Black Dagger Ladies Online †“ Zwischenstopp in Havanna [Kapitel 10]

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Zwischenstopp in Havanna
Kapitel 10

Doc räusperte sich „Hi.†œ Bowen schwieg, sie schritt auf ihn zu. Das Bett zwischen sich, stand sie ihm direkt gegenüber. Nach einer gefühlten Ewigkeit unbehaglichen Schweigens gingen sie beide langsam um das Bett herum aufeinander zu und blieben voreinander stehen. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar, seine Augen blickten verlegen hin und her, als wüsste er überhaupt nicht, was er sagen oder tun sollte. Er wirkte schwer verunsichert. Endlich erfasste Jane als erste das Wort „Bo, ich…†œ, schon wieder kamen ihr die Tränen, dieses Geständnis kostete sie ihren ganzen Mut. „Bowen, ich halte es nicht mehr länger aus. Ich liebe Dich.†œ Er tat den letzten Schritt, der sie voneinander trennte und nahm ihre Hand „Oh Doc, ich dachte schon, ich hätte alles ruiniert, es tut mir so unendlich leid wie das gelaufen ist.†œ Sie strich ihm mit der freien Hand über die Wange „Nein, das hast du nicht. Ich hätte auch anders reagieren sollen. Trotz allem, zu dieser Verbindung bin ich noch nicht bereit.†œ „Du hast alle Zeit der Welt! Ich werde auch versuchen mich nicht allzu besitzergreifend aufzuführen, Cyrus hat mir gesagt, dass auch er ein Auge auf mich haben wird und aufpasst, dass ich es nicht übertreibe.†œ Doc blickte auf das Bett und lächelte anzüglich „Ach, also in manchen Bereichen kannst du das ruhig gerne so beibehalten.†œ „Na, dann komm her, meine Erdbeere.†œ

Wie aus weiter Ferne hörte Kerstin immer wieder ein und dieselbe Stimme. Aber irgendwas in ihrem Inneren sträubte sich, auf diese Stimme zu hören. Sie fühlte sich gut. Erleichtert und frei, aber trotzdem stimmte was nicht. „Warum fühle ich mich so gut?“, fragte Kerstin sich. „Da, wieder diese Stimme, die mir sagt, dass ich irgendwo hingehen soll. Warum, es ist doch schön hier. So tolle Farben, es ist warm und weich. Und, oh, da ist etwas auf meiner Stirn, jetzt auf meinen Lippen. Es fühlt sich vertraut an†œ, dachte sie und wusste nicht, woran sie das erinnerte. Doch plötzlich wurde es ihr schlagartig klar. Mit einem Ruck wachte sie auf. Kerstin befand sich noch immer in dem merkwürdigen Raum, der so toll aussah und der so merkwürdig roch. Und da war er, Drago. Sie lag in seinen Armen, auf dem Fußboden? Ach ja, sie hatte sich eine kleine Auszeit genommen und war eingeschlafen. „Hallo“, sagte Drago ganz leise und hatte dabei ein Lächeln auf den Lippen. „Hallo“, gab Kerstin mit belegter Stimme zurück. „Was ist los? Wieso liegen wir zwei auf dem Boden und ich in deinem Arm?†œ, fragte sie vorsichtig. „Tja“, sagte Drago, „du hattest dir wohl gedacht, du würdest gern ein bis drei Stündchen schlafen und hast dich mir in die Arme geworfen.“ Sofort wollte sie aufstehen, aber er hielt sie sanft zurück. „Wo willst du denn hin? Trink erstmal was, damit du wieder in Schwung kommst.†œ „Okay“, sagte Kerstin und in Gedanken fügte sie hinzu, „warum auch nicht, liegt sich gut hier. Wer weiß, wann ich noch mal so eine Gelegenheit habe.“ Drago fing an zu lachen und Kerstin wusste auch sofort warum und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie hatte vergessen, dass er nun ihre Gedanken hören konnte, auch ohne ihr in die Augen zu schauen. „Oh man, ist das peinlich.“ „Nein, warum denn. Es ist nur etwas ungewohnt für uns beide“, gab er zurück. Kerstin wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie schauten sich an, und diesmal konnte Kerstin hören was er dachte. „Ich würde gern mit dir all die Sachen machen, an die du vorhin gedacht hast.†œ Kerstin wurde sofort rot wie ein Hochofen. „Ich würde dir am liebsten hier und jetzt die Klamotten vom Leib reißen und dich so verwöhnen wie du es dir nie erträumt hast, dich küssen und streicheln. Aber das geht ja leider nicht, du hast eine Beziehung. Und er liebt dich.“ Unglücklich schaute er sie an. „Ich werde mich nicht zwischen dich und Tim stellen. Ich habe schon genug Ärger mit den Jungs. Und ich tauge nichts für eine feste Bindung“, sagte er und rückte etwas von Kerstin ab. Kerstin zog die Augenbrauen zusammen. „Ich weiß nicht, was zwischen den Jungs und dir vorgefallen ist. Ich habe vorhin die Beziehung mit Tim gelöst. Ich habe eine Seite an ihm entdeckt, die mir überhaupt nicht gefällt. Das wäre also nicht das Problem, und wenn du mir nicht sagen möchtest, was vorgefallen ist, ist das für mich auch in Ordnung. Aber wir müssen beide herausfinden, was das zwischen uns ist.“ Ein trauriges Lächeln erschien auf Dragos Gesicht. „Ich habe Angie erzählt, was damals geschehen ist, du kannst sie fragen. Und für unser kleines Problem finden wir auch noch eine Lösung.“

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Er zog Kerstin wieder an sich und gab ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. Da, das war es, was sie vorhin gespürt hatte. Er hatte sie also geküsst. Siedendheiß fiel ihr noch etwas ein. „Sag mal, als ich vorhin diese Auszeit genommen habe“, Drago musste schmunzeln, „wieso hast du dir nicht die Lippen verbrannt, als du mich geküsst hast?“ Jetzt war es Drago, der etwas verwirrt war. „Na ja ich meine, das letzte Mal, als ich dir diesen Kuss auf dein Ohr gegeben hatte, habe ich dich doch verbrannt?“ Daran konnte er sich noch gut erinnern. „Weil du jetzt nicht wütend warst, würde ich sagen. Aber wir können es gern noch mal ausprobieren“, sagte er und diesmal war wieder das Grinsen da. Ihr blieb keine Zeit mehr zu überlegen, schon hatte Drago sie fest an sich herangezogen und leidenschaftlich geküsst. Ihr blieb fast die Luft weg. Dann seufzte sie und erwiderte den Kuss. Drago löste sich von ihren Lippen und schaute sie an. „Alles okay?“, fragte er. „Bei mir schon“, antwortete Kerstin und im nächsten Moment verschloss sein Mund erneut ihre Lippen. Mit ihren Fingern fuhr sie durch seine Haare und zog in fester an sich heran. Drago verstand diese Geste und begann sie zu streicheln. Mit seinen Fingern zog er eine Linie von ihrer Stirn der Nase entlang zu ihren Lippen. Dann wanderten seine Finger über ihre Wangenknochen und strichen eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Kerstin bekam eine Gänsehaut. Sie knabberte an seiner Unterlippe und biss ganz kurz zu. Drago stöhnte leise auf. Kerstin legte den Kopf in Nacken und genoss die Berührungen.

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„Mmh, das war jetzt nicht das Gespräch, das ich mir erhofft hatte, aber es hat mich trotzdem zu einer Erkenntnis gebracht.“ „Ach ja, inwiefern denn?“, fragte Drago. „Ja“, sagte Kerstin, „also erstens †“ wow…, das war ein Erlebnis, wovon ich später bestimmt nicht meinen Enkeln erzählen werde.“ Drago musste lachen. „Und zweitens – ich bin mir noch nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich habe jetzt keine Angst mehr davor herauszufinden, was es mit uns beiden auf sich hat.“ Sie lächelte und schaute ihn an. Aber er machte ein so ernstes Gesicht, dass Kerstin sich aufrichten musste, um ihn richtig anzusehen.
Dabei rutschte die Decke von ihrem Körper, und in Dragos Mundwinkeln war ein kleines Zucken zu erkennen. „Das kannste jetzt vergessen“, dachte Kerstin und Drago sagte: „Warum denn? War es eine so schlechte Art zu den Erkenntnissen zu kommen?“ „Nein“, erwiderte sie, „aber ich möchte jetzt in meine Kabine, ich muss duschen und mich umziehen. Wir müssen noch so einige Vorbereitungen für Peru treffen und ich muss noch mal mit Angie und auch mit Tim sprechen. Das bin ich Tim schuldig.“ Drago hatte wieder dieses selbstsichere Grinsen im Gesicht und nahm Kerstin in seine Arme. „Verstehe ich das richtig? Du und ich? Ich meine…“, aber Kerstin unterbrach ihn. „Vielleicht!? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich möchte es gerne versuchen, auch wenn du mir vorhin gesagt hast, dass du nicht für eine feste Beziehung taugst. Und natürlich möchte ich genau wissen, was das alles mit uns zwei auf sich hat.“ Mit einem lauten Seufzer der Erleichterung zog Drago Kerstin an sich und küsste sie zärtlich.

Fernando war schon seit einer Stunde wach, er war von der aufgehenden Sonne geweckt worden. Ein unheimliches Glückgefühl durchdrang ihn, als er Lilli so in seinen Armen liegen sah. Er beobachtete sie und lächelte über ihre Grimassen, die sie im Schlaf machte. Er liebte dieses Gesicht, diese Wuschelhaare und diese spitzen Öhrchen, die sich auch ab und zu bewegten. :Am liebsten hätte er dieses Gesicht mit Küssen übersät, aber er wollte sie nicht wecken, also begnügte er sich damit, sie zu beobachten. Er war sich auch immer noch nicht sicher, ob Lilli ihn wirklich liebte. Sie hatte ihm zwar ihre Liebe gestanden und erzählt, dass sie sich von ihrem toten Geliebten André verabschiedet hatte, aber er wusste wie tief die Wunde in Lillis Herz war. Konnte er diese Wunde wirklich heilen, und würde Lilli irgendwann wirklich seine Gefährten sein? Er wusste es nicht, er konnte nur darauf hoffen, und er hatte Angst davor, dass seine Hoffnung vergebens war.
Lilli kam langsam zu sich. Sie fühlte sich unheimlich wohl und geborgen. Sie spürte, dass sie immer noch in Fernandos Arme gekuschelt war, und dass er sanft über ihre Haare strich. Sie öffnete die Augen und sah in ein lächelndes, wunderschönes Gesicht. „Guten Morgen, meine Schöne. Hattest du angenehme Träume?†œ Lilli rieb sich den Schlaf aus den Augen und lächelte ebenfalls. „Ja, hatte ich, vielen Dank. Ich habe gerade mit Lucy und Kerstin ein paar Dragons verhauen, das war klasse.†œ Fernando setzte ein breites Grinsen auf: „Habe ich gesehen. Dein Gesicht spricht Bände, wenn du schläfst.†œ

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„So? Wie lange bist du denn schon wach, du kleiner Spanner?†œ „Schon eine Weile und ich konnte es gar nicht abwarten, dieses zu tun,†œ sagte Fernando und küsste Lilli liebevoll und zärtlich. Sie erwiderte seinen Kuss und schmiegte sich an seinen Körper. Ihr Kuss wurde intensiver und Lillis Hände fuhren unter Fernandos T-Shirt. Er stand sofort unter Strom, damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Sollte es jetzt wirklich dazu kommen, dass sich Lilli ihm aus Liebe hingab? Anscheinend, denn ihre Hände waren überall auf seinem Körper und ihr Kuss wurde immer leidenschaftlicher und drängender. Fernando konnte sein Glück nicht fassen. Er wollte gerade Lillis Zärtlichkeiten erwidern, als sein Handy klingelte. Genervt stöhnte er auf und löste sich widerwillig von Lilli. „Wer immer das auch ist, ich bringe ihn um!†œ, zischte er. „Wer stört?†œ, blaffte er ins Handy. Er hörte einen kurzen Moment zu und sagte dann: „Hattori, beruhige dich, ich bin gleich bei dir. Ja sicher! Sofort!†œ Er steckte sein Handy weg und schaute in Lillis besorgtes Gesicht. „Hattori hatte einen sehr beunruhigenden Traum. Ich muss sofort zu ihm.†œ „Ja, klar. Geh und hilf ihm, er braucht dich. Ich mache mich fertig und schau mal nach den anderen. Mal hören, ob es was Neues an den Beziehungsfronten gibt.†œ Fernando lächelte Lilli entschuldigend an. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich hoffe, dass wir bald da weitermachen können, wo wir eben aufgehört haben.†œ Lilli schlang ihre Arme um Fernandos Hals und gab ihm einen verheißungsvollen Kuss. „Da kannst du Gift drauf nehmen, dass wir das fortsetzen. Und jetzt geh zu Hattori.†œÂ  „Ich kann es kaum erwarten†œ, raunte er ihr ins Ohr und ging zur Tür. Er drehte sich noch einmal um und sah, dass Lilli ein leichtes grünes Leuchten ausstrahlte. „Ich auch nicht†œ, sagte sie lächelnd „Ach, und denk daran, du wolltest auch noch bei Drago vorbeischauen.†œ „Sicher doch. Hab ich nicht vergessen. Bis später, meine Schöne.†œ
Nachdem Lilli sich geduscht und angezogen hatte, lief sie rauf zum Oberdeck. Aber von ihren Schwestern war keine zu sehen, und auch von den Jungs lief ihr keiner über den Weg. Komisch, es war schon später Vormittag, die konnten doch nicht alle noch schlafen. Sie schlenderte zur Bar und traf dort auf den ziemlich zerknirscht wirkenden Cyrus. „Hallo Cyrus, was ist denn dir passiert?†œ „Oh, hallo Lilli. Das ist eine nicht sehr schöne Geschichte und ich möchte sie eigentlich auch nicht erzählen.†œ Lilli setzte sich auf einen Barhocker und schaute ihn verständnisvoll an. „Mir geht es immer besser, wenn ich über meine Probleme reden kann, und ich kann schweigen wie ein Grab. Also, wenn du es mir erzählen möchtest, ich habe Zeit. Wenn nicht, ist es auch gut, und ich leiste dir nur etwas Gesellschaft.†œ Cyrus schaute sie nachdenklich an. „Ja, ich glaube du hast recht. Vielleicht geht es mir ein wenig besser, wenn ich mit jemandem darüber spreche. Lilli, ich habe voll Mist gebaut!†œ Cyrus erzählte Lilli die ganze Geschichte, die sich zwischen mit Jane und ihm und Bowen abgespielt hatte. Lilli hörte sehr aufmerksam zu, und als Cyrus sich alles von der Seele geredet hatte, blies sie ihre Backen auf und ließ die Luft hörbar wieder austreten. „Oh Cyrus, da hast du ja wirklich ganz schön was angestellt. Hast du schon mit einem der beiden geredet?†œ „Ja klar, mit Bowen. Er ist mir nicht böse. Er weiß wie der Mond auf mich wirkt, und er hat mir schon öfters aus der Patsche geholfen. Aber, dass mir das jetzt ausgerechnet bei Jane passiert ist, ist mir unheimlich peinlich. Meinst du, ich kann mit Jane reden. Ich habe schon ganz schön angst davor, mit ihr zu sprechen.†œ Lilli lächelte Cyrus an: „Das kann ich mir vorstellen, aber du brauchst keine Angst vor Jane zu haben. Sie ist sehr verständnisvoll und nicht nachtragend. Geh zu ihr, und entschuldige dich bei ihr, dann wird alles wieder gut. Ganz einfach, Cyrus, Augen zu und durch.†œ „Ja, Lilli du hast recht. Danke fürs Zuhören und bitte, erzähle es niemand. Ich mache mich gleich auf den Weg und rede mit Jane.†œ Lilli rutschte vom Barhocker: „Ich habe dir ja gesagt, dass ich schweigen kann wie ein Grab. Warte, ich begleite dich ein Stück. Ich will runter in den Computerraum, vielleicht finde ich Lucy dort.†œ Unten angekommen, bemerkten sie, dass die Tür zur Krankenstation offen stand. Lilli klopfte Cyrus auf die Schulter: „Geh rein. Das ist bestimmt Jane, Fernando ist nämlich bei Hattori oder Drago.†œ

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Cyrus schaute sie fragend an. „Kann ich dir jetzt nicht näher erklären. Du musst zu Jane und dich mit ihr aussprechen. Viel Glück!†œ Lilli lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu und ging weiter zum Computerraum.
In der Zwischenzeit war Fernando bei der Kabine von Hattori angekommen. Er musste sich schwer zusammenreißen, um nicht dauernd an das kurze Zwischenspiel mit Lilli zu denken. Das war jetzt nicht sehr hilfreich, er musste wieder einen klaren Kopf bekommen. Er hatte kaum an Hattoris Tür geklopft, da wurde diese schon aufgerissen und ein völlig aufgeregter Hattori zog ihn in die Kabine. „Mann, Nando, bin ich froh, dass du da bist. Wie lange brauchen wir noch bis nach Peru?†œ „Übermorgen sind wir da. Sag mal, Hattori, was für Geister gehen dir denn nach?†œ „Ich habe schon nach Jean geschickt, ihr müsst mich bis Peru in eine Zelle sperren!†œ Fernando schaute ihn total entgeistert an. „Wie in eine Zelle sperren? Jetzt mal ganz langsam, was ist denn los?†œ Hattori setzte sich atemlos aufs Bett und strich sich mit fahrigen Händen übers Gesicht. „Nando, ich weiß jetzt, was die Dragons mit mir vorgehabt haben. Sie wollten einen Schläfer aus mir machen und ich weiß nicht, wie gut ihnen das gelungen ist.†œ „Wie kommst du denn darauf?†œ „Ich habe im Traum gesehen wie ich Duncan, Bowen und dich umgebracht habe. Ich habe euch mit meinen eigenen Händen die Köpfe abgerissen. Es war so furchtbar. Ich hätte es ja noch als schlimmen Alptraum abgetan, wenn da nicht dauernd diese Stimme gewesen wäre.†œ „Welche Stimme?†œ, fragte Fernando, der seinen Freund entsetzt anschaute. „Die Stimme in meinem Kopf. Sie sagte immer wieder: das musst du tun, das musst du tun. Ich bin wach geworden, als ich aus der Kabine gehen wollte und habe dich dann sofort angerufen. Ich weiß nicht, ob und wie lange ich dem standhalten kann. Ich wollte mich ja schon auf den Weg machen, um es in die Tat umzusetzen. Ich muss zu meinem Meister. Nur er kann mir helfen meinen Geist und meinen Körper davon zu befreien.†œ „Gut, wenn du es so möchtest. Nur du allein kannst einschätzen wie groß die Gefahr ist.†œ Es klopfte an der Tür und Jean kam herein. „Hey, wo brennt es denn?†œ Fernando schaute besorgt zu Jean: „Wir müssen Hattori bis Peru in eine Zelle sperren. Er ist für uns eine Gefahr. Er kann es dir auf dem Weg dorthin selbst erzählen, ich muss sofort zu Duncan und es ihm berichten.†œ Er drehte sich zu Hattori, der schon seine Sachen in die Hand nahm und zu Jean ging. „Beruhige dich, Kumpel. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Jean bringt dich und uns jetzt erst einmal in Sicherheit und dann sehen wir weiter. Ich denke, Duncan hat schon alles in die Wege geleitet, damit du in Peru gleich weiterreisen kannst.†œ Hattori nickte nur kurz: „Danke, Leute. Jetzt bin ich erleichtert.†œ Während Hattori und Jean sich auf den Weg zu den Zellen machten, eilte Fernando zu Duncans Kabine. Armer Hattori, welchen Kampf musste er wohl mit sich austragen, diese verdammten Dragons. Fernando wollte gerade an Duncans Tür klopfen, als diese aufging und ich ihm in die Arme lief. Natürlich hatte ich sofort einen hochroten Kopf. „Ups, Fernando. Äh, wo ist denn Lilli?†œ, konnte ich nur noch stammeln. Fernando lächelte mich an und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er nicht überrascht war, mich zu sehen. „Die wollte nach euch Mädels suchen und Neuigkeiten austauschen. Wo sie jetzt aber genau ist, weiß ich nicht. Ich war bei Hattori und muss jetzt dringend mit Duncan reden. Ciao Angie.†œ „Äh, ja, ciao†œ, sagte ich zu der geschlossenen Tür und verkrümelte mich. Ich musste erst mal meine Gedanken und Gefühle sammeln.
Duncan hatte mir mit leidenschaftlichem Blick nachgesehen und war jetzt doch sehr verlegen, als Fernando zur Tür hereinkommen war. „Oh, hallo Fernando, was gibt†™s?†œ Fernando grinste über das ganze Gesicht. „Das muss dir nicht peinlich sein, Duncan. Ich bin†™s Fernando, dein bester Freund. Ich habe das schon kommen sehen. Ich habe es wahrscheinlich schon früher gewusst als du. Aber darüber können wir später noch reden. Ich habe dir jetzt wichtigere Sachen zu berichten.†œ Fernando berichtete Duncan was mit Hattori los war, und dass er sich jetzt in einer Zelle befand. Duncan war zuerst sprachlos, doch dann funkelten seine Augen vor Zorn. „Diese Ausgeburten der Hölle, die machen vor gar nichts Halt. Wenn wir die nur mal in die Finger bekämen†œ, polterte er los. †œVielleicht können wir Hattori aber noch früher von Bord bringen. Lucy hat etwas über ein Treffen der Dragons herausbekommen, das in Havanna stattfinden soll.

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Ich überlege, sie und Gavin dorthin zurückzuschicken. Bei dieser Gelegenheit könnten wir Hattori vom Schiff bringen, dann müsste der arme Kerl nicht bis Peru eingesperrt bleiben. Ich kümmere mich mal darum.†œ „Gut, bis später. Ich muss noch eine Tür weiter. Es scheint ein anstrengender Tag zu werden†œ, sagte Fernando und schickte sich an die Kabine zu verlassen. „Fernando! Warte mal!†œ, rief Duncan. Fernando drehte sich mit einem breiten Lächeln um: „Ja, Alter, alles klar. Ich komme heute noch mal auf einen Drink vorbei, dann können wir ausführlich darüber reden.†œ „Danke, Fernando.†œ Fernando verließ Duncan und machte sich auf den Weg zu Drago, er hatte es Lilli ja praktisch versprochen. Als er in den Gang von Dragos Quartier einbog, sah er wie Kerstin gerade Dragos Kabine verließ. Er hatte heute aber auch ein miserables Timing, erst Angie und jetzt auch noch Kerstin. „Hallo, Fernando, was machst du denn hier?†œ „Ich muss mich mit Drago besprechen. Und du?†œ „Ich hatte auch was mit ihm zu besprechen.†œ Jetzt lief auch Kerstin hochrot an. „Äh, wo ist denn die Lilli?†œ Fernando grinste frech. †œBei Drago sicher nicht. Ich denke, ihr solltet mal wieder einen Mädelsabend veranstalten, es besteht wohl Redebedarf.†œ Kerstin hatte es eilig zu verschwinden: „Ja, da kannst du Recht haben. Ich werde sie mal suchen.†œ Fernando drehte sich, immer noch grinsend, zu Dragos Tür und klopfte an. Drago öffnete sofort: „Du brauchst doch nicht anzuklopfen, hast du was…, Fernando? Was verschafft mir denn diese Ehre?†œ, fragte er etwas barsch als er sah, dass nicht Kerstin, sondern Fernando vor ihm stand. „Hallo Drago, ich wollte mit dir sprechen. Darf ich eintreten?†œ Drago war perplex. „Ja, sicher. Komm doch rein.†œ Fernando blieb mitten im Raum stehen und drehte sich dann zu Drago, der immer noch ungläubig an der Tür stand. „Also, Drago, ich wollte mit dir sprechen, weil mir Lilli die Augen geöffnet hat. Sie hat mich dazu gebracht, die Sache mit deinem plötzlichen Verschwinden und Lindsay nochmals zu überdenken. Drago schaute in ungläubig an und stammelte: „Oh…, Fernando, ja…, wenn ich gewusst hätte, dass der Gründer, als er mir den Befehl zu dem Auftrag gegeben und verlangt hatte, ohne Erklärung zu gehen, Lindsay und euch nicht darüber aufklärt, hätte ich mich nicht daran gehalten. Wirklich, ich verstehe bis heute nicht, warum Lindsay das getan hat!†œ Verzweiflung spiegelte sich in seinen Augen. Lindsays Freitod und der Verlust der Bruderschaft lastete noch immer schwer auf ihm. Nachdem er fortgegangen war, hatte sich Lindsay von einer Klippe gestürzt. Ihre Leiche wurde niemals gefunden, nur das Halstuch, das sie an dem Tag ihres Verschwindens getragen hatte, war am Rand der Klippe gefunden worden. Die Brüder liebten Lindsay wie eine Schwester und so machten sie Drago für ihre Tat verantwortlich. Bislang hatte es keine Gelegenheit für eine Erklärung gegeben. Drago hatte bis zu dem unerwarteten Treffen in New Orleans den Kontakt zur Bruderschaft völlig verloren. „Es tut mir aufrichtig leid, dass wir dich verstoßen haben. Es tut mir auch leid, dass wir dich in deinem Schmerz und Kummer alleine gelassen haben. Wir waren in unserer eigenen Trauer so gefangen, wir dachten, ihr hättet euch gestritten, und dass du deswegen einfach abgehauen bist†œ, murmelte Fernando, dem so langsam die Bedeutung von Dragos Worten bewusst wurde. Sie hatten ihm Unrecht getan, das stand fest. „ Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.†œ Drago war vollkommen sprachlos, darauf war er jetzt nicht gefasst gewesen. Seine Gefühle fuhren Achterbahn mit ihm. Er konnte es nicht fassen, ungläubig und misstrauisch starrte er Fernando an. Dieser hielt Dragos Blick stand und öffnete nun sein Arme. „ Bruder?†œ Jetzt gab es für Drago kein Halten mehr. Er ging auf Fernando zu und fiel regelrecht in seine Arme. Er hatte seine Brüder unheimlich vermisst und war sich so verloren vorgekommen. „Für mich bist du wieder ein Bruder und ich werde auch mit den anderen reden. Ich werde dir treu und helfend zur Seite stehen, so wie es hätte immer sein sollen.†œ Drago löste sich von Fernando und schaute ihn mit wässrigen Augen an. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet. Wenigstens einer, der mich wieder in sein Herz lässt. Ich muss mich wohl recht herzlich bei dem Waldelfchen bedanken.†œ „Ja, Lilli hat mich auf den richtigen Weg gebracht. Sie hat eine ganz besondere Sicht auf manche Dinge. Ich will heute noch einmal zu Duncan und wenn es sich ergibt, werde ich mit ihm auch mal über deine Situation reden. Aber zwischen uns beiden ist jetzt alles wieder klar.†œ

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Drago sah Fernando ehrfürchtig an, nahm seine rechte Hand und legte sie auf sein Herz. „Bruder. Für immer und ewig!†œ Fernando lächelte: „Ja, Drago für immer und ewig.†œ Dann drehte sich Fernando um und ließ einen dankbaren und glücklichen Drago in seiner Kabine zurück. „Grüß mir das Elfchen, und gib ihr einen Schmatzer†œ, rief er ihm noch hinterher.

Nachdem Lucy in ihre Kabine zurückgekehrt war, versuchte sie zu schlafen. Aber sie war zu sehr aufgedreht, soviel Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Erst in den frühen Morgenstunden kam der ersehnte Schlaf, der ihr etwas Ruhe brachte. Und so stand die Sonne schon hoch am Himmel, als sie am nächsten Tag aufwachte. Mit einem Satz war sie aus dem Bett, und ging, ohne Zeit zu verlieren, direkt in die Dusche. Der kalte Wasserstrahl brachte ihren Kreislauf schnell wieder auf Trapp. Für ihr tägliches Fitnesstraining war jetzt zwar keine Zeit mehr, deshalb machte sie sich direkt auf den Weg zu Duncan in die Kommandozentrale. Unterwegs begegnete sie Fernando, der sie nur strahlend anlächelte und ihr einen wunderschönen Tag wünschte. Den Grund konnte sie sich schon denken, nahm sich aber vor, direkt nach dem Gespräch mit Duncan, Lilli aufzusuchen und eine Zusammenfassung der letzten Stunden aus erster Hand zu verlangen.
Duncan, der gerade telefonierte, bemerkte sie erst gar nicht, als sie die Brücke betreten hatte. Aus den Gesprächsfetzen, die sie hörte, schloss sie, dass Sweetlife am anderen Ende sprach. An seiner finsteren Miene konnte sie seine Stimmung ablesen. Sie beschloss schon im Vorfeld heute besser keine Diskussion mit ihm anzufangen und seine Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn sie persönlich anderer Meinung war. „Ah, Lucy, auch schon wach? Während du im Land der Träume warst, haben wir recherchiert und Vorbereitungen getroffen und …†œ „Was für Vorbereitungen?†œ, unterbrach sie ihn aufgeregt. „Himmel, dass ihr aber einem nie ausreden lasst, lernt ihr das auf der Schwesternschule?†œ „†™tschuldigung†œ, murmelte sie verlegen. „Also, deine E-Mail, die du gefunden hast, ist eigentlich eine Einladung zu einem Bankett, den Namen der Person, für die die Einladung ist, konnten wir leider nicht finden. Das Bankett, wie du ja weißt, findet heute Abend statt. Ich möchte, dass Gavin dich dahin begleitet. Außerdem nehmt ihr Hattori mit von Bord, er wird weiter in die Schweiz in ein Sanatorium reisen, um sich dort mit seinem Meister zu treffen. Die Einzelheiten kann er dir selbst erklären. Ihr benutzt das Schnellboot, Gavin ist schon dabei, das Boot startklar zu machen.†œ Duncan machte eine Pause, um zu Lucy aufzublicken und konnte sich bei ihrem Anblick ein Grinsen nicht verkneifen. Lucy strahlte über das ganze Gesicht und hatte sich aus Versehen ein paar Schnurrhaare wachsen lassen. „Äh, du musst dich aber noch bevor ihr aufbrecht, rasieren, so kannst du da nicht auftauchen†œ, sagte er und prustete vor Lachen los. „Huch, ja, das sollte kein Problem sein†œ, und schon war Lucys Bart wieder verschwunden. „Noch eins zum Schluss, ich möchte keine Alleingänge. Ihr werdet nur beobachten, eigenmächtiges Handeln ist ausdrücklich verboten. Wir bleiben ständig in Verbindung, und ich werde über jedes auch noch so kleines Detail informiert. Ich will wissen, wer dort ist, wer mit wem spricht, über was gesprochen wird. Vielleicht gelingt es uns den Zweck dieses Treffens herauszufinden. Geht das klar?†œ, schnauzte er sie an. „Ja, geht klar, aber noch eine Frage. Wie kommen wir hinein. Wir haben ja keine Einladung.†œ „Falsch, wir hatten keine, jetzt haben wir eine. Sweetlife und ihr unendliches diplomatisches Geschick hat es möglich gemacht, dass wir euch einschmuggeln können. Auch das ist schon alles geklärt, frag Gavin für wen ihr euch ausgebt.†œ Duncan wand sich seinem Computer zu, das Gespräch war offensichtlich beendet. „Danke, dir auch alles Gute†œ, nuschelte Lucy vor sich hin und verließ die Brücke. Sie musste jetzt sofort zu Gavin und fragen, was noch zu tun sei. Schließlich sollten sie nicht ohne genauen Plan und Absprachen in Havanna auftauchen. Es gab noch so viel zu besprechen. Wie erwartet fand sie ihn in dem Bootsraum am Heck des Schiffes. Er war gerade damit beschäftigt, das Boot zu betanken. „Hältst du das für eine gute Idee, du und Benzin?†œ, rief sie ihm zu.

