben sich Wolken vor den Mond, den sie betrachtete. Dabei glitt sie ins Reich der Träume.
Plötzlich durchfuhr ein Schmerz ihre Hand und sie schreckte sie hoch.  „Verflucht, au!“ Sie sah nur zwei Beine. „Oh sorry, ich habe dich nicht gesehen, Doc? Sag mal, was machst du hier?“ Es war Cyrus, der sie jetzt ganz unverhohlen musterte. Doc stand wankend auf, stütze sich an der Theke ab und rieb sich die schmerzende Hand am Bein. „Nichts, ich hatte keine Getränke mehr in meiner Minibar, schreib die hier auf meine Rechnung, okay?“ Sie deutete auf die Flasche und wollte gehen. Er versperrte ihr den Weg, stieß sie dabei an der Schulter an, woraufhin Doc ihre Balance verlor.

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Cyrus packte sie an den Seiten und versuchte ihr Halt zu geben. †œEs ist wohl am besten, ich bringe dich direkt zu Bowen. Man, du bist ja völlig durch den Wind.† †œQuatsch, du hast mich nur gerade so liebevoll geweckt, und der Letzte, den ich jetzt sehen möchte, ist McRieve. Lass gut sein, ich komme schon klar.† Sie sah zu ihm hoch und bemerkte erst jetzt, dass seine Augen anders aussahen als sonst.
†œDoc, hör mal, ich war eben bei Bowen, er hat mir erzählt was vorgefallen ist. Er ist einer meiner ältesten Freunde, und ich habe ihn noch nie so verzweifelt erlebt. Trotzdem, ich kann dich auch verstehen. Aber, und das ist jetzt kein Rat von einem Barkeeper, sondern von einem Werwolf, egal was passiert ist, du solltest nicht halbnackt alleine hier draußen rumhängen!† Sein Blick glitt über ihren Körper. „Wieso?† †œWir verwandeln uns zwar nur bei Vollmond völlig, aber bis zum Neumond wirkt sein Licht stimulierend auf uns, und nicht jeder hat sich dann völlig im Griff. Und bei deinem Anblick, na ja…† †œOh, okay, ich wollte sowieso gerade zurück.† Abrupt wandte sie sich ab, weil sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte wurde ihr schwindelig und ihre Knie gaben nach und sie sank zu Boden. Cyrus fing sie, kurz bevor sie auf den Boden aufschlagen konnte, auf und legte sie hin. Dann kniete er sich neben sie. Er war sehr nah, viel zu nah. Einen Arm hatte er unter ihren Körper geschoben, sie konnte die Hitze, die sein Körper ausstrahlte, spüren. Ihre Brust berührte seinen Oberkörper. Cyrus gab ein leises Knurren von sich. Sie sah goldene Funken in seinen Augen, jemand beleuchtete ihn mit einer Taschenlampe. Seltsam, oh nein! Es war der Mond, die Wolken gaben ihn wieder frei. In dem silbrigen Licht sah Cyrus wunderschön aus. †œDoc, oh verdammt, bitte reiß dich jetzt zusammen und lauf! Lauf so schnell du kannst zu deiner Kabine, und egal was passiert, hau mich K.O. oder sonst was, du kannst das. Los schnell!† Er half ihr und schob sie von sich. Doc wankte los. Als sie seine Schritte hinter sich hörte, versuchte sie in einen leichten Laufschritt zu verfallen. Verdammter Mist. Sie fing an zu rennen, drehte den Kopf, um zu sehen, ob er noch hinter ihr her war. Das war keine gute Idee, denn so übersah sie eine Poolliege die ihren Weg kreuzte, die Schwerkraft machte ihr wieder einen Strich durch die Rechnung. Sie knallte ungraziös der Länge nach vorwärts auf den Boden.
Verflucht! Da tauchte auch schon ein Schatten über ihr auf und ein lautes Knurren war zu hören. Cyrus! †œKomm schon, Lassie! Frauchen hat keine Lust zu spielen, los geh ab!†, fauchte sie ihn an. Sie stütze sich ab und wollte aufstehen, da setze er sich rittlings auf sie. Er fasste grob ihre beiden Handgelenke und zog diese über ihren Kopf. Ihr Gesicht schabte über den harten Boden. †œCyrus, hör auf. Aus!† †œJetzt bist du fällig, und hast dich schon freiwillig in die richtige Position begeben, so hab ich es am liebsten. Schade, ich spiele eigentlich lieber etwas länger, und ich hab mir schon so oft gedacht, dass ich dich gern mal fangen würde und…† Sein Atem kitzelte heiß an ihrem Ohr. Mit seiner freien Hand schob er ihre Haare aus dem Nacken und sog tief ihren Geruch ein. Doc zappelte wie wild unter ihm, bekam eine Hand frei und griff damit hinter sich in sein Haar. Sie zog seinen Kopf zur Seite, dabei schaffte sie es sich auf den Rücken zu drehen. †œSüße, wehr dich ruhig, das macht es nur aufregender für mich.† Seine Stimme war verändert dunkel und rau, er war eindeutig nicht mehr der nette Barkeeper. Er hatte jetzt etwas sehr Animalisches und Gefährliches an sich. Seine Gesichtszüge waren auch leicht verändert. Wieder gelang es ihm ihre Handgelenke zu fassen und zwang sie diesmal hinter ihren Rücken.  Klasse, jetzt musste Doc auch noch oben ohne kämpfen. Sie drehte und wand sich und hätte ihm am liebsten einen Energieball verpasst, aber sie bekam ihre rechte Hand einfach nicht frei.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Liebe [Kapitel 9]