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Gavin ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, eigentlich hatte er sie schon früher hier erwartet. „Das ist kein Benzin, das ist Diesel, das brennt nicht so leicht. Aber ablenken solltest du mich trotzdem nicht.†œ Lucy übte sich in Geduld und wartete, bis er den Vorgang abgeschlossen hatte. Sie war sich immer noch unsicher, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Gavin wischte sich die Hände an einem Tuch sauber, dabei sah er ihr direkt in die Augen. Waren da nicht schon wieder kleine Funken zu sehen? Oder hatte sie sich getäuscht. Langsam kam er auf sie zu, Lucy hielt die Luft an. Bekleidet nur mit einer alten abgeschnittenen Jeans und alten Turnschuhen gab er ein umwerfendes Bild ab. Er roch nach Öl, Schweiß und Mann. Ihr Herz raste, aber noch immer schwiegen sie. Sie durfte die Perfektion seines Körpers schon öfter bewundern, und doch rang sie immer wieder nach Atem. Mit einem Ruck zog er sie in seine Arme und küsste sie wild und leidenschaftlich. Lucy schnappte nach Luft und wollte etwas sagen, aber es kam nur ein leises „Hi†œ aus ihrem Mund. „Hey. Bevor du etwas sagst, hör mich an. Ich war nicht fair zu dir, ich hätte mit dir reden sollen, aber das ist alles nicht so einfach für mich. Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich dich verletzt habe, ich wollte das nicht. Vielleicht hätte ich dich auch warnen sollen, aber ich hatte Angst, dich wieder zu verlieren. Von meinen „Träumen†œ, meinen Visionen rede ich nicht gern. Das ist eine Seite in mir, die ich weder verstehe, noch beherrsche oder kontrollieren kann. Ich hab von meiner irischen Mutter, die eine Seherin war, die Veranlagung geerbt. Sie war eine großartige Frau und hat nie ihre Fähigkeit zu ihrem eigenen Vorteil benutzt. Sie wusste immer die richtigen Schlüsse zu ziehen, hat nie eine Vision falsch gedeutet. Leider starb sie, bevor sie mich unterweisen konnte. Aber das ist lange her und seitdem war ich nie wieder in Irland.†œ Lucy, sichtlich ergriffen von Gavins Geständnis, legte eine Hand an seine Wange und küsste ihn ganz zärtlich auf die Lippen. „Du musst mir nichts erklären, nicht jetzt, sag, dass du mich liebst und alles andere kann warten, ich kann warten.†œ „Das musste ich von dir hören, jetzt kann ich mich jedem Problem stellen, gemeinsam mit dir.†œ In inniger Umarmung verharrten sie so für einige Minuten. „Lucy? Scha-atz? Wir müssen langsam los. Geh und hol deine Sachen, ich hab schon alles an Bord, was ich brauche.†œ Mit einem Seufzer löste Lucy die Arme von ihm. „Ja, du hast ja recht. Ich hol meine Tasche und verabschiede mich noch von den Mädels.†œ „In Ordnung, und ich spring noch schnell unter die Dusche und komm mit Hattori zur Heckklappe.
Die Tasche hatte Lucy schon in der Nacht gepackt, als sie nicht schlafen konnte. Ein Bankett, das bedeutete sie musste in Havanna noch einkaufen gehen, denn ein angemessenes Kleid hatte sie nicht dabei. Mit der Tasche in der Hand ging sie zum Computer-Raum, wohl wissend, dass sie hier sicher Lilli, ihre allerbeste und älteste Freundin, treffen würde. Sie traf Lilli tuschelnd mit Kerstin an. Was hatten die sich wohl zu erzählen? Na, man konnte es fast an ihren Gesichtern ablesen. „Hi, ihr beiden. Wie ich sehe, gibt†™s was Neues? Ach Kerstin, gesunde Gesichtsfarbe. Und Lilli, du leuchtest wieder. Alles klar bei euch?†œ Lilli und Kerstin tauschten nur einen Blick, um dann beide wild durcheinander los zu plappern. Lachend fiel Lucy ihnen in die Arme „Ihr müsst mir gar nichts erklären, ich möchte nur hören, dass es euch gut geht und ihr glücklich seid. Mehr muss ich nicht wissen. Ich wollte nur kurz Tschüss sagen, Gavin und ich fahren jetzt gleich. Hattori kommt übrigens auch mit. Bitte passt ganz doll auf euch auf, macht keine dummen Sachen†œ, redete Lucy auf sie ein. „Und grüßt bitte auch Doc und Angie von mir.†œ Mit Tränen in den Augen umarmte Lucy nochmals ihre Freundinnen. „Klar passen wir auf, aber das gilt auch für dich und Gavin. Ich bleib hier am Computer, sodass du mich jederzeit erreichen kannst. Mein Handy bleibt auch immer an, falls du mich brauchst†œ, versprach Lilli. „Und keine Kampfhandlungen, sonst werd ich sauer, dass ich nicht mit durfte†œ, forderte Kerstin mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich muss los, Gavin und Hattori warten bestimmt schon auf mich.†œ Lucy schnappte sich ihre Tasche und rannte zum Heck des Schiffes. Gavin und Hattori warteten bereits mit laufendem Motor an Bord des Schnellbootes. Behände kletterte sie über die Reling an Bord und verstaute ihr Gepäck. „Kann los gehen†œ, rief sie enthusiastisch. Die Heckklappe des Schiffes öffnete sich langsam und helles Sonnenlicht blendete sie. Gavin gab Vollgas und sie schossen hinaus auf das offene Meer mit Kurs Havanna.

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Ich stand hochkonzentriert mit geschlossenen Augen in der Waffenkammer mit dem Rücken zum Übungstand und visierte mit meinem geistigen Auge mein Ziel an. In meinen Händen hielt ich jeweils eines der wunderbar leichten Messer aus dem Bestand der Brüder. Mit einer schnellen Drehung meiner Hände schleuderte ich die Messer hinter mich, genau dorthin, wo sie hin sollten. Ich selbst hatte mich keinen Zentimeter bewegt und hielt meine Augen immer noch geschlossen, doch ich wusste genau, dass das eine Messer exakt zwischen den Augen steckte und das andere genau im Herzen der mannsgroßen Figur aus Holz. Eigentlich wollte ich noch eine der neuen Mini-Disks ausprobieren, mit denen man dem Gegner den Kopf vom Rumpf trennen konnte, aber mit meiner Konzentration war es mit einem Schlag vorbei. Ich setzte mich auf die Bank, die neben dem Waffenschrank mit den Messern stand und lehnte meinen Kopf an die Wand. Duncan…
Immer noch verwirrten mich meine Gefühle für ihn ein kleines bisschen, denn er hat mir wenigstens schon mal die Angst davor genommen. „Wir haben in seiner Kabine eine ganze Stunde mit einander gesprochen, na ja, viel gesprochen haben eigentlich nicht†œ, dachte ich und musste grinsen. Er hat mich immer wieder geküsst und mir über das Gesicht und mein Haar gestrichen, oder mich einfach nur an sich gedrückt und umarmt, so, als wollte er mich nie wieder loslassen. Er hat mir erzählt, wie es ihn gequält habe, mich in New Orleans zurück zu lassen, oder das Wiedersehen, wo er mich nicht so begrüßen konnte, wie er gerne gewollt hätte, und dass es ihm unendlich leid tat, wie er mich angefahren hatte. Jetzt weiß ich, dass er es aus reinem Selbstschutz getan hat. Dann endlich sprach er über das, was in seiner Kabine geschehen war, und das ich da schon etwas gespürt haben muss, weil ich mich da so merkwürdig verhalten habe. Und natürlich wurde ich wieder rot. Oh mein Gott, wie peinlich! Es hätte ihn all seine Selbstbeherrschung gekostet, mich nur auf sein Bett zu legen und schlafen zu lassen, oder später, als ich aufgewacht war und da so halbnackt gelegen habe, mich wieder gehen zu lassen. Über alles andere wollten wir später reden, da er noch den außerplanmäßigen Einsatz von Lucy und Gavin in Havanna koordinieren musste. Aber wir haben ja noch etwas Zeit bis Peru, und bis dahin… könnte ja noch so einiges… Plötzlich stand Kerstin vor mir und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesicht: „Huhu, Erde an Angie. Na, du warst aber gerade weit weg. Ich nehme mal stark an, dass dein entrückter und schmachtender Gesichtsausdruck etwas mit dem leckeren Highlander namens Duncan zu tun hat, stimmt`s?†œ Sie zog eine Augenbraue hoch und lächelte mich wissend an. „ Das sagt diejenige, die ihr T-Shirt auf links anhat?†œ Ich musste über ihren verlegenen Gesichtsausdruck lachen und klopfte auf den Platz neben mir. „Setz dich, und erzähl. Drago? Ach, du brauchst mir nichts erzählen, dein Gesicht spricht Bände. Ja, mit den Jungs hier hat es schon etwas ganz Besonderes auf sich.†œ „Und genau darüber wollte ich mit dir reden. Also, das mit Tim, das war so eine Sache… klar, es war sehr schön, auch der Sex mit ihm, und er liebt mich, aber ob ich ihn liebe? Ich habe keine Ahnung! Aber das müsste ich doch eigentlich, oder? Und mit Drago, das ist so total anders… ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Bei ihm habe ich mich irgendwie… angekommen gefühlt. Die ganze Sache ist nur noch merkwürdig, da wir immer die Gedanken des anderen hören können. Was soll ich denn jetzt bloß machen? Wie soll ich mich entscheiden? Alles ist so wahnsinnig kompliziert! Und Drago, er hält sich für beziehungsunfähig, aber das glaube ich ihm nicht! Frag mich bloß nicht warum, ich weiß es einfach, und das sagt mir nicht nur mein Gefühl! Dann geistert mir dauernd das Wort „Gefährte†œ durch den Kopf. Weiß du was darüber? Ich würde ja meine Ma fragen, aber die hat ja im Moment ganz andere Sorgen, ach vielleicht weiß ja deine Großmutter was, oder hat dir mal was davon erzählt oder deine Eltern und ja, ich weiß, ich rede zu viel… †œ „ Kerstin, Stopp! Langsam, atme erst mal richtig durch†œ, riet ich ihr, nachdem sie sich so in Rage geredet hatte und mich verlegen ansah. Da nahm ich ihre Hand und drückte sie leicht. „Also, erstens, ich weiß genau wie du dich fühlst. Dieses Chaos mit unseren Gefühlen ist schon sehr beängstigend, aber eigentlich hast du dich doch schon längst entschieden. Genau wie ich auch, oder Doc und daran kann ich auch nichts ändern, und das will ich auch nicht, †œ sagte ich ihr leise und sah ihr fest in die Augen.

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Mit einem Lächeln fuhr ich fort: „Willkommen im Club… und in meiner Familie… Haha… irgendwie. Zweitens. Ich habe auch noch nie von den sogenannten Gefährten oder Gefährtinnen gehört, auch von Großmutter Gwendolyn nicht, eigentlich habe ich auch nie gefragt, war ja auch noch nie in so einer Situation. Na ja, das stimmt nicht ganz… damals…†œ Ich stand auf, ging zum Waffenschrank und lehnte mich mit verschränkten Armen dagegen. Mein Blick schweifte durch den Raum, ohne dass ich etwas direkt ansah, und dann blieb er an dem Messer hängen, das tief in dem gemalten Herz der Holzfigur steckte. „Damals, als die Sache mit Zorro passiert war, da dachte ich einen Moment… er könnte derjenige sein, aber Gott sei Dank ist das schon lange her und vorbei. Und Drittens… Ich habe nie Eltern gehabt, die mir…†œ „Doch, das hast du!†œ, unterbrach mich plötzlich eine leise Stimme von der Tür her. Ich drehte mich um und da stand Doc, die mich traurig ansah. „Ach ja? Meinst du die Frau, die mich geboren hat und dann, als sie merkte, dass ich anders war, das ich wie Gwen war, und nichts von ihr hatte… mich zu ihr gebracht hat, weil sie damit nicht klar kam, weil sie keine Magie in sich trug, also „normal†œ war? Halt, zurück… nicht gebracht, sie hat mich ja einfach vor Gwens Tür gelegt, mit einem Zettel auf dem mein Geburtstag stand, mein Name und ihrer, dann ist sie spurlos verschwunden†œ, lachte ich bitter auf. „Keiner weiß wo ich geboren wurde, aber ich bin ihr in einer Weise auch dankbar, denn Gwen ist die gütigste und liebevollste Frau, die ich kenne und wir haben eine sehr enge Verbindung. Sie lebt immer noch in Salem in den USA und steht dem größten Hexenzirkel vor. Sie hat mir alles beigebracht, was ich wissen musste, und mich gelehrt, mit meiner Magie umzugehen. Sweetlife ist eine gute Freundin von ihr. Tja, und so bin ich bei den Schwestern gelandet. Aber das weißt du ja alles Doc.†œ „ Stimmt, ich kann mich noch genau daran erinnern. Ich war schon einige Jahrzehnte bei Sweetlife. Sie hat mich damals zu sich gerufen, als Avalon im Nebel verschwand und ich nicht wusste, wohin ich nach dem Kloster, in dem ich meine Ausbildung zur Schamanin und Medizinerin abgeschlossen hatte, gehen sollte. So konnte ich noch in München Chemie studieren, an einer Universität, die extra nur für Geschöpfe wie uns gebaut wurde. Sie kannte wohl auch meinen Vater, und sie weiß genau, wie sehr ich ihn vermisse. Ihr gehört ja auch die Insel, wo wir zusammen wohnen, trainieren und relaxen.†œ „ Dann ist sie wohl das weibliche Gegenstück zu dem „Gründer†œ der Ordensbrüder? So muss es sein! Ha, eins haben wir jedenfalls den Brüdern voraus, wir hören viel früher auf zu altern als sie.†œ Ich konnte schon wieder ein bisschen entspannter lachen als noch vor ein paar Minuten. „ Ach Kerstin, nun zu meinem Vater! Keine Ahnung wer das sein könnte. Gwen weiß es auch nicht mit Bestimmtheit, aber sie hat so ihre Vermutungen. Damals, als Doc und ich, Lilli und Lucy in München geholfen haben und sie so zu Sweetlife gekommen sind, hatten wir gerade eine Spur von ihm verfolgt, die sich aber als Windei herausgestellt hat. Also habe ich keine Eltern, ich habe sie aber auch nie vermisst.†œ „Wow, davon hat meine Mutter mir nie etwas erzählt. Und was hat deine Gwen für eine Vermutung, wer dein Vater sein könnte?†œ „Schau mir in die Augen, Kerstin. Und dann in Dragos. Wir müssen die gleiche Abstammung haben, denn dieses bestimmte Grün haben nur Drachen. Und als ich von seinem Blut getrunken habe, in dieser merkwürdigen Kammer, war der Geschmack gar nicht mal so übel.†œ
„So Schwestern, genug in der Vergangenheit rumgewühlt, wir haben noch viel zu erledigen, bevor wir in Peru an Land gehen†œ, sagte Doc mit ihrer beruhigenden Stimme. „Lilli wird wohl bei Fernando sein, ich habe sie auf dem Weg zu ihm getroffen, und sie hat mir Grüße von Lucy an uns ausgerichtet, die mit ihrem Gavin auf dem Weg nach Havanna ist, dann lachte sie laut auf.†œ Lilli murmelte noch was von mistiger Technik und was von „dem blöden Handy den Hals umdrehen†œ. „Ich mache mich auch wieder an die Arbeit, und stelle die restliche persönliche Ausrüstung zusammen.†œ „Vielleicht können wir ja später mal wieder alle zusammen was essen?†œ „ Keine schlechte Idee, aber ich muss auch erst noch was erledigen†œ, meinte Kerstin, als wir drei auf dem Gang standen. Wir umarmten uns kurz und, als die zwei losliefen, rief ich nur lachend hinterher: „ Hey, falsche Richtung, zu unseren Kabinen geht es da lang†œ, und deutete hinter mich. Sie lachten nur und winkten mir zu. Okay, dann werde ich auch mal in die „falsche Richtung†œ gehen. Ein wohliges Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus als ich an ihn dachte, an Duncan, denn es kann nur einen geben…

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Als wir uns in verschiedene Richtungen verstreuten rief Kerstin noch „Okay, Mädels 19 Uhr bei Angie, ich gebe Lilli noch Bescheid.†œ Und jede ging ihres Weges.
Doc packte schon mal ihre Tasche mit dem Nötigsten, alles was man so für kleinere Verletzungen brauchte, Nähmaterial, Desinfektionsmittel, Schmerzmittel, Verbandsmaterial und das fertige Gegengift gegen Skorpionbisse. Nach mehrmaligem Überprüfen befand sie die Ausstattung für vollständig und sah dann auf die Uhr. Bis sie sich mit den anderen bei mir treffen wollte, waren es noch zwei Stunden, da kam ihr eine Idee. Sie holte einige ihrer „geheimen†œ Ingredienzien aus dem feuerfesten abschließbaren Schrank und fing an etwas zu mischen. Innerhalb kürzester Zeit sah es auf dem Behandlungstisch aus, wie in einem Forensischen Labor, Bunsenbrenner, Reagenzgläser eine leuchtende blaue Flüssigkeit lief durch einen Schlauch und tropfte langsam in ein zylindrisches Gefäß. Doc füllte es in schmale Phiolen ab, legte diese in ein Schüttelgerät ein, und begann die Apparaturen wegzuräumen. Lächelnd entnahm sie die Phiole dem Gerät und ein gelartiges blaues Gemisch war darin zu sehen.
Nach einem Blick auf die Uhr machte sie sich auf den Weg zu mir und hörte schon von weitem lautes Gelächter aus meiner Kabine. Sie klopfte leise an und umgehend wurde die Tür von Kerstin aufgerissen. „Da bist du ja endlich, wir dachten schon wir verhungern beim Warten auf Dich.†œ „Ja, wo essen wir denn jetzt? Einen Snack an der Poolbar oder sollen wir ins Restaurant?†œ fragte Lilli. „Mädels was haltet ihr davon, wenn wir es uns hier richtig gemütlich machen, ich schätze ja mal, wir haben uns viel zu erzählen und wir könnten dabei ein wenig Wellness betreiben, und wenn ihr Lust habt, ich wüßte wo man Pizza bestellen könnte. Also was meint ihr?†œ „Super Idee, ich hab hier auch in einem Schrank eine Nintendo Wii entdeckt, oh oder Mädels wir trinken was Feines und spielen eine Runde Karten.†œ schlug ich vor. Kerstin und Lilli waren sofort begeistert und damit einverstanden. Einen richtigen Mädelsabend hatten wir schon lange nicht mehr, leider musste er diesmal ohne unsere Lucy stattfinden. „O.K. Da wir hier bleiben, sollten wir uns umziehen, ihr habt fünf Minuten, also, dalli, dalli.†œ Die drei flitzten los in ihre Kabinen, und standen nach exakt fünf Minuten in Sleepshirts wieder vor mir. Wir schoben die Möbel im Salon ein wenig auf die Seite, holten alle Kissen die wir finden konnten und machten es uns auf dem Boden bequem. „So, Doc, und wo ist die Pizza?†œ „Einen Moment.†œ Doc holte ihr Handy hervor, und bestellte für jede Schwester die Lieblingspizza, so etwas weiß man natürlich, wenn man schon so lange ein eingespieltes Team ist. „Gibt†™s einen Lieferservice der mit dem Heli Riesenkreuzer anliefert oder was? Pizza steht hier doch nirgends auf der Karte?†œ Kerstin war wie immer neugierig und sah Doc grinsend an. „Nein Hase, ich hab bei Bowen bestellt, er hat sein Können neulich bei mir unter Beweis gestellt, und da er sowieso auf mich wartet, kann er sich die Zeit ja ruhig mit Pizzabacken vertreiben. So und jetzt Schwestern! Ich habe vorhin ein dauerhaftes Enthaarungsgel angemischt, wer möchte es denn als Erste testen?†œ Lilli, Kerstin und ich sahen uns an, dann zu Doc und dann sahen wir alle betreten weg, mit Doc´s selbsthergestellten Beauty-Produkten war es nämlich so eine Sache. Grüne Pickel waren eine der geringeren Nebenwirkungen die wir schon erlebt hatten. „Kommt schon Leute, rasieren nervt doch, also wer will zuerst? Kerstin du?†œ Kerstin räusperte sich und nickte dann zögerlich. Doc schnappte sich umgehend ihr Bein und strich etwas von dem blauen Gel auf ihre Wade. „So das muss jetzt 10 Minuten einwirken und dann solltest du dich nie wieder rasieren müssen.†œ Um nicht auch als Versuchskaninchen zu enden, ging ich schnell ins Bad und kam mit meiner Gesichtsmaske zurück, die ich zuerst bei Lilli und sie dann bei mir auftrug. „Doc, sag mal dieses kribbeln ist aber normal oder?†œ „Kribbeln? Oh, vielleicht wirkt sie schneller, warte ich hole mal ein feuchtes Tuch und wir nehmen es ab†œ die Substanz auf Kerstins Bein bildete Blasen, als Doc mit dem Tuch das Zeug abtupfte zischte es und kleine blaue Dampfwölkchen stiegen auf, es roch auffallend nach Pommes-Frittes. „Siehst du nichts passiert und die Haare sind weg.†œ „Oh ja, echt. Aber hier riecht es ja wie in der Frittenbude. Öhm Doc ist das auch normal???†œ Langsam wuchsen auf Kerstins Bein neue Haare. Allerdings waren sie grün, erreichten eine Länge von ca. 3 cm und waren gelockt. „Mensch Doc! Was hast du denn jetzt schon wieder fabriziert?†œ Doc konnte nicht anders und fing an schallend zu lachen. Sie hielt sich den Bauch und hörte gar nicht mehr auf. „Kerstin, ist doch egal, dann musste halt doch rasieren†œ, versuchte ich sie zu beruhigen. Lilli und ich stimmten in Docs Gelächter ein. Es sah einfach zu komisch aus.

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„Toll Doc, vielen Dank, ich habe jetzt ein grünes Pommesbudenbein, ich hoffe, dass die Pizza von deinem Vampir wenigstens schmeckt! Du solltest lieber beim Medizinbrauen bleiben, da passieren dir ja nicht so seltsame Fehler.†œ Das stimmte. Ehe Doc etwas erwidern konnte, klopfte es an der Türe, ich sprang hin denn mein Magen knurrte mittlerweile ganz ordentlich. Ich riss die Türe auf und wäre im gleichen Moment am liebsten im Erdboden versunken, es stand nicht nur Bowen mit einen riesen Stapel Pizzakartons vor mir, sondern auch Duncan, Drago und Fernando. Über den Spaß mit Kerstins Bein hatte ich vergessen, dass ich weiße Paste im Gesicht hatte, was mir schlagartig einfiel als Drago kicherte und die anderen drei ebenfalls grinsten. Ich machte ein quietschendes Geräusch und knallte Ihnen reflexartig die Türe vor der Nase zu. „Oh nein oh nein, die sind zu viert hier aufmarschiert, Lilli komm schnell!†œ Ich flitzte ins Bad und zog Lilli mit mir, schnell wuschen wir uns das Zeug runter. Ich hörte wie Doc den Drachen und die Vampire herein ließ. Wir versuchten so cool wie möglich zu wirken, als wir aus dem Bad kamen. „Kein Wort! Nicht ein Wort möchte ich hören!†œ, sagte ich und sah mit stechendem Blick in die Runde. Doc saß schon mit Bowen zusammen auf dem Boden und kuschelte. Drago machte Anstalten sich neben Kerstin zu setzen, die wiederum versuchte sich so auf ihr frisiertes Bein zu setzen, dass es keinem der Männer auffiel. Krampfhaft hielt sie ein Kissen vor ihre Knie und gestikulierte wild in Richtung Doc, dass sie beide doch auch mal ins Bad müssten. Fernando kam auf Lilli zu, küsste sie und setzte sich neben sie. Nur Duncan lehnte an der Tür, irgendwie unschlüssig. Er wirkte ein klein wenig verlegen, er ließ den Blick über mich wandern und strich sich mit der Hand durchs Haar. Ich straffte meine Schultern und ging so sexy, wie es mir in meinem Riesensleepshirt möglich war, auf ihn zu und zog ihn an der Hand mit rüber zu den anderen. Wir setzten uns auf das Sofa. Endlich bemerkte Doc, Kerstins stumme Hilfeschreie, nahm eine Decke, ging damit zu ihr rüber und wickelte sie geschickt darin ein „Nicht das du dir eine Erkältung holst, mhm?†œ Beide tapsten ins Bad. „Mensch, wie peinlich. Stell dir vor, Drago hätte das gesehen. Also was machen wir jetzt damit?†œ Kerstin blickte unglücklich auf ihr Bein. Doc wühlte im Schrank herum, fand einen Nassrasierer von mir und fing an die Haare zu entfernen. „Wehe, der Mist wächst nach!†œ „Bleib ruhig, das glaub ich nicht.†œ Kerstin wurde etwas nervös „Glaubst du das nicht, oder weißt du es?†œ Die beiden warteten einen Moment und Doc seufzte. „So, ich weiß, es wächst nichts mehr nach, zumindest nicht mehr in grün.†œ Nach einer weiteren Minute trauten sie sich wieder zurück zu uns, erleichtert ließ sich Kerstin neben Drago fallen und das große Essen begann. Doc hatte nicht zuviel versprochen, die Pizza war wirklich köstlich. „So die Damen, was würdet ihr von einer Runde Poker halten? Wer verliert muss einen Wodka trinken!†œ Drago tippte auf eine Flasche neben sich. „Ich glaube für die Damen ein Sektchen und wir nehmen den guten Absolut!†œ Den Vorschlag von Fernando nahmen wir gerne an und los gings. Ich glaube Drago hatte noch nichts von Docs und Kerstins unschlagbaren Pokertalent gehört. Der Abend nahm seinen Verlauf. Wir hatten alle das ein oder andere Gläschen trinken müssen. Bei uns Ladies hielt es sich aber glücklicherweise in Grenzen. Drago und Bo wollten nach einigen Gläschen unbedingt Poker spielen. Wir ließen uns darauf ein und am Ende saßen dann auch nur die beiden in ihren schwarzen Seidenboxershorts da. Denn Doc linste immer in Bowens Blatt und Kerstin konnte problemlos Dragos Gedanken lesen. Durch ihr ständiges Kichern flogen sie dann aber auf und eigentlich wollte auch keiner Drago und Bowen ganz ohne Bekleidung da sitzen haben.
„Wie wäre es denn, sollen wir uns einen Godzilla ansehen?†œ Bowen hatte so einige Wodkas gehoben und sah mit glänzenden Augen in die Runde. Doc die zwischen seinen Beinen saß, verdrehte die Augen. „Wie wäre es mit Ice Age?†œ „Dr. House.†œ „Nein, Sissi wird heute Nacht wiederholt.†œ Da es ja schließlich unser Abend war, entschieden wir Ladies uns einstimmig für „Twilight†œ. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, erklärten wir, dass es sich dabei um einen Actionthriller, den Blockbuster schlechthin, handelte. Der nichts für schwache Nerven sei und der im Kino direkt auf Platz Eins gelandet war. Da die Jungs noch nie etwas von dem Film gehört hatten, konnten sie auch keine Argumente dagegen anbringen. Fernando und Bowen zauberten noch Popcorn, Chips, Schokolade und andere Leckereien aus einem Tarn-Pizzakarton, wir dämpften die Beleuchtung und machten es uns bequem.

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Wie nicht anders zu erwarten, kam nach den ersten fünf Minuten schon die erste nicht nette Bemerkung über Edward. Vor allem die Ähnlichkeit mit Norbert fanden die vier besonders amüsant. Wir Mädels schmachteten den riesigen Flachbildschirm an und die Jungs lachten sich halb zu Tode. Als die Szene kam in der Edward sein Hemd aufriß und sein Körper in der Sonne glitzerte, war alles vorbei, die Jungs konnten sich nicht mehr beruhigen. Das Sofa vibrierte und bebte. Ich blickte in die Dunkelheit neben mich und sah, dass selbst Duncan nicht mehr konnte. „Wow! Vampire als Discokugel!†œ „Action? Eher Comedy, oder?†œ Fernando blickte Lilli lachend an und schüttelte ungläubig den Kopf „Oh mein Gott, ich wette es gibt Menschen, die sich Vampire genau so vorstellen. Ihr müsst ja ganz schön überrascht von uns gewesen sein.†œ Trotz unserer strafenden Blicke konnten sie sich nicht zusammenreißen. Den absoluten Höhepunkt erreichte das Gelächter dann, in der für uns so romantischen Schlussszene, als Bella klarstellte, dass sie verwandelt werden wollte. „Doc, auch schon erste vampirische Veränderungen an dir festgestellt?†œ Bowen knuddelte sie fest und beide lachten. Dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr, und Doc wurde rot. „Niemand hat behauptet, dass es ein realistischer Vampirfilm ist. Also gut, wie wäre es, wenn wir direkt im Anschluss die Fortsetzung „New Moon†œ ansehen?†œ Die Jungs winkten lachend ab. „Das war ausreichendes Bauch- und Lachmuskeltraining. Also wir sollten schauen, dass wir etwas Schlaf bekommen. Es ist schon spät und wir müssen Morgen noch einiges vorbereiten und unserer Taktik durchgehen.†œ Bo stand auf, zog Doc hoch und schob sie vor sich in Richtung Ausgang. „Gute Nacht und schlaft gut!†œ, konnte Doc noch gerade so loswerden und die beiden waren weg. Die anderen standen nach und nach auf. Langsam leerte sich meine Kabine wieder, alle waren weg bis auf Duncan.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Beunruhigende Träume [Kapitel 11]

Black Dagger Ladies Online †“ Liebe [Kapitel 9]

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Liebe
Kapitel 9

„Na, fügst du dich jetzt?“ Cyrus hatte bemerkt, dass sie überlegte. „Nein!“, sie wand sich weiter, er kam für einen kurzen Augenblick ins Wanken. Sie schaffte es ein Knie anzuziehen und rammte es ihm mit voller Wucht in die Familenplanung. Er heulte auf und ließ ihre Hände los. Doc rappelte sich auf alle Viere hoch. Cyrus hatte sich schon wieder gefangen, packte sie im Nacken und ließ sie abrupt wieder los. Torkelnd kam sie zum Stehen und sah, dass Bowen hinter Cyrus stand und ihn von hinten umklammerte. „Lass die Finger von ihr!“, brüllte er ihn an. Cyrus schien jede Menschlichkeit verloren zu haben und wehrte sich nach Kräften. „Sie hat dich sitzen lassen, Alter. Sie hat keinen Bock auf dich, gönn mir doch auch etwas Spaß, du hast mir so von ihr vorgeschwärmt.“ Er schaffte es sich loszureißen und schlug Bowen mit voller Wucht ins Gesicht. Ein krachendes Geräusch ertönte, und Blut schoss aus Bowens Nase hervor. Aber das schien ihn nicht zu stören, er schlug zurück und zielte auf Cyrus Magen. Dann hagelte es eine Abfolge von gezielten Schlägen auf Arme und Beine, die Cyrus allerdings mit dem Kopf abwehrte. Ein letzter Schlag in den Magen und Cyrus sank in die Knie und krümmte sich auf dem Boden zusammen.
Doc stand wie angewurzelt da. Irritiert von dem gerade Geschehenen, versuchte sie mit ihrem zerfetzten Top ihre Blöße zu bedecken. Bowen kam auf sie zu, sie wich vor ihm zurück. Er streckte seine Hand nach ihr aus, zog sie aber wieder zurück, als er in ihr Gesicht blickte „Alles okay bei dir? Hat er dich verletzt?“ „Mit mir alles in Ordnung. Mit dir aber nicht. Bowen, dein Gesicht, lass uns reingehen, ich sollte mir das genauer ansehen, es sieht echt übel aus.“ „Ach, nicht so schlimm, ich kann Einiges ab. Cyrus und ich kloppen uns ganz gern mal.“ Besorgt schaute er Doc an, zog sein T-Shirt aus und reichte es ihr. „Danke.“ Beim Anziehen atmete sie tief seinen würzigen zimtigen Duft ein. „So, Bowen, ich weiß, eure körperliche Heilung ist beeindruckend schnell, aber falls deine Nase gebrochen ist, sollte ich es mir wirklich ansehen, oder möchtest du lieber, dass ich Fernando hole?“ „Nein, wir sollten da nicht noch mehr Leute mit reinziehen. Komm lass uns auf die Krankenstation gehen, aber nur, wenn es dir nichts ausmacht.“ Sie sah Bowen streng an. „So ein Blödsinn, du hast mir vermutlich gerade das Leben gerettet und wir sind doch keine Kinder. Was machen wir mit Cyrus?“„Der kommt schon klar. Er ist vielleicht ein bisschen angeschlagen, aber ich habe ihn nicht verletzt.†œ
Das Licht im Krankenflügel schmerzte zuerst in Docs Augen. Den Kopf hatte sie sich bei dem Sturz auch ziemlich gestoßen, und er brummte stetig. Sie klopfte auf den Behandlungstisch in der Mitte des Raumes. „Hopp!“ Bowen setzte sich darauf und sah Doc an, auf dem Weg zur Station hatten sie kein einziges Wort gewechselt. Er hatte Sorge etwas Falsches zu sagen, oder sie zu vertreiben.
„Dann wollen wir mal sehen. Sie richtete die OP-Lampe auf sein Gesicht und er blinzelte. „Hm, am besten du schließt die Augen und versuchst dich zu entspannen. Ich werde jetzt erstmal das Blut entfernen, und dann schauen wir weiter.“ Er tat wie ihm geheißen, und Doc tupfte vorsichtig das Blut aus seinem Gesicht. Auch wenn seine Nase höllisch schmerzte, er genoss ihre Hand an seiner Wange, mit der sie seinen Kopf festhielt. Ein paar Tropfen waren auch seinen Hals hinab gelaufen, es war unglaublich, was dieser Mann für eine Wirkung auf sie hatte – sie hätte es am liebsten abgeleckt. Aber sie ermahnte sich an ihre Arbeit zu denken. „Deine Nase ist gebrochen, sie fängt schon an zu verheilen. Ich muss sie richten, damit sie gerade zusammenwachsen kann, es sei denn, du hättest gerne einen neuen Look?“ Sie sah ihn an und wartete auf eine Antwort, aber Bowen brachte kein Wort heraus. Er sah ihr in die Augen und verlor sich darin – der Spiegel der Seele. Er hatte das Gefühl sie ewig zu kennen. „Bowen, ich richte jetzt deine Nase, okay? Leg dich mal hin und beiß die Zähne zusammen, das könnte jetzt ein bisschen weh tun, aber du darfst dir danach auch nen Lolli aussuchen.“ Sie packte mit beiden Daumen und Zeigefingern seine Nase und drückte äußerst kraftvoll daran herum.

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Ein lautes knirschendes Geräusch war zu vernehmen, nach einem letzten Knacken war sie mit ihrer Arbeit zufrieden, tupfte noch das letzte bisschen Blut weg und klebte einen Streifen Tapeverband auf die Nase. „Also, in den nächsten vier Stunden solltest du besser keine mehr auf die Zwölf bekommen. Sie war schon leicht zusammengewachsen, deshalb hat es etwas geknackt, aber keine Sorge, in den Rocky-Filmen haben sie es auch so gemacht. Jedenfalls dürfte man davon morgen absolut nichts sehen können. Knochen kann ich mit meinen Kräften leider nicht zusammenwachsen lassen.“
Bowen setzte sich auf. „Sag mal, redest du jetzt nicht mehr mit mir?“ Sie stellte sich vor ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Doch.“ Er kratze sich am Kopf und wirkte irgendwie verlegen. Sie sah so umwerfend aus wie sie in seinem, für sie viel zu großen T-Shirt dastand. Sie war für ihn einfach „SEIN“, es war so klar, so greifbar in diesem Moment. „Okay, dann solltest du dich vielleicht jetzt auch mal schlafen legen.“ Sie schaltete die Lampe aus, blieb an der Türe stehen und wartete bis er mit ihr den Raum verließ. Er wandte sich zu ihr um. „Jane, das eben da draußen mit Cyrus, das war sehr knapp, pass bitte besser auf. Hier an Bord ist einfach zu viel Testosteron und zu wenige Frauen. Ich werde dafür sorgen, dass nachts ein Vampir draußen Wache hält. Cyrus ist mein Freund, aber solange du dich nicht entschieden hast, wird er auch versuchen bei dir zu landen. Er gehört zu den jüngeren Wölfen, er hat seine Bestie noch nicht im Griff. Der Mond beeinflusst ihn sehr stark, nicht auszudenken, was bei Vollmond passiert wäre. Er war nicht er selbst. Ich hoffe, du kannst ihm das verzeihen, er wird sich morgen sicherlich Vorwürfe wegen des Vorfalls machen. Und, Jane? Du fehlst mir.“ Sie schluckte, am liebsten hätte sie sich ihm an den Hals geworfen. „Bowen, danke, dass du da warst. Es wird nicht wieder vorkommen, und du kannst mich kaum vermissen, wir haben uns heute Morgen doch noch gesehen.“ Sie ließ ihn stehen und eilte zurück, weg von ihm… ins Bett, sie musste alleine sein.
Sie behielt sein Shirt an, der Geruch gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie ihn auch vermisste. Auch wenn es ihr unlogisch erschien, er hatte sie doch gar nicht eingeengt. Er war vielleicht etwas besitzergreifend, aber eigentlich gefiel es ihr. Und würde sie umgekehrt nicht genauso handeln, wenn noch mehr Frauen hier wären? Sie musste zugeben, dass, angesichts dessen was eben passiert war, seine Eifersucht und sein Beschützerinstinkt ja auch nicht gerade unbegründet gewesen waren. Bowen war perfekt, er passte wunderbar zu ihr, das ist ihr in der kurzen Zeit schon aufgefallen. Sie hatte einen Rückzieher gemacht, weil sie niemandem einen Teil von sich geben wollte, der dann vielleicht irgendwann einfach verschwand. Ganz tief im Inneren war ihr klar, das Bo Recht hatte mit allem was er gesagt hatte. Sie gehörten zusammen, sie empfand so stark für ihn, es raubte ihr fast den Verstand. Ihr fiel dafür kein anderer Begriff als Liebe ein. Liebe? Eins hatte sie in ihrem Leben gelernt, und auch bei vielen anderen gesehen, die es getroffen hatte, wer liebt, hat auch verdammt viel zu verlieren. Lilli hatte auch ihre Liebe verloren. Damals hatten sie alle große Sorge sie würde nicht damit fertig werden. Sie wollte Bo schon jetzt nicht mehr verlieren. Tränen liefen über ihr Gesicht als ihr klar wurde, wie blöd sie sich verhalten hatte. Die Gefühle waren da, und sie würde verdammt viel verpassen, wenn sie darauf verzichtete. Davor weglaufen kann man auch nicht.

„Was war das für ein verrückter Tag heute†œ, dachte Kerstin. Sie saß auf ihrem Bett und versuchte alles noch mal Revue passieren zu lassen. Zunächst war da morgens das tolle Frühstück mit Tim. Da war alles noch entspannt. Dann kam das Unausweichliche, sie musste Tim von dem Gespräch mit Angie erzählen, und er hatte nicht sehr begeistert reagiert. Als dann noch Drago um die Ecke gebogen war, war es aus mit der Ruhe. Aber das Schlimmste war die Prügelei im Fitnessraum zwischen den beiden gewesen, und dass Angie dabei versehentlich verletzt wurde. Das Bild spulte sich immer wieder vor ihrem geistigen Auge ab.

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Kerstin schüttelte den Kopf, so, als wolle sie die Erinnerungen los werden, aber das klappte natürlich nicht. Im Zimmer auf und ab laufend spürte sie eine innere Unruhe, so konnte es nicht weitergehen, sie musste dringend etwas unternehmen. Ob es den beiden Männern gut ging? Sie brauchte Gewissheit, also machte sie sich auf den Weg zu Tims Kabine. Als sie vor seiner Tür stand, überlegte sie, ob das jetzt eine so gute Idee war. Aber sie musste einfach wissen, ob es ihm gut geht. Sie nahm allen Mut zusammen und klopfte. Sofort wurde die Tür aufgerissen. Tim stand vor ihr, und sein
Gesichtsausdruck war alles andere als freundlich. „Was willst du den hier?“, fuhr er sie an. „Ich, ich wollte fragen, ob es dir gut geht“, stammelte Kerstin. Tim lachte böse auf, „ja, sicher. Warum sollte es mir nicht gut gehen? Du machst mich zum Gespött der Mannschaft, hintergehst mich, und wegen dir hab ich einen Abriss von Duncan bekommen.“ Er drehte sich um und ging Richtung Fenster. Kerstin stand noch immer in der Tür und wusste nicht, ob sie eintreten sollte oder nicht. „Ist sonst noch was? Möchtest du von mir eine Erlaubnis für irgendwas?“ Das ging zu weit. Jetzt wurde Kerstin sauer. „Was bildest du dir eigentlich ein? Ich habe versucht dir zu erklären was los ist. Aber offensichtlich hast du mir nicht zugehört, sonst würdest du dich hier nicht zum Affen machen. „Völlig in Rage stürmte Tim auf Kerstin zu, in seinen Augen blitzte der blanke Zorn. Kerstin blieb jedoch unberührt stehen. Sie schaute ihm direkt in die Augen. Alles was er sehen konnte, war Kälte. Das bremste ihn ein wenig. „Was ist? Möchtest du mir jetzt auch eine verpassen?“, fragte sie schnippisch. Tim sank in sich zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. „Nein, natürlich nicht. Und das mit Angie war ein Unfall, das hast du doch gesehen?“ „Ja, hab ich das? Hast du dich so wenig unter Kontrolle, dass du Feind von Freund nicht unterscheiden kannst? Ist das nicht das Erste was wir in unserer Ausbildung gelernt haben?“ Die Kälte in Kerstins Stimme ließ ihn verstummen. „Weißt du was, Tim, ich bin hier hergekommen, weil ich mir ernsthafte Sorgen um dich gemacht habe, aber so wie es aussieht, war das unnötig. Und ich habe keine Lust auf so eine Beziehung. Ich brauche keinen Partner, der nicht zuhören kann, wenn es mir einmal schlecht geht. Und der sich dann wie ein Neandertaler benimmt, nur weil er mit einer bestimmten Situation nicht klar kommt. Ich möchte, dass wir beide erstmal auf Abstand gehen. Ich muss mir über so Einiges erst klar werden. Und du solltest dein Benehmen auch überdenken.“ Mit diesen Worten drehte Kerstin sich um und ging. Sie ließ Tim mit offenem Mund im Türrahmen stehen. Blindlings lief sie den Flur entlang und wusste nicht wohin. Die Tränen brannten in ihren Augen. „Das darf doch alles nicht wahr sein†œ, dachte sie. Plötzlich hatte sie die Orientierung verloren und wusste nicht, wo sie gelandet war. Der Flur, in dem sie stand, war schwach beleuchtet, verschiedene Holztüren verwiesen auf unbekanntes Terrain. Hier war sie noch nie gewesen. Das Schiff war doch immer wieder für eine Überraschung gut. Neugierde flammte in ihr auf, und sie begann an verschiedenen Türen anzuklopfen. Überall Stille. Nach und nach öffnete sie einige der Türen und erspähte dahinter völlig leere Kabinen. „Waren das alte Kabinen und wer hatte darin gewohnt?†œ, fragte sie sich. Als sie den Flur gerade wieder verlassen wollte, hörte sie Musik. Es kam aus einem der hinteren Zimmer. Sie ging dem Klang der Musik nach. Ja, eindeutig, das war Linkin Park und zwar auf voller Lautstärke. Da hat aber jemand einen guten Geschmack, freute Kerstin sich und stand unschlüssig vor der Tür, aus der die Musik kam. Wer mochte hier wohnen? Ihre Neugierde war stärker, und nachdem auf ihr Klopfen niemand reagiert hatte, öffnete sie einfach die Tür. Eine angenehme Wärme und ein merkwürdiger Geruch nahmen sie in Empfang. Was sie zu sehen bekam, verschlug ihr glatt den Atem. Das Zimmer war im mittelalterlichen Tudorstil eingerichtet. Steinimitate an den Wänden und eine indirekte Beleuchtung sorgten für ein natürliches Ambiente. Links sah sie einen großen massiven Tisch aus Holz mit passenden Stühlen. Ein riesiges, prunkvolles Bett, welches mit handgeschnitzten Ornamenten verziert war, stand auf der rechten Seite. Und mitten im Zimmer saß Drago auf dem Fußboden. Er schien zu meditieren und merkte nicht, dass Kerstin die Tür geöffnet hatte. Vorsichtig betrat sie das Zimmer, sie wollte ihn auf keinen Fall erschrecken und zog leise die Tür hinter sich zu.

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In dem Moment drehte Drago den Kopf und sah sie mit leuchtend grünen Augen an. Ein leises Grummeln war aus seiner Richtung zu hören. „Hallo, schöne Frau. Was für eine nette Überraschung“, begrüßte er sie freundlich. Automatisch fühlte Kerstin sich besser, und da war es wieder, dieses Kribbeln. Aber diesmal nicht nur in ihrer Magengegend. Ein angenehmer Schauer überkam sie. Wie paralysiert starrte sie ihn an. Plötzlich wurde ihr bewusst, was sie tat und schaute weg, aber da war es schon zu spät. Drago hatte ihre Gedanken schon längst gelesen. Mist, schoss es ihr durch den Kopf. Woran hatte sie gerade gedacht? Ah ja, was für einen tollen Oberkörper und was für tolle muskulöse Oberarme er doch hat. Wie gern sie ihn nochmals küssen würde. „Man, bist du blöd†œ, schalt sie sich. Ganz damit beschäftigt ihre Gedanken zu ordnen, bemerkte sie nicht, dass Drago aufgestanden war und jetzt direkt vor ihr stand. Sie zuckte zusammen. Aber er lächelte nur, dieses Mal weder schelmisch noch arrogant. Sein Lächeln strahlte Wärme und Zärtlichkeit aus. „Hallo“, sagte er. „Hallo“, flüsterte Kerstin zurück.
Sie räusperte sich. „Darf ich dir etwas anbieten, oder kann ich dir bei irgendwas behilflich sein?“, fragte Drago, um die peinliche Situation zu entschärfen. Kerstin blickte nach unten und durch ihren Kopf schossen tausende von Antworten. Klar, du könntest mich küssen, überall. Du könntest mich auf dein Bett und danach würde ich gerne deinen Körper erkunden. Wir würden uns stundenlang lieben und hätten noch immer nicht genug. Kerstin musste über ihre Gedanken lächeln und bei einem Blick in Dragos Augen lief sie rot an. Wissend sah er sie an. „Und, warum tun wir es nicht“, fragte er und grinste
Erschrocken fuhr Kerstin zusammen. „Aber, aber du kannst…du hast mir nicht in…wieso weißt du was…“, stammelte sie vor sich hin. Na, Klasse, nie ist ein Loch da, wenn man sich in einem verstecken möchte. Ihr wurde schwindelig, Drago fasste sie zärtlich an den Schultern. „Ich weiß nicht warum, aber ich habe jedes Wort gehört, das du gedacht hast seitdem du hier bist. Bislang bin ich auch davon ausgegangen, dass es nur bei Blickkontakt funktioniert. Aber bei dir scheint es ganz offensichtlich anders zu sein.†œ Das war zu viel für heute. Mit einem leicht verwirrten Blick schaute sie Drago an, dann wurde es dunkel um sie herum und ohnmächtig sank sie in Dragos Arme.

Nachdem Kerstin mit mir den Trainingsraum verlassen hatte, platzte Lilli der Kragen. Sie stand immer noch am Rand der Matten und war mal wieder giftgrün. Ein Zustand, den sie persönlich hasste. Sie hatte ihre Leuchterei im Moment gar nicht mehr im Griff und das war gefährlich. Es verriet sie sofort als magisches Wesen, was bei den Normalsterblichen meistens nicht gut ankam. Jahrelang hatte sie trainiert, um es zu kontrollieren, und es gelang ihr mittlerweile perfekt. Doch seit wir an Bord der Seraphim bei der Bruderschaft waren, hatte sie irgendwie die Kontrolle verloren, und sie wusste nicht warum. Das machte ihr schwer zu schaffen und brachte sie mächtig aus dem Gleichgewicht.
Auch die Jungs standen immer noch um den Schauplatz der Schlägerei herum. Tim und Drago machten betroffene Gesichter, Tiago und Fernando schienen eher belustigt zu sein. Lilli hatte sich kerzengerade aufgerichtet, die Arme links und rechts an die Seite gepresst und die Hände zu Fäusten geballt. Sie stand kurz vor der Explosion, doch sie machte sich umgehend Luft und fing an zu schreien. „Was für total bescheuerte Idioten seid ihr eigentlich? Seid ihr so blöd, oder tut ihr nur so, grrrr? †œSie zitterte vor Zorn am ganzen Körper. „Ich muss jetzt was kaputt schlagen†œ, sagte sie mehr zu sich selbst, drehte sich um und verließ die Halle. Die verdutzten Blicke der Jungs folgten ihr. Sie ging eine Tür weiter in die Kampfsporthalle und dort direkt zu dem riesigen Schrank mit ihren Lieblingswaffen, den Samurai-Schwertern.

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Sie nahm sich zwei wunderschöne Exemplare heraus. Ohne auf ihre makellose Schönheit zu achten, wirbelte sie sofort wie ein Derwisch durch den Raum. Sie drehte sich, sie duckte sich, sie sprang nach vorne, rollte sich geschickt über Schulter und Rücken ab und ließ dabei die beiden Schwerter kreisen. In der Mitte des Raumes stand eine große Trainingsfigur aus speziellem Hartholz mit bunt aufgemalten Trefferflächen. Diese hatte Lilli nun erreicht. Sie schlug mit ihren Schwertern wild auf die Figur ein und verarbeitete sie langsam aber sicher zu Kleinholz. Sie verausgabte sich vollkommen. Sie atmete schwer, ihre Arme und ihre Lunge brannten wie Feuer, doch sie achtete nicht darauf. Wie im Rausch ließ sie weiter die Schwerter fliegen, sie fühlte nur noch Wut und Zorn. Sie drehte sich um, um erneut auszuholen, da trafen ihre Klingen auf klirrenden Widerstand. Fernando stand vor ihr, ebenfalls mit zwei Schwertern in den Händen. Mit gekreuzten Klingen hatte er ihre abgefangen. Lillis Augen weiteten sich vor Schreck und die Schwerter fielen ihr aus den zitternden Händen. „Oh Gott, Fernando!†œ, keuchte sie atemlos. Fernando lächelte sie verständnisvoll an. „Geht es dir jetzt besser?†œ Lilli ließ sich vollkommen ausgepumpt auf den Boden sinken. „Unwesentlich†œ, japste sie. Fernando räumte die Schwerter weg, ließ Lilli zu Atem kommen und setzte sich ihr gegenüber. „Möchtest du mit mir darüber reden? Was macht dich so wütend?†œ „Ach Fernando, da gibt es so vieles. Hast du Zeit?†œ „Soviel du willst und brauchst.†œ „Okay, wo fange ich am besten an? Also, du weißt ja inzwischen, dass die Mädels wie meine Familie sind. Und wie eine Familie haben wir auch friedlich auf unserer Insel gelebt. Wir haben zusammen trainiert, wir haben zusammen gearbeitet und wir haben zusammen unheimlich viel Spaß gehabt. Natürlich haben wir alle sechs in unserem Leben größere und kleinere Wunden davongetragen, aber wir haben uns gegenseitig getröstet, geholfen und gestützt. Wir waren einfach glücklich. Dann sind wir hier zu euch auf das Schiff gekommen, um mit euch gegen die Dragons zu kämpfen. Und was ist jetzt? Alles ist auf einmal so kompliziert und chaotisch. Ich meine jetzt nicht uns beide. Ich bin unheimlich glücklich darüber, dich gefunden zu haben. Ich weiß, dass du mich liebst und du lässt mich meine Wunden vergessen. Aber was mit meinen Schwestern gerade passiert, macht mich wütend, und es macht mir auch Angst. Zum Beispiel die Sache mit Doc und Bowen. Da entwickelt sich langsam eine Liebe, und bevor Jane weiß wie ihr geschieht, fängt Bowen an sie einzuengen und sie als sein Besitz auf Ewigkeit anzusehen. Dass Jane dann schreiend davon rennt und in ein absolutes Gefühlschaos stürzt, ist ja wohl klar. Was hat er sich nur dabei gedacht? Dann Tim, Drago und Kerstin. Kerstin zerbricht sich den Kopf, redet sich den Mund fusselig, weiß überhaupt nicht was da los ist, ist zwischen den beiden hin und her gerissen. Und anstatt ihr mit Verständnis und Hilfe beizustehen, gehen die beiden hin, verprügeln sich wie auf dem Schulhof und verletzen Angie noch dabei. Was ist eigentlich mit Drago und euch? Warum seid ihr so wütend auf ihn? Ja, und dann auch noch Angie. Erst gerät sie zwischen Norbert und Jean und jetzt noch dieser Auftritt von Duncan. Der war ja wohl voll daneben. Und schließlich Lucy und Gavin. Wieso steht Gavin auf einmal in Flammen? Und mir geht´s auch nicht gut, ständig laufe ich grün an. Ich habe total die Kontrolle verloren und das macht mich fast wahnsinnig. Ich fasse es nicht, was ist denn hier los?†œ Lilli war vollkommen fertig, aber jetzt hatte sie einmal alles rausgelassen, was ihr im Moment so auf der Seele lag. Fernando sah sie nachdenklich, aber auch liebevoll an. Er nahm vorsichtig ihre zitternden Hände und fing an sie sanft zu streicheln. „Ich glaube, hier muss ich wohl für ein wenig Aufklärung sorgen. Also, meine Schöne, dann pass auf. Zuerst einmal zu deinem Leuchten. Ich habe dir schon gesagt, dass ich es liebe. Du musst da ein bisschen lockerer werden. Hier auf dem Schiff ist es doch gar kein Problem, jeder weiß, dass du eine Elfe bist. Und als wir in New Orleans waren, hast du ja nur geleuchtet, als du Duncan fertig gemacht hast. Also nimm mal den Gang raus. Ich denke, wenn es wirklich absolut sein muss, hast du es wieder unter Kontrolle.
Dann zu Doc, Bowen, Angie und Duncan. Da muss ich dir über uns Vampire etwas erklären. In einigen Fällen kommt es vor, dass wir auf unsere absolute Gefährtin treffen.

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Sie ist praktisch wie für uns geschaffen. Wie durch ein unsichtbares Band sind wir auf ewig mit ihr verbunden. Wenn wir Glück haben, beruht es auf Gegenseitigkeit und wir können mit unserer Gefährtin eine Blutverbindung, die dann untrennbar ist, eingehen. Bowen hat in Jane seine Gefährtin gefunden, so wie ich in dir und ich habe den Verdacht, dass es Duncan mit Angie auch so geht. Dieser Auftritt vorhin, hat diesen Verdacht bei mir geweckt. Ich bin mir aber nicht sicher. Bei Bowen weiß ich es sicher, er hat schon mit mir darüber geredet. Bowen hat das Problem, dass er schon von Jane getrunken hat. Damit wurde die Verbindung für ihn untrennbar. Aber um diese Verbindung endgültig zu machen, muss Jane auch von ihm trinken. Er hat alles ein wenig überstürzt und hat es leider versäumt, Jane alles genau zu erklären. Er weiß, was für ein Fehler er gemacht hat und glaube mir, er wird sich bemühen, das alles wieder in Ordnung zu bringen. Lass die beiden nur mal machen, das wird schon. Mit Gavin…….†œ, „ Halt, mal!†œ, unterbrach Lilli ihn, „wie, du hast in mir deine Gefährtin gefunden?†œ „Ja, Lilli. Du bist meine Gefährtin. Du bist für mich bestimmt. Ich hatte gleich, als ihr an Bord gekommen seid, so ein komisches Gefühl. Aber als wir dann das erste Mal allein waren und ich mich ganz auf dich konzentrieren konnte, ist es mir klar geworden. Du darfst dich jetzt aber nicht unter Druck gesetzt fühlen. Wenn du für mich nicht dasselbe empfinden kannst, wird diese Verbindung nicht stattfinden.†œ Lilli sah Fernando verwundert und etwas skeptisch an: „Oh, Okay!†œ Fernando musste wieder lächeln, als er ihren Gesichtsausdruck sah. „Darüber können wir später noch ausführlich sprechen. So jetzt also zu Gavin. Er hat das Problem, dass er im Schlaf die Kontrolle über sein Feuer verliert und das hat sich in letzter Zeit gehäuft. Er ist untröstlich, dass Lucy, sich an ihm verbrannt hat. Er möchte noch genauer mit uns darüber sprechen. Ich denke, er hat eine Ahnung, was mit ihm los ist. So und jetzt noch zu Tim, Kerstin und Drago. Da kann ich dir eigentlich nicht viel dazu sagen. Ja klar, was Tim und Drago da vom Stapel gelassen haben, ist absolut nicht in Ordnung. Wenn mich nicht alles täuscht, will sich Duncan die beiden noch zur Brust nehmen. Aber ich habe noch mit keinem von ihnen darüber gesprochen. Das angespannte Verhältnis von Drago zu uns Brüdern, spielt da wahrscheinlich schon eine große Rolle.†œ Fernando bekam einen abwesenden Gesichtsausdruck. Er ließ seinen Blick an Lilli vorbei an die Rückwand der Halle schweifen, so, als würde er an etwas ganz Entferntes denken. „Was ist zwischen euch vorgefallen?†œ, fragte Lilli. Fernando atmete tief durch und schaute sie wieder aufmerksam an. „Also, Drago gehört ebenfalls unserer Bruderschaft an und zwar schon lange. Doch eines Tages verschwand er spurlos, ohne ein Wort. Inzwischen wissen wir, dass er bei den Dragons eingeschleust wurde um sie auszuspionieren. Wir hatten bis jetzt keine Kenntnis davon. Das Problem dabei ist, auf unserem Anwesen lebte damals ein Mädchen namens Lindsay. Sie wuchs bei uns auf und war uns wie eine kleine Schwester. Zwischen ihr und Drago hatte sich eine Romanze entwickelt und als Drago verschwand, hat sie sich das Leben genommen. Der Verlust von ihr hat uns an den Rand des Erträglichen gebracht und wir haben das Drago nie verzeihen können.†œ Fernando schaute Lilli verzweifelt an und er hatte Tränen in den Augen. Nun streichelte Lilli seine Hände, um ihm ihr Mitgefühl zu zeigen. „Fernando, das dürft ihr nicht.†œ „Was dürfen wir nicht?†œ, fragte er verständnislos. „Ihr dürft Drago nicht dafür verantwortlich machen, und ihr dürft ihn nicht verstoßen. Er musste einen noch größeren Verlust ertragen als ihr. Er hat eine Liebe verloren. Er hat seine Brüder, deren Liebe und deren Vertrauen verloren. So schlimm es sich auch anfühlt oder auch anhört, Lindsay hat für sich alleine diese Entscheidung getroffen. Auch ich habe einmal vor dieser Entscheidung gestanden. Aber ich habe mich für das Leben und für meine Schwestern entschieden. Lindsay hätte sich auch für das Leben entscheiden können aber sie hat sich anders entschieden. Das dürft ihr Drago nicht zum Vorwurf machen. Ich denke er hat genug gelitten.†œ Fernando schaute Lilli verwundert an. „Wahrscheinlich hast du recht. Aus dieser Sicht habe ich es noch gar nicht betrachtet. Ich glaube, ich werde Morgen zu Drago gehen und mal mit ihm darüber sprechen. Er hatte ja noch nie die Gelegenheit sich dazu zu äußern oder jemandem seine Gefühle anzuvertrauen.

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Vielleicht kann ich ihm helfen, wieder in unsere Bruderschaft zurück zukehren. Obwohl das mit Tim, Kerstin und ihm noch etwas problematisch werden könnte.†œ
Fernando erhob sich und zog Lilli mit nach oben. „Was meinst du? Geht es uns beiden jetzt ein bisschen besser. Konnten wir das Eine oder Andere etwas klarer machen?†œ Lilli lächelte ihn an: „Ich denke ja, zumindest für mich. Ich bin total erledigt. Machen wir es uns auf meinem bequemen Ottomanen etwas gemütlich?†œ Fernando zog Lilli schon aus der Halle. „Ich dachte schon, du fragst mich nie.†œ
Nicht lange danach lagen die beiden engumschlungen in Lillis Kuschelecke und schliefen glücklich und zufrieden ein. Was währenddessen noch alles in dieser Nacht passierte, sollten sie dann am nächsten Morgen erfahren.

Eigentlich sollten sie die Tage auf See zum Trainieren und Kräfte sammeln nutzen. Stattdessen machten sie sich hier auf dem Schiff das Leben schwer. Sie versuchten zum Teil sich aus dem Weg zu gehen, aber trotzdem kam es immer wieder zu spannungsgeladenen Aufeinandertreffen. Warum mussten sie aber mit einem so verdammt attraktiven Haufen wie der Bruderschaft so eng zusammenarbeiten? Das musste ja zu Komplikationen in ihrer Gefühlswelt führen. Das Leben könnte so einfach sein. Noch gestern war Lucy überzeugt gewesen, die große Liebe gefunden zu haben, aber heute hatte sie schon wieder Zweifel. Gavin benahm sich seltsam, aber bisher hatte sie noch keine Gelegenheit mit ihm zu sprechen. Seit dem Brand in seiner Kabine ging er ihr aus dem Weg, und sie hatte nicht die leiseste Ahnung wieso.
Das Beste, was sie in dieser Situation tun konnte, war sich abzulenken, ablenken durch Arbeit. In New Orleans konnten sie eine zerstörte Festplatte sicherstellen und Lucy machte sich ans Werk, ihr ihre Geheimnisse zu entlocken. „Das wird schwer, du siehst nicht gerade gesund aus†œ, murmelte sie vor sich hin. Das Gehäuse der Festplatte war total verschmort und eine ziemlich übel riechende Substanz tropfte heraus. Da sie nicht genau wusste, mit womit sie es tun hatte, zog sie vorsichtshalber eine Schutzbrille an und streifte sich Handschuhe über. Das Gehäuse zu knacken war gar nicht so leicht, aber es gelang ihr die ferromagnetische Scheibe, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Festplatte genannt, aus dem Gehäuse zu entfernen, ohne weiteren Schaden anzurichten. Ein Reinigungsbad sollte sie von Schmutz und Rückständen dieses stinkenden Schleims befreien. Doch vergaß sie nicht vorher noch eine Probe in ein kleines Glas abzufüllen. Den Schleim würde sie irgendwann später genauer untersuchen. „Sieht doch gar nicht schlecht aus†œ, stellte sie fest und entnahm die Platte dem Reinigungsbad. „Schauen wir doch mal, was du an Geheimnissen verbirgst†œ, sagte sie und legte die Scheibe in einen neuen Festpatten-Driver. Hoffentlich hatten sie Dragons damals nicht genügend Zeit die Daten unwiderruflich zu zerstören. Das Laufwerk summte leise und die ersten Daten erschienen auf dem Bildschirm. Allerdings waren es nur einzelne Buchstaben und Zahlen, bisher konnte sie noch nichts Brauchbares entdecken. Eigens für solche Zwecke hatte Lucy ein Programm entwickelt, das auch komplizierte Löschmodi rückgängig machen konnte. Vielleicht würde sie ja so an ein paar Informationen gelangen. Während das Programm seine Arbeit tat, stand Lucy auf, um sich einen Kaffee zu holen. Sie genoss die Stille im Raum, das leise Surren von den Computern und technischen Geräten wirkte beruhigend auf sie. Mit einem Piepton meldete ihr Programm, dass es seine Arbeit beendet hatte. „Na wer sagt†™s denn. Was haben wir denn da?†œ, fragte sich Lucy und begann die zerstümmelten Dateien zu prüfen und sortieren. Mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden, rief Lucy sofort nach Duncan. Als Duncan den Computerraum betreten hatte, fand er sie ziemlich aufgeregt und ungeduldig vor. „Mir ist es gelungen ein paar Daten von der zerstörten Festplatte zu rekonstruieren und ich habe dabei eine interessante E-Mail über ein geplantes Treffen der Dragons gefunden, das musst du dir sofort ansehen!†œ, plapperte sie los und winkte Duncan zu sich herüber.

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„Schau, das Treffen ist schon morgen in Havanna, da müssen wir doch hin. Das ist eine einmalige Chance für uns an neue Informationen zu kommen!†œ Duncan entgegnete barsch: „Wer, und ob wir dahin gehen, entscheide immer noch ich!†œ
Er sah Lucys enttäuschte Miene und bereute auch schon wieder seine schroffe Zurechtweisung. Das war nun wirklich kein Grund, seine schlechte Laune an ihr auszulassen. „In Ordnung†œ, sagte er etwas versöhnlicher, „wir schauen uns das mal in Ruhe an. Ich rufe Sweetlife an, mal sehen, ob sie über das Treffen noch etwas herausfinden kann. Gute Arbeit, Lucy, aber jetzt geh schlafen.†œ
Obwohl Lucy immer noch viel zu aufgeregt zum Schlafen war, zog sie sich in ihre Kabine zurück.

Seit Stunden zermarterte ich mir meinen Kopf. Was war gestern in seiner Kabine geschehen? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern! Plötzlich schoben sich ein paar Augen mit einem seltsamen Ausdruck in meine Gedanken. Ich hielt inne…was war jetzt das? Und auf einmal verspürte ich auch ein Ziehen in meinem Innern, das ich nicht kannte. Erschrocken starrte ich auf die leere Kaffeetasse in meiner Hand… wurde ich so langsam verrückt? Ich musste mich dringend ablenken, aber womit bloß? Norbert! Oh! An ihn hatte ich in den vergangenen Stunden überhaupt nicht gedacht. Und was hatte das jetzt zu bedeuten? Liebte ich ihn nicht mehr? Doch, irgendwie schon, aber nicht so, wie es eigentlich sein sollte, nicht so richtig tief und endgültig, so… für immer. Ich musste mit ihm reden! Jetzt sofort! Das duldet keinen Aufschub. Ich sprang auf, rannte zur Tür und gerade als ich sie aufgerissen hatte, stand Norbert mit einem verlegenen Gesichtsausdruck vor mir. „Wir müssen reden!†œ, sagten wir wie aus einem Mund und mussten lachen, „ Komm rein†œ, sagte ich mit einem Lächeln, „ich wollte gerade zu dir. Setz dich schon mal, möchtest du was trinken?†œ „Nein, danke.†œ „ Okay, dann schieß mal los†œ, forderte ich ihn auf. Er sah mich immer noch etwas verlegen an und räusperte sich: „Also,…man, das fällt mir nicht leicht jetzt, aber… okay!†œ Er atmete tief durch, und als er meinen geduldigen Blick sah, sprach er weiter: „Also, ich habe lange mit Jean gesprochen. Vielmehr er hat, also wir haben …†œ Da musste ich schmunzeln und sah ihn ruhig an: „Sprich einfach weiter, ich werde schon nicht sauer. Ich nehme an, ihr zwei habt über mich gesprochen, und Jean hat dir gesagt, was damals zwischen…†œ „Ja†œ, unterbrach er mich und sah mich liebevoll an. „Er hat mir alles erzählt. Aber dann sagte er etwas, dass mich sehr nachdenklich gemacht hat. Er liebt dich! Und bevor ich ihm eine reinhauen konnte, sagte er noch etwas sehr Entscheidendes: Dass er dich liebt, weil du ein liebenswerter Mensch bist.†œ Ach ja? Dann sag das mal Duncan! Als ich seinen Namen in meinen Gedanken aussprach, war dieses Ziehen wieder da, und seine Augen sahen mich an. Ich wurde etwas nervös, doch ich wollte das jetzt nicht! Also verdrängte ich es für den Moment und konzentrierte mich auf Norbert. „Aber eben nicht so, wie es eigentlich sein sollte, wie man seinen Gefährten lieben sollte, so tief und innig, an den man für immer gebunden sein möchte.†œ Da musste ich lachen, und er sah mich irritiert an. Schnell nahm ich seine Hand und sah ihm in die Augen. „Und du fühlst genau so, stimmt`s?†œ Er nickte nur stumm und sah mich erstaunt an. „Und du weißt nicht, wie du es mir sagen sollst? … Ach, Norbert†œ, lachte ich erleichtert, „genau das gleiche wollte ich dir auch sagen. Ich war gerade auf dem Weg zu dir. Das wir uns im Bett so gut verstanden haben, hatte wohl nicht viel mit der einen Liebe zu tun. Aber es war wirklich sehr, sehr schön.†œ Er sprang auf, nahm mich in seine Arme, drückte mich kurz an sich und sagte dann erleichtert: „Ja, das war schon etwas ganz besonderes zwischen uns. Oh Gott, bin ich froh, dass du genauso empfindest! Alles andere hätte ich mir nie verziehen. Jean und ich werden dich immer ein kleines bisschen lieben, ich vielleicht noch mehr, und wir werden immer für dich da sein. Als deine besten Freunde, auf die du dich immer und jederzeit verlassen kannst.

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Und wenn dir einer was will, dann bekommt er es mit uns zu tun!†œ „Okay, ich nehme dich beim Wort.†œ Ich wüsste da schon wen!
„Das kannst du auch†œ, sagte er und sah mich sehr ernst an. „Tut mir leid, aber Jean wartet auf mich… na ja, eigentlich auf uns beide.†œ „Ich kann nicht, ich habe noch was Wichtiges zu erledigen. Wir können uns ja später noch an der Poolbar treffen.†œ „Gute Idee, ich werde dann mit dem neuen Kapitän da sein und auf dich warten.†œ Er küsste mich auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr: „Mh, eigentlich schade, ich könnte jetzt mit dir…†œ Ich schüttelte lachend den Kopf und schob ihn aus der Tür. „Geh lieber mit dem Wölfchen spielen.†œ Ach, wenn sich doch alles so unkompliziert und ohne Streit zum Guten wenden lassen würde…
Als mein Blick auf die Wodkaflasche fiel, wurde mir siedend heiß. Ich musste wissen, was in seiner Kabine vorgefallen war. Oh mein Gott! Hatte ich mich ihm vielleicht an den Hals geschmissen? Mir wurde ganz elend bei dem Gedanken! Das hielt ich nicht länger aus, ich musste zu ihm. Er musste doch wissen, was passiert war! Ich seufzte tief. Also auf in die Höhle des Löwen!
Ich war furchtbar nervös, als ich seine Kabine erreichte. Würde er überhaupt mit mir reden wollen? Seine Tür war nur angelehnt, und als ich die Stimme von Tiago hörte, wollte ich schon wieder kehrtmachen. Doch die Sache musste einfach geklärt werden, also musste ich hier warten, bis er wieder alleine war: „So, mein Großer. Alles wieder in Ordnung. Und wenn du … äh, ich meine bei dir noch mal eine Möwe Harakiri an dem Fenster versucht, äh… von innen, sag einfach Bescheid.†œ Dann sprach er mit gesenkter Stimme weiter. „Was sollte das übrigens mit Angie im Fitnessraum? Sie wollte doch nur…†œ „ Ich weiß genau, was diese kleine Hexe wollte!†œ, unterbrach Duncan ihn mit kalter Stimme, „aber das werde ich schon regeln, auf meine Art! Ich leite den Einsatz hier, was schon schwierig genug ist, und besonders jetzt, da Lucy noch etwas auf der Festplatte gefunden hat und sie wahrscheinlich nach Kuba will. Bowen ist im Moment auch zu nichts zu gebrauchen. Glaubst du, dass ich da noch jemanden brauche, die eure Hormone durcheinander wirbelt. Bestimmt nicht! So, danke für deine Hilfe, aber ich muss jetzt arbeiten.†œ Ich stand da wie erstarrt! „ Ach, dir ist ja nicht zu helfen†œ, sagte Tiago beim Rausgehen, und als er mich an der Tür sah, flüsterte er mir zu: „Sei bloß vorsichtig, der ist immer noch geladen.†œ Ich nickte ihm zu, trat leise ein und schloss die Tür hinter mir. Als ich ihn sah, konnte ich den Blick nicht von ihm wenden. Wie er so da stand mit dem Rücken zu mir, so groß und mächtig, ein bisschen düster und geheimnisvoll, so… unbeschreiblich, da ergriff mich eine tiefe Sehnsucht nach ihm. Plötzlich hatte ich die Gewissheit, sie durchfuhr mich wie ein Blitz! Es würde ab sofort nur noch IHN für mich geben, ER war derjenige, der ab sofort mein Leben sein würde. Ihn würde ich immer lieben, so tief und endgültig wie ich noch nie jemanden vor ihm geliebt hatte, so bedingungslos und unwiderruflich. Er war der Teil von mir, den ich gesucht hatte. Er würde immer meine Seele, meine Gedanken, mein Atem, und mein Herz sein. Für immer… für mich. Aber ICH würde das nie für ihn sein. Und damit würde ich wohl leben müssen, oder es zumindest versuchen… irgendwie.
Tränen brannten in meinen Augen, und eine tiefe Verzweiflung ergriff mich, aber ich würde nicht zusammenbrechen, nicht hier und nicht jetzt, nicht vor ihm in seiner Kabine. Dazu war später immer noch Zeit genug! Also schluckte ich meine Tränen runter und riss mich, so gut ich in dem Moment konnte, zusammen. „Duncan,… ich weiß zwar immer noch nicht, was ich dir getan habe und warum du was gegen mich hast, das ist ja schließlich auch deine Sache, aber ich muss wissen, was hier gestern passiert ist, ich kann mich an nichts erinnern, bitte!†œ Meine Stimme wurde immer leiser und dann versagte sie ganz. Als ich seinen Namen sagte, zuckte er zusammen. Er hatte wohl nicht mit mir gerechnet, und als er sich nach einiger Zeit langsam zu mir umgedreht hatte, traf mich die Kälte in seinem Blick diesmal besonders hart. „Ich hab dir doch schon gesagt, dass nichts passiert ist! Du bist hier betrunken rein gestürmt, hast mich total wild beschimpft und bist dann zusammengesackt. Ich … äh, hab dich aufs Bett gelegt… und dann bist du eingeschlafen… Mehr gibt†™s nicht zu erzählen!

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Also, was willst du noch von mir?†œ Zwischendurch hatte er einen so sonderbaren Ausdruck in seinem Blick, aber nun starrte er mich nur wieder kalt und wütend an. Und ich wusste genau, dass er log! Aber ich wusste in diesem Moment auch ganz genau, dass er das nie zugeben würde. Er drehte mir wieder den Rücken zu und starrte aus dem Fenster, das Tiago gerade eben ersetzt hatte. Ich wollte zu ihm, ihn in den Arm nehmen, ihn spüren und ihn schmecken. Und es tat weh, so verdammt weh, wie er so eiskalt da stand und mich ignorierte. Schnell steckte ich meine Hände in die Taschen meiner Jeans, um nicht doch noch in Versuchung zu geraten zu ihm zu gehen und in anzufassen, oder mich ihm an den Hals zu werfen. Adrian Paul2Seine Zurückweisung könnte ich nicht ertragen. Also versuchte ich einen möglichst würdigen Abgang hinzulegen, auch wenn es mich wahrscheinlich umbringen würde. Hoffentlich bemerkte er das leichte Zittern, das mittlerweile meinen ganzen Körper ergriffen hatte, in meiner Stimme nicht. „Ich möchte mich für meinen Auftritt hier entschuldigen, und was danach passiert ist… oder auch nicht, ich weiß ja nicht was… Es tut mir leid, dass ich auf dem Friedhof so einen Wirbel veranstaltet hab, es tut mir auch leid, dass ich euch dadurch alle in Gefahr gebracht habe. Okay, für den Hurrikan kann ich nun wirklich nichts. Aber wenn ich deiner Meinung nach auch daran schuld bin, bitte.†œ Ich sah, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Bitte nicht schon wieder… Daher beeilte ich mich und sprach schnell mit leiser Stimme, den Türknopf schon in der Hand: „Da du meinen Anblick ja offensichtlich nicht ertragen kannst, werde ich dich nie wieder belästigen, und ich werde versuchen, dir hier auf dem Schiff so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Und ich möchte dich bitten, dass du mir ebenfalls aus dem Weg gehst.†œ
„Nein†œ, flüsterte er und drehte sich kopfschüttelnd zu mir um, „es ist genug!†œ „Was meinst du damit?†œ, fragte ich ihn, und als er langsam auf mich zukam, starrte ich ihn nur erschrocken an. „Bitte nicht… ich†œ, doch weiter kam ich nicht. Er zog mich einfach in seine Arme und drückte mich mit einem verzweifelten Stöhnen an sich. „Ich kann nicht mehr†œ, flüsterte er und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. „Und bei Gott, ich habe es versucht, mich von dir fernzuhalten. Die Gefährtinnen von uns Brüdern sind tabu für die anderen, das ist Gesetz. Aber es bringt mich um,… zu wissen, dass Norbert… †œ Dann sah er mich so traurig und zugleich so liebevoll an, dass mir die Tränen kamen. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und sah ihm tief in die Augen: „Duncan, ich liebe ihn nicht, und er mich auch nicht.†œ Dann zog ich seinen Kopf zu mir herunter und küsste ihn. Zum Reden war später noch Zeit…

Nach einem ziemlich anstrengenden Vormittag, den Doc damit verbracht hatte, die Legierung in ihre Einzelteile zu zerlegen, saß sie jetzt am Schreibtisch in der Krankenstation. Den Fehler in ihrem Gemisch hatte sie endlich ausfindig machen können. Als Don und Hack damals ihre Sachen durchwühlt hatten, fanden sie es wohl unheimlich einfallsreich, die Schildchen mit den Beschriftungen, die an den Phiolen hingen, auszutauschen. So hatte sie statt Gargoyle-Blut Grenadine-Essenz verwendet. Kein Wunder, dass die Ghule darauf nicht reagierten. Zufrieden, dem Fehler auf die Schliche gekommen zu sein, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Ihr Blick schweifte durch das Fenster aufs Meer hinaus. Sie hatte jetzt eine ganze Weile Nachforschungen über Peru angestellt und herausgefunden, dass es dort Skorpione gab. Sie musste also unbedingt ein Gegengift mitnehmen. Unsterblich zu sein bedeutete im besten Fall wirklich Unsterblichkeit. Trotzdem gab es für jedes mythische Wesen die eine oder andere Weise in den Äther geschickt zu werden. Wenn auch so ein Skorpionbiss nicht unbedingt tödlich sein musste, er konnte auf jeden Fall einigen Schaden anrichten. Vor allem dann, wenn der Betroffene für ein paar Stunden ausgeknockt würde. „Hey Doc, hast du vielleicht einen Moment Zeit?†œ Cyrus stand mit einem sehr zerknirschten Gesichtsausdruck, der so gar nicht zu seinem sonst so sonnigen Gemüt passte, im Türrahmen.

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„Natürlich, komm rein.†œ Misstrauisch und abwartend blickte Doc ihn an. „Doc, ich möchte mich bei dir entschuldigen, wegen… ähm.. meinem Aussetzer in der vergangenen Nacht†œ, stotterte er drauflos. „Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt verabscheust. Wenn es irgendeinen Weg gibt wie ich das wieder gutmachen kann, bitte, dann sag es mir. Ich fühle mich so mies.†œ Gequält schaute er sie an und wandte den Blick wieder ab. „Man, Cyrus, du hast mir einen verdammten Schrecken eingejagt, und wenn Bowen nicht plötzlich da gewesen wäre… Ich mag mir gar nicht vorstellen was dann passiert wäre! Du musst doch wissen wie schlecht du dich im Griff hast und damit rechnen, dass wir auch mal nachts an Deck sind.†œ „Ja, du hast Recht, ich muss mich halt daran gewöhnen, dass wir jetzt so hübsche Ladies an Bord haben. Doc, bitte, ich schwöre dir, so etwas wird niemals wieder vorkommen.†œ Sie musterte ihn abschätzend und ließ sich mit der Antwort Zeit. „Okay, Cyrus, vergessen wir die Geschichte. Dafür möchte ich aber bevorzugte Behandlung, wenn ich Drinks bestelle.†œ Er nickte langsam. „Ich hoffe, die Angelegenheit hat nicht der Freundschaft zwischen dir und Bowen geschadet.†œ Ungläubig sah er sie an. „Du verzeihst mir? Jane, du bist echt cool! Bowen hat wirklich Glück, dass du… Du hast auf jeden Fall ewig was gut bei mir. Bei ihm und mir ist alles beim Alten. Er hat mich schon des Öfteren vor Dummheiten bewahrt.†œ „Das ist gut. Ich möchte wirklich nicht, dass er wegen mir einen Freund verliert.†œ „Apropos Freund, Doc, ich bin vorhin bei ihm gewesen und ich habe ihn noch nie … es geht ihm überhaupt nicht gut.†œ Er sah ihr in die Augen und ihm entging nicht das Mitgefühl, das darin aufblitzte „Ich glaube, ich habe total überreagiert, trotzdem, er hätte mir von der ganzen Gefährtinnensache doch was sagen müssen.†œ Cyrus brauchte gar nicht weiter zu bohren, er sah es in ihren Augen, sie war genauso durch den Wind wie Bowen. Er würde seinem Freund, von seinem Eindruck berichten und hoffte, dass die beiden Königskinder bald wieder zusammen finden würden. Cy grinste Doc an und machte sich dann aus dem Staub. Doc wandte sich wieder ihren Recherchen zu, doch ihre Augen fingen bald an zu brennen. „Mist, diese modernen Computerdinger… eigentlich sind mir Bücher viel lieber, aber zur Informationsbeschaffung ist diese Technologie einfach viel effizienter†œ, dachte sie und stellte das Gerät aus. Sie entschied für heute Schluss zu machen und wollte duschen und dann irgendwo einen Happen essen. Vielleicht hätte ja eine ihrer Freundinnen Zeit, die Einsamkeit lastete zu dieser Zeit schwer auf ihr.
Als sie aus der Dusche gestiegen war und ins Schlafzimmer gegangen war um sich anzuziehen, hatte sie das Gefühl Bowens Geruch wahrzunehmen. Es löste sofort eine Welle der Sehnsucht bei ihr aus. Sie setzte sich aufs Bett, die Tränen konnte sie einfach nicht aufhalten. So etwas war ihr vorher noch nie passiert. Verschwommen sah sie etwas in ihrem Augenwinkel. Sie blinzelte die Tränen weg, und da sah sie, dass ein kleines Gänseblümchen auf ihrem Kopfkissen lag. Sie nahm es in die Hand und drehte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Bowen, er war hier gewesen. Woher wusste er bloß, dass Gänseblümchen ihre Lieblingsblumen waren?
Sie ging zum Kleiderschrank und zog sich an. Dabei fällte sie eine folgenschwere Entscheidung, sie hatte es satt alleine rumzuhängen und sich mies zu fühlen. Sie war doch auf Bowen gar nicht mehr sauer, dafür vermisste sie ihn viel zu sehr. Warum also mit diesem Theater weitermachen? Sie musste zu ihm. Vor seiner Tür hielt sie kurz inne, dann klopfte sie zaghaft an und wartete. Keine Reaktion, sie klopfte noch einmal und diesmal ein wenig lauter, doch hinter der Türe war es totenstill. Sollte sie einfach die Karte benutzen, die sie noch hatte, und in seiner Kabine auf ihn warten? Sie überlegte kurz und zog dann die Karte durch das Lesegerät. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür und sie ging hinein. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, blutete ihr Herz. Bowen saß auf dem Boden. Den Rücken zum Eingang gewandt, lehnte er an seinem Bett und blickte durch die Glasfront hinaus aufs Meer. Zwischen seinen Fingern hielt er ein Gänseblümchen. Er hörte ihre Schritte und drehte sich um, ihre Blicke trafen sich. Unglauben spiegelte sich in seinen Zügen wider. Langsam erhob er sich, blieb aber an Ort und Stelle stehen.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Zwischenstopp in Havanna

Black Dagger Ladies Online †“ Drago [Kapitel 8]

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Drago
Kapitel 8

Tim und Kerstin hatten eine kurze Nacht. Ein leichtes Schmunzeln lag auf ihren Lippen. Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie taten beide so. als wenn sie es nicht gehört hätten. Es klopfte wieder. Tim knurrte in Richtung Tür: „Wehe, wenn das nicht wichtig ist.“ Zögernd stand er auf, stieg geschwind in seinen Schlüppi  und öffnete die Tür. Dort stand Tiago und sagte: „Sorry, aber wir brauchen dich dringend im Maschinenraum.“ Tim stöhnte auf. Tiago grinste, und man merkte ihm an, dass er nicht wirklich meinte, was er sagte. „Es tut mir echt Leid, aber der Verteiler spinnt wieder.“ Kerstin richtete sich auf, wobei sie darauf achtete, dass die Decke ihren nackten Körper verhüllte. „Ist schon okay†œ, sagte Kerstin, „wir können uns ja später zum Frühstücken auf Deck treffen und danach vielleicht mal wieder ein wenig trainieren.“ Tim war nicht begeistert über die Störung, sagte dann aber zu Tiago: „Okay, ich bin in zehn Minuten da.“ Tiago nickte kurz und ging. Tim machte die Tür zu und stemmte die Hände in seine Hüfte. „Da haben wir die neusten und besten Waffen, die beste Technik an Bord, aber nur Ärger mit diesem Hochleistungsmotor.“ Er schüttelte den Kopf. Kerstin lächelte und klopfte auf die Matratze. „Wir haben noch zehn Minuten?“ Tim verzog das Gesicht und musste lachen. Er kam zum Bett und beugte sich zu ihr herunter: „Du kleiner Nimmersatt, du glaubst gar nicht wie gern ich hier noch mehr Zeit mit dir verbringen würde, aber für das, was wir dann tun würden, na ja, reichen zehn Minuten einfach nicht.“ Er hauchte einen Kuss auf Kerstins Kopf und ging ins Bad. Kerstin legte sich zurück und fing an zu grübeln. Oh man, wie soll das jetzt bloß weitergehen? Sie musste unbedingt mit Angie reden. Tim kam, nur mit einem kleinen Handtuch um die Hüften, aus der Dusche. Es war in sehr kleines Handtuch und Kerstin musste anerkennend pfeifen. Tim lachte und zog sich an. Kerstin stand auf und ließ die Decke achtlos auf den Boden fallen. Ups, na so was“, versuchte sie Tim zu necken, aber er ging nicht weiter drauf ein. Er nahm sie zärtlich in seine Arme, küsste sie kurz und sagte dann zu ihr: „Je schneller ich das Problem gelöst habe†œ, und dabei strich er sanft mit seinen Fingern über ihre Schultern, „umso eher bin ich wieder bei dir. Wir treffen uns später auf Deck, so wie du gesagt hast, okay?“ „Ja, ist gut. Ich mache mich inzwischen auf die Suche nach meinen Schwestern.†œ Tim nickte und ging zur Tür. Er drehte sich noch mal um und fragte: „Ist alles okay bei uns?“ Erschrocken sah Kerstin ihn an. Sie
wurde ganz blass. Oh mein Gott, schoss es ihr durch den Kopf, was wusste er? Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ja klar, wieso nicht?“ Tim nickte nochmals und schloss die Tür. Kerstin taumelte zum Bett, sie hatte das erste Mal in ihrem Leben weiche Knie. Jetzt wurde es höchste Zeit mit Angie zu reden, hoffentlich wusste sie Rat. Sie ging zu Angies Kabine und lauschte an der Tür. Sie kam sich irgendwie blöd vor. Zaghaft klopfte sie. Nichts. Kerstin atmete tief durch und klopfte nochmals. „Jaha, Moment“, ertönte Angies Stimme.
Etwas verschlafen öffnete sie. Nur mit einem zarten Nichts am Leib stand sie vor ihr. „Oh“, sagte Angie, „ähm, Kerstin, du? Was ist…“, aber Angie brauchte gar nicht weiter zu fragen, sie sah es in Kerstins Gesicht. „Komm rein Hase, ich glaube, wir brauchen beide erstmal einen ordentlichen Kaffee.“ Mit gesenktem Blick trat Kerstin ein und setzte sich auf einen der gemütlichen Sessel, während Angie bei Tiago anrief und Kaffee bestellte. „Ich, ähm, also, ich wollte dich nicht stören“, sagte Kerstin unsicher. „Ist schon okay, bin vor einer Stunde zurück in meine Kabine, weil Norbert zum Dienst musste. Angie setzte sich ebenfalls und sah Kerstin neugierig an. „Nun erzähl schon, es geht um Drago, stimmt´s?“
Kerstin wurde rot. „Hey, das mit dem Leuchten überlass mal der Lilli. Ich weiß nicht, was genau passiert ist. Drago hat mir nur erzählt, was er fühlt, und dass es da irgendein Band zwischen euch gibt†œ, sagte Angie. Kerstin machte große Augen, woraufhin Angie zu lachen anfing. „Find ich gar nicht witzig“, sagte Kerstin irritiert und ein bisschen beleidigt. „Sag mir lieber, was hier los ist, und was ich jetzt machen soll? Und zu deiner Information – ER hat mich geküsst und nicht andersherum.“ Angie überlegte kurz und erzählte Kerstin dann, was sie über Drago wusste. „Also, er ist ein Gestaltenwandler. In was er sich alles konkret verwandeln kann, weiß ich nicht so genau. Und er kann Gedankenlesen, aber nur bei Augenkontakt.

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Ach ja, und nun das Wichtigste, er ist ein Drache!“ Angie musste laut über Kerstins ungläubigen Gesichtsausdruck lachen. Aber sie fasste sich schnell. „Okay, gut, und was hat das jetzt mit mir zu tun?“ Angie lächelte. „Nun, ich würde sagen, ihr beiden, du und Drago, habt die seltene Gabe euch miteinander zu unterhalten, ohne dabei zu sprechen. Ich weiß noch von meiner Großmutter, dass es so etwas gibt. Aber das ist sehr selten.“ Kerstin überlegte. „Also ist Drago so was wie mein gedanklicher Zwilling?“ Sie machte wieder große Augen. „Ja, so kann man es auch erklären“, sagte Angie. Tja, das war ja mal eine coole Neuigkeit. „Verstehe, er ist mein geistiger Zwilling, oder was auch immer, aber wieso habe ich dann immer so ein Kribbeln, du weißt schon, er zieht mich rein körperlich so magisch an. Ich kann sogar spüren, wenn er irgendwo in der Nähe ist.“ „Das kann ich dir leider auch nicht genau beantworten, ich vermute aber, dass die Chemie einfach zwischen euch passt, und dass euch ebenfalls ein emotionales Band verbindet, auch auf sexueller Basis.“ Kerstin prustete die Wangen auf. Oh man, dachte sie, wie soll sie das Tim erklären?
„Kann ich irgendwas dagegen unternehmen? Ich meine, es kann doch nicht sein, dass ich jedes Mal fast eine Herzattacke kriege, wenn ich ihn treffe. Was soll ich Tim sagen?“ Angie verzog leicht das Gesicht und sagte dann in einem verschwörerischen Ton: „Du kannst gar nichts dagegen machen. Nenn es Schicksal. Nenn es Bestimmung. Ihr müsst euch damit auseinander setzen und dann sehen, wie es sich entwickelt.
Erzähl Tim von unserem Gespräch. Und wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.†œ Damit war dann wohl alles gesagt. Angie nahm Kerstin tröstend in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann verabschiedeten sie sich voneinander und Kerstin machte sich auf den Weg zum Deck. Unterwegs überlegte sie, wie sie das alles Tim erklären sollte. Wollte sie Angies Rat überhaupt annehmen und darüber sprechen? Und wie sollte sie sich Drago gegenüber verhalten. Sie würden sich zwangsläufig bald wieder über den Weg laufen. Das Beste wäre, wenn er vom Schiff wieder verschwinden würde, aber auch diese Idee machte sie nicht froh. Schließlich traf man nicht jeden Tag jemanden, dessen Gedanken man lesen konnte. Aber jetzt brauchte sie erstmal eine Stärkung, vielleicht konnte sie nach einem ausgedehnten Frühstück einen klaren Gedanken fassen. Der Tag hatte nicht so begonnen, wie sie es sich vorgestellt hatte, das Gespräch mit Angie hatte ihr zwar einige Fragen beantwortet, eine Lösung des Problems war allerdings nicht in Sicht, aber das ließ sich im Moment nicht ändern.

Lilli stand, in eine kuschelige Decke eingewickelt, an ihrer riesigen Fensterfront und schaute hinaus auf das spiegelglatte Meer. Sie dachte über den vergangenen Abend und die vergangene Nacht nach. Sie dachte an das Dinner mit Fernando und an seine anschließende Liebeserklärung, an ihr Gefühle, während sie sich küssten. Und sie dachte an den Abschied von Kate und Bones. Ja, Abschied musste sie auch nehmen und zwar von André, ihrem toten Geliebten. Um mit Fernando eine Zukunft zu haben und glücklich zu werden, musste sie dieses traumatische Erlebnis endlich überwinden. Aber durfte sie das? Durfte sie glücklich sein, während André tot war? Er war schließlich auf grausame Weise getötet worden, weil er mit ihr eine Beziehung hatte. Sie musste an sein geliebtes Gesicht, seine bedingungslose Hingabe und die Freundschaft, die ihn mit ihren Schwestern verband, denken. Und plötzlich glaubte sie seine Stimme zu hören. „Ja Lilli, du darfst wieder glücklich sein. Lass endlich los, lass mich gehen, ich werde unsere Liebe mit in die Ewigkeit nehmen. Ich wünsche mir, dass du wieder lieben kannst und glücklich wirst. Lebe wohl, Lilli.“ „Lebe wohl, André,“ flüsterte Lilli mit tränenerstickter Stimme. Da klopfte es an ihrer Tür, sie drehte sich um, und bevor sie reagieren konnte, stand Fernando schon in ihrer Kabine. „Guten Morgen, meine Schöne, wie…, Lilli was ist los, warum weinst du?“ Sofort war er bei ihr und nahm sie besorgt in seine Arme. „Beruhige dich. Es ist nicht so schlimm wie es aussieht.

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Eigentlich dürfte es für dich sehr erfreulich sein“, sie lächelte, denn jetzt machte Fernando ein etwas ratloses Gesicht. „Es ist ganz sicher nicht erfreulich für mich, wenn du weinst.“ „Ich denke in diesem Fall schon. Mir ist, nach dieser Nacht, so einiges klar geworden. Ich habe gerade mit meiner Trauerzeit abgeschlossen, damit mein Herz wieder schlagen kann und Platz darin ist, für eine neue Beziehung.“ Lilli lächelte Fernando an. „Natürlich nur, wenn du meine Liebe auch haben willst.“ „Du liebst mich?“, fragte Fernando leise und etwas unsicher. Lilli dachte an seine nächtliche Liebeserklärung: „Ja, ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens. Das ist mir vergangene Nacht klar geworden und ich möchte, dass du immer bei mir bist, dass du mich hältst und beschützt, dass du mich überall küsst und mich überall spürst, und dass ich dich überall spüre.“ Fernando war fassungslos: „ Ich kann es gar nicht glauben. Sie liebt mich. Sie liebt mich wirklich“, sagte er mehr zu sich selbst. Bevor er noch begriff, was da passierte, nahm Lilli sein Gesicht in ihre Hände und zog ihn zärtlich zu sich herunter. „Ja, sie liebt dich wirklich“, flüsterte sie und küsste ihn zärtlich und voller Hingabe. Während sie sich küssten, lachte Fernando laut auf. Er war vollkommen außer sich. Er zog Lilli in seine Arme und wirbelte mit ihr durchs Zimmer und ließ sich mit ihr aufs Bett fallen. Er schaute sie voller Liebe an: „Du machst mich zum glücklichsten Vampir auf der Welt“, hauchte er und fing wieder an, sie zu küssen. Dieser Kuss war so intensiv und gefühlvoll, dass Lilli dachte, ihr müsste das Herz aus der Brust springen. Atemlos löste sie sich von Fernando und ließ sich von ihm herunter, an seine Seite, rollen. Ein hellgrünes Leuchten umfing sie jetzt. Sie strich ihm über die Wange und lächelte ihn an: „Ich bin, dank dir, auch endlich wieder glücklich.“ Und da bekam Fernando das glückliche Lächeln von Lilli, dass er sich beim Dinner gewünscht hatte. „Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist und so erstrahlst“, sagte er fast ehrfürchtig. Eine zeitlang lagen sie so nebeneinander. Es genügte ihnen sich anzusehen und an den Händen zu halten. Sie strahlten eine Ruhe und Zufriedenheit aus, wie jemand, der nach langer Zeit endlich zu Hause angekommen ist.
Plötzlich setzte Fernando sich auf: „Oh Mist! Ich habe ja Hattori vollkommen vergessen.“ „Wie Hattori?“ „Ich wollte heute Morgen bei ihm in der Krankenstation vorbeischauen. Er wird sicher schon ungeduldig auf mich warten.“ „Warte auf mich. Ich mache mich schnell fertig und komme mit. Hattori wird sich sicher freuen mich zu sehen, wir sind bei unserer Arbeit in Japan richtige Kumpels geworden“, sagte Lilli und flitzte schon ins Bad. „Ja klar, ich warte gerne. Ich freue mich, dass du mitkommst.“ 10 Minuten später war Lilli schon fertig und zog Fernando vom Bett: „Was gammelst du hier denn herum, Hattori wartet doch auf uns.“ Sie war wie ausgewechselt, sie wirkte fröhlich und befreit, die neue Lilli gefiel Fernando noch besser. Er lächelte vor sich hin und dachte: „Da habe ich wohl einen absoluten Hauptgewinn gezogen.“
Lilli und Fernando betraten strahlend und Hand in Hand, Hattoris Krankenzimmer. Dieser lag auf seinem Bett, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und schaute gelangweilt auf den Fernseher. „Kommst du auch endlich mal, lieber Onkel Doc“, sagte er und drehte den Kopf zu Tür. Als er Lilli und Fernando ansah, breitete sich sofort ein Grinsen auf seinem Gesicht aus: „Das habe ich mir schon fast gedacht. Ihr zwei musstet euch einfach finden. Ihr seid der berühmte Topf und sein Deckel.“ „Ich habe das gleich gewusst. Aber Lilli brauchte etwas länger, um es zu begreifen“, antwortete Fernando lachend. „Ja, unsere Elfe grübelt manchmal zu viel. Ich hoffe, dass du das jetzt etwas abstellen kannst.“ „Hey, ihr Beiden! Ihr wisst schon, dass ich auch hier bin“, protestierte Lilli schmunzelnd. Hattori sprang von seinem Bett, ging lachend auf sie zu und nahm sie freundschaftlich in die Arme. „Hallo Lilli, es ist schön dich zu sehen. Ich habe unsere Neckereien und Gespräche vermisst.“ Er löste sich etwas und drückte ihr einen Schmatzer auf die Stirn. „Nicht eifersüchtig werden, mein Großer. Lilli ist mir wie eine Schwester ans Herz gewachsen. Wir sind nur gute Kumpels und gegenseitige Kummerkästen“, sagte er zu Fernando gewandt.

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Lilli lächelte liebevoll: „Ich freue mich auch dich zu sehen, Hattori. Und wie geht es dir jetzt?“ „Keine Ahnung, Herzblatt. Da musst du unseren Doktor fragen.“ Er drehte sich zu Fernando um: „So, schieß los, Nando. Wie sieht es aus? Wie geht es meinem Oberstübchen?“ Hattori setzte sich wieder auf sein Bett. Fernando schnappte sich seine Unterlagen, die neben ihm auf einem Tisch lagen. „Also, körperlich bist du wieder vollkommen in Ordnung und deine Matschbirne funktioniert auch wieder einwandfrei. Das CT und dein EEG sind wieder vollkommen normal. Die Reizungen im Gehirn sind auch wieder weg. Du kannst also dein Krankenbett verlassen und ab jetzt die Reise in einer komfortablen Kabine genießen.“ Lilli schaute etwas geschockt: „Reizungen im Gehirn? Körperlich wieder fit? Was ist mit dir denn passiert, Hattori?“ „Als ihr aus Japan abgereist wart, haben die Dragons mich erwischt, als ich ein weiteres Versteck von ihnen ausspioniert habe. Zuerst haben sie mich gefoltert. Sie wollten Informationen über euch und die Bruderschaft. Aber an mir haben sie sich die Zähne ausgebissen. Dann haben sie so eine Art Gehirnwäsche an mir ausprobiert. Aber auch dass ging schief. Mein Wille ist zu stark und zu gut trainiert, um umgedreht zu werden. Ich war dann aber so durcheinander, dass ich nur noch dumm vor mich hinbrabbeln konnte, und die Folter ist auch nicht spurlos an mir vorübergegangen. Die Dragons haben mich dann irgendwo an den Straßenrand geworfen, sie dachten wohl, dass ich es nicht mehr lange machen würde. Kurz danach haben mich die Jungs gefunden und mich mit hierher aufs Schiff genommen. Und wie du siehst, hat mich dein Nando wieder zusammen gebastelt.“ Er drehte sich zu Fernando und boxte ihm leicht auf den Arm: „Danke, Großer! Du hast was gut bei mir.“ „Keine Ursache, Turtle“, sagte Fernando lachend, „du hast uns auch immer geholfen, wenn wir dich gebraucht haben.“ Hattori setzte jetzt ein ernstes Gesicht auf: „Hör mal, Nando. Wir fahren doch jetzt nach Peru, oder?“ „Ja, und weiter?“ „Weißt du, ich bin noch ziemlich durcheinander in der Birne und habe auch noch einige Gedächtnislücken. Ich werde euch in Peru verlassen. Ich möchte zurück nach Japan. Ich werde zu meinem alten Meister gehen. Er kann mir helfen, wieder alles zu sortieren und ein paar extra Trainingseinheiten bei ihm, werden mir auch gut tun. Ich möchte euch doch wieder voll und ganz unterstützen können.“ Fernando rieb sich nachdenklich übers Kinn. „Ja, da hast du wohl recht. Ich habe meine Arbeit getan, ich kann dir nicht weiterhelfen. Hast du schon mit Duncan darüber gesprochen?“ „Nein, der Gedanke ist mir erst vorhin gekommen.“ „Okay, ich muss sowieso noch kurz bei ihm vorbei. Ich sage ihm Bescheid. Er wird sich sicher persönlich um deine sichere Heimreise kümmern wollen.“ Fernando drehte sich zu Lilli: „Ich gehe kurz bei Duncan vorbei. Seine Kabine ist gerade um die Ecke. Willst du so lange hier bei Hattori warten?“ „Ja, klar. Hattori und mir wird es an Gesprächsstoff sicher nicht mangeln.“ Fernando ging lächelnd aus dem Zimmer. Hattori lachte Lilli an: „So, meine Lieblingselfe, setz dich zu mir und erzähle.“ Lilli sprang auf Hattoris Bett und beide setzten sich im Schneidersitz gegenüber. Sie sahen aus wie zwei Indianer, die Kriegsrat hielten. Lilli erzählte Hattori was so alles passiert war, seit sie aus Japan zurück waren. Hattori war, wie immer, ein sehr dankbarer Zuhörer. Er lächelte versonnen vor sich hin und ergriff dann Lillis Hände: „Endlich bist du wieder lebendig. Ich habe ja schon immer gesagt, dass Nando der beste Arzt ist. Er tut dir richtig gut. Stimmt†™s?“ „Ja, er hat mich zurück ins Leben geholt“, hauchte Lilli. Hattori drückte ihre Hände: „Nando ist ein Supertyp und er ist über beide Ohren in dich verliebt. Ich freue mich tierisch für dich. Er wird dich auf Händen tragen. Da bin ich mir ganz sicher. So, und jetzt verschwinde und geh zu deinem Nando, meine Lieblingssoap fängt gleich an. Wir sehen uns sicher noch öfter, ich darf ja jetzt hier raus.“ Hattori lachte und schubste sie vom Bett. Lilli beugte sich lachend zu ihm und gab ihm einen Kuss: „Bis dann. Du weißt ja, dass du mein Lieblings-Turtle bist.“ „Ja, du mich auch und jetzt mach die Tür von außen zu, du Quälgeist.“ Lilli drehte sich an der Tür noch einmal um und warf Hattori noch einen Kuss zu.

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Lucy hatte schlecht geschlafen, irgendetwas stimmte nicht. Doch sie wusste nicht, woher dieses Gefühl stammte. Eigentlich lief doch alles prima. „Dummerchen, wenn man keine Probleme hat, sucht man welche†œ schalt sie sich selbst. Die Beziehung mit Gavin begann sich zu festigen, ohne dass sie sich gegenseitig Druck machten. Dass sie hoffnungslos in ihn verliebt war, wusste Lucy schon länger. Und er schien diese tiefe Liebe zu erwidern. Also, wo ist das Problem? Auch ihr Einsatz lief bisher nach Plan. Okay, den Verlust von Kate und Bones mussten sie erst einmal verarbeiten und kompensieren. Aber so ist das Leben. Lucy dachte bei sich †œich hätte mich nicht anders entschieden.†œ Liebe ist so kostbar, dass, wenn man sie erst einmal gefunden hatte, sie auch nicht aufgeben sollte. Also, weg mit den trüben Gedanken. Lucy schlüpfte in ihre liebste Jogginghose, ein altes verwaschenes und ausgebeultes Teil, das nicht unbedingt als sexy durchgehen konnte. Aber sie hing halt mal an ihr. Dazu ein knappes Tank-Top und Sportschuhe. „Ein paar Einheiten im Fitnessraum bringen dich sicher wieder auf andere Gedanken†œ sagte sie zu sich und verließ ihre Kabine. Sie begann mit einem 30 minütigen Lauf auf dem Laufband um die Muskeln ein wenig aufzuwärmen und die Müdigkeit zu vertreiben. Anschließen prügelte sie unermüdlich auf einen Boxsack ein, hörte erst auf, nachdem das dicke Leder Risse bekommen hatte und feiner Sand auf den Boden rieselte. „Ups, schon wieder einer kaputt, das muss ich bei Gavin gleich reklamieren. Die Geräte sind wirklich in einem erbärmlichen Zustand.†œ Die Müdigkeit war verflogen, Zeit noch ein paar Runden im Schwimmbecken zu drehen. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht ihre Bahnen in dem Becken mit den Feenfällen zu drehen. Hier konnte sie Raum und Zeit total vergessen und zurück zu ihrem Innersten zu kommen. Ihre Gedanken waren jetzt wieder klar, und Lucy beschloss noch schnell einen Abstecher in Gavins Kabine zu machen, um ihn zu wecken. Es war ja immer noch früh und bis zum Frühstück hatte sie noch ein bisschen Zeit. Bereits im Gang zu Gavins Kabine hörte sie Stimmen, nein, nicht Stimmen, eine Stimme, ein Schreien. Die Stimme kam aus seiner Kabine. „Was ist hier los?†œ, entfuhr es ihr laut und riss die Tür auf. Ein blendend weißes Licht schien vom Bett, so hell, dass Lucy sich schützend die Hand vor die Augen halten musste. Und dann sah sie ihn auf einmal. Nein, eigentlich hörte sie ihn zuerst. Gavin lag im Bett und schrie vor Schmerz. Das ganze Bett brannte inzwischen lichterloh, die Gardinen gingen mit einer Stichflamme in Feuer auf. „GAVIN, wach auf, was machst du da? Los, komm, deine Kabine brennt†œ rief sie ihm zu. Doch er reagierte nicht. Wie viel Feuer verträgt ein Feuerelf? Lucy hatte keine Ahnung, aber sie hatte richtig Angst um ihn. Ohne groß darüber nachzudenken wickelte sie sich ein Handtuch um die Hand und versuchte Gavin aus dem brennenden Bett zu ziehen. Die Hitze war so groß, das sie sich augenblicklich ihre Haare, Augenbrauen und Wimpern versenkte. Mit einer enormen Kraftanstrengung zog sie ihn aus den Flammen. Mit einem Rums fiel er auf den angekokelten Boden. Gavin riss die Augen auf, vollkommen orientierungslos rappelte er sich auf, und gemeinsam stolperten sie aus der Kabine. Tiago kam gerade angerannt, als sie sich keuchend und hustend auf den Boden fallen ließen. Lucy bemerkte erst jetzt, dass er einen Feuerlöscher in der Hand hielt. Mit wenigen routinierten Handgriffen löschte er das Feuer und riss die Fenster auf, damit der Rauch abziehen konnte. Nachdem auch die letzten glimmenden Matratzenteile mit einer dicken Schaumschicht bedeckt waren, drehte er sich zu Lucy um. „Alles klar bei dir? Oh, ich seh schon, nicht ganz. Ich hole Jane, die sollte sich das ansehen.†œ Erst jetzt bemerkte Lucy, dass auf ihrer Hand mehrere dicke Brandblasen zu sehen waren. „Ja, danke†œ, erwiderte sie einsilbig. „Gavin, das Chaos kannst du selbst aufräumen, ich bin es Leid, deine Brandrodungen zu beseitigen. Du solltest das schnellstens in den Griff kriegen!†œ, fuhr Tiago ihn zornig an und ließ Lucy und Gavin dort sitzen. „Was war das? Gavin, was ist mit dir los? Warum hast du geschrien? Warum hast du deine Kabine in Brand gesetzt?†œ „Du glaubst, ich mache das mit Absicht? Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?†œ, schrie er sie an. Lucy war zu geschockt um auch nur ein Wort zu sagen. So saßen sie schweigend nebeneinander im Kabinengang bis Doc Jane aufgeregt angerannt kam.

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„Oh Lucy, was ist denn passiert?†œ Sie wollte schon Gavin eine Abreibung verpassen, aber ein Blick von Lucy ließ sie verstummen. „Komm, ich versorg deine Hand, die sieht gar nicht gut aus. Aber das kann ich besser auf der Krankenstation†œ, sagte sie und half ihr aufstehen. Lucy wollte noch etwas zu Gavin sagen, aber sie wusste nicht was. Er hatte die Augen geschlossen, den Kopf an die Wand gelehnt. So saß er da, mit Ruß geschwärztem Gesicht und praktisch nackt, denn keine Kleidung konnte seiner Hitze lange standhalten. Doc zog Lucy weiter in Richtung Krankenstation, er hörte sie leise flüstern. Wie konnte er das je wieder gut machen? Am Besten, er hielt sich ab jetzt von Lucy fern. Den Gedanken, sie im Schlaf zu verletzen, konnte er nicht ertragen. Ihre Hände, sie hatte sich die Hände an ihm verbrannt. Er musste fast lachen, ja, sie hat sich die Hände an dem Feuerelf verbrannt. So lange er wach war, hatte er Kontrolle über seine Fähigkeiten, unberechenbar wurden sie erst im Schlaf. Das war auch ein Grund, warum er sein Schlafpensum auf ein Minimum reduziert hatte. Er hatte Angst davor. Denn im Schlaf passierten Dinge, die er nicht steuern und beeinflussen konnte. Seine Bude hatte er schon zig Mal abgefackelt, okay, es war bisher nie etwas wirklich Schlimmes passiert. Möbel und Kleidung konnte man ersetzen. Und ab und zu renovieren muss man ja eh. Aber das heute, hatte die Grenze überschritten, vor der er sich immer gefürchtet hatte. Nur wenige in der Bruderschaft wussten genau Bescheid über seine übersinnlichen Fähigkeiten. Er war nicht nur ein Feuerelf, sondern er war auch noch ein Medium. Er wollte das nicht, es quälte ihn jeden Tag, aber er konnte diese „Anfälle†œ, wie er es gern nannte, nicht unterdrücken. Gavin war nicht nur in der Lage in die Zukunft zu blicken, er konnte auch Kontakt mit den Toten aufnehmen. Seine Visionen kamen im Schlaf wie ein Traum. Doch daran war absolut nichts Traumhaftes. Seit einiger Zeit träumte er von Lindsay, jenes fröhliche Mädchen, dass wie eine Schwester für ihn und seine Brüder war, und dass sie auf so tragische Weise verloren hatten. Er hatte sie gesehen, im Traum. Es schien, als verfolgte sie ihn, denn er träumte immer und immer wieder von ihr. Wie konnte er seine Trauer überwinden, wenn er ständig an den Verlust erinnert wurde. Das musste aufhören. So konnte er nicht weitermachen. Er fasste einen Entschluss. Mit neuem Mut stand er auf und ging in seine Kabine, um sich den Schaden zu betrachten. Okay, er würde ein paar Stunden schwitzen müssen, um alles wieder in Ordnung zu bringen, auch bei Lucy, aber das hatte Zeit. Jetzt musste er mit seinen Brüdern reden. Es war an der Zeit die Karten auf den Tisch zu legen und sie über seine Visionen mit Lindsay zu informieren. Geduscht und in frischen Klamotten machte er sich auf den Weg seinen Brüdern beim Frühstück Gesellschaft zu leisten.

Gegen Mittag waren schon fast alle im Fitnessraum an den verschiedenen Geräten beschäftigt. Lilli und Tim waren auf dem Spinningrad, Kerstin und Drago bearbeiten jeweils einen Punchingball mit den Fäusten, da Lucy den Sandsack zerlegt hatte, und ich ging auf eines der freien Laufbänder und programmierte es nach meinen Wünschen. Nur nicht zu schnell anfangen, schön langsam und dann die Geschwindigkeit langsam steigern. Tiago und Fernando liefen neben mir. Nur von Jean, Duncan und Norbert war nichts zu sehen, auch Doc und Bowen waren nicht da. Na ja, und natürlich fehlten Lucy und Gavin. Lucy ging es dank Doc wieder gut. Und was mit Gavin ist…?
Ich stöpselte mir die winzigen Kopfhörer in die Ohren und machte meinen MP3 an. Wunderbar! Blind Guardian, und die richtig schön laut. Nun konnte ich loslegen. Ich musste unbedingt meinen Kopf frei bekommen, denn die Sache mit Lucy und Gavin hatte uns alle ganz schön mitgenommen Nachdem ich schon einige Zeit unterwegs war, riss mich plötzlich jemand am Arm und ich nahm die Kopfhörer raus. Es war Kerstin, die mich panisch ansah: „Schnell Angie, Drago und Tim prügeln sich. Ich trau mich nicht dazwischen zu gehen. Vielleicht hören sie ja auf dich! Schnell!! Ich weiß auch nicht …irgendwie gab ein Wort das andere und schon lagen sie sich in den Haare!†œ „Auch das noch, mal sehen, ob ich was machen kann!†œ

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Da sah ich auch schon die zwei Kampfhähne auf der großen Matte ineinander verschlungen. Lilli stand mit verschränkten Armen daneben und betrachtete die Szenerie mit verächtlicher Miene, die Jungs feuerten Tim lautstark an. Der holte gerade mit seiner rechten Faust aus und schlug Drago gegen das Kinn, dass es nur so krachte. Nachdem ich die beiden erreicht hatte, rief ich lauthals: „Stopp! Sofort aufhören ihr Blödmänner!†œ Genauso gut hätte ich auch gegen eine Wand brüllen können! „Ey, was soll das!†œ, rief ich und versuchte Dragos Arm zu fassen. Doch plötzlich lag ich genau auf ihm und ein 2. rechter Haken traf mein linkes Auge. Tim hatte noch versucht den Schlag etwas abzumildern, aber es tat trotzdem so weh, das ich laut aufschrie. Da hörte ich schwere Schritte und eine wutentbrannte Stimme, die von der Eingangstür herkam. „Was ist denn hier los! Habt ihr nichts Besseres zu tun als euch die Köpfe einzuschlagen?†œ Die Schritte kamen näher. Es war Duncan, der sich mit seiner großen muskulösen Statur vor der Matte aufbaute und die Szene mit finsterer Miene betrachtete. Schlagartig wurde es still und nur die hastigen Atemzüge von Tim und Drago waren zu hören. Die beiden halfen mir vorsichtig auf, nahmen mich in die Mitte und hielten mich vorsichtig an meinen Armen fest, damit ich nicht umfiel.
„Natürlich, du schon wieder!!†œ zischte mich Duncan an und betrachtete mich mit einem sehr wütenden Blick. „Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet?†œ Mein Auge pochte und mir war etwas schwindelig. Dennoch starrte ich ihn erstaunt an: „Was …?†œ Er trat dicht an mich heran: „ Norbert und Jean sind dir wohl nicht genug, was? Du musst dich auch noch an die beiden hier ran machen, du kannst deinen Hals wohl nicht voll genug kriegen! Ich hab es doch von Anfang an gewusst, du machst nur Ärger!†œ, schleuderte er mir entgegen. „ Aber ich … ich†œ, konnte ich nur stammeln. „Halt bloß deinen Mund, von dir möchte ich nichts mehr hören!†œ Verächtlich musterte er mich von oben bis unten, dann nickte er Tim und Drago zu, die mich noch immer festhielten, drehte sich um und stürmte aus dem Raum. Alle sahen ihm entsetzt hinterher, und dann sagte Lilli leise in die Stille: „Du meine Güte, was ist denn in den gefahren? Selten habe ich so einen wütenden Mann gesehen!†œ „ Keine Ahnung, was der hat, und ich werde ihn auch bestimmt nicht danach fragen, bei der Stimmung in der er ist. Tut mir so leid mit deinem Auge, ehrlich, das wollte ich nicht†œ, sagte Tim bedauernd und drückte leicht meinen Arm. „Kannst du laufen?†œ fragte mich Drago. „J..ja, ja…geht schon, alles halb so wild†œ, sagte ich immer noch leicht verwirrt und starrte auf die Tür, durch die Duncan verschwunden war. Was habe ich denn jetzt wieder getan? Ich war viel zu geschockt um wütend zu sein, und als Kerstin meine Hand nahm ließ ich mich widerstandslos Richtung Ausgang ziehen. „Komm, ich bringe dich erst mal zu Doc. Die soll sich mal dein Auge ansehen†œ, sagte sie leise und gab den anderen ein Zeichen. Aber das nahm ich alles nur wie durch einen Nebel wahr….langsam schüttelte ich meinen Kopf… was hatte ich diesem Mann nur getan? Dann sah ich Kerstin an: „Ja, lass uns zu Doc gehen†œ. „Man, Angie, du bist ja ganz blass geworden. Was denkt sich dieser Kerl eigentlich?†œ
Als wir bei Doc angekommen waren, konnte ich immer noch keinen klaren Gedanken fassen. Ich setzte mich auf die Liege und Kerstin erzählte ihr die ganze Geschichte. Doc nahm mein Gesicht in ihre Hände und sagte mit fester Stimme: „ Angie, du hast dir nichts vorzuwerfen! Ich werde wohl mal mit dem Mister Macho … reden müssen! „Oh bitte nicht, das möchte ich lieber selbst machen. Immerhin hat er … mich… was habe ich ihm den getan, dass er mich so hasst?†œ, fragte ich nur. „Ganz sicher nichts!†œ Doc strich mit ihren kühlen Fingern über mein Auge und der Schmerz ließ langsam nach. Dann verschwand er ganz und von der Schwellung war auch nicht mehr viel zu sehen. „Danke†œ, sagte ich leise zu ihr. Sie lächelte und sagte mit ruhiger Stimme: „Leg dich einfach hin. Ruh dich aus. Ich kann gerade hier nicht weg, aber ich komme vielleicht später dann noch mal zu dir.†œ Ich nickte stumm, und als Kerstin mich fragend ansah, sagte ich zu ihr: „Lass nur, geh du wieder zurück zu den anderen, ich schaff das schon. Macht euch mal keine Sorgen, ich komm schon klar.†œ „Okay, aber wenn was ist, du weißt, wir sind sofort da!†œ „Ja†œ, sagte ich mit einem kleinen Lächeln um sie zu beruhigen, „und danke noch mal.“

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In meiner Kabine setzte ich mich in den einladend kuscheligen Sessel, zog meine Beine an und stützte mein Kinn auf meine Knie. Mein Auge tat dank Doc nicht mehr weh und die Schwellung war auch verschwunden. Was hatte dieser Mann bloß gegen mich, grübelte ich. Dieser mörderische Blick in seinen vor Wut schwarzen Augen hatte mir regelrecht Angst ein gejagt. Gut, bei seiner Ankunft habe ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber so schlimm war das doch auch nicht gewesen. Ich stand auf, ging an die kleine Bar und schüttete mir einen Wodka ein. Normalerweise trank ich nicht so harte Sachen, aber das brauchte ich jetzt. Der erste Schluck ging mir noch quer runter und brannte in meiner Kehle, aber nach dem zweiten breitete sich ein wohlig warmes Gefühl in meinem Magen aus. Der Knoten, der sich nach Duncans Auftritt in meinem Magen gebildet hatte, begann sich langsam zu lösen. Ich schüttete mir noch einen ein, dann noch einen. Er hatte mich irgendwie von Anfang an abgelehnt. Lilli hatte mir erzählt, dass er mich sogar auf dem Friedhof zurück lassen wollte. Und als ich wieder an Bord war, hat er mir nur einen flüchtigen Klaps auf die Schulter gegeben, so als wollte er den anderen zeigen, dass er sich auch über meine Rückkehr freute, was aber anscheinend nicht der Fall war. So langsam verdrängte meine aufkeimende Wut meinen Schrecken und meine Angst vor ihm. Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein? Was hat er mir eigentlich vorzuwerfen? Ich kippte den letzten Wodka in einem Zug runter, stellte das leere Glas ab und sagte laut: „So, und jetzt wirst du mir mal erklären, was ich dir eigentlich getan habe!†œ Ich hatte immer noch mein Sport Outfit an, verwaschene Shorts und mein knappes Top, doch das war mir jetzt auch egal! Leicht schwankend stürmte ich, wie immer barfuss, aus meiner Kabine und lief durch die Gänge bis zu seiner Kabine. An der Tür stand nur „Thorpe†œ. Ohne anzuklopfen riss ich sie auf und stolperte in den Raum. Da saß er so selbstgefällig wie immer an seinem Schreibtisch und sah mich erstaunt an. Ich versuchte seinen wütenden Blick zu ignorieren, als er mich erkannt hatte. Mit beiden Händen stützte ich mich auf seinen Schreibtisch, beugte mich vor und legte gleich los, solange ich noch den Mut dazu hatte und der Alkohol seine Wirkung tat. „Du arrogantes Arschloch! Was hast du eigentlich gegen mich? Hab ich dir was getan? Mein Liebesleben oder mit wem ich … rummache… oder nicht… oder ach, was…oh!†œ meine Zunge wollte mir nicht mehr so richtig gehorchen, und plötzlich musste ich unkontrolliert kichern: „Du siehst aber lustig aus, wenn du so wütend bist. Kommen da gleich Qualmwölckchen aus deinen Ohren, oder können deine Augen auch mit einem Blick töten? Oh, hast du deinen Ssswillingsbruder zur Verstärkung…? Ups! Mir wird so komisch, und du bist schuld!†œ…Ich fuchtelte mit meinen Händen vor seinem Gesicht herum, dass etwas undeutlich wurde und funkelte ihn böse an… Plötzlich drehte sich alles, meine Knie verwandelten sich in Gummi, gaben nach und ich sank mit einem erstaunten „Oh?†œ langsam zu Boden und landete auf meinem Po. Mit einem unterdrückten Fluch sprang er auf, lief um den Schreibtisch und hob mich vorsichtig auf. Hatte er mich gerade an sich gedrückt? Nein, das musste ich mir eingebildet haben in meinem Rausch. Er hielt mich etwas von sich weg, und als ich in seine Augen sah, war da… etwas Merkwürdiges in seinem Blick. „Lass das!†œ, zischte er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen, „sieh mich nicht so an!†œ Ich musste wieder kichern: „Wie guck …? Oh, du hast ja zwei Nasen… Du bist aber lustig!†œ Ich schlang einen Arm um seinen Hals und versuchte mit der anderen Hand eine seiner Nasen zu fassen. Doch ich traf nur seine zusammengekniffenen festen Lippen, und er versteifte sich. Doch dann gaben seine Lippen nach, er öffnete seinen Mund ein wenig und ich berührte mit einem Finger seine Zungenspitze. Meine Hand um seinen Hals streichelt seinen festen Nacken. „Mmh, du fühlst dich aber merkwürdig an, irgendwie… ich weiß nicht, hi hi†œ, kicherte ich. Er stand noch immer mit mir auf seinen Armen vor seinem Schreibtisch und starrte an die Decke. „Oh mein Gott!†œ, flüsterte er. Ich betrachtete den Finger, über den seine Zunge eben noch gestrichen hatte und steckte ihn in meinen Mund. „Mmh, du schmeckst auch so komisch… so lecker wie… darf ich noch mal?†œ, nuschelte ich und versuchte den Finger wieder in seinen Mund zu stecken. Als ich diesmal nur sein Kinn traf, konnte ich nicht mehr aufhören zu kichern.

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„Hör auf!†œ, stieß er hervor und sah mich wieder mit diesem nicht deutbaren Blick an. „Würde ich ja, aber du … du bist so… †œ, da presste er seine Lippen auf meine und stöhnte laut in meinen Mund, als sich meine Lippen für ihn öffneten. Oh mein Gott! Ich riss meine Augen weit auf und er zuckte zurück. „Nein!†œ, flüsterte er und schüttelte leicht den Kopf. „Duncan, mir ist so komisch und mir dreht sich alles†œ, murmelte ich und drückte mein Gesicht an seine Brust. „Hihi, da knurrt ein Hund drin… hihi.†œ Langsam, mich immer noch in seinen Armen haltend, ging er auf das Bett zu, legte mich vorsichtig auf den Rücken, löste sanft meine Arme, die immer noch seinen Nacken umklammerten und trat sofort einen Schritt zurück. „Bitte!†œ, murmelte ich, drehte mich auf die Seite und streckte meinen Arm nach ihm aus, „Nicht weggehen, bitte.†œ Ich hörte ihn tief seufzen, dann setzte er sich auf die Bettkante und nahm meine Hand. Ich zog sie zu mir und legte meine Wange darauf. Das fühlte sich so unbeschreiblich gut an. Ich schloss meine Augen. Dann spürte ich wie er sich über mich beugte. Seine Lippen berührten meine Stirn und er sagte: „Du bist angeheitert.†œ „Nein, ich bin stramm wie eine Natter!†œ, kicherte ich leise vor mich hin. Seine Lippen hinterließen ein sonderbares Gefühl auf meiner Stirn, ich tastete mit meinen Fingern über die Stelle: „Was ist das? Es fühlt sich so an, wie du schmeckst… sonderbar, Ich kuschelte mich tiefer in das Kissen, das er mir unter meinen Kopf geschoben hatte: „Dein Kissen riecht auch danach, und du hast doch einen knurrenden Hund hier.†œ Ich hörte ihn leise lachen. „Du solltest viel öfter lachen, das hört sich so schön an… und aufhören mich zu hassen†œ, murmelte ich schon im Halbschlaf. „Ich wollte, ich könnte dich hassen…meine kleine, süße Hexe.†œ Ich war mir nicht sicher, ob ich das so richtig verstanden hatte, in meinem Kopf herrschte das totale Chaos. Das Letzte, was ich wahrnahm, war seine Hand, die sanft über meinen Mund strich….dann schlief ich ein.
Das Erste, was ich bemerkte, als ich so langsam wach wurde, war die Hand, die eine Strähne meines Haares durch die Finger gleiten ließ und die heisere Stimme, die die Worte flüsterte: „So wunderschön und weich wie Seide†œ. Man, das war aber mal ein merkwürdig realistischer Traum! Mit geschlossenen Augen räkelte und streckte ich mich und hatte eigentlich noch keine Lust aufzuwachen. Mmh das Kopfkissen roch ja köstlich… den Geschmack hatte ich doch schon mal auf der Zunge gehabt! Mh, wann bloß? Norbert roch anders, nicht so intensiv und unwiderstehlich…so…ach, ich konnte diesen Duft einfach nicht beschreiben. In meinem Kopf brummte es und meine Zunge war mindestens auf das Dreifache angewachsen, von dem Geschmack in meinem Mund ganz zu schweigen. Noch einmal reckte ich mich genüsslich und schlug die Augen auf. Verwirrt blickte ich mich um. Das war nicht meine Kabine! Dann bemerkte ich, dass mein Top total verrutscht war, und ich praktisch oben herum nackt war. Oh! Schnell zuppelte ich alles wieder richtig. Dann sah ich … Duncan! Er betrachtete mich mit einem solch brennenden Blick, dass ich mir schnell das Betttuch bis zum Kinn zog. Dann zuckte er zusammen, und sein Blick wurde wieder so dunkel und hasserfüllt… „ Wie bin ich hierher gekommen? Warum liege ich in deinem Bett… haben wir? Hast du…?†œ, fragte ich ihn kleinlaut, und langsam kroch Panik in mir hoch. Als er auf mich zu kam, rückte ich bis an die Wand. Er stutzte als er meinen verängstigten Blick sah, drehte sich abrupt um und ging ans Fenster.
„Nein, es ist nichts… passiert†œ, sagte er brüsk und drehte mir den Rücken zu. Mit seiner Faust schlug er leicht gegen den Rahmen. „Mach, dass du raus kommst!†œ, sagte er eiskalt. „Los, raus hier!†œ So schnell ich konnte stand ich auf. Oh, und wankte leicht, ich war immer noch ganz schön angeheitert! Hastig wickelte ich mir das Tuch, so gut es ging um, und als ich seine Kabinentür aufriss, hörte ich ihn einen so verzweifelten Schrei ausstoßen, dass ein kalter Schauer über meinen Rücken ran. Kurz bevor ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich noch einen Schlag und das Splittern von Glas. Dann rannte ich auf dem schnellsten Weg zu meiner Kabine.

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Doc hatte auf der Krankenstation Lucys Brandwunden geheilt, von denen nur noch wenige kleine, rosafarbene Hautpartien zu sehen waren. In den letzten Stunden hatte sie einiges zu tun gehabt, nach der Behandlung von Lucys Brandwunden, musste sie auch noch Angies Boxhieb, den sie in dem Gerangel im Fitness-Studio kassiert hatte, kurieren und sie so vor einem schönen Veilchen bewahren. Doc beschloss noch ein wenig auf der Krankenstation zu bleiben um herauszufinden, warum ihre Legierung beim Kampf gegen den Guhl versagt hatte. Leider fand sie keine Erklärung für die Ursache und so lag sie Stunden später schlaflos in ihrem Bett und wälzte sich von einer Seite auf die andere. „Jane, ich… ich liebe dich!“ Bowens Stimme tauchte in einer Endlosschleife in ihrem Kopf auf. Bisher hatte sie es immer geschafft das Weite zu suchen, bevor man sie mit den berühmten drei Worten konfrontiert hatte. Diesmal war es anders. Grundlegend anders. Die paar Tage mit Bowen hatten etwas in ihr verändert.
„Du bist meine Seelenverwandte†œ, hatte er gesagt. Konnte das sein? Gab es solch schicksalhafte Verbindungen wirklich? Ihr Vater hatte daran geglaubt, das Einzige was er ihr über ihre Mutter gesagt hatte war, dass seine Frau Nimue seine Seelenverwandte war. „Mit ihrem Tod hat sie einen Teil von mir mitgenommen. Du bist ihr so ähnlich†œ, hörte sie ihn noch sagen. Er hatte ihr nie lange in die Augen sehen können. Die Fragen über ihre Mutter, mit denen sie ihn konfrontiert hatte, blieben unbeantwortet. Irgendwann, als sie älter geworden war, hatte sie es dann aufgegeben. Sie hatte Tag für Tag in seinen Augen gesehen, dass sie ihn an sie erinnerte und es ihn schmerzte. Er war gut zu ihr gewesen, aber ein liebevoller Vater war er dennoch nicht. Er hielt sie auf Distanz. Als sie vier Jahre alt war, begann er mit ihrer Ausbildung. Er brachte ihr alles bei, was er wusste. Ihre Heilkräfte hatte sie von ihm geerbt. Sie kam mit anderen Kindern in das Druidenkloster und verlebte dort eine sehr asketische Kindheit. Aber Doc liebte ihren Vater und ihre Heimat, beides hatte sie für immer verloren.
Seufzend stand sie auf um sich einen Drink einzuschenken. Anscheinend hatte Tiago nach ihrem Umzug in Bowens Räumlichkeiten auch direkt die Bar ausgeräumt. So beschloss sie, nach oben an die Bar zu gehen. Ihre Schwestern waren wahrscheinlich längst mit ihren männlichen Pendants in den Kabinen verschwunden, und die anderen Jungs schliefen sicherlich längst. Es ging auf Mitternacht zu. Nur mit ihren Boxershorts und einem Top bekleidet, machte sie sich auf den Weg. Leise schloss sie ihre Kabinentür und schlich barfuss den Korridor entlang. Bowens Türe lag schräg gegenüber. Als sie daran vorbeikam, blieb sie stehen und legte eine Hand auf das Holz. Dahinter war es ganz still, wahrscheinlich schlief er schon. Normalerweise fiel es Doc immer leicht, Körbe wie Flyer zu verteilen, aber das heute war verdammt schwer gewesen und falsch, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Sie schlich schnell weiter durch den Korridor, das fehlte ja noch, dass er sie hier entdeckte.
Es zog sie nach draußen aufs Achterdeck. Die Luft hatte sich auf eine angenehme Temperatur abgekühlt. Hinter der Poolbar, die nur vom Mondschein beleuchtet war,  bediente sie sich am Kühlschrank selbst und nahm eine Flasche O-Saft. Sie fühlte sich wie eine Einbrecherin, es war ja Cyrus Terrain. Um nicht entdeckt zu werden, setzte sie sich, bewaffnet mit der Flasche, hinter die Theke auf den Boden, lehnte sich an den Kühlschrank. trank in großen Zügen aus der Flasche und hing ihren Gedanken nach. Langsam schoben sich Wolken vor den Mond, den sie betrachtete. Dabei glitt sie ins Reich der Träume.
Plötzlich durchfuhr ein Schmerz ihre Hand und sie schreckte sie hoch.  „Verflucht, au!“ Sie sah nur zwei Beine. „Oh sorry, ich habe dich nicht gesehen, Doc? Sag mal, was machst du hier?“ Es war Cyrus, der sie jetzt ganz unverhohlen musterte. Doc stand wankend auf, stütze sich an der Theke ab und rieb sich die schmerzende Hand am Bein. „Nichts, ich hatte keine Getränke mehr in meiner Minibar, schreib die hier auf meine Rechnung, okay?“ Sie deutete auf die Flasche und wollte gehen. Er versperrte ihr den Weg, stieß sie dabei an der Schulter an, woraufhin Doc ihre Balance verlor.

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Cyrus packte sie an den Seiten und versuchte ihr Halt zu geben. †œEs ist wohl am besten, ich bringe dich direkt zu Bowen. Man, du bist ja völlig durch den Wind.† †œQuatsch, du hast mich nur gerade so liebevoll geweckt, und der Letzte, den ich jetzt sehen möchte, ist McRieve. Lass gut sein, ich komme schon klar.† Sie sah zu ihm hoch und bemerkte erst jetzt, dass seine Augen anders aussahen als sonst.
†œDoc, hör mal, ich war eben bei Bowen, er hat mir erzählt was vorgefallen ist. Er ist einer meiner ältesten Freunde, und ich habe ihn noch nie so verzweifelt erlebt. Trotzdem, ich kann dich auch verstehen. Aber, und das ist jetzt kein Rat von einem Barkeeper, sondern von einem Werwolf, egal was passiert ist, du solltest nicht halbnackt alleine hier draußen rumhängen!† Sein Blick glitt über ihren Körper. „Wieso?† †œWir verwandeln uns zwar nur bei Vollmond völlig, aber bis zum Neumond wirkt sein Licht stimulierend auf uns, und nicht jeder hat sich dann völlig im Griff. Und bei deinem Anblick, na ja…† †œOh, okay, ich wollte sowieso gerade zurück.† Abrupt wandte sie sich ab, weil sie den ganzen Tag nichts gegessen hatte wurde ihr schwindelig und ihre Knie gaben nach und sie sank zu Boden. Cyrus fing sie, kurz bevor sie auf den Boden aufschlagen konnte, auf und legte sie hin. Dann kniete er sich neben sie. Er war sehr nah, viel zu nah. Einen Arm hatte er unter ihren Körper geschoben, sie konnte die Hitze, die sein Körper ausstrahlte, spüren. Ihre Brust berührte seinen Oberkörper. Cyrus gab ein leises Knurren von sich. Sie sah goldene Funken in seinen Augen, jemand beleuchtete ihn mit einer Taschenlampe. Seltsam, oh nein! Es war der Mond, die Wolken gaben ihn wieder frei. In dem silbrigen Licht sah Cyrus wunderschön aus. †œDoc, oh verdammt, bitte reiß dich jetzt zusammen und lauf! Lauf so schnell du kannst zu deiner Kabine, und egal was passiert, hau mich K.O. oder sonst was, du kannst das. Los schnell!† Er half ihr und schob sie von sich. Doc wankte los. Als sie seine Schritte hinter sich hörte, versuchte sie in einen leichten Laufschritt zu verfallen. Verdammter Mist. Sie fing an zu rennen, drehte den Kopf, um zu sehen, ob er noch hinter ihr her war. Das war keine gute Idee, denn so übersah sie eine Poolliege die ihren Weg kreuzte, die Schwerkraft machte ihr wieder einen Strich durch die Rechnung. Sie knallte ungraziös der Länge nach vorwärts auf den Boden.
Verflucht! Da tauchte auch schon ein Schatten über ihr auf und ein lautes Knurren war zu hören. Cyrus! †œKomm schon, Lassie! Frauchen hat keine Lust zu spielen, los geh ab!†, fauchte sie ihn an. Sie stütze sich ab und wollte aufstehen, da setze er sich rittlings auf sie. Er fasste grob ihre beiden Handgelenke und zog diese über ihren Kopf. Ihr Gesicht schabte über den harten Boden. †œCyrus, hör auf. Aus!† †œJetzt bist du fällig, und hast dich schon freiwillig in die richtige Position begeben, so hab ich es am liebsten. Schade, ich spiele eigentlich lieber etwas länger, und ich hab mir schon so oft gedacht, dass ich dich gern mal fangen würde und…† Sein Atem kitzelte heiß an ihrem Ohr. Mit seiner freien Hand schob er ihre Haare aus dem Nacken und sog tief ihren Geruch ein. Doc zappelte wie wild unter ihm, bekam eine Hand frei und griff damit hinter sich in sein Haar. Sie zog seinen Kopf zur Seite, dabei schaffte sie es sich auf den Rücken zu drehen. †œSüße, wehr dich ruhig, das macht es nur aufregender für mich.† Seine Stimme war verändert dunkel und rau, er war eindeutig nicht mehr der nette Barkeeper. Er hatte jetzt etwas sehr Animalisches und Gefährliches an sich. Seine Gesichtszüge waren auch leicht verändert. Wieder gelang es ihm ihre Handgelenke zu fassen und zwang sie diesmal hinter ihren Rücken.  Klasse, jetzt musste Doc auch noch oben ohne kämpfen. Sie drehte und wand sich und hätte ihm am liebsten einen Energieball verpasst, aber sie bekam ihre rechte Hand einfach nicht frei.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Liebe [Kapitel 9]

Black Dagger Ladies Online †“ Ein neuer Passagier [Kapitel 7]

Black Dagger Ladies Online

Ein neuer Passagier
Kapitel 7

Kate schlenderte an der Reling entlang und genoss die abendliche Brise, die über der ruhigen See wehte. Bones hatte noch etwas auf der Brücke zu erledigen und wollte sie später treffen. Ein lachsrosafarbenes Corsagenkleid betonte ihre wunderschönen Schultern und die Füße steckten in leichten Sandaletten, die an ihren schlanken Fesseln hoch gebunden waren. Kleine Perlen steckten in ihren Ohrläppchen und eine filigrane Silberkette mit einem hübschen Medaillon trug sie an ihrem anmutigen Hals. Ein Hauch von Zitrone umwehte sie, und sie musste lächeln, als sie daran dachte, dass Bones dieses Parfum so sehr an ihr mochte. Trotz der anstrengenden Stunden in New Orleans, fühlte Kate sich nach einem ausgedehnten Bad wie neu geboren. Ihre Stimmung war ausgezeichnet. Das hing wohl mit ihrer leidenschaftlichen Beziehung zu Bones zusammen. Sie konnte es kaum erwarten ihn wieder zu sehen und seine starken Hände auf ihrem Körper zu spüren. Dass ihr Wunsch so schnell in Erfüllung gehen würde, hatte sie allerdings nicht gedacht, denn in dem Moment kam Bones eilig auf sie zu. Sie merkte gleich, dass etwas passiert war. Sein Gesichtsausdruck war sehr ernst. „Kate, komm schnell mit auf die Brücke, Sweetlife will mit dir sprechen. Unterwegs werde ich dir erzählen was los ist.†œ Bones hatte eine Nachricht von der Werft in Miami erhalten. Er musste sofort abreisen und eines der fertig gestellten neuen U-Boote testen. Als er bereits Kapitän der Seraphim war, hatte er vor ein paar Monaten eine Zusatzausbildung zum U-Boot-Kapitän absolviert. Nun sollte die neu entwickelte Technik im Wasser getestet werden, und für diese Aufgabe kam nur er in Frage. Die Zeit drängte, die U-Boote sollten so schnell wie möglich zum Einsatz kommen. Als Kate mit Bones auf der Brücke ankam, reichte ihr Jean de Castelle, der 1. Offizier, schon den Hörer. „Hallo, Kate†œ, begrüßte Sweetlife Kate mit ihrer tiefen rauchigen Stimme, „hat Bones dir erzählt, dass er mit dem Hubschrauber nach Miami fliegt, um das neue U-Boot zu testen? „Ja, hat er, aber was habe ich damit zu tun?†œ, antwortete Kate, die inzwischen neugierig geworden war. „Nun, du hast dich bereits sehr intensiv mit den Plänen für das neue U-Boot beschäftigt, und du bist technisch die Versierteste unter euch Schwestern. Ich möchte, dass du Bones begleitest und dich in Miami ausbilden lässt eines der neuen Boote zu führen.†œ Sprachlos starrte Kate Bones an, in ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft. Sie sollte die Schwestern verlassen? Unmöglich, schließlich hatten sie sich ewige Freundschaft geschworen! Andererseits sprach einiges dafür, das Angebot anzunehmen. Bones würde das Schiff verlassen, und wenn sie ihn begleiten würde, konnte sie in seiner Nähe bleiben. Der Gedanke, ihn zu verlieren, hatte ihr spontan einen tiefen Stich versetzt. Außerdem fand sie die Idee, ein U-Boot zu führen, schon immer sehr reizvoll. Und letztendlich tat ihr vielleicht eine Trennung von den Schwestern auch gut. Es musste ja nicht für immer sein. Kerstin fiel ihr zurzeit ziemlich auf die Nerven. Lilli hatte ihr gesteckt, dass sie Kerstin mit diesem neuen Passagier an Bord, Drago, den Cousin von Angie, beim Knutschen erwischt hatte. Der arme Tim, sicherlich wird ihn das sehr verletzen, wenn er davon erfährt. „Hallo, hallo, Kate, bist du noch da?†œ Sweetlife wurde ungeduldig und wartete auf ihre Antwort. Kate holte tief Luft und sagte in den Hörer: „Okay, ich mach´s! Wann geht es los?†œ „Super†œ, hörte sie Sweetlife antworten, „ich wusste, dass du das Angebot nicht ablehnen würdest. Du musst in einer Stunde startklar sein, dann landet der Hubschrauber an Bord und holt euch ab. Näheres kann dir Bones erzählen. Und Kate, pass auf dich auf, wir bleiben in Kontakt.†œ Dann hatte sie aufgelegt. Bones, der das Gespräch verfolgt hatte, strahlte über das ganze Gesicht. Überglück zog er sie an sich und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. „Du kommst also wirklich mit? Das ist ja großartig!†œ „Aber wer übernimmt denn hier an Bord das Kommando?†œ, fragte Kate. „Das macht Jean, der ist mindestens genauso qualifiziert wie ich. Komm, wir müssen packen und uns verabschieden. Viel Zeit bleibt nicht…auf nach Miami.†œ

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Währenddessen lief Kerstin, tief in Gedanken versunken, nachdenklich über das Schiff. Lilli hatte sie zusammengepfiffen wegen der Sache mit Drago.
Na, jetzt hab´ ich den Salat, dachte sie bei sich. Was mach´ ich nun bloß, wie soll ich das Tim beibringen? Das kann nicht gutgehen. Das wusste sie ja selbst. Und nun, wo sollte sie hin? Die anderen waren beschäftigt, und es war ja schon schlimm genug, dass Lilli sie erwischt hatte. Eigentlich wollte sie doch nur ein paar Informationen von ihm. Wieso musste sie auch so neugierig sein? Sie stand an der Reling, lauschte dem Rauschen der Wellen und schaute aufs Meer. Es half alles nichts, sie musste unbedingt mit Tim reden und ihm erzählen, was passiert war.
Mit einem tiefen Seufzer machte sie sich auf den Weg. Überlegte es sich dann aber anders und beschloss zunächst zu duschen. Ja, eine heiße Dusche würde den Kopf klar machen. Kerstin ging in ihre Kabine und versuchte ihre angespannten Muskeln unter dem heißen Wasserstrahl zu entspannen. Es half ein bisschen. Gerade als sie die Dusche verlassen und sich in ein Badetuch gewickelt hatte, bemerkte sie eine Gestalt, die im Türrahmen stand. Es war Drago.
Er besaß doch tatsächlich die Frechheit hier aufzutauchen. Kerstin fand es überhaupt nicht komisch, wie er da mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht in ihrem Badezimmer stand. „Ich dachte, wir könnten da weiter machen, wo wir gestört wurden?“, sagte er und machte einen Schritt auf sie zu. „Oh, das glaube ich kaum†œ, erwiderte sie brüskiert und wich einen Schritt zurück. „Wenn du deine Männlichkeit behalten möchtest, solltest du sofort verschwinden.“ Aber Drago ließ sich davon nicht beeindrucken. Langsam kam er auf sie zu.
In dem Moment, als er sie packen wollte, ergriff Kerstin seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Mit ihrem Fuß drückte sie in seine Kniekehle und zwang ihn nach unten. Sie hatte den Überraschungsmoment gut gewählt. Drago machte seltsamerweise keine Anstalten sich zu wehren. Es war ganz so, als wollte er ihr die Oberhand lassen. Wütend zischte sie ihm ins Ohr: „Wenn ich NEIN sage, dann meine ich das im Allgemeinem auch so. Und da ich fühle, dass du mir nicht gut tust, sage ich es dir jetzt noch einmal. Lass mich in Ruhe!“ Sie drückte ihre Lippen auf sein Ohr und ließ ihn abrupt los. Drago spürte einen brennenden Schmerz an der Stelle, wo Kerstin ihn mit ihrem Mund berührt hatte. Fast wäre er gefallen, nachdem sie ihn so unverhofft losgelassen hatte. Wow, er hatte ja vermutet, dass sie so einige Sachen auf Lager hatte, aber das mit den brennenden Lippen kannte er noch nicht. Sie war also wirklich sauer. Aber dann grinste er schon wieder. „So, so, du möchtest also kämpfen? Das gefällt mir. Frauen möchten ja erobert werden. Okay, das kannst du haben.“
Er schaute ihr tief in die Augen. „Ah, so ist das†œ, sagte er. Kerstin erschrak und wurde sich bewusst, dass er schon wieder ihre Gedanken gelesen hatte. Jetzt hatte sie erkannt, dass er dazu Augenkontakt brauchte. Diesmal war sie diejenige, die grinste. Allein durch ihre Gedanken ließ sie ihn das auch wissen. Und plötzlich war der gute Drago gar nicht mehr so selbstsicher, worüber Kerstin sich umso mehr freute. Dass er wusste, wie anziehend sie ihn fand, machte die Situation nicht einfacher. „Ich denke, wir zwei sind uns einig, und jetzt verschwinde†œ, sagte sie im kühlen Ton. Mit ausdrucksloser Miene ging er zur Tür, drehte sich aber nochmals um und sah sie an. Plötzlich hörte sie seine Stimme, ohne dass seine Lippen sich bewegten. „Es tut mir leid, wenn ich dich bedrängt habe, aber ich glaube, wir zwei müssen uns dringend mal in Ruhe unterhalten. Es gibt da Dinge, von denen scheinst du selbst noch nichts zu ahnen.“ Und dann war er weg. Was war das? Wieso konnte sie ihn verstehen, obwohl er nicht laut gesprochen hatte? Und was ahnte sie nicht? Okay, dass sie mit ihren Lippen jemanden verbrennen konnte, wusste sie erst seit kurzer Zeit. Das geschah immer dann, wenn sie sich besonders ärgerte, aber konnte sie jetzt etwa auch Gedanken lesen? Funktionierte das jetzt bei allen, oder war es eine mentale Sache nur zwischen ihr und Drago? Fühlte sie sich deswegen so von ihm angezogen? Kerstin blieb keine Zeit für weitere Überlegungen, denn in dem Moment klopfte es an der Tür. Tim stand da mit einem Tablett voller leckerer Köstlichkeiten. Auf dem Tablett waren Erdbeeren mit weißer Schokolade überzogen, frisch gepresster Orangensaft, Weintrauben, verzierte Pralinen. Auch Rührei mit Speck und Toast und eine kunstvoll geknotete Servierte konnte Kerstin entdecken. Tim selber hatte eine wunderschöne leuchtend rote Rose im Mund. Unwillkürlich musste Kerstin laut lachen. Sie wollte diesen Moment nicht zerstören, deshalb beschloss sie Tim nichts von Dragos Besuch zu erzählen. Sie wollte später mit Angie darüber reden, schließlich war sie seine Cousine. Vielleicht konnte Angie ihr die Vorkommnisse erklären. Jetzt musste sie herausfinden, ob sie auch Tims Gedanken lesen konnte. „Oh, was für eine zauberhafte Überraschung, komm rein! Du kommst wie gerufen, wie du siehst, bin ich noch nicht mal angezogen, aber ich sterbe fast vor Hunger. Wie konntest du das wissen?†œ Lachend zog sie ihn in ihre Kabine und schloss die Tür.

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Lilli betrachtete sich noch einmal im Spiegel und mit dem was sie sah, war sie sehr zufrieden. Sie trug ein silberfarbenes Etuikleid und feuerrote Pumps. Passend dazu lag ein hauchdünner, roter Chiffonschal über ihren Schultern. Sie hatte sich nur dezent geschminkt und die Haare waren, wie immer, strubbelig frisiert. Sie atmete noch einmal tief durch und machte sich dann auf den Weg zu ihrem Dinner. Auf der letzten Treppenstufe lagen schon Rosenblätter. Lilli folgte dem markierten Weg, der zum hinteren Teil des Oberdecks führte. Er endete vor einem schmiedeeisernen Pavillon, der mit dunkelroten Rosen überwuchert war und mitten in einem riesigen Dachgarten lag. Und da stand er, Fernando!
Er trug einen eleganten, schwarzen Smoking. Sein schwarzes, leicht gewelltes Haar glänzte in der untergehenden Sonne. Er lächelte und unter seinem Oberlippenbärtchen kamen makellose, schneeweiße Zähne zum Vorschein. In seinem Mundwinkel wurde ein Grübchen sichtbar, das Lilli noch nie aufgefallen war. Als sie ihn so vor sich sah, blieb ihr fast das Herz stehen. Er sah atemberaubend und unheimlich sexy aus. „Guten Abend, Lilli.†œ Er stöhnte leise auf: „Du bist wunderschön.†œ Lilli wurde ganz verlegen und ein leichter grüner Schimmer umgab sie: „Guten Abend Fernando. Auch du siehst wunderschön aus†œ, hauchte sie. Fernando ging lächelnd auf sie zu und nahm vorsichtig ihre Hand. „Bist du dir sicher, dass du eine Waldelfe bist und nicht vielleicht ein Glühwürmchen?†œ Lilli musste lachen und ihre Befangenheit fiel von ihr ab. „Ja, mein Leuchten habe ich in letzter Zeit nicht so im Griff. Aber ich arbeite daran.†œ Fernando führte sie zum Tisch und rückte ihr galant den Stuhl zurecht. „Nein, laß es bitte so. Ich liebe es, wenn du leuchtest†œ, sagte er mit zärtliche Stimme. Lilli ließ ihren Blick durch den Pavillon streifen. Überall brannten rote Kerzen und verbreiteten ein behagliches Licht. Die Luft war von dem betörenden Duft der Rosen erfüllt. Lilli dachte, dass sie träumen würde. Da war dieser tolle Mann, atemberaubend schön, und er wollte nur sie. Fernando reichte Lilli einen Prosecco: „ Auf einen schönen Abend zu zweit.†œ Lilli schreckte aus ihren Gedanken hoch: „ Oh, ja natürlich, auf einen schönen Abend†œ, stammelte sie. Sie konnte ihre Augen nicht von Fernando lassen. „Wollen wir jetzt essen?†œ Lilli schreckte schon wieder zusammen: „ Ach ja, Essen gibt es ja auch noch.†œ Fernando lächelte vor sich hin, er fühlte sich geschmeichelt, Lilli so nervös zu machen. Er nahm den Deckel von der dampfenden Schüssel, die in der Mitte des Tisches stand und fing an, Lillis Teller zu füllen. „Vielleicht hast du ein Dreigänge-Menue erwartet, aber das übersteigt meine Kochkünste†œ, sagte Fernando etwas verlegen. Lilli bemerkte jetzt erst, was er da auf ihren Teller löffelte. „Spaghetti Bolognese? Und du hast die selbst gekocht? Woher weißt du, dass das mein Lieblingsessen ist?†œ fragte sie verwundert und begeistert zugleich. „Ist es das? Na, dann passt es ja.†œ Fernando atmete erleichtert auf. Auch er füllte sich seinen Teller mit Spaghetti und setzte sich Lilli gegenüber. Um Fernando nicht wieder so anzustarren, konzentrierte sich Lilli ganz auf ihren Teller und ihr Essen. „Schieß los, Lilli. Was möchtest du von mir wissen?†œ Sie schreckte schon wieder zusammen und mit halbvollem Mund nuschelte sie: „Wo kommst du eigentlich her?†œ Oh Gott, das war jetzt nicht sehr damenhaft! Aber sie war froh, dass nicht sie die Unterhaltung bestreiten musste. Während sie nun aßen, fing Fernando an zu erzählen: „ Ich wurde mitten in der argentinischen Pampa, auf einer riesigen Rinderfarm geboren. Ich wurde als Vampir geboren und gehöre bereits zur 3. Generation. Meine Mutter ist eine erfolgreiche Rinderzüchterin und mein Vater ein angesehener Arzt.†œ Argentinien„Du bist also Argentiener? Argentinien ist ein wunderschönes Land. Und, wie bist du dann zu der Bruderschaft gekommen?†œ Lilli hatte sich jetzt wieder etwas entspannt. „Ich war ein sehr aufmüpfiger junger Vampir. Ich hatte nur Flausen im Kopf und war immer damit beschäftigt mich und meine Grenzen auszutesten. Ich steckte ständig in irgendwelchen Schwierigkeiten. Als sich meine Eltern keinen Rat mehr wussten, wurde ich natürlich in die Schweiz, in ein sehr exklusives Internat, geschickt. Dort traf ich auf Duncan. Wir waren von Anfang an die besten Freunde und unzertrennlich. Wir waren laufend in Gefahr, vom Internat zu fliegen. Wir waren sozusagen das „Duo Infernale†œ. Die waren dort sehr glücklich, als wir unseren Abschluss gemacht hatten. Ich ging dann nach Harvard und Duncan nach Cambridge. Aber wir blieben immer in Verbindung.  Als ich dann meinen Doktor in der Tasche hatte und wieder zurück nach Argentinien wollte, kam eine Einladung von Duncan. So landete ich dann in der Bruderschaft.†œ Lilli war sichtlich beeindruckt: „ Du warst in Harvard, Respekt.†œ Ja, ich bin dann doch noch ein braver, strebsamer Vampir geworden. Bis ich zur Bruderschaft kam. Jetzt kann ich es wieder krachen lassen†œ, antwortete Fernando lachend.

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„Aber jetzt bist du an der Reihe. Wo kommt unser Elfchen denn her?†œ Lilli nahm noch einen großen Schluck Prosecco und holte tief Luft. „ Also, ich wurde im „Ewigen Wald†œ geboren. Die Menschen nennen ihn allerdings „Teutoburger Wald†œ, also komme ich eigentlich aus Deutschland. Ich habe noch einen älteren Bruder, der in Kanada lebt. Mein Clan wurde während der Inquisition fast vollkommen ausgelöscht. Als mein Bruder und ich noch ganz klein waren, entschieden sich dann meine Eltern dazu, mit uns und meiner Tante nach Frankreich zu gehen. Wir lebten dort bei den Hugenotten, die uns ohne Fragen zu stellen, herzlich aufgenommen hatten. Doch als die Hugenotten-Verfolgung ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurden wir getrennt. Meine Eltern wurden getötet, meine Tante und mein Bruder konnten nach Kanada fliehen, ich wurde gefangen genommen und saß einige Jahre im Kerker. Als ich dann endlich freigelassen wurde, streifte ich heimatlos durch Europa. Irgendwann traf ich dann auf Lucy, sie war genauso heimat- und ziellos wie ich. Wir merkten sofort, dass wir Seelenverwandte waren. Wir überstanden zusammen auch so einige Abenteuer, wir waren also auch ein „Duo Infernale†œ. Wir blieben dann vor ein paar Jahren in München hängen, die Stadt und die Leute dort gefielen uns so gut. Eines Abends gerieten wir aber in eine ziemlich zwielichtige Gegend. In einer dunklen Ecke wurden wir von fünf Aufreißertypen bedrängt. Plötzlich kamen uns dann zwei junge Frauen zu Hilfe, das waren Angie und Kerstin. Ich kann dir sagen, die fünf Kerle haben wir ganz schön aufgemischt. †œLilli lachte herzlich, sie leuchtete wieder und ihre Augen fingen an zu glänzen. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen†œ, auch Fernando musste laut lachen. „Lucy ist also deine älteste und beste Freundin?†œ „Ja, das ist sie, und mit den Mädels zusammen ist sie ein Teil meiner neuen Familie†œ,  antwortete Lilli mit einem glücklichen Lächeln. Ja, ein glückliches Lächeln, das hatte Fernando bis jetzt noch nicht bei Lilli gesehen und er hoffte, dass sie irgendwann einmal, wegen ihm so lächeln würde. Lilli erschauerte und zog ihren Schal enger um ihre Schultern. „Du frierst. Soll ich dich zu deiner Kabine begleiten?†œ Fernando war schon bei Lilli, legte ihr seine Jacke über die Schultern und reichte ihr seinen Arm. „Ja, gern†œ, sagte Lilli und zog Fernandos Jacke enger um sich. Sein Geruch stieg ihr in die Nase, köstlich, er duftete wie grüner Wald nach einem Regenschauer. „Ich habe noch eine Flasche Wein geöffnet. Möchtest du noch auf ein Glas mit reinkommen?†œ, fragte Lilli vor ihrer Tür. Fernando strahlte über das ganze Gesicht: „Es wäre mir ein Vergnügen.†œ
Lilli hatte vor der großen Fensterfront ihrer Kabine eine sehr gemütliche Ottomane stehen. Fernando ließ sich in die Kissen sinken: „Komm zu mir, wir machen es uns ein wenig gemütlich.†œ Lilli ging zu ihm und kuschelte sich in seine Arme. Eine zeitlang schauten sie schweigend auf das Meer hinaus. Fernando legte seine Wange an Lillis und streichelte gedankenverloren ihren Arm. Lilli fühlte sich unheimlich wohl und geborgen, in seiner Umarmung. Sie wurde mutig und flüsterte: „Fernando, begehrst du mich?†œ „Ja, Lilli, vom ersten Moment an. Aber jetzt, begehre ich dich nicht nur. Ich liebe dich und zwar mit jeder Faser meines Herzens†œ Lilli drehte sich zu ihm um und schaute ihm in die wunderschönen, blauen Augen. †œIch habe auch sehr starke Gefühle für dich, aber ich weiß nicht, ob es Liebe ist. Ich habe meine Gefühle so tief in mir vergraben, dass ich gar nicht mehr weiß, wie sich Liebe anfühlt. Ich möchte dich nicht verletzen.†œ Jetzt liefen ihr dicke Tränen über die Wangen. „Nein, Lilli, bitte nicht weinen.†œ Fernando küsste ihr die Tränen vom Gesicht. „Ich habe mein ganzes bisheriges Leben nach dir gesucht und endlich habe ich dich gefunden. Ich möchte immer bei dir sein, ich möchte dich halten und beschützen, ich möchte dich überall küssen und dich überall spüren, aber ich werde warten, bis auch du dir sicher bist. Wenn wir wieder eine Nacht miteinander verbringen, soll es aus Liebe sein und nicht weil wir uns begehren.†œ Lilli konnte ihr Glück gar nicht fassen und wieder fing sie an zu leuchten. „So etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt.†œ Sie näherte sich langsam seinem Gesicht. „Darf ich dich küssen?†œ Fernando lächelte. „Ich bitte darum, mein Glühwürmchen.†œ Sie wollte, dass dieser Kuss niemals enden würde, so hatte sie sich noch nie gefühlt.

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Bones war schnell mit dem Packen fertig. Viel musste er nicht mitnehmen. Er hoffte, noch ein paar schöne Tage mit seiner Kate in Miami verbringen zu können, bevor sie an Bord des U-Bootes mussten. Kates spontane Zusage, mit ihm zu gehen, hatte ihn zwar ein wenig überrascht, aber er hatte sich diese Antwort so erhofft. Zu lange war er schon allein und hatte den Mond angeheult. An Gelegenheiten hatte es ihn sicher nicht gemangelt, aber er war an oberflächlichen und meistens rein körperlichen Beziehungen nicht mehr interessiert. Ihm fehlte eine echte Partnerin, mit der er über seine Arbeit reden, aber auch über die banalsten Dinge lachen konnte. Er hatte sie gefunden †“ seine Kate.
Jetzt musste er nur noch kurz auf die Brücke, um das Kommando offiziell an Jean zu übergeben. Noch vor ein paar Wochen, hätte er sich nicht vorstellen können, die Brüder zu verlassen, das Gefühl sie im Stich zu lassen schlummerte immer noch in ihm. Aber die Situation hatte sich mit dem Bündnis mit den VASH-Schwestern grundlegend geändert. Außerdem musste es ja nicht ein Abschied für immer sein. Er konnte sie immer noch vom U-Boot aus unterstützen und mit Informationen versorgen. Allerdings fragte er sich, wie Kate mit der Trennung von ihren Freundinnen klar kommen würde. Um das herauszufinden, machte er sich auf den Weg zu Kates Kabine.
Auch Kate machte nicht viel Aufheben ums Packen. Die ganzen tollen, aufreizenden Outfits, an denen sie so hing, würde sie nun eine zeitlang nicht mehr brauchen. In einem U-Boot herrscht absoluter Frauenmangel, und sie wollte Bones keine Schwierigkeiten an Bord machen. Diese Art von Kleidung gehörte nun nicht mehr zu ihrer Ausrüstung. Aber auf ihren Schmuck, der nur aus ein paar edlen Erbstücken bestand, wollte sie nicht verzichten. Sie legte ihn behutsam in das Beauty-Case zu ihren Schminksachen. Sie war gerade fertig und warf noch einen letzen Blick in ihre Kabine, als es an der Tür klopfte. „Bones†œ, dachte sie und schon war ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie erkannte ihn schon an seinem Klopfen. Selbst wenn sie das Klopfen nicht gehört hätte, sie spürte seine Nähe, fand seinen Duft unter tausend anderen heraus. Strahlend öffnete sie die Tür und noch bevor sie etwas sagen konnte, zog Bones sie in die Arme. Sein Kuss benebelte für ein paar Sekunden ihre Sinne, und sie fragte ihn: „Wird das jetzt immer so sein?†œ Bones zwinkerte ihr zu. „Aber ich hoffe doch. Alles klar bei dir? Ich sehe, du bist schon fertig, komm ich nehme deine Sachen, die anderen warten schon.†œ Auf dem Bett lag ein einzelner kleiner Koffer und ein fast genauso großes Beauty-Case stand daneben. „Ist das etwa alles, was du mit nimmst?†œ Kate seufzte. „Ich brauche nicht mehr, ich habe ja dich.†œ Doch Bones konnte ihren wehmütigen Blick sehen, der an ihrem prall gefüllten begehbaren Kleiderschrank hängen blieb. „Komm, liebste Kate, für mich brauchst du das nicht, weißt du. Nicht immer machen Kleider Leute.†œ „Ja, du hast ja Recht. Lass uns gehen, der Hubschrauber müsste ja schon bald kommen, und ich möchte mich noch verabschieden.†œ
Arm in Arm gingen sie nach oben in Richtung Hubschrauberlandeplatz. Obwohl die Nacht bereits hereingebrochen war, wurden sie schon erwartet. Der Landeplatz wurde von großen Scheinwerfern hell erleuchtet. Rote Lichter blinkten, um dem Piloten die Richtung zu weisen. Dort standen die Brüder, mit denen Bones so lange Seite an Seite gelebt und gekämpft hatte.

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Ein Handschlag, ein stummer Gruß, ein anerkennendes Nicken von seinen Brüdern, das war alles. Manchmal bedarf es einfach keiner Worte, es war schon alles gesagt. Kate fiel der Abschied schon ein bisschen schwerer. Tränen glitzerten in ihren Augen, sie drängte sie aber zurück, denn sie wollte nicht als Heulsuse bei ihren Schwestern in Erinnerung bleiben. Sie umarmte eine nach der anderen. Kerstin, Angie, Jane, Lilli und Lucy, sie mussten jetzt ohne sie klar kommen. Kate holte Luft und wollte gerade etwas sagen, da plapperten alle auf einmal los: „Klar, wir bleiben in Verbindung.†œ „Mach bloß keine Dummheiten und pass auf dich auf.†œ „Wenn Bones dir Ärger macht, kommen wir und blasen ihm den Marsch, du weißt, wir können das.†œ „Wir kommen schon klar, mach die keine Gedanken.†œ Das Stimmengewirr wurde durch das aufkommende Geräusch eines näher kommenden Hubschraubers übertönt. Sie hielten sich an der Reling fest, bis der Hubschrauber gelandet war. Die Schwestern verfolgten schweigend, wie Bones und Kate in den Hubschrauber kletterten. Ihr Gepäck wurde verstaut, und schon hob der Hubschrauber wieder ab. Kate winkte ihren Schwestern ein letztes Mal, doch nun konnte sie ihre Tränen nicht zurückhalten. Hemmungslos schluchzte sie auf und ließ sich von Bones tröstend in den Arm nehmen.
Die ganze Prozedur hatte nur ein paar Minuten gedauert bis der Hubschrauber vom nächtlichen Himmel verschluckt wurde. „Ich brauch eine Drink†œ, brach Lucy das Schweigen. „Keine schlechte Idee†œ, entgegnete ihr Angie. „Den haben wir jetzt alle nötig. Mal sehen, was Tiago uns zaubern kann.†œ

…Ich hatte meinen Kopf auf meinen Ellbogen gestützt und betrachtete in aller Ruhe sein Gesicht. Er lag auch auf der Seite, und durch seinen leicht geöffneten Mund konnte ich nichts mehr von seinen Fängen sehen. Seine Zähne sahen wieder normal aus und nirgendwo blitzen spitze Ecken. Er lächelte leicht in seinem Tiefschlaf. Ein paar Strähnen seiner Haare verdeckten seine Augen. Unwillkürlich streckte ich meine freie Hand aus, um mit meinen Fingern über sein markantes Kinn zu streichen, da runzelte er die Stirn und murmelte etwas Unverständliches. Ich bewegte mich nicht. „Lindsay†œ, sagte er kaum hörbar. „Tu es nicht!†œ Dann seufzte er noch einmal tief, drehte sich auf den Rücken und schlief weiter. Hoppla, dachte ich etwas verwirrt und ließ langsam meine Hand wieder sinken. Was war das denn jetzt? Vorsichtig verließ ich das Bett. Ohne ihn zu wecken griff mir meinen Morgenmantel, der noch immer auf dem Boden lag, und zog ihn geräuschlos an. Mir wurde etwas schwindelig, und ich geriet ins Wanken. Schnell stützte ich mich auf seinem Schreibtisch ab. Da fiel mein Blick auf die kleine Uhr die dort stand. Oh, etwas konnte aber mit der Zeit nicht stimmen! Mh, merkwürdig… doch darüber würde ich später noch nachdenken müssen.
Gerade als ich auf den Gang treten wollte, hörte ich leise Stimmen, die sich Lillis Kabine näherten. Oh, das waren ja Fernando und Lilli. Sehr schön! Ich musste grinsen und zog die Tür wieder soweit zu, dass sie mich nicht sehen konnten. Als nichts mehr zu hören war, schlich ich mich barfuss und geräuschlos zum Sonnendeck, das Gott sei Dank gleich um die Ecke war. So musste ich nicht durch das ganze Labyrinth von Gängen irren. Draußen legte ich mich auf eine Sonnenliege, atmete die würzige Seeluft tief ein und betrachtete den Sternenhimmel. Ich lag einfach nur da, verschränke meine Arme hinter meinem Kopf und dachte kurz an den Abschied von Kate und Bones. Schön, sie hatten ihre Bestimmung gefunden, und werden wohl zusammen bleiben. Ich verbot mir jeden Gedanken über Norbert und diese Lindsay, deren Namen ich zuvor noch nie gehört hatte. Hah, als hätte ich schon jemals auf mich gehört. Okay, wir hatten bis jetzt noch nie die Gelegenheit über uns, über unsere Vergangenheit und unsere Zukunft zu sprechen, aber… hatten wir denn eine Zukunft? Ich schloss meine Augen. Liebte ich ihn?
Plötzlich näherten sich Schritte. Erschreckt fuhr ich auf und erkannte in dem Moment Drago.

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„Hallo Cousinchen†œ, sagte er leise und hob abwehrend seine Hände. „Nicht erschrecken, ich bin`s nur. Darf ich?†œ, und zeigte auf die Liege neben mir. Auffordernd klopfte ich auf das Polster: „ Na klar, setzt dich.†œ Eine Weile lagen wir schweigend nebeneinander und betrachteten den wunderschönen Sternenhimmel. „Sag mal, was läuft da eigentlich zwischen dir und dem Orden? Die Brüder haben dich ja nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Du scheinst die ja schon länger zu kennen, oder?†œ Stille. Dann seufzte er und sagte: „Ja, ich kenne die Brüder schon sehr lange, schon viele Jahre, und…ich bin auch ein Mitglied, zumindest war ich eines.†œ Dann schwieg er. Erstaunt setzte ich mich auf und sah ihn an: „Und? Was ist passiert? Bleibt man nicht ein Leben lang an die Bruderschaft gebunden?†œ „Doch, natürlich. Aber…†œ. Erneutes Schweigen. Ich wollte ihn nicht bedrängen, aber wenn…oh, wenn er die Brüder schon so lange kannte, dann … Nervös machte ich einen Knoten in den Gürtel meines Morgenmantels und sah auf einen imaginären Punkt am Himmel. „Wer ist Lindsay?†œ, fragte ich ihn leise. Da zuckte er neben mir zusammen. Er sah in dem Moment so traurig aus, dass es mir fast das Herz zerriss. Ich nahm seine Hand und drückte sie: „ Nicht doch, wenn du nicht darüber…†œ „Vielleicht ist es ganz gut, wenn du die ganze Geschichte kennst†œ, unterbrach er mich, erwiderte den Druck und lächelte mich traurig an. „Aber ich muss dich warnen, diese Story hat kein Happy End†œ. „Ach, ich bin Kummer gewohnt, erzähl schon†œ, forderte ich ihn auf.
„Also gut. Lindsay ist, oder vielmehr war, wie eine kleine Schwester für uns.†œ Er seufzte tief und sprach weiter: „Doch ich muss weiter ausholen.
Der eigentliche Stammsitz des Ordens befindet sich in Schottland in den Highlands, und das schon seit vielen hundert Jahren. Der Gründer ist ein sehr weiser Mann, der von allen respektiert und hoch geachtet wird. Er lebt dort immer noch und hält alle Fäden der sogenannten „ Magischen Welt†œ in der Hand. Niemand kennt ihn genau, oder hat ihn je zu Gesicht bekommen. Er bestimmt, wer den Orden leitet und führt, seine Stimme ist Gesetz und wird von niemandem in Frage gestellt. Er wird auch von allen nur „The Founder†œ genannt.
Die Mitglieder des Ordens werden nach ihren Fähigkeiten ausgesucht, eingehend geprüft und dann mit dem Tattoo für immer an die Gemeinschaft gebunden. Jeder weiß, worauf er sich in dem Moment einlässt und schwört einen Eid, der nie gebrochen werden darf. Doch bevor dies alles geschieht, folgen wir dem „RUF †œ. Wir werden auf das riesige Anwesen in Schottland gerufen und dann geprüft, ausgebildet und dementsprechend eingesetzt. „Was sind das für Fähigkeiten?†œ, fragte ich ihn neugierig. „Na, Fernando z.B. ist nicht nur ein ausgezeichneter Mediziner, sondern er ist auch ein Heiler. Wie Doc bei euch. Oder Duncan, er hat enorme Führungsqualitäten, Jean ist ein sagenhafter „Spürhund†œ, wie Tim, Tiago Cyrus und Eric, eben wie alle Werwölfe. Gavin, Lucys Feuerelfchen… da fragst du sie lieber selbst, und dein Norbert ist ein Zahlengenie. Bowen kann mindestens 16 Sprachen und kennt sich mit allen Waffen aus. Bones ist ein sagenhafter Konstrukteur. Naja, und ich kann Gedanken lesen†œ, dabei sah er mich schelmisch an, „aber keine Angst, die von Familienangehörigen nicht, hat wohl was mit den Genen zu tun, und ich brauche Augenkontakt. Wie du ja auch bemerkt hast, kann ich meine Gestalt ändern. Und wir hören zwischen dem 30. und 35 Lebensjahr auf zu altern, wie alle männlichen magischen Geschöpfe. Die Jungs hier auf dem Schiff sind eigentlich die Elite des Ordens und seit ca. zwei Jahren mit dem Kahn unterwegs.
Lindsay wuchs auf dem Anwesen auf, und alle liebten sie wie eine Schwester. Natürlich wurde sie auch von allen verwöhnt, und sie konnte jeden von uns um den kleinen Finger wickeln. Mit 18 war sie eine Schönheit und verliebte sich in mich.†œ Er stockte kurz und sprach dann weiter. „Und ich verliebte mich in sie. Nur meine Gefühle gingen nicht so tief. Und als die Red Dragon eine immer größer werdende Gefahr wurden, wurde ich bei ihnen eingeschleust als Undercoveragent. Niemand durfte davon erfahren, auch die Jungs hier nicht. Ich konnte mich noch nicht mal von ihr verabschieden. Ich war einfach verschwunden für alle.†œ Er sah mich direkt an und sprach mit leiser Stimme: „Sie hat es nicht verkraftet und hat sich das Leben genommen.†œ

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Oh mein Gott, wie furchtbar! „Die Brüder haben es mir nie verziehen†œ, sagte er und sah wieder zu den Sternen. „Aber das ist doch schon viele Jahre her, und es ist doch nicht deine Schuld!†œ, rief ich und sprang auf. „Ich danke dir, aber die Jungs denken leider anders darüber†œ. „Und, was ist das zwischen Kerstin und dir? Ich hab doch eure Blicke gesehen, da ist doch etwas zwischen euch†œ, fragte ich ihn leise. Er sah mich nur an und schüttelte langsam den Kopf: „Ich weiß es auch nicht. Ich habe mich noch nie zu jemand so hingezogen gefühlt wie zu Kerstin. Es ist so, als wenn uns etwas Starkes verbindet, gegen das man sich nicht wehren kann.†œ Ich fröstelte und rieb meine Arme. Er umarmte mich und sagte: „Na komm, dir ist kalt und ich bin müde. Das waren erst mal genug Infos. Wir werden in den nächsten Tagen noch genug Zeit haben zu reden.†œ
„Hab ich mich eigentlich schon bei dir bedankt, dass du mich gerettet hast?†œ fragte ich leise und küsste ihn auf die Wange. Er lachte nur, drückte mich kurz an sich und wir gingen rein.
Norbert schlief immer noch tief und fest. Vorsichtig zog ich meinen Morgenmantel wieder aus und musste über die vielen Knoten in dem Gürtel lächeln. Dann schlüpfte ich vorsichtig wieder zu ihm ins Bett und kuschelte mich an ihn. Er war so schön warm und roch so gut. „Mmh, du bist kalt†œ, brummte er mit geschlossenen Augen. Etwas wollte ich ihn noch fragen… ach ja, jetzt fiel es mir wieder ein. Ich stütze mich auf und sah ihn an. „Ähm, Norbert?†œ „Mmh?†œ „Geht die Uhr auf deinem Schreibtisch richtig? Weil irgendwie fehlen mir einige Minuten.†œÂ  „Doch, die Uhr geht richtig†œ, und fing an zu grinsen. Oh, oh so langsam verstand ich und wurde rot. „Öhm, sind die Kabinen eigentlich schalldicht?†œ, flüsterte ich und küsste ihn auf seine Brust. „Ja, zum Glück†œ.  „Und wie viel Zeit fehlt mir?†œ „Etwa 20 Minuten†œ, antwortet er immer noch mit geschlossenen Augen. Sein Grinsen wurde breiter. Ups!

Doc wachte auf und fand sich in Bowens Bett wieder. Sie überlegte, wie sie dorthin gekommen war und ließ den vorigen Abend Revue passieren. Nach den ersten beiden Filmen im Kino des Schiffs, hatten sie und Bowen zusammen mit den anderen Schwestern Kate verabschiedet. Doc würde sie wirklich vermissen, und sie wünschte ihr von Herzen, dass sie mit Bones glücklich werden würde.
Nach der Verabschiedung war sie mit Bowen wieder zurück ins Kino gegangen, um noch zwei weitere Filme anzusehen. Jetzt machte sie sich lang und reckte sich, dabei fiel ihr auf, dass sie allein im Bett lag. Sie strich mit der Hand über das Laken. Wo Bowen zuvor gelegen haben musste, war die Stelle noch warm. Da ging die Badezimmertür auf und Bowen trat, nur mit einem Handtuch um den Hüften, in den Raum. Er bot einen fantastischen Anblick. Die kleinen Wassertropfen, die von seinem nassen Haar auf seinen Oberkörper herabperlten, glitzerten in dem Licht der ersten Sonnenstrahlen. Der Tag fing doch gut an.
Er kam auf sie zu und setzte sich zu ihr auf den Rand des Bettes. „Guten Morgen, Süße, du hast geschlafen wie ein Stein, ich dachte schon du wachst gar nicht mehr auf. Wie konntest du nur bei Godzilla und den Urraupen einschlafen? Du bist nicht mal aufgewacht, als ich dich hierher getragen habe“, sagte er und machte ein gespielt entrüstetes Gesicht. Dann küsste er Doc auf die Stirn. „Oh, tut mir leid, aber du hast mich auch mit Wodka abgefüllt.“ „Hey, ist doch halb so wild, ich schätze, wir haben noch jede Menge Zeit, um die vergangene Nacht nachzuholen. Soll ich dir ein Frühstück aufs Zimmer bestellen? Ich muss kurz zu Jean, die nötige Ausrüstung für unsere kleine Klettertour besprechen, und dann wollte ich im Anschluss die Waffenkammer überprüfen. Wartest du hier, oder möchtest du mitkommen?“

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Docs Blick verfolgte einen Tropfen, der über die Orchidee auf seiner Brust, in Richtung Bauchnabel hinunterlief. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders. „Jane?“ „Oh, ähm was? Ach so, ja, also nein, ich glaube, ich werde eine Runde joggen, und dann werde ich vielleicht oben an der Poolbar frühstücken. Es sieht so schön aus draußen, und ich vermisse meine Schwestern ein wenig. Vielleicht laufe ich ja einer über den Weg.“ „Hm, ok, ich komme dann in ungefähr einer Stunde an die Poolbar, vielleicht können wir ja dann zusammen Frühstücken?“ Er wirkte ein wenig verärgert, versuchte das aber zu verbergen, sie bemerkte es aber trotzdem.
Er stand auf, ging rüber zu seinem Kleiderschrank und zog sich an. Doc stand auch auf und sprang in ihre Sportklamotten. Dann schnappte sie sich ihren MP3-Player, stöpselte die Hörer in die Ohren und gab Bowen einen flüchtigen Kuss zum Abschied. Er murmelte noch etwas, aber in ihren Ohren dröhnte schon die Musik. Dann lief sie los. Draußen angekommen drehte sie eine Runde übers Deck und sah dann Kerstin an der Poolbar sitzen und mit Cyrus reden. Sie joggte zu den beiden rüber, nahm die Hörer ab, umarmte Kerstin und setzte sich neben sie auf einen Hocker. „Guten Morgen, ihr Beiden.“ „Hey, Jane, wow, schon so fit am frühen Morgen, oder läufst du vor etwas davon?“ Kerstin grinste sie an, es war eher ein seltenes Bild Doc beim Joggen zu sehen. „Guten Morgen, Doc, wie wäre es mit einem Jogger-Fruchtcocktail?“ fragte Cyrus „Ja, bitte! Ach Kerstin, na ja, fit nicht wirklich, aber ich wollte mal raus und den Kopf frei bekommen. Ich habe euch vermisst, cool, dass du auch schon wach bist. Was machst du denn hier so alleine?“ Kerstin schlürfte an ihrem Getränk und antwortete: „Ich warte auf Tim, wir wollten hier draußen zusammen frühstücken und danach ein bisschen im Fitnessraum trainieren.“
„Geht Bowen dir schon auf den Keks? Also ich hätte heute Abend noch nichts vor“, sagte Cyrus zwinkernd zu Doc und stellte das Glas vor ihr ab. „Danke für das Angebot, und nein.“ Kerstin fiel der nachdenkliche Unterton in Docs Stimme auf, wollte aber in Gegenwart von Cyrus nichts sagen. „Ja, das ist auch besser so†œ, plapperte Cyrus drauflos, „Bowen würde mich sonst wohl über Bord gehen lassen, ich hänge eigentlich auch an meinem Leben.“ Er grinste die beiden an. „Na ja, übertreib mal nicht, außerdem, ich bin ja nicht sein Eigentum. Ich kann tun und lassen was ich will, trotzdem, ich verbringe meine Zeit gern mit ihm und wenn nicht mit ihm, dann am liebsten mit meinen Schwestern.“ „Tja, ich befürchte, das sieht Bowen anders, aber das sollte er dir besser selbst erklären.“
Fragend sah Doc zu Kerstin rüber, doch die zuckte nur mit den Schultern. „Ach, komm schon Cyrus, so als Barkeeper und guter Freund von Bowen, da weiß man doch eine Menge und berät gerne†œ, sagte Kerstin und bedachte Cyrus mit ihrem charmanten Lächeln. „Also, was weißt du, was wir nicht wissen?“ Kerstin war eine Meisterin darin Informationen aus Leuten herauszukitzeln. Er wollte gerade etwas erwidern, da tauchte Tim an der Poolbar auf, „Na, Cyrus, bist du schon wieder am Tratschen, du altes Waschweib?“ Dann küsste er Kerstin und zog sie mit sich an einen Tisch auf dem schon ein fabelhaftes Frühstück stand. Doc blickte den beiden nach, und als sie sich wieder umdrehte, war Cyrus verschwunden. Was er damit wohl sagen wollte? Sie würde es schon noch herausfinden und entschied sich, nicht lange zu fackeln. Sie wollte Bowen suchen und ihn zur Rede zur stellen.
Sein Eigentum? Sie hatte immer noch Schwierigkeiten ihre ungewöhnlich starken Gefühle für Bowen einzuordnen. Innerhalb so kurzer Zeit, hatte sie noch nie so intensiv für jemanden empfunden. Es machte ihr auch ein klein wenig Angst, sie fühlte sich ausgeliefert, und das passte ihr ganz und gar nicht. Für gewöhnlich hatte sie lieber die Kontrolle. Die Vermutung, er hätte ihr etwas verschwiegen, schlummerte seit ihrem plötzlichen Einzug bei ihm, in ihren Gedanken. Und auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, die Vorstellung allein verbreitete ein flaues Gefühl in ihrem Magen. Dass er sehr dominant war, das war ihr natürlich direkt aufgefallen, aber gegen einen starken Mann, der weiß was er will, hatte sie auch nichts. Aber wenn er vor hatte, ihr Grenzen zu setzen, oder sie zu bevormunden, dann könnte es wirklich schwierig werden. Sie musste die Notbremse ziehen!

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Sie war in ihrem bisherigen Leben keine Frau für feste Beziehungen gewesen und ist den damit einhergehenden Verpflichtungen akribisch aus dem Weg gegangen.
Sie ging direkt zur Waffenkammer auf Deck 4, klopfte gar nicht erst an, sondern platze einfach in den Raum. Bowen stand gerade vor einem Metallschrank und überprüfte die Munition. Er drehte sich um, und blickte sie überrascht an. Er spürte sofort, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. „Jane, schön dich zu sehen, ich dachte du wolltest lieber etwas mit deinen Freundinnen machen?“ „Hm, das hatte ich so nicht gesagt, aber das ist jetzt auch unwichtig. Ich muss dich etwas fragen, mir ist es schon selbst aufgefallen, und Cy… also, jemand hat da eine Andeutung gemacht und ich würde es aber lieber von dir erfahren.“ Sie holte nochmals tief Luft und wich einen Schritt zurück, als Bowen auf sie zukam.
Jetzt wirkte er besorgt, er schien ihre Unsicherheit zu spüren.
„Also, Bowen, siehst du mich als dein Eigentum an?“
„Was? Wie kommst du denn darauf?“
„Das ist doch egal, also, ist das so? Weil, dann haben wir beide ein wirkliches Problem!“
„Jane, nein, das tue ich nicht, aber ich, also verdammt, ich könnte Cyrus den Hals umdrehen. Jane, hör zu.“ Er ging wieder auf sie zu, legte die Hände auf ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen
„Du hast mich doch mal gefragt, ob ich eine Vampirnummer mit dir abziehe, wegen der starken Anziehung zwischen uns? Das tue ich selbstverständlich nicht! Eine Sache habe ich allerdings verschwiegen, denn ich wollte dich nicht unter Druck setzten.“
Er holte tief Luft, und es dauerte einen Moment bis er sie wieder ausstieß.
„Die Sache ist die, Vampire binden sich in ihrem Leben nur einmal an eine Frau, ihre Gefährtin auf Lebenszeit. Es ist etwas ganz Besonderes und manche finden diese eine Frau nie, aber wenn, dann schlägt es ein wie ein Blitz, man hat keine Wahl. Für mich ist das alles ebenso neu wie für dich. Ich komme gegen meine Eifersucht und das Bedürfnis dich vor allem auf der Welt zu beschützen nicht an. Es kostet mich einiges an Selbstbeherrschung nicht alles Männliche, was näher als einen Meter an dich herankommt, zu Brei zu schlagen. Momentan bin ich sogar eifersüchtig auf deine anderen Schwestern. Am liebsten würde ich dich einsperren. Seitdem ich von dir getrunken habe, bin ich an dich gebunden. Jane, es tut mir leid, ich versuche auch bestmöglich gegen meine Instinkte anzukämpfen. Das wird auch nicht immer so bleiben. Wenn wir eine gegenseitige Blutsverbindung eingehen, dann ist für alle mythischen Wesen erkennbar, dass wir zusammengehören. Ich wusste vom ersten Moment, dass du meine Gefährtin fürs Leben bist. Du bist meine Seelenverwandte, mein Gegenstück, die Frau, nach der ich mein Leben lang gesucht habe! Ich gehöre dir, wenn du mich willst. Jane, ich, ich liebe Dich.“
Er fixierte sie weiterhin mit seinem Blick, doch Doc machte sich von ihm los und Schritt durch den Raum. „Bowen, mir ist das zu eng, du hättest mir vorher davon erzählen müssen. Mir geht das zu schnell, ich bin ein Mitglied von Sixpack, eine Kriegerin, ich brauche meinen Freiraum und meine Schwestern. Du machst mir Angst! Es tut mir auch leid, aber ich glaube, dass es das Beste ist, wenn ich wieder zurück in meine Kabine ziehe, und wir versuchen es etwas lockerer angehen zu lassen. Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken. Mir war nicht klar, wie viel unsere Affäre dir bedeutet. Hätte ich das gewusst, wäre es nicht soweit gekommen.“ Sie wollte gerade zur Tür hinausgehen, da hielt er sie am Arm fest. „Jane, Teufel noch mal, jetzt lauf doch nicht weg! Das ist doch kein Grund alles in Frage zu stellen. Ich bemühe mich doch, dich nicht einzuengen. Mit der Verbindung hast du soviel Zeit wie du brauchst. Mir ist völlig klar wie das auf dich wirken muss, ich wollte nur ehrlich sein… bitte, geh jetzt nicht.“
Doc blickt auf seine Hand, die ihren Oberarm umklammerte. „Lass. Mich. Sofort. Los!“ Er sah ihren eiskalten Blick.

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Im Moment hatte es wohl keinen Sinn sie von irgendwas abzuhalten, geschweige denn, sie zu überzeugen. Widerwillig ließ er sie los. Sie rannte auf der Stelle davon. Bowen stand für einen Moment wie paralysiert im Waffenraum und konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Schmerz durchzog seinen Brustkorb, wütend boxte er gegen die Metalltür des Waffenschranks, die daraufhin krachend durch den Raum flog. Seit dem Tod seiner Eltern hatte er sich in seinem Leben nicht mehr so verloren gefühlt.
Tränen brannten unter Docs Lidern. Sie lief zu Bowens Kabine und stopfte im Eilverfahren ihre Sachen in ihren Koffer. Nur gut, dass sie nicht so einen Klamottenfimmel hatte. Sie nahm ihre Sachen und ging zurück zu der Suite, die sie die ersten Nächte bewohnt hatte. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, warf sie sich aufs Bett und fing hemmungslos an zu schluchzen. Wie er sie angesehen hatte, es kam ihr so vor, als hätte sie fühlen können wie sich sein Herz zusammengezogen hatte. Oder war es ihr eigenes Herz gewesen? Vor ihrem inneren Auge erschien sein trauriges Gesicht, er hatte so verzweifelt ausgesehen. Sie wollte ihn ja, es hatte ihr fast das Herz zerrissen so kalt zu ihm zu sein, aber sie hatte Angst. Eine Blutsverbindung und für den Rest ihres unsterblichen Daseins an ihn gebunden sein? Woher sollte sie wissen, ob ihre Gefühle wirklich stark genug dafür waren?
Als Bowen die Tür seiner Kabine geschlossen hatte, bemerkte er sofort, dass sie wirklich ihre Sachen geholt hatte. Auch wenn sie nur kurz bei ihm gewohnt hatte, spürte er eine Leere in seinem Zuhause. Auch wenn ihn nur zwei Türen von ihr trennten, es fühlte sich an, als wäre eine unüberwindbare Kluft zwischen ihnen entstanden. Er setzte sich aufs Bett und sah, dass sie ihren roten Seidenschal vergessen hatte. Er hob ihn auf und ließ ihn gedankenverloren durch die Hände gleiten. Hoffentlich war noch nicht alles verloren. Eine einzelne Träne lief über seine Wange, er würde nicht aufgeben.

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online – Drago [Kapitel 8]

Black Dagger Ladies Online †“ Zurück an Bord [Kapitel 6]

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Zurück an Bord
Kapitel 6

„Angie?“, flüsterte er eindringlich, „kannst du mich hören?“ „Nein“, murmelte ich, „aber bevor du mich kalt machst, oder was auch immer du vorhast, könntest du bitte erst das Messer aus meinem Kopf ziehen?“ Erstaunt tastete er meinen Kopf ab. „Aber da ist doch kein..“, da lachte er leise. „Oh, jetzt verstehe ich… Hier trifft einfach zu viel verschiedene Magie aufeinander. Moment, gleich geht es dir besser.“ Er nahm meinen Kopf behutsam in seine Hände und drückte ganz leicht seine Stirn gegen meine. Augenblicke später verschwand der Schmerz aus meinem Kopf. „Wie hast du das gemacht?“, fragte ich ihn kaum hörbar. „Warte, ich bin noch nicht fertig. Aber bevor ich dir alles erkläre, musst du erst zu Kräften kommen, damit ich dich hier herausbringen kann. Du darfst ab jetzt keinen Laut mehr von dir geben, egal was ich sage oder tue. Okay, jetzt kann es ein bisschen eklig werden. Aber du musst das unbedingt schlucken, versprich es mir!“ Nicken konnte ich nicht, also schloss ich kurz meine Augen und blickte dann wieder in seine, die mich freundlich ansahen. Keine Ahnung warum ich ihm vertraute, aber es war einfach so. Da zog er mich vorsichtig auf seinen Schoß, biss in sein Handgelenk und drückte es dann gegen meine Lippen. Die Flüssigkeit, die meinen Mund füllte, schmeckte etwas sonderbar, aber ich schluckte sie ganz vorsichtig herunter. Sie brannte heiß, aber nicht unangenehm in meinem Hals. Von meiner Magengegend aus durchflutete mich ein unheimlich gutes Gefühl. „So, das müsste fürs Erste reichen†œ, flüsterte er und leckte sich über seine Wunde, die sich daraufhin sofort wieder verschloss. „Kann ich jetzt meine Augen wieder haben?“, fragte ich ihn flüsternd. „Nein, kannst du nicht, Cousinchen. Das sind meine. Deine sehen zwar genauso aus, aber es sind trotzdem meine Augen. So, jetzt lassen wir erstmal den Drachencocktail wirken. Es kann nämlich noch ein bisschen dauern, bis du wieder Tango tanzen kannst“, flüsterte er grinsend an mein Ohr. Schockiert starrte ich ihn an, er ist doch wohl nicht…? Doch er legte mich nur wieder vorsichtig auf den Boden zurück, drehte mir den Rücken zu und riss die Tür mit einem Ruck auf. „So†œ, sprach er mit seiner anderen, fiesen krächzenden Stimme zu den Wachen, „das kleine Schätzchen ist wieder ruhig gestellt. Auf ein Wort, Jungs†œ, und damit zog er die Tür hinter sich zu. Plötzlich war nur noch ein unheimlich lautes Fauchen zu hören, als ob ein Flammenwerfer angeworfen würde. Dann hörte ich entsetzlich schrille Schreie, die abrupt abbrachen. Als sich die Tür kurze Zeit später wieder öffnete, roch es durchdringend nach verbranntem Fleisch und ein kleines bisschen nach Schwefel.
Da stand er, breit grinsend. Langsam verwandelte er sich vor meinen Augen in seine wahre Gestalt. Er war riesig, blond, muskulös, sehr gut aussehend und strahlte ein gesundes Selbstbewusstsein aus. Ich hätte schwören können, dass aus seiner Nase kleine Rauchwölckchen aufstiegen. „Nochmals hallo, Cousinchen“, feixte er, „ja, ich bin dein weit entfernter Cousin Drago, vom Clan der Grünen Drachen. Wir müssen hier schnellstens verschwinden, aber ich werde dir unterwegs alles erklären.“ Sprach´s, hob mich auf und trug mich an zwei kleinen noch rauchenden Aschehäufchen vorbei. Er trabte leichtfüßig mit mir durch ein Labyrinth von vielen unterirdischen Gängen, währenddessen fing er an zu erzählen: „Wir beobachten schon seit vielen Jahren die Aktivitäten der Red Dragon, lange bevor deine „Blümchenbrüder“ oder ihr Schwestern auf sie aufmerksam geworden seid.†œ Gott, hoffentlich sah ich sie alle wieder, dachte ich nur, und schon liefen mir wieder die Tränen übers Gesicht. „Was ist denn?†œ, fragte er leise. Ich erzählte ihm, was ich angestellt hatte. „Ach, das wird schon wieder†œ, versuchte er mich zu trösten, „die können schon auf sich aufpassen. Aha, der Norbert ist also deiner?“, grinste er mich an. Ich wurde rot und er redete schnell weiter. „Na, jedenfalls konnte ich mich in der Gestalt von diesem Dude bei ihnen einschleichen, hehe, er ist schon lange Geschichte, und so konnte ich so manche Aktion verhindern, aber eben leider nicht alles. Kannst du dir vorstellen, was ich für einen Schrecken bekam, als ich dich zusammen mit den Wachen in der geheimen Kammer fand? Ich muss meine Rolle sehr überzeugend gespielt haben, sie haben jedenfalls keinen Verdacht geschöpft. Sei bloß froh, dass ich dir die versteckten Waffen abgenommen habe und nicht sie.†œ Er grinste mich frech an, und ich knuffte ihn lächelnd.

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Ich kannte ihn und den Clan der Green Dragon eigentlich nur aus den Erzählungen meiner Großmutter. Dieser Clan war legendär unter den Drachen-Clans und irgendwie mit mir verwandt. Er war für die Einhaltung der Gesetze zuständig und fungierte als eine Art Sicherheitspolizei. Drago hatte den Ruf ihr bester Mann sein.
Als wir um die nächste Ecke bogen, blieb er vor einer Tür stehen, öffnete diese und rief erstaunt aus: „ Na, guck mal an, da ist ja unser Elfchen Lilli, und Zwölfchen Fernando ist auch da!“
„Angie!“ Lilli wollte sich gerade auf mich stürzen, als sie Drago entdeckte. Fernandos Hand schloss sich fest um seinen Schwertgriff, das weiße trat schon an seinen Knöcheln hervor. „Ganz ruhig, das ist mein Cousin Drago! Er spielt auf unserer Seite!“, ich zappelte in seinen Armen ein wenig herum und endlich ließ er mich herunter. Lilli umarmte mich so fest, dass ich fast keine Luft mehr bekam. „Oh Lilli, ich bin so froh dich zu sehen. Ich hatte echt Probleme und war in einer brenzligen Situation. Aber das erzähl ich dir später. Fest steht, wenn Drago nicht dagewesen wäre, wäre ich bestimmt Schlimmeres mit mir passiert. Ich möchte schnellstmöglich weg von hier. Wo sind denn die anderen?“ „Sind alle zurück zur Seraphim, wir sollten uns auch schleunigst auf den Weg machen, mensch Angie, bin ich froh, dass dir nichts passiert ist! Einige sind vor Sorge um dich fast umgekommen. Na los, nichts wie zurück an Bord würde ich sagen“, sagte Fernando und wandte sich dann an Drago. „Was ist mit dir, Grashüpfer? Lange nichts von dir gehört, wobei, irgendwie habe ich dich gar nicht vermisst. Wenn du mitkommen willst, meinetwegen, aber deine Feuerspucker-Nummer behältst du für dich, wenn du bei uns an Bord bist! Ist das klar? Ansonsten kannst du direkt ein Tänzchen auf der Planke hinlegen, und ich glaube, Wasser ist nicht so wirklich dein Element, wenn ich mich recht erinnere. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die anderen sich ebenso darüber freuen, dich wieder zusehen.“
„Hm tja, da die Red Dragon sich ja leider von hier verpisst haben, könnte ich mir eure Nussschale mal anschauen. Na dann auf, ich kann das Wiedersehen mit den anderen Blümchen kaum erwarten.“ Okay, anscheinend kannte Drago die Bruderschaft der Schwarzen Orchidee. Wieso und weshalb war mir zwar noch unklar, aber das würde ich schon noch raus finden. Lilli schlug die Richtung zum Schnellboot an und wir folgten ihr. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir unser Boot und hielten Kurs zurück zur Seraphim.

Endlich angekommen, stürmten auch schon die anderen versammelt auf mich zu. Auch Cyrus und Tiago, die während unserer Abwesenheit die Seraphim bewacht hatten, gesellten sich zu dem Begrüßungskomitee. Allen voran Norbert, der sich mir als Erster an den Hals warf. „Angie, oh mein Gott, da bist du ja endlich! Wie geht´s dir? Ich bin so ein Idiot, es tut mir unendlich leid, ich war ja so bescheuert.“ Er sah mir tief in die Augen und küsste mich so leidenschaftlich, dass ich schon befürchtete, wieder mein Bewusstsein zu verlieren. Er hatte aber auch betörende Lippen. Die ganze Anspannung fiel von mir ab, und ich merkte, wie mir Tränen über das Gesicht liefen. Man, das war haarscharf gewesen, und es hätte wirklich ganz anders ausgehen können. Norbert löste sich von mir und drückte mich nochmals ganz fest, nahm meine Hand und stellte sich an meine Seite. Dann wurde ich von Doc durchgeknuddlet. „Wo warst du? Bist du verletzt? Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Wer ist der Typ da?“
Es war so schön wieder in die vertrauten Gesichter zu blicken. „Mir geht´s gut, Kleine. Das ist mein Retter und Cousin Drago. Ich hätte gern erstmal ne Dusche, und später erzähle ich euch alles haarklein. Dann flüsterte Doc mir noch ins Ohr: „Du kannst ja nicht mal verschollen sein, ohne ne heiße Schnitte aufzutun, was!“ Es folgte eine Welle von Umarmungen. Dann trat Duncan auf mich zu. Er klopfte mir auf die Schulter und brummte irgendwas darüber, dass er froh sei, mich zu sehen. Dann forderte er uns alle auf, ihm in den Besprechungsraum zu folgen.

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Ich wartete bis alle losmarschiert waren, dann ging ich ihnen mit Norbert nach.
Im Besprechungszimmer konnte ich gerade noch sehen, wie sich Cyrus zwischen Bowen und Drago zwängte. „Hey Bowen, ganz ruhig, hier wird nicht rumgeschmust. Ich bin auch nicht froh, das Feuerzeug hier an Bord zu haben, aber vielleicht erweist er sich für uns noch nützlich.“ „Ich glaube nicht, dass wir hier einen Grillanzünder benötigen.“ Bowen fauchte noch einmal sehr Furcht einflößend den selbst zufriedenen, grinsenden Drachen an und setzte sich dann neben Doc. Was das wohl zu bedeuten hatte? Dann räusperte sich Duncan und stand auf.
„Also, wie wir ja alle feststellen konnten, haben die Red Dragon die Flucht ergriffen und ihren Standort in New Orleans aufgegeben. Trotzdem, ihr habt alle einen wirklich guten Job gemacht. Zum Glück sind alle wohlbehalten zurückgekehrt! Und abgesehen davon gibt es ein paar stinkende Ghule weniger. Ich hoffe, dass Lilli und Lucy noch einige aufschlussreiche Informationen von der zerstörten Festplatte retten können. Da wir überall auf dem Globus Kontaktleute und Informanten stationiert haben, konnte Sweetlife, die fleißig weiter recherchiert hat, einen möglichen weiteren Stützpunkt der Dragons ausmachen. Dann poliert mal euer Schul-Spanisch auf, denn unser nächstes Ziel ist in Südamerika. Um genau zu sein handelt es sich um die peruanischen Anden. Dort gibt es eine verlassene Geisterstadt – die versteckte Inka-Stadt der heiligen Lamas Choquequirao. Wir legen in Lima an und werden von dort nach Cusco fliegen. Dann geht es zu Fuß auf den Berg. Wir werden ca. 5 Tage brauchen bis wir in Peru sind, also ruht euch ruhig ein wenig aus. Vernachlässigt aber euer Training nicht, denn das wird ganz sicher kein Zuckerschlecken und uns wird Einiges abverlangt werden. So, nun zu unserem alten Bekannten Drago. Wie ich erfahren habe. ist er einerseits ein Verwandte von Angie und andererseits ihr Lebensretter. Das verschafft ihm einen gewissen Status! Also Jungs, keine Handgreiflichkeiten †“ allerdings werde ich euch auch nicht dazu zwingen nett zu ihm zu sein. Drago, in deinem Interesse rate ich dir, deine Zunge zu hüten. Denk an das letzte Mal als wir miteinander zu tun hatten. Gib deinen Leuten Bescheid, dass du hier bei uns bist, und dann treffen wir uns später noch einmal. Du wirst ja eine Menge Informationen für uns haben, da du schon länger verdeckt ermittelt hast. Ich hoffe, es sind ein paar hilfreiche Neuigkeiten für uns dabei. Das war es erstmal von meiner Seite, die Einzelheiten besprechen wir dann in den nächsten Tagen. Ach ja, bevor ich es vergesse, Angie, du sollst dich mit Sweetlife in Verbindung setzen.“ Duncan stand auf und ging aus dem Raum. Die anderen fingen an sich zu unterhalten.
Kaum war Duncan fort, packte Bowen Docs Hand, grinste sie an und zog sie raus auf den Korridor. Er warf sie sich über die Schulter und ging schnurstracks zu seiner Kabine. Docs halbherzigen Protest ignorierte er einfach. In seiner Kabine angekommen, versetzte er der Türe einen Tritt, die daraufhin laut zuknallte.“ „So, das hätten wir also.“ Er zog den Reißverschluss von Docs Lederjacke auf und streifte sie ihr ab. In seinen Augen stand ein solches Verlangen, das Doc das Gefühl hatte, seine Blicke würden sie tatsächlich berühren. „Bowen, ähm, ich würde gern kurz rüber zu mir und mich duschen und umziehen. Danach kannst du gern weiter Tarzan spielen.“ Sie legte die Hände auf seine Schultern, lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss. „Hm, wieso duscht du nicht hier? Ich habe, als wir fort waren, von Tiago all deine Sachen hier in meine Suite bringen lassen.“ Er deutete mit einem Blick auf eine Kommode, die vorher noch nicht dort war. Daneben stand Docs Koffer. „Hältst du es nicht für nötig mich zu fragen, ob ich damit einverstanden bin? Ich sag´s dir gleich, ich hasse es, wenn Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen werden.“ Auch wenn dies der Wahrheit entsprach, irgendwie gefiel ihr der Gedanke in Bowens Kabine einzuziehen. Es sah sowieso ganz danach aus, als würde sie ihre Nächte an Bord in seiner Gesellschaft verbringen. „Sei nicht sauer, Jane, ich habe die Entscheidung auch erst getroffen, nachdem wir uns am Mausoleum unterhalten hatten. Da habe ich Tiago eine SMS geschrieben.

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Ich weiß, das geht alles etwas schnell, aber wenn man sich sicher ist! Ich bin kein geduldiger Mensch und ich will dich in meiner Nähe. Jetzt, wo dieser idiotische Drago an Bord ist, erst recht!“
Was Doc noch nicht wusste war, dass Vampire sich in ihrem Leben nur einmal binden. Wenn sie ihre Gefährtin gefunden haben, geht diese Verbindung über den Tod hinaus. Bowens Besitz ergreifendes Verhalten sah ganz danach aus, als würde ein besonderes Band zwischen den Beiden bestehen. Doch er wollte sie mit diesen Details nicht völlig unter Druck setzen. „Hm…okay Bowen, diesmal lasse ich dir das durchgehen, aber glaube nicht, dass du immer so leicht davon kommst und ich durchsetzten kannst.“
Sie streifte ihre Stiefel ab, zog ihre Hose aus, und stolzierte dann, wohl wissend, dass Bowen sie beobachte, ins Badezimmer. Badetempel würde es eher treffen, es verwunderte sie auch nicht, dass es komplett mit schwarzen Mosaiken gefliest war. Bowen stand anscheinend auf Schwarz. Sie stellte die Dusche an. Tiago, ganz der perfekte Concierge, hatte natürlich auch ihr Shampoo bereitgestellt.
Hm, Erdbeerduft!  Sie genoss einfach das Wasser auf ihrer Haut. Sie hörte die leisen Schritte, ignorierte sie aber einfach. Da fühlte sie zwei kräftige Hände.  „Wenn du wüsstest wie verführerisch du aussiehst, wenn der Schaum an deinem Körper hinab rinnt.“  „Du riechst nicht nur wie eine Erdbeere, du schmeckst auch so.“ Bowen küsste sie, stellte das Wasser ab und hüllte sie in ein Handtuch. Dann trug er sie zum Bett, legte sie vorsichtig darauf ab und setzte sich neben sie. „So, und jetzt bestellen wir erstmal was zu Essen aufs Zimmer, worauf hast du Lust?“ Er wollte schon nach dem Telefon greifen, aber Doc grinste nur.

Während Doc und Bowen sich schon zurückgezogen hatten, überlegte Kerstin wie sie Tim ablenken und Drago in ein Gespräch ziehen konnte. Sie hätte es sich nie träumen lassen, aber Drago hatte ihr Interesse geweckt, irgendwie fühlte sie sich magisch von ihm angezogen. War es der Reiz des Verbotenen? Denn sie war doch mit Tim glücklich! Oder etwa nicht? War es das Geheimnis, das Drago mit der Schwarzen Orchidee verband? Kerstin war ja schon immer sehr neugierig gewesen, und sie hätte auch Tim fragen können. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund wollte sie es von ihm selbst erfahren. Was war nur los mit ihr? Warum wollte sie ihre Beziehung zu Tim, die doch super funktionierte, für einen Typen, den sie erst vor 30 Minuten kennengelernt hatte, aufs Spiel setzen? Sie wusste es selbst nicht. Aber der Drang es zu tun, wurde immer größer. Gerade als sie sich überlegte wie sie Tim ablenken könnte, kam Duncan. Er brauchte Tim im Maschinenraum. Irgendein Motor machte Schwierigkeiten.
Kerstin sagte zu Tim, dass sie auf ihrem Zimmer sei. Sie bräuchte dringend ein heißes Bad.

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Tim sah sie fragend an, wahrscheinlich spürte er die Veränderung in Kerstin. Aber er fragte nicht nach. Er nahm sie schweigend in die Arme und küsste sie zärtlich. Dann folgte er Duncan. Jetzt war Kerstin allein mit Drago. Ihm war es nicht entgangen, dass er Kerstins Interesse geweckt hatte. Da er aber auch gesehen hatte, dass Tim sie geküsst hatte, hielt er sich zurück. Er hatte ja schon einmal wegen einer Frau in Schwierigkeiten gesteckt. Er ließ Kerstin den ersten Schritt machen – und sie tat ihn. „So, so, du bist also Angies Cousin?†œ, fragte sie. „Jap“, antwortet er lapidar. „Ich will ja nicht neugierig sein, aber was ist da zwischen dir und den Jungs?“, fragte sie weiter. „Hm, sei mir nicht böse, aber darüber möchte ich mit dir jetzt nicht reden. Irgendwann wirst du es schon erfahren.“
Okay, das war jetzt nicht so gut gelaufen. Er schaute ihr tief in die Augen und Kerstin spürte plötzlich eine innere Ruhe. „Ah, du bist auch noch Gedankenleser?“ Schlagartig wurde ihr klar, dass er über diese Fähigkeiten verfügte. Doch letztendlich hatte sie ins Blaue geraten und war über seine Antwort überrascht. „Es wäre nett, wenn du es niemanden sagen würdest, selbst Angie weiß nichts davon.“ „Warum nicht?†œ, fragte Kerstin, die nun erst recht neugierig geworden war. „Weil es mein Geheimnis bleiben soll“, antwortete er in einem barschen Ton und sichtlich geschockt und wütend über Kerstins Entdeckung.
„Ist ja gut“, reagierte Kerstin schnippisch. Sofort wollte er sich bei ihr entschuldigen, aber Kerstin ließ ihn gar nicht weiter zu Wort kommen. „Es ist okay, wenn du nichts sagen möchtest, aber ich werde dich auf keinen Fall decken. Sollte mich jemand fragen, werde ich es erzählen. Solange werde ich schweigen und dich im Auge behalten“, sagte sie. Sie wollte gerade gehen, als Drago sie unverhofft an sich zog und in seine muskulösen Arme nahm.
Erschrocken wollte sie ihn von sich stoßen, aber dann empfand sie seine Berührung als sehr angenehm. Sie schauten sich tief in die Augen. Beide spürten das Knistern in der Luft. Ohne zu fragen legte er seine Lippen auf ihre, und sie dachte gar nicht daran sich zu wehren. Während sie in diesem leidenschaftlichen Kuss vertieft waren, stand plötzlich Lilli in der Tür. „Ups, das wollte ich jetzt aber nicht. Kerstin……†œ, weiter kam Lilli nicht, denn erst da erkannte sie, wen Kerstin da geküsst hatte. Ihre Miene veränderte sich schlagartig, sie fing wieder an grün zu leuchten und fuhr Kerstin an: †œKommst du bitte mal vor die Tür!†œ Lilli stand im Gang, leuchtend grün, die Arme vor der Brust verschränkt, ein Fuß tippte ungeduldig auf den Boden, sie sah furchterregend aus. Es hätte noch gefehlt, dass ihr Rauch aus den Ohren kam. Sie war stinkwütend. Kerstin schlich schuldbewusst aus der Tür und schloss sie leise. „Sag mal, bist du total meschugge! So einen Mist können wir jetzt gar nicht gebrauchen. Kannst du deine Hormone bitte mal im Zaum halten. Ich fasse das nicht, was ist, wenn Tim das erfährt? Am liebsten würde ich dir eine runterhauen. Oh Mist, Mist, Mist!†œ
Lilli konnte sich kaum beruhigen. „Ich weiß jaaaaa.†œ sagte Kerstin leise. „Besser gesagt, ich weiß auch nicht, was das jetzt gerade war. Ich fühlte mich wie magisch angezogen von Drago. Ich konnte mich gar nicht dagegen wehren. Ich war regelrecht machtlos. Du hast ja recht. So was geht gar nicht. Ich bin ja glücklich mit Tim. Ich muss einen klaren Kopf bekommen und mit Tim reden. Ich geh mal an die frische Luft und suche dann Tim.†œ Lilli hatte sich wieder beruhigt, sie nahm Kerstin in die Arme. „Ja, kläre das und bleibe erst einmal weg von diesem Drago.†œ Kerstin schlich davon und Lilli ging schnurstracks durch die Tür, um sich auch noch Drago zur Brust zu nehmen. Dieser stand selbstgefällig da und grinste breit: „Da ist ja unser Elfchen wieder.†œ Lilli wurde erneut grün vor Zorn, sie ging auf Drago zu und stach ihm immer wieder mit dem Zeigefinger in die Brust.

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„Was für ein selten dämlicher Drache bist du eigentlich? Reiz mich ja nicht noch mehr, sonst kriegst du eine auf die Zwölf. Du hältst dich von Kerstin erst einmal fern. Das hätte jetzt gerade noch gefehlt. Ich glaube, es sind sowieso nicht alle gut auf dich zu sprechen. Also halte mal schön die Füße still. Ich warne dich! Du bist mir zwar sehr sympathisch, aber das Elfchen kann sehr unangenehm werden. †œLilli drehte sich auf dem Absatz um, stürmte aus dem Raum und ließ einen ziemlich verdutzen Drago stehen. Lilli ging, immer noch etwas außer sich, direkt zum Computerraum. Lucy und Gavin waren schon bei der Arbeit. Gavin hatte alle Trümmerteile des geborgenen Dragon-Computer auf dem Konferenztisch ausgebreitet und hantierte daran herum. Lucy saß vor einem Bildschirm und ließ ihre Finger über die Tastatur fliegen. „Habt ihr schon was?†œ Gavin sah von seiner Arbeit auf: „Hallo Lilli, wir sind mittendrin. Es sieht aber schlimmer aus, als es ist. Die Festplatte ist nicht stark beschädigt.†œ Lucy drehte sich um. „Also, das sind absolute Stümper. Ihre Passwörter hatte ich in Rekordzeit geknackt. Es gibt auch schon eine gute Nachricht!†œ „Ja? Schieß los, was ist es denn?†œ Lucy grinste. „Also, uns können sie nicht klonen. Aus ihren Daten geht hervor, dass unsere DNA zu kompliziert und zu umfangreich ist, um sie zu vervielfältigen. Sie hatten es mit Duncan, Jean und Doc versucht. In den Berichten steht, dass magische Wesen nicht klonbar sind. Ich habe allerdings noch nicht herausbekommen, woher sie die DNA hatten.†œ „Das ist wirklich Klasse, dann müssen wir uns wenigsten darüber keine Gedanken mehr machen.†œ Lilli ließ sich auf ihren Stuhl fallen und wollte gerade ihren Computer hochfahren, da fiel ihr ein roter Umschlag, der auf ihrer Tastatur lag, auf. Sie schaute zu Lucy: „Was ist denn das?†œ Lucy konnte ein Grinsen nicht verbergen. „Keine Ahnung. Musst du halt mal aufmachen.†œ
Lilli öffnete den Umschlag und zog eine rote Karte heraus †“

Einladung zum Dinner
Hiermit möchte ich dich, Lilli, zum Dinner einladen. Komme bitte um 20.00 Uhr auf das Oberdeck in den Rosenpavillion. Wir müssen doch unser unterbrochenes Gespräch noch beenden. Ich freue mich auf Dich!
Fernando

Lilli steckte die Karte wieder in den Umschlag zurück und schaute gedankenverloren auf ihre Tastatur. „Und, gehst du hin?†œ, platzte Lucy heraus. Gavin lachte. „Natürlich geht sie hin.†œ Gavin schaute Lilli durchdringend an. „Lilli, Fernando mag dich wirklich sehr. Seit ich ihn kenne, und das ist schon sehr lange, hat er noch nie eine Frau zum Candlelight-Dinner eingeladen. Es ist ihm wirklich sehr ernst. Enttäusche ihn bitte nicht.†œ „Keine Angst, Gavin. Das habe ich nicht vor. Ich lass mir ganz sicher kein Dinner mit einem gutaussehenden Mann entgehen.†œ Lilli lächelte, drehte sich zu ihrem Computer um und pfiff „Quando†œ vor sich hin.

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Meine kleine Freundin, die Waldelfe, ist verliebt, dachte Lucy bei sich und musste lächeln. Ich hab sie schon so lange nicht mehr so fröhlich gesehen, wann hatte Lilli das letzte Mal gesungen, fragte sie sich im Stillen. Sie war verletzt worden. Ihre Wunden waren alle innerlich, sodass niemand sie sehen konnte, und sie gaben Lilli das Gefühl allein zu sein. Aber das war sie nicht. Lucy wusste, dass ihre Freundin ein Leben lang gegen etwas Schreckliches gekämpft hatte, und jeder Gefahr hatte sie die Stirn geboten. Und trotzdem hatte sie ihr Lächeln nicht verloren, konnte sich vor Lachen manchmal nicht halten und bekam immer noch feuchte Augen, wenn sie zwei Verliebte beobachtete. „Ich brauche eine Pause†œ, sagte Lucy und unterbrach ihre eigenen Gedanken, „spricht etwas dagegen, wenn ich eine Runde schwimmen gehe?†œ Lilli winkte ihr zu, ohne von ihrem Computer aufzublicken. „Geh nur.†œ „Warte, ich komme mit, ich muss auch mal Verschnaufen†œ, rief ihr Gavin hinterher.
„Ist okay, geht nur und amüsiert euch. Ich schaff das hier alleine†œ, antwortet Lilli und hing schon wieder über ihrer Tastatur.
„Was ist los?†œ, fragte Lucy, die den Blick von Gavin nicht deuten konnte. „Ich wollte mit dir eine Stunde allein sein. Es gibt hier an Bord einen Ort, den du noch nicht kennst.†œ „Na, dann los. Da bin ich aber mal gespannt.†œ
Gavin ging voraus, immer tiefer ins Schiff hinunter, ohne ein Wort zu sprechen. Lucy war erneut erstaunt über die Vielzahl von Gängen und Kabinen. Hinter jeder Tür vermutete sie ein neues Geheimnis. Plötzlich blieben sie vor einer großen massiven Holztür stehen. Sie war dunkel gebeizt und verziert mit vielen filigranen Schnitzereien und Intarsien. Allein die Tür zu sehen und mit den Fingern die Maserung und Linien nachzufahren, dieses alte Holz zu fühlen, war schon den langen Weg wert. Lucy zog fragend eine Augenbraue hoch und wartete. „Schließe deine Augen. Bitte.†œ „Okay, ich denke, das Risiko kann ich eingehen†œ, sagte sie mit einem schelmischen Zwinkern. Der Feuerelf öffnete die Tür und schob Lucy vor sich in den dahinter liegenden Raum. Sie hörte Donner, dachte sie zumindest, aber das war kein Donner, stellte sie fest und starrte auf den hoch aufragenden Wasserfall, der sich über zwei Felssäulen in ein großes blaues Becken ergoss. Überall standen Grünpflanzen, und sogar Palmen entdeckte Lucy. Lilien trieben im Teich, rosa und weiß, wie hingemalt. Die Luft roch nach Blumen und reinem Wasser. Lucy war so fasziniert von dem Anblick, dass sie einfach stehen blieb. „Das ist ein Nachbau der Feenfälle†œ, erklärte ihr Gavin. „Es ist unglaublich, oh Gavin, ein kleines Stück Paradies. Ich muss jetzt sofort ins Wasser gehen und zerrte sich die Stiefel von den Füßen. Sie zog ihr Kleid über den Kopf und stand jetzt nur noch in Unterwäsche vor ihm. Dann sprang sie hinein. Als sie wieder auftauchte, stieß sie einen Freudenschrei aus. „Oh mein Gott, es ist herrlich. Das Wasser ist warm und so weich wie Seide – es ist wundervoll. „Es heißt, die Feen wärmen das Wasser jeden Morgen mit ihrem Atem†œ, sagte Gavin und zog sich die Stiefel aus. „Leute mit weniger Fantasie sprechen allerdings von einer Heizung auf dem Beckengrund.†œ „Feen oder Heizung, das ist mir egal, ich finde es großartig!†œ Gavin sprang mit einem gewaltigem Platsch ins Wasser, wie Männer es gerne tun. Lucy lachte nur und spritze zurück. Gemeinsam tauchten sie unter, spielten im Wasser wie Seehunde †“ die Katze und der Feuerelf. Mit kraftvollen Zügen schwamm sie durch das Becken bis sie den Aufprall des Wasserfalls spürte. Sie stieß sich vom Boden ab und schwamm direkt hinein. Das Wasser prasselte auf ihre Schultern, ihren Nacken und ihren Rücken herunter und schwemmte alle Schmerzen und Müdigkeit weg. Gavin schwamm auf sie zu, schlang die Arme um sie und lachend ließen sie sich zurück in die Mitte des Beckens treiben. Seine Lippen glitten über ihre Schläfe und ihre Wange bis zu ihrem Mund. Sein Kuss war weich und warm wie das Wasser und seine Hand streichelte sie sanft wie ein Windhauch. Es gab nur sie beide. Dies war ihre Zeit und ihr Ort. Sie versank in seinem Kuss und ließ sich vom Wasser und seinen Armen tragen. „Ich brauche dich†œ, er sah sie an. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich brauche?†œÂ  Wenn dieses Verlangen die Wahrheit war, dachte Lucy, dann konnte sie den Rest ihres Lebens damit verbringen. Sie gab sich ihm hin. Sie wusste, dass diese Wahrheit Liebe war.

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Ich drehte mich in dem wunderschönen Badezimmer vor dem großen Spiegel und betrachtete mich kritisch von allen Seiten und  nickte mir zufrieden zu. Kein Grund nervös zu werden, du ziehst das jetzt durch. Du siehst gut aus, und das bisschen Make up wird schon reichen. Nur noch etwas Lipgloss, und dann kann es losgehen. Ich atmete nochmals tief durch und sagte laut zu meinem Spiegelbild:„Du bist cool!†œ Nur das ziehen in der Magengegend und meine leicht zitternden Hände sprachen dagegen. Doch bevor mich mein Mut verlassen konnte, zog ich mir den seidenen Morgenmantel an und trug noch einen Hauch meines Lieblingsparfüms auf. Das kleine Päckchen war sicher in der kleinen Tasche des Mantels verstaut, und ich machte mich auf den Weg zu seiner Kabine. Vor seiner Tür streifte ich meine Schuhe ab, straffte meine Schultern, öffnete leise die Tür und schob mich hinein. Ich drückte sie mit dem Rücken zu und drehte den Schlüssel um. Heute sollte uns niemand stören. Schnell huschte mein Blick durch die geräumige Kabine. Der Mittelpunkt bildete das riesige Bett, das mit einem schwarzen Satinlacken bespannt war, auf dem nur ein einziges Kissen lag. Aha, Vampire stehen wohl auf schwarz, sehr schön!
Da saß er. Der, der in meinen Träumen rumgeisterte und mich verrückt machte. Auch nur mit einem Morgenmantel bekleidet, saß Norbert über seinen Schreibtisch gebeugt, auf dem eine kleine Leselampe die Kabine in ein schummriges Licht tauchte und raschelte mit irgendwelchen Papieren. Erstaunt blickte er auf, und als er mich von oben bis unten betrachtet hatte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und seine Augen begannen zu funkeln. Meine Unterwäsche schmolz und alle Nervosität war mit einem Schlag verschwunden. Blitzschnell sprang er auf, und gerade als er sich auf mich stürzen wollte, hob ich abwehrend die Hände und sagte laut: „ Halt, bleib wo du bist†œ. Verwundert hielt er inne. „Angie, was …?†œ, fragte er leise. „Nein, heute mische ich die Karten†œ, unterbrach ich ihn mit einem Lächeln und hielt das Päckchen hoch. „ Ich werde mit dir Mau-Mau spielen, aber nach meinen Regeln. Kennst du das Spiel?†œ Er schüttelte nur langsam den Kopf und kam wieder auf mich zu. „ Nein, bleib stehen, ich werde es dir erklären.†œ
Mit diesen Worten bewegte ich mich in seine Richtung, hob die erste Karte hoch, und zeigte sie ihm.

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Doc öffnete die Augen und konnte nichts sehen, totale Schwärze. Seltsam, eigentlich konnte sie im Dunkeln fast so gut sehen wie bei Tag. Sie hob den Kopf und atmete erleichtert auf, sie war wohl auf dem Bauch eingeschlafen und hatte mit dem Gesicht im Kissen gelegen. Sie stützte sich auf die Ellbogen, blickte rechts neben sich und sah in Bowens schlafendes Gesicht, er lag auf der Seite und hatte einen Arm um sie geschlungen. Schlafend hatte er etwas reizend Jungenhaftes an sich, fand Doc. Wie alt mochte er eigentlich sein, fragte sie sich? Seinem Äußeren nach zu urteilen war er allerhöchstens 35 Jahre alt, aber bei Vampiren hieß das ja nichts. Sie drehte den Kopf und blickte auf den Wecker, der neben dem Bett auf dem Boden stand. Es war erst 18 Uhr. Klar, sie waren ja die ganze Nacht im Mausoleum gewesen und erst am frühen Vormittag auf die Seraphim zurückgekehrt. Sie drehte sich auf die Seite, und als sie gerade aufstehen wollte, warf sich Bowen plötzlich auf sie. „Hey, hiergeblieben! Hier kommst du nicht mehr raus!“, sagte er und bedeckte ihre Schulter mit Küssen.
Ihr Magen gab ein lautes knurrendes Geräusch von sich. „Können wir dann vielleicht eine Pizza bestellen? Ich komme um vor Hunger. Ich habe ja schließlich kein Blut zu trinken bekommen.“ „Ich habe auch Hunger. Blut trinken wir nur zum Genuss und wegen der aphrodisierenden Wirkung. Es ist aber nicht lebensnotwendig, wir müssen auch normale Nahrung zu uns nehmen. Okay, ich habe eine Idee. Pizza steht nämlich nicht auf der Roomservice Karte, dazu müssen wir dann aber doch das Bett verlassen.“ Die Beiden standen auf. Doc schlüpfte in ein kurzes hellblaues Strandkleid und zog ihre heißgeliebten Bikerstiefel an. Bowen stieg in eine locker sitzende Jeans, zog ein verwaschenes Stones-T-Shirt über den Kopf und glitt mit den Füßen in ein paar ziemlich mitgenommen wirkende Chucks. Bei dem Anblick musste Doc grinsen, er sah so gar nicht wie der furchteinflößende Krieger aus, der er in der Nacht bei ihrem Einsatz gewesen war. Er gefiel ihr immer besser, wenn das überhaupt noch möglich war.
Bowen öffnete die Türe, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie den Korridor entlang. „Wohin gehen wir denn?“ Doc war immer gern über alles im Bilde und Bowen machte sich einen Spaß daraus sie an der Nase herumzuführen. „Warts ab Jane, du wirst es schon sehen. Es hat auf jeden Fall was mit Pizza zu tun.“ Er lotste sie immer tiefer ins Schiffsinnere. „Die Restaurants sind doch oben. Hm…“, grübelte sie laut, aber er lächelte nur. Als sie ein weiteres mal rechts abbogen waren, blieben sie vor einer Doppelschwingtüre mit zwei kreisförmigen Fenstern stehen. Daneben hing ein Schildchen mit der Aufschrift „Kombüse†œ. Er hielt ihr die eine Hälfte der Tür auf. „Bitteschön, treten Sie ein, und genießen sie ihren privaten Kochkurs mit Smutje McRieve.“ Kochkurs? Ohje, hoffentlich erwartete er nicht zu viel von ihr. Beim Brauen geheimnisvoller Tränke war sie unschlagbar, aber in der Küche war Doc eher eine Handgranate. Sie trat ein und war erstaunt wie riesig der Raum war. Eine Wand war mit Edelstahlanrichten gesäumt, in der Mitte befand sich eine gigantische Herdinsel, die bestimmt über 12 Kochstellen verfügte. An der gegenüberliegenden Wand standen mehrere Öfen und Kühlschränke. Zwei Türen im hinteren Bereich der Küche führten vermutlich zu Lagerräumen. „Wieso ist hier denn keiner?“ „Das hier ist nur eine der beiden Küchen an Bord, momentan sind ja nicht allzu viele Personen hier. Diese wird nur zum Lagern benutzt, oder wenn wir mal ein großes Fest schmeißen. Wir sind hier ungestört und können tun und lassen was wir wollen, und da meine schöne „Erdbeere†œ Lust auf Pizza hat, soll sie auch eine bekommen. So, dann wollen wir mal.“ Zielstrebig ging Bowen in einen der Lagerräume und kam kurz darauf mit Mehl, und einigen anderen Lebensmitteln bepackt, zurück.
Er zog pfeifend eine große Schüssel unter der Arbeitsfläche hervor, schüttete alles für den Teig hinein und fing an zu kneten. Doc beäugte das alles kritisch und stellte fest, dass sie ihn so ziemlich bei allem was er tat aufregend fand. „Dann komm mal her, ist ja deine Kochstunde.“

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Doc schritt langsam zu ihm hin. „Keine Angst, der Teig beisst nicht“, sagte er mit einen leichten Grinsen und legte den Teigklumpen auf die Arbeitsfläche. Als er Docs Zögern bemerkte, nahm er ihre Hände. Er stellte sich hinter sie und legte seine Hände auf ihre.
Zusammen begannen sie den Teig zu kneten. In Doc begann es zu kribbeln, er hatte wunderschöne Hände, und sie musste daran denken, wie sie sich auf ihrem Körper angefühlt hatten. „Ich wusste gar nicht, dass Kochen so leicht ist“, sagte sie und versuchte Bowen zu küssen. Er erwiderte ihren sehr intensiven Kuss, sie drehte sich zu ihm um und verspürte ein großes Verlangen, sie bemerkte, dass es im genauso ging. Wilde Fantasien blitzten durch ihren Kopf, aber das laute Knurren ihres Magens verdarb dann doch den Spaß und erinnerte sie an ihr eigentliches Vorhaben. „Du kleiner Nimmersatt“, neckte er und drückte ihr ein Nudelholz in die Hand. „Soll ich damit auf den Kopf oder die Knie zielen?“, fragte sie ihn und schwang das Nudelholz in der Luft herum. Gemeinsam rollten sie den Teig aus. Ruckzuck waren beide Pizzen fertig, und Bowen schob sie in den heißen Ofen. Als er sie ansah musste er lachen.
„Hey, was ist denn so komisch?“ „So komplett eingemehlt, siehst du zum Anbeißen aus.“ Doc schnaubte, sammelte etwas Mehl mit ihrer Hand auf und bewarf Bowen damit. „Na warte!“ Er wollte sie packen, aber sie duckte sich und flitzte einmal um die Kochinsel herum, er lief ihr nach, und lachend ließ sie sich einfangen. Nach einem Kuss schmiegte Doc sich an ihn, sah dann zu ihm auf,und ihr Gesicht nahm ernstere Züge an. „Bowen, sag mal, wie alt bist du eigentlich und woher kommst du? Nicht, dass es wichtig wäre, aber mich würde es schon interessieren.“ „Ich bin 34, oder findest du, ich sehe jünger aus?“ „Nein im Ernst, also sag schon.“ „Na gut, okay, ähm, ich bin 406 Jahre alt.“ Ihre Kinnlade klappte herunter. Das erklärte natürlich seine Erfahrung in so einigen Bereichen. „Ich wurde 1604 in Schottland geboren. Meine Eltern waren Kaufleute dort und sie sind bei einem Anschlag ums Leben gekommen als ich 25 war. In den vergangen Jahrzehnten haben wir, also die Bruderschaft, immer wieder in anderen Ländern gelebt. Seit ca. 3 Jahren wohnen ein paar von uns dauerhaft hier auf dem Schiff, das ist praktisch und mir persönlich gefällt es auch. So hat man eine Menge Abwechslung. Und wie steht es mit dir?“
Doc räusperte sich und senkte die Stimme ein wenig: „Ich wurde 1775 in Avalon geboren und wuchs auch dort auf. Mein Vater ist keltischer Abstammung und Merlin, also einer der höchsten Druiden gewesen. Von meiner Mutter weiß ich nur, dass sie eine Walküre gewesen war. Ich habe sie nie kennengelernt, denn sie starb bei meiner Geburt. Mein Dad hat das nie verwunden, er sprach niemals von ihr. Avalon liegt zwischen England und Irland, aber nur Druiden und andere magische Wesen haben Zugang dorthin, deshalb ist seine Existenz sehr umstritten. Vor 100 Jahren wurde der Zugang dorthin aber gänzlich zerstört, Avalon trieb immer mehr in die Nebel ab und ist nicht mehr zu finden, auch nicht magisch. Diejenigen die noch dort leben, unter anderem mein Vater, können nicht mehr von dort weg und auch keinen Kontakt in die andere Welt aufnehmen.“ Bowen sah an Docs Augen, dass es sie schmerzte, nicht mehr in ihre Heimat zurück zu können, und dass sie ihren Vater, den Merlin Gandalf, nie mehr wiedersehen würde. Sein Herz krampfte sich zusammen, er wollte nicht, dass es irgendetwas in ihrem Leben gab, das sie bedrückte. Er würde für sie durchs Feuer gehen. Er drückte sie fest an sich. „Hey, ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht vorhabe dich wieder zu verlassen und du mir alles anvertrauen kannst.“ Doc schniefte an seiner Brust. So verletzlich zeigte sie sich eigentlich nie, aber sie wusste, dass Bowen jemand Besonderes war. Sie hatte das Bedürfnis alles mit ihm zu teilen, auch die Dinge, über die sie nicht gern sprach.
„Ich glaube, die 15 Minuten sind rum. Wo essen wir denn? Hier?“ Bowen merkte, dass sie einen Themenwechsel beabsichtigte und ging darauf ein. „Also, nachdem ich dir heute vorwiegend meine guten Seiten präsentiert habe, wäre es an der Zeit dir ein weiteres Geheimnis anzuvertrauen.“ Er grinste schelmisch und holte die herrlich duftenden Pizzen aus dem Ofen.

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Er schnitt sie so schnell, dass das menschliche Auge es kaum hätte nachverfolgen können. Er nahm die zwei Teller und verließ damit die Küche. Doc folgte ihm, und gemeinsam fuhren sie mit dem Aufzug zwei Decks nach oben. Als die Tür des Lifts sich öffnete, sah sie schon ein großes Schild auf dem das Wort „Kino†œ prangte. „Oh, wow, ein Kino! Mensch, hier kann man es ja wirklich aushalten.“ Sie öffnete für Bowen die Tür und trat nach ihm, in den nur von Wandstrahlern schummrig beleuchteten Raum, ein. Das Kino war wunderschön. Es war nicht wie üblich mit diesen Klappsitzen bestückt, sondern dort standen sicherlich zwanzig bequem anmutende Sessel. Ein paar vereinzelte Sofas aus rhage-rotem Samt befanden sich ebenfalls in dem Raum. Der Boden war mit schwarzem Teppich ausgelegt. Sie ging zu einem Sofa in der Mitte und setze sich. Bowen stellte das Essen auf einem kleinen Beistelltisch ab, ging in die hintere Ecke zu einer kleinen Theke und zapfte dort zwei Cokes. Dann fuhrwerkte er noch etwas an der Technik herum und kam mit den Getränken und einer Fernbedienung zurück. Er ließ sich neben Doc aufs Sofa fallen, seufzte und blickte sie dann strahlend an. „So, Jane, ich hoffe, du bist erfreut darüber, mit mir an einer Godzilla-Kinonacht teilzunehmen. Ich liebe diese Filme einfach.“ Ohje, dachte Doc, man muss ja nicht in allem denselben Geschmack haben. Glücklich nahm sie ein Stück Pizza und kuschelte sich an Bowen. „Na dann mal los, ich kann´s kaum erwarten.“

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online †“ Ein neuer Passagier [Kapitel 7]